Wenn im Westen die Signale erleuchten - USA September 2018

Autor: Jan-Geert Lukner. Alle Rechte am Text und an den Bildern liegen beim Autor.

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Vor zwei Jahren hatten Christian und ich schon mal vorgehabt, für Eisenbahnfotos nach Montana zu fahren. Damals war allerdings die Wetterprognose für den Norden so miserabel, dass wir lieber in den Südwesten gefahren sind. Diesmal wollte ich zusammen mit Yannick einen neuen Versuch starten. Gebucht war wieder nur der Flug nach Denver, der Leihwagen und das erste Hotel, um eine Adresse für ESTA zu haben.

Zwei Wochen zuvor

Auch wenn ich mir sicher war, dass mein Reisepass alle Anforderungen für einen USA-Besuch erfüllt, hatte es mich etwas nachdenklich gemacht, dass ich bei mehreren Versuchen auf zurückliegenden Reisen mit meinem elektronischen Reisepass nie durch diese automatischen Passkontrollen auf dem Flughafen gekommen war. Irgendwie wollten diese Sperren meinen Pass nicht lesen. Nun hatte ich gedacht, ob vielleicht der elektronische Chip nicht in Ordnung wäre? Im Internet hatte ich recherchiert, dass man den Chip auf dem Bürgeramt checken lassen kann.

So bin ich dann also eines schönen Feierabends noch schnell zu einem hier nicht näher zu bezeichnenden Bürgeramt geeilt und trug am Empfang mein Anliegen vor. Aaaaah, ja. Am Flughafen gibt es also automatische Passkontrollen? Aha! Vom Nachbarplatz kam nun der Hinweis, dass da zwischen diversen anderen Geschichten tatsächlich so ein Gerät zum Auslesen des Chips stände. Aber das habe man noch nie benutzt. Eine ältere Kollegin kam vorbei und wurde sogleich eingespannt. Ja, das Gerät ist zum Auslesen des Chips. Aber das habe man noch nie benutzt. Ist das überhaupt angeschlossen?

Irgendwann war der Einschalter gefunden, doch nach der Initialisierung hatte das Gerät nichts besseres zu tun, als nach einer ID-Karte zu fragen. Die erfahrene Kollegin verschwand und kam tatsächlich bald mit einer Chipkarte wieder. Wo ist nun der Schlitz dafür? Sie wählte den, den auch ich als richtig vermutet hätte. Der war aber nicht richtig, die Karte landete irgendwo im Innern des Gerätes, ließ sich aber mit nur geringfügigem Trennen zweier Bauteile des Kartenlesers bergen.

Der richtige Schlitz war nun auch bald gefunden. Prima, Karte wurde akzeptiert. Doch was verlangt jede gute ID-Karte? Klar, eine PIN natürlich. Und die war nun wirklich nicht parat. Auf meinen Vorschlag, es doch mal mit 1234 zu probieren, wollte man sich nicht so recht einlassen. Mit der Empfehlung, überübermorgen wiederzukommen, weil dann jemand da sei, der sich damit auskennt, wurde ich weggeschickt. Die Frist, im Falle eines Falles einen Pass noch per Express zu bestellen, wäre drei Tage später fast nicht mehr zu erreichen gewesen. Letztendlich habe ich allerdings nochmal recherchiert, dass das Scheitern an den automatischen Passkontrollen normal sei und gar nichts bedeute und dass selbst mit defektem Chip der Pass noch gültig sei - selbst in den USA. Insofern betrachte ich diese Episode nur mal als kurzzeitiges Aufflammen von Verrücktmachen und bin selbstverständlich nicht überübermorgen nochmal zum Bürgeramt gerast. Bitte nicht falsch verstehen, das Personal hat sich große Mühe gegeben und war sehr freundlich, aber wenn's nicht geht, dann geht's halt nicht - und mein Wunsch war offenbar sehr ungewöhnlich.

Samstag, 08.09.2018

Der Wecker ging gegen 4.30. Ich wollte keine Hektik, Schlaf würde ich im Tagesverlauf noch genügend nachholen können. Nach reibungsloser S-Bahn Fahrt gab es eine ewig lange Schlange am Check-in, und zwar sowohl am Automaten als auch an den Schaltern. Aber ich hatte ja genügend Zeit. Am Ende blieben sogar noch 20 Min für mein übliches Flughafenfrühstück.

LH 2089 Hamburg 8.15 - München 9.30

Der Flug war soweit ganz angenehm - für mich jedenfalls. Dem Geschrei einiger Kinder nach fanden diese den Flug nicht so angenehm oder fühlten sich nicht genug bespaßt. Für die unmittelbare Umgebung der Kleinkinder war der Flug deshalb auch nicht angenehm...

In München setzte ich mich erstmal an ein leeres Gate zwischen Passkontrolle und Extra-USA-Boarding und wartete dort auf Yannick. Ein Ehepaar skypte hier lautstark mit Handy am Selfiestick und ließ alle Welt zuhause und im Terminal wissen, dass sie am Flughafen seien und wie toll das wäre. Aus dem voll aufgedrehten Lautsprecher des Phones konnte man eine Frauenstimme Wort für Wort verstehen, und zu allem Überfluss wurde daheim auch noch ein Kleinkind ans Telefon geholt, dass nun live das ganze Terminal vollschrie. Ja ja, während ich hier sitze und warte, habe ich viel Zeit zum schreiben...

Nachdem Yannick eingetroffen war, machten wir uns aber doch mal auf den Weg, die letzte Hürde zu nehmen, das spezielle US-Boarding, für das der hintere Abschnitt des Terminals abgeriegelt war - mit dem Hinweis, dass es dort keine Restauration gäbe. Wir waren gespannt, woraus nun die überall angekündigte US-Spezialkontrolle bestände. An einem Kontrollstand mussten wir Bordkarte und Reisepass vorlegen. Die Nummer des Reisepasses wurde nochmal mit den Angaben im Buchungsprozess verglichen. Und wir wurden gefragt, ob wir ESTA gemacht hätten, das amerikanische Online-Einreiseprogramm, das man statt Beantragung eines Visums macht. Dann ging es weiter in eine kleine Halle zur Gepäckdurchleuchtung. Die war allerdings gar nicht in Betrieb! Die Wegweiser führten uns geradewegs dran vorbei in den Wartebereich. Wir waren durch!

LH 480 München 11.55 MESZ - Denver 13.57 MDST

Da der A350 nirgends zwei einzelne Sitze nebeneinander im Angebot hatte, hatten wir für uns zwei Plätze hintereinander reserviert. Bei Yannick hatte es paar Probleme mit dem Ausdruck der Bordkarte gegeben. Er hatte zwar online einchecken können, aber das System gab am Ende keine Bordkarte aus. Die bekam er erst heute Morgen beim Einchecken. Unsere Plätze im Flieger waren gut. Neben mir saß ein nettes US-Pärchen. Die Frau neben mir war schmächtig und lehnte sich eher an ihren Begleiter, so dass ich gut Platz hatte. Und in Yannicks Reihe war sogar der Mittelplatz frei geblieben, was ja richtig deluxe war.

Es ging sehr sehr viel über Wolken. Aber das Land Nunavut, das mich vor zwei Jahren schon so begeistert hatte und wo selbst jetzt im Spätsommer noch Schnee lag, war sichtbar. 2016 hatte ich große Mühe gehabt, die Bilder in dieser menschenleeren Wildnis zu verorten. Letztendlich hatte das mit Hilfe von kanadischen topografischen Karten geklappt, die ich im Netz fand. Auch später gab es noch die Möglichkeit zu Luftbildern von der kanadischen Wildnis - nunmehr in etwas südlicheren Gefilden und ohne Schnee.


