USA März 2007
Erste Schritte in der Neuen Welt (1)

Copyright by Jan-Geert Lukner

Eine Einladung meines Schulfreundes Lorenz, mit dem ich nach der Wende u.a. die "Ersten Schritte im Osten" in Form von zahlreichen spannenden Touren (Erlebnisbericht hier) erlebt habe, bewog mich, zum ersten Mal in meinem Leben unseren schönen Kontinent Europa zu verlassen und in die USA zu reisen. Aus der Planung, einfach "nur" Lorenz in New York zu besuchen, erwuchs schnell der Gedanke, auch mal eine Runde mit Amtrak nach Chicago zu drehen. Und daraus wiederum erwuchs der Gedanke, dass man ja auch mal für paar Tage per Mietwagen im Mittleren Westen die legendären langen Güterzüge fotografieren könnte. Lediglich den Gedanken, die Bahnfahrt auf eine zweite Nacht auszudehnen und Bilder in den Rocky Mountains zu machen, gaben wir bald wieder auf. Man muss ja nicht unbedingt dort Bilder machen, wo "alle" hinfahren. Und eine Nachtentfernung reichte für den Anfang schließlich auch.

Die konkrete Plaung war nun also eine zehntägige Reise mit zwei Tagen New York (je einen vor und nach dem Chicago-Abstecher) und einem halben Tag Chicago. Von Chicago aus sollte es für fünf Tage per Mietwagen durch Illinois und Iowa gehen. Die Hinfahrt nach Chicago buchten wir bei Amtrak, für die Rück"fahrt" entschieden wir uns leider aus Kostengründen dann doch für Delta Airlines. Hin- und Rückflug ab/an Hamburg hatte ich bei Emirates gebucht. Diese boten mit 386 Euro inkl aller Gebühren den deutlich günstigsten Preis an, flogen zu angenehmen Zeiten direkt Hamburg - NY und waren von Freunden schon empfohlen worden.

Ohne diese Einladung wäre es mir in diesen Zeiten sicherlich niemals eingefallen, in die USA zu reisen. Nach unseren Medien musste man ja geradezu damit rechnen, als harmloser Tourist von den Grenzorganen bei der Einreise abgefangen und weggesperrt zu werden. "Panorama" hatte gerade in der Woche vor meinem Abflug von einigen derartigen Fällen zu berichten gewusst. Auch wenn man weiß, dass diese Sendung gern aus einer Mücke einen Elefanten macht, so blieb ein "komisches" Restgefühl. Insgesamt überwog jedoch die Spannung und Vorfreude auf einen Kontinent, über den man so viel hört, und auf eine Stadt, die wohl als "Stadt der Städte" bezeichnet werden kann...

Am meisten freute ich mich als bekennender Eisenbahnfotograf mit Leib und Seele natürlich auf die fünftägige Fototour zwischen Chicago und Mississippi. Da wir keinerlei Ahnung von der Gegend hatten, orientierten wir uns anhand der wirklich hervorragenden Bilddatenbank Railpictures.net, auf der wir nach Bildern aus Missouri, Iowa und Illinois suchten. Aufgrund der gezeigten Bahn&Landschaftsaufnahmen entschieden wir uns letztendlich für die Gegend westlich von Chicago, wobei wir gedacht hatten, zumindest bis etwa Mitte Iowa (Des Moines bzw zum tollen Viadukt von Boone) zu gelangen. Für die wichtigsten Strecken in diesem Gebiet habe ich dann die Google-Karten etwa im Maßstab 1:200.000 ausgedruckt. Da kam ein ganz schöner Atlas zusammen, der uns aber hervorragende Dienste geleistet hat, denn weder hier noch dort (wo wir aber nicht gezielt gesucht haben) waren brauchbare Generalkarten erhältlich.

Fotostellen aus Railpictures.net konnten meist anhand von Google.maps genau lokalisiert werden, jedenfalls wenn der Name eines BÜ angegeben war. In den USA hat offenbar jeder Feldweg einen Namen. Somit konnte unser Atlas um die Kennzeichnung von Fotostellen angereichert werden, bei motivlich wichtigen Feldwegen habe ich auch deren Namen (die Google nur bei stärkerem Zoom auswirft) handschriftlich nachgetragen. Sicherlich haben wir dann auch das eine oder andere Motiv aus Railpictures.net einfach nachfotografiert, aber wenn man sich in einer Gegend überhaupt nicht auskennt, geht man einfach besser auf begangenen Pfaden. Links und rechts ist dann immer noch genügend Selbstentdecktes dabei.

Nicht zuletzt gab es erste allgemeine US-Tipps von Robert Brütting und genauere Tipps zur Gegend und den Güterzugverkehren von Tom, einem der Railpictures.net-Fotografen aus der Zielgegend, den ich einfach mal angeschrieben hatte. Dafür waren wir sehr dankbar!

Sonntag, 04. März 2007: Hamburg - Brooklyn,NY

Drei Stunden vor Abflug sollte man am Flughafen sein. Nun ja, bei mir waren es dann doch nur 2,5. Irgendwie reichte das aber auch "dicke". Die Damen am Check-in langweilten sich jedenfalls sichtlich so ganz ohne Kundschaft, und einen Fensterplatz zu bekommen war gar kein Problem. Nach dem Austrinken meiner Wasserflasche ging es ohne Probleme durch die Sicherheitskontrolle, durch die alle Passagiere müssen. Gate A18 war dann noch verriegelt. Es sah so aus, als ob da drin dann noch eine Sicherheitskontrolle käme, wahrscheinlich unter verschärften USA-Bedingungen. So pendelte ich erstmal eine Dreiviertelstunde auf dem Gang hin und her, stöberte dabei in Hamburg-Souvenirs und beäugte die neuen slowenischen Euro-Münzen. Dann wurde A18 geöffnet. Das einzige, was ich vorzeigen musste, war zweimal mein Reisepass. Eine erneute Handgepäck-Kontrolle gab es nicht.

