Der Umstieg auf digitale Fotografie

Autor: Jan-Geert Lukner. Alle Rechte am Text und an den Bildern liegen beim Autor. Stand: Sept 2012

Zum Ausdrucken bitte in der Druckvorschau unter "Seite einrichten" die Ränder auf max. 5mm beschränken und als Skalierung "Auf Seitengröße verkleinern" wählen. Dann sollte alles auf dem Papier ankommen. Das Drucken von Hintergründen bitte unterbinden. Alternativ ginge auch Querformat und "Auf Seitengröße verkleinern". Dafür werden aber drei Wälder mehr abgeholzt...

Die Kapitel:

1. Vor dem Umstieg

Zugegeben: Ich bin ja recht lange der analogen Aufnahmetechnik treu geblieben. Dias hatten für mich ganz klar zwei wichtige Vorteile: Erstens die Projektion. Ich schaue mir meine Bilder halt wirklich gern mal in einer ruhigen Minute in der Projektion an. Gerade die Dia-Riegel von Auslandstouren ließen einen den Urlaub ein Stück weit nochmal erleben, wenn man im dunklen Raum saß, die Bilder an die Wand warf und vielleicht noch eine CD, die man im betreffenden Urlaub häufig gehört hat, in den Player einlegte. Dazu ein Gläschen Wein, herrlich!

Eine Möglichkeit, Digitalbilder an die Wand zu werfen, gab es anfangs nicht. Klar - Beamer waren ein Begriff, aber die bescheidene Beamer-Auflösung war für Fotogenuss damals noch längst nicht hinreichend. Bilder nur noch auf dem PC-Monitor anschauen? Ein Ersatz für den Diaabend war das jedenfalls nicht.

Der zweite wichtige Vorteil des Dias war für mich die Unverfälschbarkeit. Da ich die Fotografie in erster Linie als Dokumentation sehe, war es mir wichtig, dass man eben nicht so "mal eben" ein Dia verfälschen kann.

2. Gründe für den Umstieg

Die Gründe für den Umstieg waren eine Mischung aus Notwendigkeit und Überzeugung. Im Spätherbst 2008 passierten mehrere Dinge gleichzeitig. Zum Einen schien es mir, dass meine analoge Hauptkamera, eine Leica R8, dringend mal zum Service musste. Verschiedene Wehwehchen und Mimosenhaftigkeiten der Kamera hatte ich ja lange ertragen. Aber nun waren es der Kompromisse zu viele und ich rechnete mit hohen Reparaturkosten.

Der zweite Grund war, dass ich in kurzer Zeit zwei "Diaabende" erleben durfte, auf denen auch Digitalbilder mit einem Beamer im HD-Ready-Format an die Wand geworfen wurden. Und ich muss sagen, dass bei ausreichendem Abstand zur Leinwand die Projektion durchaus zufriedenstellend war. Dabei darf man ja getrost im Hinterkopf haben, dass auch in der Beamerauflösung die Entwicklung zügig weitergehen dürfte. Das war der erste Schritt zur Überzeugung. Der nächste bezog sich dann schon konkret auf die Kameramarke, die ich letztendlich dann auch erstanden habe. Ich bekam die Gelegenheit, mir eine Sony Alpha700 etwas anzuschauen. Der extrem klare und helle Sucher begeisterte sehr. Und auch die Abbildungsqualität des Displays war um Klassen besser als das von mir bis dahin bekannten anderen Kameras.

Es gab noch einen Grund. Auch wenn die Ausgabemedien längst noch nicht an die Dia-Auflösung herankamen, so wollte ich wenigstens eine Kamera haben, die zumindest die Daten in so feiner Auflösung bringt, dass das Bild an sich dem Dia in nichts nachsteht. Deshalb wollte ich dann auch gern eine Kamera mit Vollformat-Sensor haben. Und eigentlich gab es erst ab 2008 (für mich) bezahlbare Vollformatkameras. Bis dahin hatte man für das Vollformat noch über 5000 Euro anlegen müssen. Mit der Sony Alpha900 und der Canon EOS 5D MarkII waren nun zwei Kameras der Preisklasse unter 2500 Euro auf den Markt gebracht worden. Damit begann nun allerdings auch die Qual der Wahl:

3. Wahl des Kamerasystems

Gerade neulich fragte ein älterer Eisenbahnfreund beim Anblick meiner Kamera: "Was, Sony stellt auch Kameras her?" Wahrlich "berühmt" für seine DSLR-Kameras ist der Elektronikkonzern aus Tokio (noch) nicht. Wenn man weiß, dass Sony praktisch die Marke "Minolta" übernommen hat, so wird schon eher ein Schuh draus. Aber ich bin schon zu weit. Hier geht es ja erstmal um die Wahl des Kamerasystems. Ich hatte den "Vorteil", dass ich mit meinen bisher verwendeten Leica-Objektiven (alles Manuell Fokus und nicht weiter verwendbar) ein völlig neues System aufbauen musste. Damit hatte ich allerdings die volle Auswahl. Ok, damit würde ich auch eine Menge Rechnungen haben...