Vielleicht eine der einsamsten Regionen dieser Erde? Wir fliegen über den Süden der Baffin Island, Kanadas größter Insel. Der sich von Süden weit in die Insel hinein ziehende Fjord müsste die Clephane Bay sein.


Baffin Island gehört zum Land Nunavut, einem mit besonderen Rechten für die Inuit ausgestatteten Territorium Kanadas.

So verging die Zeit mal wieder wie im Fluge - da kommt also der Begriff her. An Filmen gab es für mich nur zwei - "Der Buchladen der Florence Green" und "Spy - Susan Cooper Undercover". Der erste sehr ruhig, der zweite etwas fetziger - das war ein schönes Programm. Mahlzeittechnisch wurde man auch bestens versorgt. Es gab ein richtiges Mittagessen, immer wieder mal nen Schokoriegel oder nen Keks, und immer wieder natürlich auch Getränkenachschub. Und dann auch nochmal ein richtiges warmes Abendessen. Ja, der Flug war gut!

Wir hatten mittlerweile überlegt, ob wir unser erstgebuchtes Hotel in Laramie sausen lassen und statt dessen westwärts was suchen sollten. Die Wettervorhersage für Montana war für die Folgewoche erstmal etwas unbeständig, dahingegen weiter südlich im UP-Land Utah wesentlich besser. Und morgen würde nach unseren Infos ja der "Potash Local" fahren, dieser Übergabezug, der die landschaftlich einzigartige Cane Creek Subdivision befährt. Der fährt nur sonntags, so dass sich das für morgen eigentlich anbot.

Der Landeanflug auf Denver war interessant, da es eine ganze Weile relativ tief über die Prärie ging. Wir näherten uns auf fast geradem Wege von Nordosten. Unter uns ein Muster aus Feldern, mal wie auf dem Schachbrett strukturiert, häufig dann aber auch kreisrund. Platz dafür ist in Hülle und Fülle vorhanden, und die Bewässerungsanlagen lassen sich eben am besten im Kreise fahren. Einmal hörten die Felder dann allerdings schlagartig auf und nach einem Geländeabbruch folgte eine eigenartige wilde, zerklüftete Mondlandschaft - nicht eben, sondern durchsetzt durch felsige Berggrate. Mitten hindurch führte sogar ein Bahngleis. Vor Denver folgten noch einige wüstere Abschnitte, in denen zahlreiche Wege zu kleinen Parzellen führten. Wohnhäuser waren das nicht, eher etwas technisches. Manchmal sah das aus wie kleine Sandgruben. Erst im Tiefflug des unmittelbaren Landeanfluges konnte man es erkennen: Es handelte sich um kleine Ölpumpen.

Nach den Erfahrungen von 2016 hatten wir für die Einreiseprozedur in Denver viel Zeit eingeplant. Doch das war gar nicht nötig. Sowohl oben bei den Automaten, die ja mittlerweile den Großteil der Prozedur erledigen, als auch unten beim Officer ging es ruck-zuck. Die Automaten oben spucken nach dem Scannen des Reisepasses, dem Scannen von vier Fingern, einem Foto und Beantwortung weniger Fragen ein Tickets aus, das entweder durchkreuzt ist oder nicht. Yannick bekam ein durchkreuztes, ich nicht. Deshalb unterbrach der Officer seinen WhatsApp-Chat bei mir auch nur kurz für die Frage, ob ich Waren anmelden müsste, und zwei Stempel. Diesmal musste Yannick einige Fragen beantworten und nochmal alle Finger scannen lassen - allerdings war das auch alles harmlos. Der Officer, der mir letztes Mal ziemlich harsche Fragen gestellt hatte, war auch wieder da, zum Glück paar "Kassen" weiter. Und das Rätsel um die durchkreuzten Automatenzettel scheint dann auch gelöst zu sein. Das trifft wohl alle, die seit Einführung des Zehn-Finger-Scans noch nicht in den USA waren, weil dann beim Officer alle zehn Finger gescannt werden müssen.

Insgesamt machte alles jedenfalls einen entspannten Eindruck. Dazu trug in der anschließenden Gepäckband-Halle auch eine friedlich aussehende Officerin bei, die dort mit ihrem Dackel Gassi ging. Da der arme Hund keine Natur zum schnuppern hatte (nichtmal einen Plastik-Kaktus), durfte er an den Gepäckstücken der Reisenden herumschnüffeln. Die Officerin musste ihren Hund wirklich lieb haben, denn sie bat uns sogar, die Rucksäcke abzunehmen und ihren Liebling dran schnuppern zu lassen, worüber sich der Kleine mit einem sichtlichen Schwanzwedeln freute. Hmmm, ein Kläffen des Kleinen, und die gesamte Situation wäre eskaliert? Irgendwie kaum vorstellbar... Für die Gepäckabholung brauchten wir jedenfalls etwas länger. Mein Koffer kam erst sehr spät und Yannick war in Gedanken schon dabei, eine Vermisstenanzeige für seinen auszustellen. Erst als nur noch vier Koffer auf dem Band ihre Runden drehten, erkannte er seinen geliehenen Koffer wieder...

Der Shuttlebus zu Alamo war gut besetzt. Parallel zu einem mit Ganzwerbung bis über die Fenster zugekleisterten Flughafenzug ging es zum Car Rental Village. Anstelle mich in die Schlange vor den Schaltern zu stellen, probierte ich die Automaten aus. Zusammen mit der Einweiserin, einer dieser immer gut gelaunten schwarzen Mummys, galt es einen Fehler zu finden - letztendlich wollte der Automat einen "gültig bis" Eintrag für den Führerschein, da hat sie dann was Fiktives eingegeben. Am Ende und nach meinem überschwänglichen Dank erklärte sie mich zu ihrem Freund und alles war gut.

Als wir rauskamen, hätten wir die Wahl zwischen zwei Toyota RAV4 und zwei Subarus gehabt. Schade, dass in den RAV4 schon welche drin saßen. Gerade hatten wir uns für den Subaru mit den eindeutig besseren Reifen entschieden, da wurde der nächste, noch von der Wäsche tropfende RAV4 bereitgestellt. Hatte ich jetzt wirklich auf einen Hybriden gehofft? Das Thema scheint hierzulande wohl noch keines zu sein. Als Hybrid-Fahrer zuhause habe ich ja einen gewissen Blick für das blau unterlegte Toyota-Symbol der Hybrid-Fahrzeuge gewonnen, doch auch auf der nun folgenden heutigen Fahrt habe ich kein einziges gesehen. Dennoch - wir nahmen den RAV4.

Wir hatten zwischenzeitlich umdisponiert. Yannick hatte uns das Vista Hotel in Parachute, kurz vor dem Startpunkt des "Potash local" in Grand Junction, gebucht. Auch wenn es jetzt nach deutscher Zeitrechnung schon 23 Uhr war, glaubte ich, die dreieinhalb Stunden noch fahren zu können. Es ging auf der Interstate 70 ohne jegliche Stockungen geradewegs in die Berge hinein. Man kommt da der 3000m Grenze schon sehr nahe, und die Laubbäume waren hier schon wunderbar herbstlich gefärbt. In Silverthorne zogen wir erstmal Bargeld, wobei ich trotz kostenloser Möglichkeit mit Postbank Sparcard am Automaten der 1stBank 3 Dollar Gebühr zahlen sollte. Na gut, sei es drum... (Nachtrag: So war es dann auch an allen weiteren Geldautomaten im Laufe der Tour).