Das arabische Vögelchen ist aus Dubai in Hamburg angekommen.

Mit mir warteten nur wenige andere Reisende auf die Maschine. Sollte das alles sein? Bald wurde ich eines Besseren belehrt. Die Maschine traf aus Dubai ein und ein gewaltiger Schwall an Menschen meist dunklerer Hautfarbe ergoss sich aus ihr. Auch alle Transit-Reisenden von Dubai nach New York mussten in Hamburg das Flugzeug verlassen und an einer Sicherheitsschleuse ihr Handgepäck durchleuchten lassen. Und die armen Leute (na ja, so arm sollen die Einwohner der Vereinigten Arabischen Emirate ja gar nicht sein...) durften noch nichtmal den Gate-Bereich verlassen und Hamburg-Souvenirs einkaufen. Lediglich an einem mobilen Stand verkaufte eine Frau zu Horrorpreisen kleinere Snacks und Kaffee. Hier müsste jetzt von der Hamburger Tourismus-Zentrale auf einer großen Werbewand ein Film über Hamburg gezeigt werden - das wäre Marketing! Aktuell werden die Leute auf der Durchreise Hamburg leider nur als lästigen, unbequemen Zwischenstopp in Erinnerung behalten.

EK 205 Hamburg-Fuhlsbüttel 14.40 MEZ > New York JFK 16.35 East Time (MEZ+6h)

Der Flug konnte nur begeistern. Die Boeing 777 war sehr komfortabel und riiiiesig. Die Menschenmassen vom Gate verteilten sich spielend, und die Konsequenz war, dass ich eine Dreier-Sitzreihe für mich allein hatte. So konnte ich mich richtig schön breit machen. Leider saß ich am hinteren Rand der Tragfläche, doch unter uns gab es eh fast ausnahmslos Wolken zu sehen. Die Ausnahme war Grönland, wo ich natürlich gleich mal die Kamera gezückt habe.

Weiß ist das Land: Grönland.

Die Verpflegung war reichlich. Nach dem Mittagsmahl kam die Crew immer mal wieder mit Saft, Eis oder Kaffee durch. Sogar der Käpt'n drehte ne Runde und erkundigte sich bei jedem Fluggast persönlich nach dessen Befinden. Sein Vorname war übrigens "Osama", nun ja... Faszinierend war ja auch die Innenbeleuchtung des Fliegers mit Licht-Illuminationen und Sternenhimmel-Lichtpunkten.

Ziemlich pünktlich um 16.40 standen wir und nach einer Busfahrt durfte ich mich um 17.10 Uhr in der "Einwanderungshalle" anstellen. Offenbar war vor uns gerade noch eine Maschine aus einem fernen Land angekommen. Jedenfalls war die große Halle halb voll mit Wartenden. Ich hatte fünf Reihen Umlaufgitter vor mir und für die erste Reihe brauchte ich schon eine halbe Stunde. Immerhin waren bald die USA-Einwohner auf ihrer Hallenseite abgefertigt, so dass wir Ausländer auch deren Schalter mitbenutzen durften. So stand ich um 18.20 endlich dem Grenzpolizisten gegenüber, der den im Flieger ausgefüllten Fragebogen, meine Fingerabdrücke und eine Digitalaufnahme von mir bekam. Angesichts der Menschenmassen sparte er sich das zum Prozedere gehörende Interview und ließ mich mit einem "Take it easy" in die Gepäckhalle vorrücken. Am Gepäckband war mein Flug schon längst von den Monitoren verschwunden und ich musste mich erstmal zum richtigen Band durchfragen. Um 18.35 betrat ich dann mit meinem Koffer, der in dieser Zeit fleißig Karussell gefahren war, vorbei am desinteressierten Zoll die Vereinigten Staaten von Amerika, das Land der Freiheit, die neue Welt...

Mit der Flughafenbahn fuhr ich nun zum Terminal 1, wo ich zeitgleich mit Lorenz und seiner Familie eintraf. Maria, seine Frau, und Sohnemann Benjamin traten nämlich heute eine zweiwöchige Reise nach Armenien, Maria's Heimat, an. Nach ihrem Check in setzten wir uns noch auf paar Schlucke Fanta bei einem einheimischen Restaurant mit goldenem M rein und quatschten eine Weile, bis Maria und Benjamin dann mitsamt Kinderwagen durch die Sicherheitsschleuse verschwanden. Davor hatte ein Polizeibeamter einen Tisch eingerichtet, der prall mit allen möglichen Flaschen gefüllt war. Mit Marktschreier-Gebaren nahm er hier den Reisenden, die Flüssigkeiten im Handgepäck mitführten, ihre Flaschen und Fläschchen ab, um sie "stolz wie Oskar" zu seiner übrigen "Beute" zu stellen...

Lorenz und ich fuhren dann mit einem Limousinen-Service aus Lorenz' Wohngegend Brighton Beach zu ihm nach Hause. Dieser Chauffeur-Dienst ist deutlich günstiger als die gelben Taxis. Mit großzügiger Auslegung der Geschwindigkeitsbeschränkung erreichten wir den Zielort in einer knappen halben Stunde. Mit der Subway hätten wir für 15 Dollar weniger etwa das Vierfache benötigt. Denn für die an sich kurze Distanz vom Flughafen nach Brighton Beach, das zu Brooklyn gehört, hätte man erstmal bis fast nach Manhattan reinfahren müssen und, weil die Flughafen- und die Brighton-Subway zu unterschiedlichen Gründungsgesellschaften gehören und keine direkte Umsteigemöglichkeit haben, dreimal umsteigen müssen.