Kamera-Bodies, die damals in Konkurrenz zueinander standen, waren die bereits erwähnten Canon EOS 5D MarkII, Sony Alpha900 und Nikon D700. Letztgenannte fiel allerdings sogleich hinten runter, denn wenn ich mir einen Vollformat-Sensor wünschte, so schwebte mir natürlich auch eine angemessen große Auflösung vor. Die 12,1 MP der D700 erschienen mir da wenig angemessen. Es mussten nicht unbedingt über 20 Megapixel sein, aber mit 12 wollte ich mich nicht begnügen. Also blieben die Canon und die Sony. Alle Welt fotografiert mit Canon, warum entscheidet man sich da ausgerechnet für Sony?

Nein, das ist nicht der Beginn einer hochwissenschaftlichen Abhandlung über die beiden Modelle im Vergleich. Besonders viele Testberichte hatte es damals auch noch gar nicht gegeben, denn beide Modelle waren nagelneu. So musste ich mich mit den wenigen Infos, die zur Verfügung standen, und einer guten Portion "Gefühl" zufrieden geben.

Folgene Punkte haben mich letztendlich von der Sony Alpha900 überzeugt:

1. Vor meiner Leica-Zeit hatte ich mit Minolta fotografiert und war von der Abbildungsqualität der Objektive sehr begeistert. Somit war ein gewisses Grundvertrauen in dieses System gegeben, zumal man wirklich jedes (geeignete) Minolta-Objektiv an die aktuellen Sony-Kameras aufsetzen kann.

2. Man konnte sich beide Bedienungsanweisungen herunterladen und damit schon mal ganz gut in die Tiefe der Bedienung einsteigen. Dabei erschien mir rein subjektiv das Handling der Sony wesentlich "gewohnter" und praktischer. Eine Funktion, die ich heute nicht mehr missen möchte, nahm mich sehr für die Sony ein: Man kann im Autofokus-Modus die Fokussierung über die Auslösertaste abschalten. Man peilt mit einer anderen Taste den Auslösepunkt an, die Kamera ist scharfgestellt und mit Betätigung des Auslösers wird kein Stück neu fokussiert. Das ist mir als altem Manuell-Fokus-Fuzzy sehr wichtig; ich habe sonst Angst, dass der Autofokus im Auslösemoment etwas macht, was ich nicht will.

3. Die Canon hat eine eingebaute Videofunktion. In dieser Hinsicht bin ich nunmal Purist. Eine unterschwellige Unterstellung, dass dafür an anderer Stelle gespart worden sein könnte, war vorhanden. Kann natürlich falsch sein. Objektiv betrachtet geht hier und in puncto des fehlenden LiveView bei der Alpha900 vielleicht auch der Punkt an Canon (habe allerdings beides noch nicht vermisst).

4. Das Rauschverhalten der Canon wurde allseits hochgelobt und gleichzeitig bei der Sony ab ISO größer 200 bemängelt. Es war allerdings bereits damals in den verschiedenen Tests davon die Rede, dass Canon das durch sehr massive Eingriffe in die Bildaufbereitungsalgorithmen hinbekommt. Es wurden Beispiele genannt, die zwar wahrscheinlich kaum sichtbar sind; allerdings war mir das unsympatisch. Und da ich eh selten mit mehr als ISO 200 fotografiere und es Mittel und Wege gibt, das Rauschen abzumildern, war mir "ehrliches Rauschen" in den von mir kaum genutzten ISO-Bereichen sympatischer.

5. Die Objektive im Angebot von Sony übten eine gewisse Anziehungskraft auf mich aus. Ja, ich gebe zu, dass hier auch der Herstellername "Zeiss", der wiederholt auftauchte, einen gewissen Reiz auf mich ausübte. Und ein Hobbykollege, dessen fototechnischem Sachverstand ich allerhöchstes Vertrauen entgegen bringe, empfahl mir nicht zuletzt das Sony-System auch aufgrund einiger Spitzenobjektive von Minolta. Er sollte recht behalten.

6. Der bereits an der Alpha700 getestete klare und helle Sucher würde das Fotografieren zu einer wahren Freude machen.

7. Vielleicht der gravierendste Grund, der für mich gegen die Canon sprach, war die langsamere Serienbildfunktion. Auch wenn beide Kameras nur 1,2 Bilder pro Sekunde auseinander liegen (Canon 3,8 und Sony 5), so wollte ich mich doch nicht gern in dieser für die Eisenbahnfotografie wichtigen Position verschlechtern. Klar, im Nachhinein hat die Serienbildfunktion vielleicht gar nicht mehr den Stellenwert wie bei der Analogfotografie, wo man halt gern mal ein Dia mehr zum Weggeben oder eine Sicherheit wegen möglicher Kratzer haben wollte. Aber gelegentlich kann man sie auch im Digitalzeitalter noch gut gebrauchen.