Nach der Ankunft im Hotel gegen 20 Uhr war ich aber auch richtig fertig. Das Vista Hotel in Parachute machte einen sehr guten Eindruck, einzig schade war eine Kloverstopfung, wegen der wir nochmal ins Nachbarzimmer umziehen mussten. Ansonsten waren die Zimmer aber tipptopp! Ich war dann auch sofort "weg" und nach der ganzen Kloaktion ließ auch Yannick seinen angedachten Spaziergang in die "Straße der Köstlichkeiten" bleiben.

Sonntag, 09.09.2018

Nachdem ich um 4 wirklich ausgeschlafen hatte, machte ich mir mit der kleinen Kaffeemaschine im Zimmer nen Kaffee und schrieb mal bischen was. Ab 6 gab es Frühstück. Das war für amerikanische Verhältnisse sogar durchaus reichhaltig. Vom Obst bis zu Rührei und Cevapi ähnlichen Würstchen war alles dabei. Aufgrund der Zeitumstellung und weil die letzte Mahlzeit das "Abend"essen im Flugzeug war (um 13 Uhr hiesiger Zeit) hatten wir nun auch Appetit und sprachen dem Frühstück gut zu.

Zeitlich passte es prima. Um 6.40 saßen wir im Auto und rollten weiter auf Grand Junction zu. Einen Kontrollblick in den Bahnhof sparten wir uns allerdings, da dieser doch ganz schön weit von der Autobahn entfernt lag. In Fruita tankten wir lieber schon mal, da die Tankanzeige auf unter 1/3 gefallen war und es nun in die Wildnis gehen würde. Beim im Tankdeckel notierten Wort "gasoline" musste ich etwas stutzen und hab lieber mal den Translater auf dem Smartphone angeworfen. Heißt aber Benzin - ich stand an der richtigen Zapfsäule.

Wie um die Unsicherheit noch zu schüren, ploppte mich die Armaturenanzeige beim Start an mit "Maintanance required" und ich solle doch meinen "Dealer" kontaktieren. Toll, würden wir das jetzt zwei Wochen lang erzählt bekommen? (Nachtrag: Ja!) Mit 4500 Meilen konnte eigentlich auch noch keine Inspektion anliegen...

Na ja, am etwaigen falschen Sprit lag es aber definitiv nicht, und reibungslos gelangten wir in die Ecke vor Brendel / Crescent Junction, wo die Nebenbahn nach Moab abzweigt. Dort musste uns nun bald der Amtrak entgegen kommen. Das Licht stand hier nur leider überall völlig spitz, so dass wir uns etwas schwer taten und immer weiter schauten. Irgendwann war es dann zu weit, und der Zug zog vor der genialen Kulisse der Berge hier unfotografiert mit Seitenschatten an uns vorüber. Kurze Zeit später hatten wir dann den Topp-Ausblick für den Zug gefunden. Wir blieben mal auf dem betreffenden Sandfelsen, denn man konnte hier topp in beide Richtungen fotografieren, und aus Richtung Osten sollte ja irgendwann der Local kommen, um den es uns heute ja besonders ging. Und man konnte dort einfach herrlich sitzen.

Wobei das mit dem herrlich sitzen teilweise dann auch endlich war. Mittlerweile sitzen und stehen wir hier schon drei Stunden, kaum zu glauben. Die schöne Morgenstimmung ist in heftige Mittagshitze übergegangen. Wir haben diverse Spielchen wie z. B. Stein-Zielwurf durch. Der Wunsch nach Schatten wird laut. Der Wunsch nach Sonnenchreme auch. Die Standardantwort nach dem Aussprechen von derlei Anliegen lautet nur "Dann geh doch zum Auto!" Bis jetzt hats keiner von uns gemacht. Der Zweifel ist fortan unser ständiger Begleiter: Wird der Local heute überhaupt noch kommen? Wir wissen es nicht. Zum Auto hat sich aber auch noch niemand runter getraut.


Der Blick von unserem Felsen wäre ideal für einen nicht ganz so langen Local gewesen.

Wir befinden uns hier an der UP Green River Subdivision, die zusammen mit der Moffat Tunnel- und Glenwood Springs Subdivision im Osten und der Provo Subdivision im Westen eine durchgehende Strecke von Denver in den Ballungsraum um die Große Salzseestadt bildet. Im Güterverkehr spielt diese eingleisige Verbindung (nur die Provo-Subdivision westlich Helper ist zweigleisig) allerdings eher eine regionale Rolle. Die großen Ferngüterzüge verwenden wohl lieber weniger steigungsreiche Strecken. Im Bf Brendel zweigt von der Green River Subdivision die UP Cane Creek Subdivision ab, jene Strecke in die Coloradoschlucht bei Moab, auf der einmal wöchentlich die Übergabe "Potash Local" in die grandiose Felsenwelt eintaucht.

Um 12.00 war es so weit. Yannicks Getränk war alle. Er MUSSTE zum Auto gehen. Murphy sollte jetzt seine Chance erhalten. Wobei man ehrlicherweise sagen muss, dass man Züge von Osten vermutlich so rechtzeitig gesehen hätte, dass Yannick auf Zuruf schnell genug wieder oben gewesen wäre. Das musste sich Murphy wohl auch gesagt haben. Er beobachtete die Szene bestenfalls lustlos... Die von Yannick mitgebrachte Sonnenchreme kam definitiv zu spät. Zumindest ich war an den nicht vorgebräunten Unterschenkeln krebsrot. Wir setzten uns eine Frist bis 13.30. Danach würde unser Motiv eh kein gutes Seitenlicht mehr haben.

Um 13.10 gaben wir auf. Wir fühlten uns hinreichend geröstet, und so richtig konnten wir nicht mehr an ein Erscheinen des Zuges in den letzten zwanzig Minuten glauben. Entlang der Bahn ging es nach Brendel und dann den Highway nach Moab. Unser Konzept sah nun zwei Dinge vor: Ein kleines Mittagessen und Ortskunde in der Colorado-Schlucht. Besonders hätte mich dabei der Ausgang des Bootlegger Canyons interessiert. In Moab fanden wir ziemlich schnell Wendys, wo es einen Burger mit Chili con Carne und einen ungekühlten Eistee gab. Erst hatten wir überlegt, den Esskram mitzunehmen und in der Schlucht zu mampfen. Doch im Restaurant herrschten eindeutig die angenehmeren Temperaturen. Beim Verlassen desselben stießen wir erstmal in eine Wand der Hitze.

Nun denn, unser RAV4 war klimatisiert, und so ging es angenehm in die Schlucht hinein. Die Felsenkulisse war einfach nur wieder gigantisch. Man weiß schon, weshalb man sonntags hier hin will. Nur heute war leider der Wurm drin. Das Gleis sah allerdings blank aus. Komplett dicht war die Piste definitiv nicht. Und im Werk standen auch Wagen, auf denen gerade ein Mitarbeiter am herumkrabbeln war. Das wirkte betriebsam, und da wir einigermaßen sicher waren, dass der Zug heute noch nicht gefahren war, stieg nun wieder die Hoffnung. An einem der schönsten Motive der Schlucht, das auch nachmittags noch hinreichend Seitenlicht bot, kraxelten wir auf den Bahnkörper hoch und konnten oberhalb nach kurzer Zeit wenigstens im Schatten der Felsen warten. Noch ne Stunde in der prallen Sonne hätte ich heute nicht geschafft...


Der Schatten ist erstmal rar in der Colorado-Schlucht...