Brighton Beach ist das Russenviertel von New York. Fürs Abendessen kauften wir im Brighton Bazaar ein, einem russischen Supermarkt. Die Waren waren auf kyrillisch beschriftet, sahen aber äußerst lecker aus. Verschiedene Köstlichkeiten eingepackt, die wir dann in der Mikrowelle zu einem Nachtmahl aufwärmten. Im Supermarkt enttarnte ich mich gleich als Europäer, als ich die Einkäufe selbst in die Tüte stecken wollte. Das geht in den Staaten ja wohl gar nicht! Nun war es 21 Uhr, für mich also nach MEZ quasi 3 Uhr nachts. Vorm Zubettgehen "musste" ich allerdings dann doch noch den Ausblick aus dem 20. Stock (abzüglich Parterre, die hier als 1. Stock gilt und abzüglich 13. Stock, der hier einfach fehlt...) mit dem über dem Atlantik aufgehenden Mond hinter dem Häusermeer der Stadt genießen. Wunderschön! Die aus voller Kraft bollernde Heizung konnte übrigens nur zentral vom Hauswart gestellt werden. Jede persönliche Temperaturregulierung lief über Öffnen und Schließen der Fenster! Suuuper-Amerika!

Montag, 05. März 2007: Brooklyn - Manhattan - The Bronx - Brooklyn

Sonnenaufgang in Brooklyn, NY.

Aufgrund der Zeitumstellung war ich sehr früh wach. So gab es vom Balkon dann auch gleich paar Morgenstimmungen zu fotografieren. Nach einem kurzen Frühstück zog ich dann allein los, denn Lorenz hatte zuhause noch etwas zu erledigen. Am Automaten der nahen Metro-Station zog ich mir für 7 Dollar eine Subway-Tageskarte. Die im Folgenden genannten Zeiten sind nur ungefähre Richtwerte (z.T. auch das Betreten der Station o.ä.), beim bloßen Umsteigen habe ich die Zeit auch mal einfach durch Kreuze ersetzt.

B(Expr) Brighton Beach 07.35 > W 4 St 08.15

Allein die Station Brighton Beach war schon klasse. Alles war auf einem alten, klapprigen Stahlgerüst aufgebaut. Zugang, Treppen und Bahnsteige waren viel zu eng, bald Miniatur. Im Laufe des Tages sollte ich feststellen, dass dies jedoch der Standard ist. Deutsche Aufsichtsbehörden hätten wahrscheinlich sofort das gesamte Metro-System stillgelegt. Die Gründerväter der über hundertjährigen Subway haben, was die Gleiskapazität angeht, immerhin schon sehr fortschrittlich gedacht. Die Strecken sind meist drei- oder sogar viergleisig. Wenn ein Gleis gesperrt werden muss, so bleiben mindestens zwei offen, so dass immer noch der volle Verkehr aufrecht erhalten werden kann.

Die B beginnt in Brighton Beach, so dass ich noch einen Sitzplatz auf der seitlichen Plaste-Bank abbekam. Ab der nächsten Station mussten die ersten Leute bereits stehen. Die B fährt auf den beiden mittleren Gleisen der aufgeständerten Viergleispiste. Da die Bahnsteige der kleinen Stationen nur außen sind, wird als "Express" gefahren und nur auf den größeren Stationen gehalten. So also relativ zügig Brooklyn durchquert. Am Prospect Park fuhren wir in den Tunnel und bald ging es auf der alten Manhattanbridge mit einem wunderschönen Ausblick auf die namensgebende Stadt über den East River. Nach einigen Stationen merkte ich, dass man aus der Subway so viel dann doch nicht von der Stadt sieht und bin einfach mal ausgestiegen. Die Station hieß W 4 St, was so viel wie "West 4th Street" bedeutet. Einfach mal ein Stück gelaufen, war aber nicht sooo begeisternd. In die Station 14 St wieder eingecheckt und mal den Weg zu den "Path"-Zügen gefolgt, die so eine Art überregionale Metro darstellen und nach Newark,NJ, also in den Nachbar-Staat New Jersey fahren, der gleich auf der anderen Seite des Hudson beginnt.

Nun, auf deren Bahnsteig kam ich aber mit meiner Metro-Tageskarte nicht hinein (Verkehrsverbund? Was ist das?), daher zurück zur New York Subway gegangen. Dort ließ mich meine Karte aber auch nicht mehr durchs Drehkreuz. Man kann offenbar nicht zweimal kurz hintereinander an einer Station mit einer Karte durch die Sperre gehen. So wird wohl vermieden, dass man diese durchs Gitter einfach einer zweiten Person durchreicht. Daher oben weitergelaufen und bald zum Union Square gelangt. Das war ganz erfreulich, denn hier sah es doch etwas mehr nach dem gesuchten Bilderbuch-Manhattan aus. Und --- die Sonne, die nach ihrem Aufgehen bald in den Wolken verschwunden war, setzte sich zunehmend durch. Es blieb allerdings eisig kalt. Nun erste Fotos gemacht.

Am Union Square, Manhattan.