Wie gesagt, das sind zum Teil sehr subjektive Gründe. Ich bin sicher, dass die Besitzer der Canon EOS 5D MarkII genausoviele subjektive Gründe finden, für Ihre Kamera zu "werben". Im Endergebnis dürften sich beide kaum unterscheiden - hier hat die Nachbearbeitung der Bilder sicherlich das gewichtigste Wort mitzureden. Wer mehr über die Kameras wissen möchte, kann sich z.B. hier informieren: Digitalkamera.de (externer Link!).

4. Nach dem Umstieg

Es brach die Zeit eines vollkommen neuen Fotografierens an. Die Alpha900 erfüllte die in sie gesetzten Hoffnungen voll und ganz. Ich hatte vorher im Internet nach Bildern bzw Ausschnitten in Originalauflösung gesucht. Viel war damals halt noch nicht verfügbar, und einige Bilder hatten mich etwas erschrocken. Doch die ersten Einsätze der neuen Kamera brachten mir die Erkenntnis, dass Details ordentlich scharf zum Vorschein kamen, die man selbst beim Dia kaum hätte entziffern können. Hier mal ein Beispiel. Erstmal das verkleinerte Gesamtbild:



Und dann ein Ausschnitt in voller Auflösung ohne nachträgliche Schärfung:



Klar, wenn man diesen Ausschnitt so zum Vorzeigen aufbereiten würde, müsste man noch ein wenig Schärfe dazugeben. Da ich aber keinen Vergleich zu anderen Kameras habe, kann ich nur hoffen, dass die Abbildungsleistung den Vergleich nicht zu scheuen braucht. Andere Ergebnisse würden mich ggf interessieren. Das Bild war übrigens mit dem Standard 1,4/50mm-Objektiv aufgenomen worden.

Das neue Fotografieren

Das oben genannte "völlig neue Fotografieren" rührte in erster Linie davon, dass man bei der Ausschnittswahl jetzt nicht mehr genau auf irgendwelche hineinragenden Elemente o.ä. achten musste, da der Ausschnitt erst zuhause am Rechner festgelegt wurde. Die neue Devise hieß, dass man den Ausschnitt lieber zu weit als zu knapp fasst. Denn wegschneiden geht nun bei dem großen Format mühelos, dranbappen hingegen dürfte schwierig werden...

Weitere Vorteile der elektronischen Fotografie nahm man gerne mit. Gerade auf den Urlaubstouren ist es eine große Beruhigung und Erleichterung, dass man das Ergebnis sofort sehen kann. In Diazeiten beschäftigte einen ja doch immer wieder die Frage, ob man bei einem "Must have"-Motiv alles richtig gemacht hat. Die Antwort erhielt man erst Tage nach der Rückkehr, wenn der Film entwickelt war. Bei der Digitalfotografie bekommt man die Frage praktisch sofort beantwortet. Und wenn es mal mit der Aufnahme nicht so gut wie erhofft gelaufen ist, so gibt es zumindest im Bereich der Belichtung immer noch die Möglichkeit, hinterher vollwertig nachzubessern. Urlaube können plötzlich so entspannend sein ;-)

Das neue Verwenden

Ich hatte in Kapitel 1 gesagt, dass mir der Diaabend wichtig wäre. Nun, per Beamer wird auch im zur Zeit größten Format FullHD (1600x1080 pixel) nie und nimmer die Schärfe eines Dias erreicht. Trotzdem kann die Projektionsqualität in puncto Schärfe als "erträglich" bezeichnet werden. Den Schärfe-Nachteil wiegen eine Reihe von Vorteilen auf: Wenn die Bildaufbereitung vernünftig gelaufen ist, so können Farbverhalten (Beseitigung von Farbstichen) und Kontraste durchaus besser dargestellt werden als beim Dia. Der gravierende Unterschied ist hierbei halt, dass ein Dia nicht optimiert werden kann. Man muss es so hinnehmen, wie es ist, auch wenn es nicht optimal belichtet wurde oder der Film z.B. keine Schattendurchzeichnung mehr zuließ. Weitere Vorteile beim Beamen: Kein Ploppen, keine Kratzer, kein Schmutz.

Abgesehen von der Projektion kann man Digitalbildern allerdings bescheinigen, dass sie in den Ausgabemedien Druck und Bildschirm wesentlich besser rüberkommen als Dias oder gar Negative. Abzüge werden schärfer, Bilder im Internet zeigen eine Brillanz, die mit Scans nur schwer erreichbar ist.