Wir setzten uns 16.30 als Limit und hatten somit eine gute Stunde Zeit zum hoffen. Danach wollten wir uns aber doch lieber nochmal um den Amtrak Westfahrer auf der "Hauptstrecke", der UP Green River Subdivision, kümmern. Den Zug glaubten wir wenigstens sicher. Der Potash Local konnte hingegen theoretisch auch schon früh morgens gefahren sein. Oder ganz ausfallen...

Bis 16.30 war natürlich kein Potash Local gekommen. Planungsgemäß rutschten wir aus unserem Schatten raus und die ziemlich ätzende Bahndammböschung runter. Mit dem Auto ging es nun wieder nordwärts. Wir bezogen wieder mal unseren Aussichtshügel bei Thompson Springs, den von heute Vormittag. Vorhin hatten wir gesehen, dass das mit Blick über die Kurve auch abends gehen musste. Diesmal brauchten wir nicht lange zu warten. Der "California Zephyr" war bald weeeeit in der Ferne zu sehen, brauchte aber noch bestimmt zehn Minuten, bis er bei uns war.


Amtrag Zug 05, der "California Zephyr", brummelt durch die grandiose Felslandschaft bei Thompson Springs westwärts. Eine Mastspitze wurde elektronisch "erledigt".

So hatte heute tatsächlich noch ein Bild geklappt. Schade, es war ein super klarer Tag gewesen, da hätte gern mehr sein dürfen. An der Tanke von Thompson Springs bunkerten wir uns nun erstmal noch paar kalte, wirklich kalte Getränke. Dann bezogen wir nochmal nen anderen Aussichtspunkt östlich von Thompson Springs. Vielleicht würde ja noch ein Westfahrer kommen. Ok, wie das ausging, könnt ihr euch wohl denken. Die Signale machten keinerlei Anstalten zu leuchten.


Bergformationen zwischen Crescent Junction und Thompson Springs.


Nochmal die Gegend nahe unserem Aussichtshügel...


... östlich von Thompson Springs.

Der Plan war, kurz vor Sonnenende noch ein Bild vom abgestellten Uranzug im Bf Brendel zu machen. Dieser Uranzug ist der zweite Zug, der neben dem Potash Local die hier abzweigende Cane Creek Subdivision befährt. Allerdings befährt er nur den vorderen Teil der Strecke bis zum Bf Emkay bei Moab und gelangt nicht auf das imposante Stück in die Colorado Schlucht. Hier oben auf der Hauptstrecke fährt der Uranzug gar nicht weiter, hier in Brendel wird schon wieder alles entladen. Und bei unserer Ankunft stand der Zug tatsächlich schön in der Sonne. Uns war nur nicht ganz klar, wie wir auf die Nordseite der Gleise kommen sollen. Während dieser Überlegungen bzw der Einfahrt in die offizielle Zufahrtsstraße zu der Verladung ging allerdings bereits das Licht aus, die Sonne war hinter die Höhenzüge im Westen geplumpst. War vielleicht auch gut so, denn wir standen eh bald vor einem mit Kameras und Bewegungsmeldern gesicherten Tor. Unser erstes "No trespassing" Schild der Tour. Weil es aber mit Bundesministerium für Energie o.ä. beschriftet war, mussten wir das vielleicht besonders ernst nehmen...

Es ging nun direkt rüber nach Green River, wo wir ein Motel6 gebucht hatten. Unterwegs kamen wir an einigen Passagen der Bahn entlang, von denen auch schon Bilder im Internet vertreten sind und wo man morgen den Amtrak nochmal machen könnte. Andererseits hatten wir bei Thompson Springs auch schon eine vielversprechende Stelle entdeckt.

Das Motel6 war auch schnell gefunden. Der Standard war sehr einfach - kein Vergleich zum Hotel der letzten Nacht. Die laut scheppernde Klimaanlage hat uns abends zwar wirklich angenehme Temperaturen ins Zimmer gezaubert, doch für die Nachtruhe haben wir sie lieber mal ausgeschaltet. Ansonsten war das Zimmer aber ok, wenn auch mit 74€ ziemlich überteuert. Und das Wifi tats nicht. Oder viel mehr: Die Anmeldeseite funzte nicht. So kam man halt nicht rein, bzw als es einmal geklappt hatte und ich mich gerade über das wirklich schnelle WLAN gefreut hatte, wurde ich wieder rausgeschmissen und kam nicht mehr rein. Das war schon sehr lästig. Man will ja doch bischen planen...

Großen Hunger hatten wir beide nicht. Einen Salat konnten wir uns allerdings gut vorstellen. Nun muss man allerdings dazu sagen, dass Green River nicht viel ist. Wir cruisten dreimal die fünfspurige Dorfstraße hin und her, doch es gab weder in den Trucker-Tanken abgepackten Salat, noch boten die in einigen Tanken mit integrierten Fastfood-Ketten (von denen Subway das bekannteste war) Salate an, selbst die besagte Schmalspur-Ausführung von Subway nicht. Die großen Ketten schien es hier gar nicht zu geben.

Nein, das war keine "Straße der Köstlichkeiten". So hatten wir 2016 immer diese typischen amerikanischen Straßenzüge genannt, in denen sich eine bekannte Fastfoodkette an die andere reihte. Am Ende fanden wir in einer Tanke den Verkaufstresen von Arbys. Und der hatte tatsächlich einen (!) Salat im Angebot - wahlweise mit Crispy Chicken oder Crispy Turkey. Crispy, damit das ganze auch nicht zu kalorienlos wird. Immerhin - wir hatten, was wir wollten und zogen uns fürs Abendessen aufs Zimmer zurück. Und ich machte mich an die Behandlung meiner Sonnenbrände. Oh Mann, da hatte ich mich heute wirklich benommen, als wenn man das erste Mal in der Sonne gestanden hätte. Besonders die Unterschenkel, pieksten mich nun ganz schön...

Montag, 10.09.2018

Immerhin hatten mich meine Sonnenbrände gut schlafen lassen. Zwei Güterzüge konnte ich aber trotzdem hören - einen so um 1 herum und einen um 5. Die Strecke war nicht weit weg, und das Horn der Loks nicht zu überhören. Wir hatten uns gestern schon gefragt, wofür UP diese Infrastruktur vorhält. Alle paar Meilen gibt es Ausweichbahnhöfe, deren Gleise auch durchaus blank wirkten. Na ja, nun wissen wir es also, bischen fährt hier also doch...

Frühstück wird im Motel6 nicht angeboten. Deshalb ging es um 7 ohne los, wobei man an der Rezeption immerhin einen Kaffee abgreifen konnte. Es stand einiges Gewölk am Himmel. Wir fuhren dennoch ins Motiv bei Thompson Springs. Und schnell war klar, dass sich die Wolken bald auflösen bzw abziehen. Was war das für ein herrlicher Morgen. Vergessen die Hitze von gestern, es war angenehm kühl und eine wunderbare Luft. Bald lag das gesamte Panorama im herrlichsten Morgenlicht vor uns. In der Tanke an der Abfahrt Thompson Springs war ein 7eleven integriert, wo wir uns paar Frühstücksutensilien besorgt hatten, die wir nun im Motiv genüsslich verzehrten.


In der Gegend um Crescent Junction und Thompson Springs sieht man immer wieder Gabelantilopen. Sie gehören zu den schnellsten Tieren der Welt.