R Union Square 08.55 > City Hall 09.10

Auch hier konnte ich schöne Stadtaufnahmen machen und als zweites Frühstück einen Bagel mit Cream Cheese verputzen. Fotografisch gesehen kommt man sich natürlich in Manhattan unheimlich klein vor und die ganze Skyline sieht man kaum vor lauter Häusern. Deshalb entschied ich mich zu einer kleinen Schiffstour mit der Fähre nach Staten Island. Diese Fähre kann mit der Tageskarte mitbenutzt werden.

W City Hall 09.45 > Whitehall St 09.55

Fähre Manhattan South Ferry 10.00 > Staten Island 10.30

Bei der Fährabfahrt hatte man einen ganz netten Ausblick auf die Skyline. Doch bald schon drehte sich das Schiff so, dass Manhattan genau hinter uns lag. Und man konnte leider nur zur Seite fotografieren. An der Freiheitsstatue vorbei gelangten wir nach einer netten Schiffsfahrt auf die Insel Staten Island, auf der die New York Subway auch eine U-Bahn betreibt. Um diese habe ich mich jetzt allerdings nicht weiter gekümmert. Hauptsächlich wollte ich die Skyline von Manhatten mal aus der Distanz fotografieren, wobei die Distanz von hier leider schon wieder arg groß war. Irgendwie fehlte dann auch der passende Vordergrund. Als eine Gänsefamilie durch den Vordergrund watschelte, hatte sich die Sonne natürlich gerade wieder für eine längere Zeit verabschiedet. Überhaupt waren die Wolken wieder dichter geworden. Nun ja, paar nette Ausblicke auf die Stadt und auf interessante Schiffe dürften rausgekommen sein.

Die Gänse von Staten Island vor bedeutender Kulisse: Ein Bild ging doch noch mit den Vögeln, wenn auch nicht im optimalen Gänsemarsch.

Fähre Staten Island 11.30 > Manhattan South Ferry 12.00

Das Gegenschiff konnte ich in einem lichten Moment zusammen mit der Freiheitsstatue aufnehmen. Auf der Backbordseite des Schiffes wehte ansonsten aber ein eisiger Wind, während man es auf der Steuerbordseite im Windschatten ganz gut aushalten konnte.

Die Gegenfähre hat soeben Lady Liberty passiert.

Von der South Ferry lief ich nun zur Station der grünen Metrolinie, weil Lorenz mir die Linie 4 in die Bronx hoch für Fotos empfohlen hatte. In der Station Bowling Green angekommen, tauchten zunächst paar völlig überfüllte Vierer auf. Anscheinend hatte es zuvor eine Betriebsstörung mit entsprechenden Staus gegeben. Nach 10 Minuten wurde eine schön leere 5 bereitgestellt, die im Nord-Süd-Tunnel als Express verkehrte. Auch hier liegen die Expressgleise mittig zwischen den "Local"-Gleisen und ihren Außenbahnsteigen. Weiter oben konnte ich wieder in die 4 umsteigen.

5(Expr) Bowling Green 12.10 > 125 St 12.50

4 125 St 12.50 > Woodlawn 13.15

Es war schon ein etwas mulmiges Gefühl. Irgendwo nördlich des Central Parks stellte ich fest, dass ich der einzige Weiße im Wagen war. Auch draußen auf den Bahnsteigen erblickte man nur äußerst selten mal ein Bleichgesicht. Nicht, dass ich mich irgendwie bedroht gefühlt hätte, die Leute waren alle genau so friedlich, wie hierzulande auch tagsüber in der U-Bahn. Aber es war eben ungewohnt. Die Strecke wurde nach dem Ende des Tunnels ab dem Yankee-Stadion wirklich sehr interessant. Durch Backstein-Wohnbebauung in einem Stil, den ich mal als "typisch" für New York bezeichnen würde, ging es in die allmählich grüner werdenden nördlichen Vororte. Nach wie vor stellte ich als Weißer jedoch die große Ausnahme dar.

Die Metrostrecke fand ich faszinierend. Zwar gab es hier keinen Express, aber die Hochbahn war durchgehend dreigleisig, wobei an den meisten Stationen nur außen Bahnsteige lagen. An einer Stelle kündigte der Fahrer an, jetzt ein Stück Express fahren zu wollen. Auf dem planmäßigen Gleis wurde gebaut, so dass wir auf das Mittelgleis ausweichen und damit an zwei Stationen durchfahren mussten. Das Wetter hatte sich mittlerweile verändert. Erste Schneeschauer gingen hernieder, kurze Sonnenabschnitte gab es aber auch. Auf der Rückfahrt nutzte ich ein solches Sonnenloch mal für ein Foto.

4 Woodlawn 13.20 > 161 St / Yankee Stadium 13.40

Den nachfolgenden Zug fotografierte ich bei der Einfahrt und fuhr dann weiter mit:

Subway in der Bronx beim Yankee Stadium.

4(Expr) 161 St / Yankee Stadium 13.45 > Grand Central / 42 St 14.05

Die alte Bahnhofshalle der Grand Central Station war ein wahres Prachtstück und wunderbar restauriert. Selbst die Türen zu den einzelnen Gleisen sahen schmuck aus. Dahinter blickte man allerdings auf funktionelle Nüchternheit, Bahnsteige im Tiefgaragen-Look. Eine Etage unter der prächtigen Halle gab es eine Fressmeile und --- weitere Bahnsteige! Völlig übertrieben, denn hier fahren nur einige Vorortzüge der METRO Nord ab, z.B. Richtung Hudson Valley. Der Fernverkehr spielt sich ein Stück weiter in der Pennsilvania Station ab.

Die wunderbar restaurierte Halle der Grand Central Station in Manhattan.