Bei allen anderen Verwendungen ist das Digitalbild dem Dia haushoch überlegen. Allein das Wiederfinden gestaltet sich, wie ich im Text zur Archivierung noch zeigen werde, wesentlich komfortabler. Und die Weitergabe der Bilder ist per Email auch sehr einfach geworden.

Fazit

Ich bin froh, dass ich Ende 2008 zum Umstieg "getrieben" wurde. Vielleicht hätte man früher umsteigen sollen, doch wäre eine Vollformatkamera dann nicht "drin" gewesen. Und wenn ich mir die Entwicklung von Programmen anschaue, so hat es hier auch in den letzten Jahren rasante Entwicklungen gegeben, die ich heute z.T. nicht missen möchte. Eines ist allerdings gefährlich: Fotos sind etwas Variables geworden. Man findet immer wieder irgendein Schräublein, das man drehen müsste, um das Bild vielleicht noch ein Stück zu optimieren. Das kann anstrengend werden und war beim Dia entspannender. Aber wenn man es schafft, über das letzte Prozent Optimierung hinwegzusehen, machen Digitalbilder unheimlich viel Spaß.

5. Vier Jahre danach

Noch immer bin ich mit der Sony Alpha 900 und den verwendeten Festbrennweiten sehr zufrieden. Die Bildergebnisse sind hervorragend scharf. Etwas schwieriger ist es mit meinem Zoom 70-300m aus der Sony G-Serie. Zwar liefert dieses Objektiv auch knackscharfe Bilder, aber nur, wenn der Fokus richtig eingestellt ist. Dessen Einstellung haut allerdings nicht immer hundertprozentig hin. Von zwei anderen Sony-Fotografen wurden mir ähnliche Feststellungen berichtet.

Weshalb ich trotz aller Zufriedenheit mit meiner Ausrüstung die Kameramarke Sony heute nicht mehr uneingeschränkt weiterempfehlen würde, ist die Firmenpolitik. Offensichtlich entwickelt Sony seinen Kamerapark gerade von optischen Suchern weg zu elektronischen Suchern. Ich möchte das nicht grundsätzlich verurteilen, denn elektronische Sucher ermöglichen eine ganze Reihe von Vorteilen. Aber nachdem ich gerade weiter oben den hellen optischen Sucher der Alpha 900 als einen der "Haupt-Spaßfaktoren" (also als einen der Faktoren, durch die das Fotografieren noch mehr Spaß macht) genannt habe, kann ich mir kaum vorstellen, dass ich irgendwo in schönster Natur meine Motive nur noch durch Sicht auf ein künstlich erzeugtes Bild anpeilen möchte. Da kann ich den Urlaub ja gleich vom Sofa aus mit Virtual-Reality-Brille erleben...

Von daher beobachte ich die Entwicklung bei Sony und bei den Mitbewerbern sehr genau. Sony hat nun gerade den Nachfolger der Alpha 900 in Form der Alpha 99 mit elektronischem Sucher präsentiert. Eine Kamera, die mich überhaupt nicht reizt, da hier m.E. nichtmal die Stärken des elektronischen Suchers ausgespielt wurden. Nach derzeitigem Stand muss ich nach dem Ableben meiner schönen a900 wohl mit einem Systemwechsel rechnen. Ich hoffe aber, dass mir meine a900 noch möglichst lange gewogen bleibt. Nach Betrachtung der a99 kann ich nur sagen: Technisch ist die Alpha 900 noch voll auf der Höhe!

5. Neun Jahre danach

Mittlerweile fotografiere ich schon über zwei Jahre mit der Nikon D810. Der Grund war, dass sich 2015 urplötzlich einer von zwei Bodys der a900 verabschiedet hatte. Aus den weiter oben genannten Gründen wollte ich keinen hohen dreistelligen Betrag in die Reparatur investieren. Mit der Nikon D810 bin ich nach anfänglichen Problemen (Body und Objektive waren fokustechnisch nicht vernünftig aufeinander abgestimmt und erforderten drei Werkstattbesuche! Immerhin gibt es eine für mich gut erreichbare Nikon-Werkstatt - ein Vorteil gegenüber der Sony!) hochzufrieden. Mit dem Systemwechsel bin ich auch von der grundsätzlichen Verwendung von Festbrennweiten auf Zoomobjektive umgestiegen, was ich ebenfalls nicht bereue - im Gegenteil, man wird nicht mehr zu all zu knappen Bildausschnitten gezwungen. Etwas wegschneiden kann man bei der hohen Auflösung der D810 jederzeit... Den noch verbleibenden heilen Body der a900 verwende ich zusammen mit einem Universal-Zoom noch als "Immerdabei"-Kamera auf meinen Alltagswegen.

Zum Eingang . Zum Studio der Eisenbahnfotografie