Der Amtrak hatte eine Viertelstunde Verspätung, Tendenz steigend. Vielleicht läuft da ja ein Güterzug vorweg? Kleiner Scherz... Jedenfalls war das so eine Stelle, wo man durch hin- und herlaufen auf den kahlen Hügeln tausend Motivvarianten gehabt hätte. Wie schade, dass man gestern auf den Amtrak gar kein Augenmerk gelegt hatte und zu spät hier war, bloß weil man nur auf den "Potash local" fixiert gewesen war. Immerhin, nachdem der Amtrak uns aufgrund der Verspätung ein wenig auf die Probe gestellt hatte, klappte er dann heute wenigstens hervorragend.


Amtrak Zug 06 rollt bei Thompson Springs ostwärts.


Yannick stand etwas spitzer.

Der Plan war nun, nochmal für eine Stunde (und bestimmt nicht länger!) mit vollem Sonnenmilch-Tuning auf unseren Affenfelsen mit Zweirichtungsblick von gestern zu krabbeln. Danach sollte es aber weiter gehen. Noch waren die Temperaturen angenehm und es wehte ein frischer Wind. Allein das Sitzen mit dem tollen Ausblick auf die Felsenberge war schon wunderbar. Um 9.50 riefen uns die auf dieser Strecke nicht existenten Züge zu "Dann geht doch zum Auto!" und wir nahmen diesen Ratschlag an. Im Autoradio wurde "Lord of the Dance" von Michael Flatley angeheizt - die flotte Musik passte herrlich zur durchfahrenen Landschaft! Passt auch als Hintergrundmusik zum Reisebericht :-)

Der weitere Plan sah vor, dass wir weiter nordwestwärts in Richtung Helper fahren wollten. Dort wollten wir über Mittag einfach etwas Kundschaft betreiben. Dort in der Gegend sind verschiedene Anschlüsse, unter anderem von zwei kleineren Kohleabbaugebieten. Erstmal war jedoch in Green River Tanken angesagt. Und das war auch diesmal nicht so einfach. Zwei Tanken einander gegenüber. Die linke 2ct billiger als die rechte. Als wir jedoch die Kreditkarte durchgezogen hatten, teilte uns die Zapfsäule mit, dass sie nur noch deutlich teureren Sprit mit 88 und 91 roz hätte, nicht aber den billigen mit 85 roz. Mal eben 20ct mehr ausgeben? Das wollten wir nicht. Also "abbrechen" gedrückt und rüber zur rechten Tanke. Dort gab es dann auch alle Sorten. Blöde war nur, dass die Auswahltasten für die einzelnen Spritsorten umgekehrt angeordnet waren als bei der linken Tanke. Ich einfach links draufgehauen und losgetankt. Tja, das war das Zeug mit 91 roz, nunmehr 40ct teurer als der billigste Sprit. Das war ja nun richtig dumm gelaufen. Na ja, immerhin hatte ich nicht die Diesel-Taste gedrückt...

Es war schön, mal wieder bischen durch die Gegend zu fahren. Die Kulisse der Felsenberge um uns herum war faszinierend. Viele dieser Felskronen waren hier mit kleinen Bäumen bestanden. Nach der Kahlheit um Thompson Springs herum war der Anblick ungewohnt. Wir schauten uns die Kohlebahn nach Sunnyside an, wo ein Kohlezug auf einer Ringstrecke im Werksgelände beladen wurde. Bespannt war er mit einer grünen Diesellok mit hochgezogener Nase, hatte von der Form her etwas Ähnlichkeit mit den griechischen Schmalspur Alcos. Eine weitere Lok ganz in blau stand vor einem Schuppen. Zum Fotografieren kam man da allerdings nirgends ran.

Von der Streckenführung viel spektakulärer war hingegen die relativ kurze Anschlussbahn von Helper nach Wildcat. Diese von der Utah Railway betriebene Strecke kurvt mitten durch hohe Felsenberge hindurch und bietet eine imposante Kulisse. Das Gleis sah minimal befahren aus, doch im Werk stand kein einziger Wagen.

Nach einem Kurzbesuch im Bw der Utah Railway ging es weiter entlang der Hauptstrecke den Price Canyon hinauf. Sehr eindrucksvoll! Oben setzten wir uns einfach mal an einem schönen Ausblick in die Sonne (yippieh!) und warteten auf das, was da kommen mochte. Und wir brauchten gar nicht all zu lange zu warten. Da wir nicht ernsthaft mit einem Zug rechneten, überraschte uns der Langschienenzug, der plötzlich um die Ecke bog, nicht wenig. Leider wich eine Wolke zu langsam vom Gleis. Die Loks waren weiter vorn angeschattet, die Wagen nicht. Shit happens! Immerhin bekamen wir den extrem langsamen Zug weiter unten im Canyon nochmal sehr schön in typischer Felskulisse. Unser erster Güterzug!


Ein Langschienenzug biegt um die Ecke und fährt in den Bf Kyune ein.


Im Pricecanyon bei der kleinen Siedlung Royal erwischen wir den Langschienenzug nochmal sehr schön vor der gigantischen Felskulisse.

Danach war erstmal Essensbeschaffung angesagt. Ausgerechnet in Helper gab es nun gar keine Ketten. An einer Tanke konnten wir uns immerhin jeder einen Burger besorgen, im Supermarkt hatte es bereits Eistee "mit einem Spritzer sizilianischer Zitrone" gegeben. Zum Speisen fuhren wir wieder hoch zu unserem Ausblick von vorhin am oberen Ausgang des Price Canyons. Am Himmel standen viele Wolken, auf der Schiene herrschte Ruhe.

Bald war es sogar eindeutig: Wir standen auf der falschen Seite einer sehr stationären Wolkengrenze. Irgendwann nach 16 Uhr gaben wir auf. Diese Strecke, auf der fast nichts fährt, ist mühsam. So schön die Landschaft auch ist, aber dies ist halt doch so eine Strecke, die schnell im Frust enden kann. Unser Ziel hieß nach wie vor Montana. Dass wir uns hier unten in Utah herumtrieben, war ja im Grunde die Nachwehe des gestern angestrebten Programmpunktes mit dem "Potash local" und der Tatsache geschuldet, dass bis Donnerstag für Montana eher unbeständigeres Wetter angesagt war. Aber noch konnten wir den Tag nutzen, um in vielleicht etwas zugreichere Gegenden vorzudringen.

Quasi auf dem Weg nach Montana muss man ja noch die nördlichere der beiden UP Haupt-Transkontinentalstrecken queren. Mich hat zwar der auf dieser Strecke gelegene Echo-Canyon nie sonderlich gereizt, weil ich das dortige Nebeneinander von Bahn und Autobahn ziemlich furchtbar finde, aber die Ecke würde uns halt doch ganz gut die Zeit vertreiben, bis hoffentlich das Wetter in Montana besser wird. Ich rechnete dort mit deutlich mehr Verkehr als hier - man kann sich ja mal irren... Wir buchten noch am Aussichtspunkt oberhalb des Price Canyon ein Hotel in Evanston oberhalb des Echo Canyons für zwei Nächte. Das Navi sagte nur drei Stunden Fahrzeit voraus - das passte!

Allerdings kamen wir nicht weit. Fünf Minuten nach Verlassen unseres Aussichtspunktes, als wir gerade den Bahnhof Colton passiert hatten, kam uns ein Kohleleerzug entgegen! Wir konnten zum Glück sofort drehen und dem Zug voraus fahren. Doch das Elend waren die Wolken. Hatte es vor einer Stunde noch eher nach Auflockerung ausgesehen, konnte man jetzt schon von geschlossener Bewölkung sprechen. Wir stellten uns an einer anderen Stelle etwas nördlich unserer Motive auf, doch als der Zug hinten auftauchte, war alles dunkel. Immerhin kam nun Helligkeit heran. Aber es wurde genau so wie vorhin beim Langschienenzug: Die Loks hatten kein volles Licht, die Wagen dann größtenteils schon...