In einer der zahlreichen Schlemmerecken kaufte ich mir ein "Chicken Pot Pie", wohl eine hiesige Spezialität. Damit setzte ich mich an einen der Tische auf der unteren Ebene, die anscheinend für die Kunden aller umliegenden Mampf-Stände zur Verfügung standen. Für den Pie musste ich mehr bezahlen, als auf dem Preisschild stand. Später erfuhr ich, dass das normal ist: In den USA werden die Waren ohne Mehrwertsteuer ausgezeichnet, und dies, obwohl die Mwst in den einzelnen Staaten unterschiedlich ist! Völlig bescheuert! Gestärkt ging es dann noch zum Central Park:

S Grand Central / 42 St 15.15 > Times Square XX.XX

1 Times Square XX.XX > 59 St / Columbus Circle XX.XX

C(Local) 59 St / Columbus Circle XX.XX > 86 St 15.40

Aufgrund der verschiedenen Metro-Systeme war mehrfaches Umsteigen auf der kurzen Distanz zum Central Park erforderlich. Als ich an der 86th Street aus der Station stieg, empfing mich dichtes und länger anhaltendes Schneetreiben. Ich stellte mich einfach mal an den See, der eine weiße Eisdecke trug, und wartete. Irgendwann würde schon noch die Sonne wieder herauskommen. Viele Jogger waren rund um den See unterwegs. Kein Wunder, einen anderen Auslauf hat man in Manhattan ja kaum...

Tatsächlich waren plötzlich die im Schneegestöber nur schemenhaft erkennbaren umliegenden Häuserfronten von hinten mit Sonnenlicht bestrahlt! So konnte ich all die Motive, die ich im Schneesturm schon getätigt hatte, mit klarem Sonnenlicht nochmal wiederholen. Während der Wartezeit im Park fiel auf, dasss die Stadt praktisch ununterbrochen vom aus Filmen bekannten Geheul der Sirenen von Feuerwehr- und Polizeiwagen erfüllt ist. Als ich dann wieder in die Station hinabstieg, kamen gerade Durchsagen, dass der Zugverkehr wieder laufen würde und dass bald mit einer ersten nordwärts fahrenden Bahn gerechnet werden könne. Offenbar hatte es mal wieder eine der unzähligen Betriebsstörungen in diesem maroden U-Bahn-Betrieb gegeben.

B 86 St 16.20 > 161 St / Yankee Stadium XX.XX

4 161 St / Yankee Stadium XX.XX > 170 St 17.00

Ja, ich bin aufgrund der großen blauen Fläche im Norden tatsächlich nochmal ganz in die Bronx hochgefahren. Wie ich mittags gesehen hatte, konnte man dort fast von jeder Haltestelle brauchbare Aufnahmen machen. So probierte ich es mal mit der 170th Street. Tatsächlich gelangen mir dort zunächst mit dem Licht nette Aufnahmen von den Südfahrern. Für Streiflicht-Aufnahmen reichte es dann aber leider nur noch für einen Nachschuss und Stationseinfahrten.

Skandinavian Light Show in der Brox.

Linie 4 fährt in die 170 St ein.

Aus Richtung Manhattan kam dann für eine ganze Zeit nichts, so dass der erste Nordfahrer schon nur noch halbes Licht auf seiner Seite hatte. Dafür kamen im Hintergrund jetzt die Türme der Manhattan-Skyline aus den Wolken hervor.

4(Expr) 170 St 17.25 > Atlantic Av 18.05

Q(Local) Atlantic Av 18.20 > Brighton Beach 18.45

Von der Atlantic Avenue wollte ich nun eigentlich mit der Expresslinie B nach Brighton Beach zurück fahren. Erst kam eine Q (Local). Dann dasselbe nochmal... Erst danach kam die Durchsage, dass es an der B-Linie irgendeine Betriebsstörung gäbe und man doch bitte auf die Lokallinie Q ausweichen solle. Toll! Also in dem Kabuff von Haltestelle (ich konnte gerade aufrecht unter den Stahl-Stützträgern am Bahnsteigende stehen) auf die nächste Q gewartet und dort reingequetscht. Dann kam es, wie es kommen musste. Sobald die Strecke viergleisig wurde, überholte uns die erste B-Bahn... Eine zweite kam kurz vor Brighton Beach, aber sie wurde von uns wieder abgeschüttelt, weil sie in Brighton Beach endete und das Kehrgleis noch besetzt war. Im Russen-Supermarkt wieder paar Leckereien ausgesucht und bei Lorenz zuhause verputzt.

Dienstag, 06. März 2007: Brooklyn, NY - Nachtzug ab Washington, DC

Der morgendliche Ausblick aus dem 20. Stock auf den Atlantik fiel auf wolkenlosen Himmel. Genau das richtige Wetter, um den ganzen Tag im Zug zu sitzen und bloß keine Fotos zu machen. Na super! Einen Vorteil hatte die Zugfahrt dann aber doch: Der beißend kalte Wind mit Realtemperaturen von -10°C (gefühlt noch weit drunter) konnte uns nur auf dem Weg zur Subway-Station schocken.

B(Expr) Brighton Beach 08.40 > 34 St / Herald Sq 09.35

Diese Expresslinie mag mich nicht. Zwar rief die Fahrerin immer wieder laut durch, dass dies ein "Express-B-train" sei, doch steuerte sie ihren Zug ab Brighton Beach sogleich auf das Außengleis und blieb dort auch. Offensichtlich gab es diesmal außerplanmäßig keinen "Local-Q", so dass wir die ganzen Local-Stationen mitnehmen mussten. Von der 34th Street gingen wir dann zu Fuß zum Madison Square Garden. Von dem hat man ja auch schon mal etwas gehört. Lorenz steuerte allerdings nicht das Portal des Wolkenkratzers an, sondern eine eher unscheinbare und aus unserer Perspektive unbeschriftete Kellertreppe. Es handelte sich um den Haupteingang der Penn Station, dem Fernbahnhof von New York...