Ein Kohleleerzug zwischen den Bahnhöfen von Colton und Kyune auf dem Soldier Pass.

Eine weitere Verfolgung machte wolkentechnisch keinen Sinn, obwohl wir unten im Canyon mindestens eine Must have Stelle für diesen Zug gehabt hätten. Dann fahr doch in die Wolken! Wir brachen nun zum zweiten Mal nordwärts auf. Allerdings kamen wir nicht weit! Im Bahnhof Soldier Summit oben auf der Passhöhe stand der nächste Kohlezug. Allerdings hatte er kein Licht an. Und einen Grund, hier kurzfristig zu warten, hatte er eigentlich auch nicht. Das konnte also ewig dauern. Die Wolkenlage war gleichbleibend schlecht, wir fuhren weiter.

Auch der Nordwestabstieg des Soldier Summit bot einige faszinierende Ausblicke auf steilste Rampen der Bahn und die unterschiedlichen Landschaftsformen. Was für ein Land! Wir mussten dem Highway 6 bis in den Ballungsraum von Salt Lake City folgen, mussten die Salzseestadt selbst aber nicht berühren. Lediglich durch Provo mussten wir hindurch. Im dortigen Bahnhof stand sogar ein Doppelstock-Regionalzug abfahrbereit. Ohne große Stockungen konnten wir eine Viertelstunde später den Ballungsraum auf Highway 189 wieder verlassen. Man bog in den Provocanyon ein, und schon war das Häusermeer vergessen. Auch in diesem Canyon gab es mal eine Bahnstrecke - jetzt als Radweg genutzt. Erst später lag noch das Gleis, und zwar für eine Museumsbahn.

Wir kamen in eine Gegend mit vielen Stauseen und Feriensiedlungen. Offenbar war dies die Ausflugsregion von Salt Lake City. Bei Echo erreichten wir die UP Strecke, auf der wir morgen hoffentlich paar Züge vor die Linse bekommen. In Evanston suchten wir das gebuchte Knights Inn auf. Ich fand, dass es von außen etwas lodderig wirkte, doch innen war alles topp. Zum Abendessen ging es mit dem Auto durch das Kleinstädtchen zu Wendys, wo ich Chili und einen Salat nahm. Unterwegs bog ein Auto vor uns einfach bei rot nach links in die Hauptstraße ab. Hmmm, ich hatte ja gelesen, dass man hier in Wyoming nicht bei rot rechts abbiegen darf, was in der sonstigen USA analog zu unserem festen grünen Pfeil fast überall erlaubt ist, doch dass dafür das Linksabbiegen bei rot erlaubt ist, hatte ich nicht gelesen...

Dienstag, 11.09.2018

Das auf booking.com hochgelobte Frühstücksbuffet erwies sich dann doch eher als typisch amerikanisches Minimalstangebot, wobei die Lebensmittel immerhin in gutem Zustand waren. Lange mussten wir uns daran nicht festhalten, zumal es nur Süßes gab, nichtmal Creamcheese. Dann ging es auch schon mit dem Auto über die Grenze in Richtung Echo. Evanston liegt in Wyoming, der Echo Canyon jedoch in Utah. Wir befinden uns an der UP Evanston Subdivision, die Bestandteil der nördlichen "großen" UP-Transkontinentalstrecke aus Richtung Osten über Cheyenne kommend in Richtung Westen via Ogden ist. Wir erwarteten hier deutlich mehr Verkehr als an der Strecke über Helper, von der wir kamen.

Zur Kundschaft fuhren wir in Castle Rock kurz von der Autobahn. Da stand schon ein dick eingemummelter älterer Fotograf. Das war aber auch ganz schön frisch heute Morgen. Wir waren dennoch in T-Shirt und kurzer Hose unterwegs... Da er seiner Aussage zufolge nichts bestimmtes erwartete, fuhren wir erstmal weiter. Die Schlucht war aber noch ganz schön schattig. Und ziemlich weit unten kam uns ein Güterzug entgegen. Nun kann man ja auf Autobahnen nicht so richtig wenden, aber wir hofften einfach mal, dass wir den Zug trotz Wendung an der Abfahrt Echo bis Castle Rock wieder eingeholt hätten. Bei der Steigung würde der Zug wohl sehr langsam werden, oder? Als wir dem Zug hinterher fuhren, glaubten wir bald selbst nicht mehr dran. Doch in der Steigung aus dem Canyon raus war der Zug dann doch so langsam geworden, dass wir ihn einholen und uns in Ruhe einen Standpunkt suchen konnten.


Ein Containerzug befindet sich auf dem Steigungsstück bei Castle Rock. Das Gegengleis liegt unten im Talgrund im Schatten. Auf der UP Evanston Subdivision wird zwischen dem Großraum Ogden und Wahsatch links gefahren - Schuld daran dürfte genau dieser Steigungsabschnitt sein.

Danach sollte es aber wirklich in den Canyon gehen. Doch immer wieder grün werdende Signale ließen uns nie so richtig weit fahren. So nahmen wir zwei weitere Bergfahrer noch außerhalb des spektakulärsten Bereiches mit.


Blick von der Brücke der Echo-Canyon-Road auf einen aufwärts fahrenden Kohle(?)leerzug.


Ein Getreidezug kommt entgegen.


Ein Manifest hat gerade den in der Schlucht gelegenen Bahnhof Emory durchfahren.

Als wir dann unten vor den imposanten roten Felsen Stellung bezogen hatten, riss der Verkehr schlagartig wieder ab. Blöd gelaufen. Zwar saß man da auf einem kleinen Felsen nicht unnett, aber die Sonne drehte und drehte...

Zwei Stunden später. Unser zeitliches Limit 10.30 ist erreicht. Zwischenzeitlich gab es zwei Bewegungen auf der Schiene: Ein Güterzug aus der falschen Richtung ohne Schlusslok und - wir hatten schon geunkt, dass der eigentlich noch fehlt - der Bahnmeister mit seinem Zweiwegeunimog ("Hi-Railer"), natürlich auf "unserem" Gleis, aber rückwärts, so dass es nichtmal für einen vollwerigen "Ersatzschuss" reichte.

Der nächste Programmpunkt war der "noch nie fotografierte" (Vorsicht: Ironie) Ausblick von der Autobahn-Raststätte direkt gegenüber. Obwohl wir in Sichtweite standen, war dorthin eine mehr als halbstündige Autofahrt nötig, denn die kleine Echo Canyon Road entlang der Gleise, auf der wir uns gerade bewegten, wurde weiter schluchtaufwärts nur in Richtung Osten in die Autobahn eingefädelt. Man musste auf der Autobahn bis zur Auffahrt Castle Rock weiterfahren und von dort zurück zum aussichtsreichen Rastplatz, der wiederum nur für westwärts strebende Autos auf westwärts strebende Züge aussichtsreich war.

Das taten wir aber nicht. In Castle Rock angekommen war die Überlegung, uns erstmal in Evanston Verpflegung zu besorgen, bevor wir den Aussichtspunkt an der Raststätte aufsuchen. Zumindest, solange uns kein Zug entgegen kommt. Doch die Signale waren alle dunkel, wir konnten entspannt bei Taco Bell mit Bahnblick zu Mittag essen.