Unten bald den Amtrak-Schalter gefunden und unsere Internet-Buchung vorgelegt. Für 80$ pro Person hatten wir über Washington nach Chicago gebucht. Und für weitere 80$ pro Person gab es im "Capitol Limited" ab Washington eine Buchung im "Superliner Roomette". Das ist die Kathegorie zwischen Sitzplatz und Schlafwagen - und dafür schon ganz schön teuer... Ich fragte den Kollegen hinter der Panzerglasscheibe, ob ich noch irgendwie zu meiner Halbpreis-Ermäßigung kommen könne, die mir als deutscher Eisenbahner zusteht, die ich aber über Internet nicht buchen konnte. Er rechnete aber aus, dass wir irgendeinen speziellen Internetpreis hätten (stimmte, denn der Tageszug NY - Washington war uns quasi geschenkt worden) und dass er den Halbpreis nur auf den Normalfahrpreis anrechnen könne. Unterm Strich sei das dann noch paar Dollar teurer. Ok, glauben wir's mal... Schnell noch paar Bagels besorgt (zur Auswahl standen Cream Cheese, Cream Cheese, man konnte aber auch Cream Cheese bekommen), dann wurde das Gleis unseres Zuges bekannt gegeben.

95 "Regional Service" New York Penn Stn 10.35 > Washington Union Stn 14.00-8

Nach Verlassen der unterirdischen Halle abwärts zu den Bahnsteigen auf Minus-Zwei-Ebene hatte uns sogleich wieder die Tiefgaragen-Atmosphäre ergriffen. Völlig überdimensioniert die Anzahl der Gleise. Vom engen Bahnsteig konnte man durch die vielen Stützsäulen allerdings nicht viel von den benachbarten Zügen erkennen. Auf unseren Tickets stand was von reservierten Plätzen, allerdings ohne nähere Angaben. Der Zugchef stand an der Treppe und auf unsere Frage, ob wir feste Plätze hätten oder ganz vorn einsteigen dürften, meinte er nur, dass er uns nicht zurück holen würde. Immer für ein Späßchen zu haben, die Amis...

Der dritte Wagen (hinter erster Klasse und Speisewagen) war recht leer. Wir konnten es uns in zwei nebeneinanderliegenden Sitzreihen bequem machen. Die Sitze waren sehr bequem, Beinabstand war großzügig, es fehlten nur noch die Fußstützen (nicht wirklich schlimm). Der Wagen selbst war dann auch großzügig gefedert. Unsere Zuglok dürfte so ein ABB-Bau gewesen sein. Wir fuhren nun erstmal tief unterm Hudson durch, dann oberirdisch durch eine Gewerbe- und Industriebrache mit vielen wilden Flusswiesen und Wasserarmen dazwischen. So erreichten wir Newark in New Jersey.

Unser Amtrak-Regionalzug von innen.

Weiter ging es auf der viergleisigen, Amtrak-eigenen Strecke gen Süden. Der Verkehr lief wieder wie bei der Metro: Außen die Gleise für die Lokalzüge von NJT (New Jersey Transit) mit Seitenbahnsteigen, in der Mitte die Schnellzuggleise. Als wir mal an einer kleineren Station hielten, mussten wir zum Halt kurz rüber auf das Außengleis an den Bahnsteig. Die Züge von NJT wären allein mal einen Besuch wert. Auf den elektrifizierten Strecken kommen die ABB-Maschinen und die 101-Pendante zum Einsatz. Auf den Dieselstrecken kommen durchaus noch ältere EMD-Dieselloks zum (Wende-)Zuge.

In Trenton war mit NJT-Verkehr Schluss. Hatte ich erwartet, dass es nun zweigleisig werden würde, hatte ich mich getäuscht. Weiterhin waren Bahnsteige an den Außengleisen zu sehen, und in Trenton hatte auch ein zweiteiliger Silbertriebwagen abfahrbereit Richtung Süden gestanden. Der Personenverkehr hier im Osten scheint doch noch deutlich über das Amtrak-Angebot hinaus zu gehen, damit hatte ich so nicht gerechnet.

Hatte die Gegend rund um die Strecke, so es nicht durch Wald ging, schon immer einen etwas unaufgeräumten Eindruck gemacht, so ging es in Philadelphia regelrecht durch halbverfallene Wohngebiete. Die an sich schmucken Reihenhäuschen, die im gesamten Viertel uniform aussahen, waren mal bewohnt, dann gleich daneben wieder leer oder gar verfallen. Ähnliches dann auch in den weiteren Städten auf dieser Fahrt.

In Philadelphia meinte ein Paar von weiter vorn im Wagen, sich unbedingt hinter mich setzen zu müssen. Dort unterhielten sie sich dann in einer Lautstärke, dass selbst mein MP3-Player nicht dagegen ankam (bzw meine Ohren irgendwann über die Lautstärke klagten). So nahm ich also meinen Kram und setzte mich paar Sitzreihen weiter vor und hatte wieder meine Ruhe. Dabei musste ich auch meinen "Schnipsel" mitnehmen, der bei der Kartenkontrolle über einem in der Gepäckablage befestigt wird. Dort ist der Zielbahnhof gekennzeichnet. Personen mit Schnipsel in der Ablage brauchen also nicht nochmal kontrolliert zu werden (erspart das "Hier noch zugestiegen?").