Als wir danach zu besagter Autobahn-Raststätte strebten, kamen wir an der Arbeitsstelle des Unimogs vorüber, an der sich mittlerweile ein zweiter Unimog dazu gesellt hatte. Nun waren beide Gleise dicht. Suuuuper! Na ja, man konnte sich auf dem Aussichtshügel schön in den Schatten setzen, die Temperatur war mit rund 27°C auch deutlich angenehmer als die letzten Tage.

Zwei Stunden später. Wir sind immer noch auf dem Aussichtshügel. Es ist an unserem Schattenplätzchen auch immer noch sehr angenehm, ein kühler Wind weht durch das Tal. An den Lärm der LKWs auf der Autobahn haben wir uns schon längst gewöhnt. Uns an den Bahnlärm zu gewöhnen, dazu lässt man uns keine Chance. Da unten rollt einfach nichts. Die Schienenunimogs waren bereits um 13 Uhr wieder nach hause gefahren. Offenbar waren sie mit ihrer Arbeit fertig gewesen, denn wegen "drohender" Züge hätten sie die Arbeitsstelle nicht zu räumen brauchen.

Oder doch? Was wir nicht wussten: Die nächste Fuhre war etwas sehr Langsames. So gegen 14 Uhr tauchten ganz hinten dann doch endlich mal drei UP-Loks auf. Die Wagen wirkten allerdings sehr niedrig. Und die Bewegung war extrem langsam. Habe ich "Bewegung" geschrieben? Der Zug bewegte sich bald gar nicht mehr! Na gut, wir wussten was es war, denn wir hatten den Schotterzug schon immer bei der Vorbeifahrt am Bf Wahsatch oben zwischen Castle Rock und Evanston stehen sehen, und eben auf dem Rückweg von Taco Bell lebte es auch im Führerstand. Es dauerte nun noch über zwanzig Minuten, bis der Zug in unserem Motiv war, und wieder mal war es ein Materialzug der Bahn (wie gestern der Langschienenzug im Price Canyon), der uns ein Mittagsmotiv rettete.


Letztendlich ist es ein Schotterzug, der uns ein Foto aus der "typischen" Raststättenperspektive ermöglicht.


Direkt neben uns hielt er an und ließ mal wieder ne Rutsche Schotter raus...

Ansonsten blieb es aber absolut tot auf der Schiene. Irgendwie hätte ich mir hier doch mehr Verkehr versprochen, aber vielleicht geht das auch erst ab Mittwoch wieder richtig los mit dem Transkontinentalverkehr. Nach etwas Motivkunde entlang der Echo Canyon Road für abends stellten wir uns einfach im Bf Echo mitsamt Auto in den Schatten eines Baumes und warteten mal. Hier hatte man schöne kahle Anhöhen im Hintergrund. An der Ladestraße war man dabei, einige Wagen zu beladen. Yannick fragte den Belademeister einfach mal, wann denn der Local fahren und die Wagen abholen würde. Die Auskunft lautete Mo Mi Fr irgendwann um die Mittagszeit, wobei wir davon ausgingen, dass damit wohl die Rückfahrt gemeint ist, denn die Bedienfahrt wendet wohl in Evanston. Dachten wir.

Als das Licht im Bahnhof zu seitlich stand, kundschafteten wir mal ein Stück weiter nordwestwärts. Da sollte bald der Ort Henefer folgen. Das tat er dann auch wirklich. Wir cruisten ein wenig durch den Ort, doch es war jetzt nicht so, dass uns die vielen Versorgungsmöglichkeiten angesprungen hätten. Der Ort wurde von einer großen US-Flagge auf dem Hügel beherrscht, die heute in Gedenken an Nineeleven auf Halbmast wehte.


Flaggen im Wind I: Sie kündet schon von Nationalstolz, die riesige Flagge auf einem Hügel oberhalb von Henefer, heute auf Halbmast in Gedenken der Anschläge auf das World-Trade-Center in New York vor nunmehr genau siebzehn Jahren.

Unser nächstes Motiv war eines im Canyon, für das die Sonne aber erstmal rumkommen musste. Wir hatten geschaut - vor 16.30 brauchten wir da gar nicht aufzuschlagen. Als uns auf dem Rückweg von Henefer dann plötzlich ein Autologistikzug entgegen kam, fragten wir uns aber doch, ob man den dort vielleicht schon mal hätte nehmen sollen. Der Zug hatte kurioserweise nur je eine Lok vorn und hinten.


Ein Autologistikzug zwischen Echo und Henefer. Eine einzelne Lok sieht in den Staaten ja immer etwas nach Nachschuss auf die Schlusslok aus, doch dieser Zug hatte tatsächlich nur eine Zuglok (und eine Schlusslok).

Als wir am Motiv zu Füßen der größten Felsen ankamen, war das Licht zwar noch spitz, aber schon sichtlich auf der richtigen Seite. Dank guter Signalsicht konnten wir bequem im Auto warten. Lange Zeit tat sich gar nichts und angesichts der rapide wachsenden Schatten kamen wir mehr und mehr zu der Überzeugung, dass der Autozug unser Zug für diese Stelle gewesen wäre.


Flaggen im Wind II: Vor einem Materialdepot der Straßenverwaltung im Canyon wehen das Sternenbanner und die Flagge Utahs, auf der das Wappen zu sehen ist: Ein Bienenkorb, der als Symbol für die fleißigen Mormonen steht, die im Nichts diesen Staat aufgebaut haben.

Doch nach etwa einer Dreiviertelstunde ging plötzlich das Signal vor uns an - in unserer Blickrichtung auf rot, aber sicherlich dann in der Richtung des erhofften Zuges auf grün. So hatten wir das immer beobachtet. Tatsächlich kam dann auch bald ein langer Manifest, den wir auch nochmal im Bf Echo bekamen.


Ein Manifest kommt von oben und durchfährt den engsten Teil des Echo-Canyons.


Derselbe Zug nochmal von hinten beim Verlassen des Bf Echo.

Ein "Manifest" ist ein Ferngüterzug mit gemischter Fracht, also meist mit einem bunten Sammelsurium der verschiedenen Wagenbauarten, manchmal allerdings auch mit längeren Gruppen gleicher Wagen. Der "Local" ist das Gegenstück im Nahverkehr zur Bedienung der Ladestellen entlang einer Strecke.

Dann wollten wir zurück in die Schlucht, doch plötzlich ging das Ausfahrsignal ins Regelgleis Richtung Schlucht auf rot. Da musste was im Gegengleis runterkommen! Wir fuhren schnell wieder zu unserem Motiv von eben, wo tatsächlich bald ein Auflieger- und Containerzug auf dem rechten Gleis angefahren kam. An diese Lichtsignale, die man auch von hinten erkennen kann, weil sie für die Gegenrichtung von "aus" auf rot springen, könnte ich mich gewöhnen. Auch diesen Zug, der im Gegengleis weiter in Richtung Henefer fuhr, bekamen wir ein zweites Mal im Bf Echo, wobei durch die Fahrt auf dem hinteren Gleis mehr von den Felsen zu sehen war.


Die Schatten im Canyon werden größer. Ein Zug mit Aufliegern kommt auf dem Gegengleis abwärts angeeilt.


Derselbe Zug nochmal im Bahnhof Echo.

Das war es jetzt aber offenbar. Alle Signale waren wieder dunkel, kein Zug im Zulauf. Wir fuhren nun nochmal den Canyon hinein und fanden auch einen ganz netten Blick, den die Sonne noch eine Zeit beleuchten würde. Doch auch die hiesigen Signale blieben dunkel. Das Tal fiel immer mehr dem Schatten anheim. Wir beschlossen, den Canyon nach oben in Richtung Evanston zu verlassen. Dort oben auf der Hochfläche würden sich vielleicht noch Möglichkeiten ergeben. Das erwies sich dann auch prinzipiell als richtig, doch die wenigen BÜs führten alle auf Privatgelände der Marke "no trespassing".