Einzig landschaftlich nett auf dieser Piste, die ab Wilmington (hinter Philadelphia) dann doch noch zweigleisig wurde, sind zahlreiche Fluss- und Seequerungen, ansonsten viel Wald und Unaufgeräumtes. Fotografisch ist diese Strecke sicher schwierig, so führen doch beiderseits der Gleise extrem hohe Speiseleitungen entlang. Vor Washington gab es wieder Lokalverkehr. Die MARC-Züge (Maryland Area Rail Commuter) sahen noch hübscher als die NJT-Züge aus. Wiederum gab es viele Dieselloks älteren Typs zu sehen. In Washington hatten wir ja zwei Stunden Aufenthalt. Da sollte doch was gehen (wenn schon nach wie vor keine einzige Wolke am Himmel war)? In Baltimore wurden wir vom Amtrak-Starzug überholt: Dem ACELA. Dahinter verbrigt sich wohl TGV-Technik. Unser'n ICE wollten sie ja nicht... Trotz verspäteter Abfahrt dort erreichten wir Washington mit -8. Tja, Güterzüge durften offensichtlich auch nur in den Bahnhöfen mal auf die Amtrak-Strecke. So hatten wir immer freie Bahn.

In Washington gefreut: Im Bahnhofsvorfeld standen viele der hübschen MARC-trains, ein nettes Stellwerk war auch am Bahnsteigende und der Bahnhof lag überirdisch. Na ja, unsere Lok stand dann doch wieder unterirdisch. Dumm war nur, dass man den Bahnsteig verlassen musste. Auch an den anderen Bahnsteigen stand dran, dass man sie nur betreten dürfe, wenn der Zug bereitgestellt sei und man für diesen eine gültige Fahrkarte hatte. So ein Mist. Lorenz wollte noch bisken arbeiten und wollte dies in der ACELA-Lounge tun, zu der wir mit unseren Schlafwagen-Karten zutrittsberechtigt waren. Ich wollte natürlich Fotos machen. Aber meinen großen Koffer durfte ich ohne viel Aufhebens gegen Vorlage meiner Roomette-Karte hinter der Lounge-Rezeption abstellen. Komisch - hier wurde offensichtlich nicht mit Gepäckbomben gerechnet, eine Durchleuchtung fand nicht statt!

Nördlich der Union Stn hatte ich im Gleisvorfeld einen etwas erhöht liegenden Metro-Bahnsteig gesehen. Von dem aus müsste man eigentlich alles fotografieren können, was auf der Fernbahn rein- und rausfährt. Nachdem ich dann auch das System der Washingtoner Fahrkartenautomaten kapiert hatte (man muss erst Geld einwerfen, dann mit up- und down-Tasten den Betrag des eingeworfenen Geldes auf den Betrag der gewünschten Fahrkarte reduzieren), fuhr ich die eine Station mit der roten Linie (nur diese hält an der Union Stn) zur New York Av nordwärts.

Dort allerdings große Ernüchterung. Erstens waren doch paar Schilder und das weit überhängende Bahnsteigdach im Weg, zweitens ist das Washingtoner Metrosystem sehr neu und auch mit Ausgangs-Kartenkontrolle versehen. Keine Ahnung, wie das System reagiert, wenn man für eine Station zwei Stunden benötigt... Drittens waren komisch guckende Wachleute und jede Menge Kameras auf dem Bahnsteig, dass ich mir nach erneutem Kampf mit dem Automaten die Rückfahrt gelöst habe. Und die Sonne schien nur so vom Himmel, grrrr...

Allerdings gab es jetzt kein langes Überlegen mehr. Es gibt in Washington ja paar Sachen, die immerhin fast so interessant wie die Eisenbahn sind... Das Capitol lag ja fast gegenüber von der Union Stn und auf einem Stadtplan in der Metro-Station prägte ich mir noch die Lage des Weißen Hauses ein. Dumm war nur, dass ich mit dem ganzen Metro-Quatsch bereits eine Dreiviertelstunde verloren hatte. So lautete das Programm nun also "Washingtoner Sehenswürdigkeiten in einer Stunde". Aus Richtung Bahnhofsvorplatz zunächst das Bahnhofsgebäude fotografiert, das auch schon sehr Palast-ähnlich aussah. Dann ging es weiter zum Capitol. Das Licht stand günstig, ich konnte schön mit See im Vordergrund fotografieren.

Washington hat nicht nur EIN weißes Haus: Der Fernbahnhof "Union Station" ist durchaus repräsentativ.

Fast das Nachbarhaus des Bahnhofs: Das Capitol.

Noch eine Stunde bis zur Abfahrt des Nachtzuges. Ich beschloss, die grüne Achse mal eine Viertelstunde lang westwärts in Richtung Weißes Haus zu laufen. In der Ferne war am Ende der Achse die große Säule zu sehen, dahinter musste ich mich, wenn ich's recht in Erinnerung hatte, halbrechts halten. Nun, die Säule war nach 20 Minuten erreicht. Noch 40 Min bis zum Nachtzug! Halbrechts musste ich jetzt eh gehen, auch wenn ich in der Stadt irgendwo in die Metro steigen wollte. Nach weiteren 10 Minuten hatte ich dann auch wohl die südöstliche Grundstücksecke des weißen Hauses erreicht, man sah allerdings nur etwas durch die Bäume schimmern. Aufgrund des Lichtstandes hätte ich zum Fotografieren noch ganz um das Grundstück herum laufen müssen.

Noch 30 Minuten bis zum Nachtzug! Es nützte alles nichts, ich musste mich jetzt auf die Suche nach einer Metro-Station machen. Einer der zahlreichen Polizisten durfte mir den Weg erklären: Noch drei Blocks weiter, suuper! Am Mc Pherson Square fand ich dann immerhin sofort den als Hauseingang getarnten Metro-Zugang. Natürlich lag dieser Platz nicht an der roten Linie. Ein Automat nahm zwar mein Geld, gab aber keine Karte - dabei hatte ich diesmal doch alles richtig gemacht! Noch 24 Minuten bis zum Nachtzug! Immerhin kam das Geld wieder raus und der Nachbar-Automat konnte mir weiterhelfen.

Eine blaue (oder war's die grüne?) Bahn kam dann bald und das Umsteigen an der Station Metro-Center (interessanter grottenartiger unterirdischer Turmbahnhof) lief auch unkompliziert. Mit der roten Metro waren es aber noch drei Stationen! Meine Güte, bin ich so weit gelaufen? Das Wasser rann nur so an mir runter. Lange Aufenthalte, der Zug ist brechend voll. Endlich, Union Stn ist erreicht. Schnell die Treppen hoch und rein in die Lounge. Als ich der Rezeptionistin meine Schlafwagen-Karte zeige, macht sie (noch viel mehr) Panik: Meine Güte, der fährt doch gleich (es waren noch zehn Minuten hin). Lorenz war nicht (mehr) zu sehen, daher schnell durch eine Hintertür raus zum Bahnsteig. Der Schlafwagen-Schaffner zeigte mir unser Abteil, doch Lorenz war nicht da. Noch fünf Minuten bis zur Abfahrt. Koffer drin stehen gelassen, dann nochmal zum Bahnsteig. Jetzt kam mir Lorenz entgegen, er war noch im "Restroom" (amerikanische Umschreibung für "Klo") der Lounge, ich hätte eigentlich seinen Rucksack sehen müssen. Puuuh, geschafft! Immerhin bin ich wohl der einzige Besucher Washingtons, der das Weiße Haus nur durch die Bäume hat schimmern sehen ;-)

29 "Capitol Limited" Washington Union Stn 16.05*1 > Chicago Union Stn 8.40+40*2

*1=East Time, *2=Central Time (East Time+1h).

Unser Abteil lag im Untergeschoss und war winzigst. Die Koffer mussten wir im Einstiegsbereich auf der Gepäckablage lassen. Das Superliner Roomette bestand aus zwei gegenüberliegenden breiten Sitzen, dann ca 30 cm Platz zur Abteiltür. Das war's! Für die Nacht konnten die beiden Sitze zur Liege zusammengeschoben werden. Von oben ließ sich dann die obere Liege herunterklappen. Trotz der Enge empfand ich dieses Zweierabteil angenehmer als unsere Liegewagen. Nur der Preis war etwas deftig...

Das Mini-Roomette-Abteil im "Sitz-Zustand". Vorn links ist schon der Rahmen der Abteiltür zu sehen.

Wir verließen nun bald das elektrifizierte Netz und rollten parallel zu einer Metro aus der Stadt hinaus. Der Betreuer kam durch und fragte, wann wir denn zu Abend essen wollten. Abendessen und Frühstück waren nämlich im Aufpreis enthalten! Wir entschieden uns für 18.30 Uhr. Im dunklen Abteil, das auf der rechten Seite lag, konnte man wunderschön in die Dämmerung hinein fahren. Als wir jedoch zum zweiten Mal auf der Abteil-abgewandten Seite einen Güterzug vorbeifahren hörten, ohne ihn sehen zu können, weil der Reisende im gegenüberliegenden Abteil die Vorhänge vor der Tür zugezogen hatte, sattelten wir doch lieber in das Observation Car (Aussichtswagen) um.

Wir nahmen uns den in unserem Wagen bereit stehenden kostenlosen Kaffee mit und liefen im Oberdeck durch den Speisewagen in den Aussichtswagen. Dieser verfügte über zum Fenster gedrehte Ledersessel, in denen man sich wunderbar von den letzten Strahlen der Sonne bestrahlen lassen konnte. Außer uns war nur eine Handvoll anderer Reisender anwesend. Im Unterdeck des Observation Car war eine Cafeteria. Wir konnten nun prima die entgegenkommenden Güterzüge beobachten.

So macht Reisen Laune: Fahrt im Panoramawagen in den Abend hinein.

Einige Züge wurden auch von uns überholt. Die meisten Züge waren mit den schwarzen Loks der Norfolk Southern bespannt, es gab aber auch genügend andere. Die MARC-Züge entdeckten wir noch ein ganzes Stück aufwärts im Gebirge. Landschaftlich sah dieser Appalachen-Anstieg schon weeesentlich netter aus, als die Strecke New York - Washington. Erste Schneeflächen waren zu sehen.

Zum Abendessen bekamen wir einen Tisch zusammen mit einem einzeln reisenden pensionierten Eisenbahner aus Michigan. Zwischen den Gängen hat er einiges zu erzählen gehabt. Das Abendessen war dann klasse. Wir durften a la carte auswählen und das gesamte Menü war im Roomette-Preis inbegriffen - nur das Getränk nicht. So amortisierte sich der Roomette-Preis aber schon wieder. Zwar kam das Essen aus der Mikrowelle, aber dafür war die Auswahl sehr groß. Um 21.30 fielen wir totmüde in unsere Kojen...

Fortsetzung

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