Erst ein BÜ am Ortsrand von Evanston brachte Blicke von der Westseite der Bahn mit sich, sei es vom BÜ selbst ganz spitz für Yannick oder von einem nahe gelegenen Hügel, an den man auf einer Zufahrt zu einem kommunalen Müllplatz ranfahren konnte, bis plötzlich mitten drin ein Tor mit entsprechender Beschilderung kam. Hier hatte ich aber die Möglichkeit, außerhalb des Zauns besagten Hügel zu erklimmen. Und bevor auch hier die Schatten kamen, gab es immerhin noch eine Zugfahrt, einen schön hell leuchtenden Getreidezug. Dabei hatte ich im Vordergrund ein äsendes Rudel Gabelantilopen.


Vom letzten Fotostandpunkt des Tages hat man die Unterkunft bereits im Blick: Das Knights-Inn im Hotel-Viertel von Evanston.


Ein Getreidezug im Bereich von Evanston. Und im Vordergrund kann man ein Rudel Gabelantilopen bzw Gabelböcke sehen.


Derselbe Zug spitz vom Bahnübergang. Hier, östlich von Wahsatch, herrscht wieder Rechtsverkehr.

Danach war nun auch bald Sonnenuntergang. Gemeinsam ging es zunächst zur Tanke mit dem sensationell günstigen Sprit für 2,87$ pro Gallon, das sind pro Liter etwa 0,65€! Danach fuhren wir ins Hotel. Denn das hatte sogar ein richtiges Restaurant! Es gab ein riesiges und wahnsinnig gutes Steak, dazu handgeschnibbelte Pommes und Budweiser, natürlich das hiesige. Auch wenn der Vormittag und Mittag verkorkst waren, so hatte abends ja einiges geklappt, und wir waren der Meinung, dass wir uns damit das Steak verdient hatten.


Unsere 450g-Steaks in Evanston.

Mittwoch, 12.09.2018

Für den Tagesanfang hatten wir uns nochmal die Morgenmotive im unteren Abschnitt der Schlucht auf den Zettel geschrieben. Vielleicht würde ja die Zugzahl reichen, um sowohl den Blick von oben als auch von unten zu bekommen. Heute sollte ja immerhin auch der Local fahren. Nach dem Frühstück checkten wir aus. Eigentlich sollte es heute nach einigen Morgenbildern nordwärts gehen. Oder auch nicht, wir waren irgendwie immer noch in der wetterbedingten Warteschleife für Montana...

So ging es gegen 7.30 in Evanston los. Nach zügiger Fahrt erreichten wie den bekannten Rastplatz im Echo-Canyon. Die Schlucht lag noch komplett im Schatten. Unterwegs waren uns zwei Güterzüge entgegen gekommen, die fürs Motiv definitiv zu früh waren. Wir mussten nun allerdings ein ganzes Stück unterhalb der Autobahn zu einem Aussichtshügel zurück laufen. Als wir dort ankamen, gelangte die Strecke dann auch nach und nach in die Sonne. Jetzt durfte gern ein Zug kommen. Besonders schönes Warten war das hier an der Autobahnböschung nämlich definitiv nicht.

Zwei Stunden später. Another frustrating morning in the US is passing by. Es rollte null. Nichtmal die gestern früh fotografierten Züge kamen, auch die Gegenrichtung war tot. Die Warterei an der Böschung oberhalb der Autobahn war laut und nervig. Das war jetzt genau das, weshalb ich den Echo-Canyon nie als potentielles Ziel gesehen habe - trotz der eindrucksvollen Felsen.


Während der Wartezeit konnten wir dem gegenüberliegenden Hang ein wenig beim Kokeln zuschauen...

Eigentlich neige ich ja dazu, mich an einem Topp-Motiv festzubeißen. Wenn es den einen Tag nicht klappt, dann probiert man es halt am nächsten. Hier hätte ich auf dieses Prinzip wohl verzichtet, wenn wir denn Alternativen gehabt hätten. Aber es war nach wie vor so, dass weiter nordwärts erst ab Freitag schöneres Wetter kommen sollte. Eine Überlegung war noch, heute Abend und morgen Vormittag den Yellowstone Nationalpark einzubauen, aber dazu hatten wir hier mittlerweile zu lange abgehangen. Problematisch ist dort halt auch die Übernachtungslage, denn im unmittelbaren Bereich in und um den Park wurden uns auf Booking nur extremst teure Etablissements ausgeworfen. Und wenn man dann nichtmal Wetter hätte... Insofern stand die Planung bald fest. Hier noch 24h bleiben, morgen dann aber definitiv um 10.30 die Kurve kratzen, damit man abends in Helena, der Hauptstadt Montanas, ist, die genau zwischen zwei für uns sehr interessanten Streckenabschnitten liegt.

Eine weitere halbe Stunde später, 10:45. Wir standen hier nur noch, weil uns immer noch nichts schlaueres eingefallen war. Es wurde heißer und heißer. Plötzlich wurden wir gewahr, dass in der Ferne, Blick talaufwärts, ein Signal rot leuchtete. Da musste was von oben kommen! Die Hoffnung stieg ins unermessliche. Vielleicht ein Zug mit Schlussloks? Aber nein, es handelte sich lediglich um die Übergabe, deren Hinfahrt wohl bereits bei Dunkelheit stattgefunden hatte und die nun schon von Evanston zurück kam. So erklärten wir uns das jedenfalls.

Kurze Zeit später blinkte das Signal dann plötzlich gelb. Nun musste also endlich ein Zug von Echo kommen, und zwar mindestens bis zum in der Schlucht gelegenen Bf Emory im Gegengleis. Jetzt stieg die Hoffnung ins unermessliche. Endlich ein Zug! Das Signal blinkte wohl zehn Minuten vor sich hin und ging dann wieder ganz aus. War das nur eine Probeeinstellung einer Fahrstraße für LST gewesen? Wir hatten jetzt die Nase voll. Die Sonne war jetzt eh von der Front weg und nun auch schon ziemlich hochlichtig. Ich lief ein Stück die Autobahnböschung runter, um das Signal für das aufwärts führende Regelgleis zu erkennen, doch beide Signale waren dunkel. Rückzug!

Yannick lief ein Stück voraus, ich hinterher. Er war gerade an einer Stelle, wo man fast am Fahrbahnrand der Autobahn langlief. Ich noch etwas höher. Plötzlich Gebrüll vor mir. Ich dachte schon, ein Autofahrer hätte Yannick zugebrüllt, dass er dort nichts verloren hätte. Aber Yannick war es, der geschrien hatte, denn unten näherte sich die Übergabe aus Richtung Echo! Da hatten wir über drei Stunden im Motiv ausgeharrt, nichts kam, und kaum hat man den Platz verlassen, rollte es. Das war mal wieder wie aus dem Handbuch "Verarschen von Eisenbahnfotografen leicht gemacht". Immerhin befanden wir uns noch an einer Stelle, wo man den Zug auch noch brauchbar umsetzen konnte - das hätte noch weitaus schlimmer kommen können.


Der Local kommt nun plötzlich talaufwärts im Echocanyon angefahren!

Jetzt ging es aber wirklich zum Auto. Bevor es an das dringend benötigte Frust-Mittagessen ging (oder sollten wir uns über die Übergabe freuen?), wagten wir noch einen Blick in den Bahnhof Echo, wo sich also offenbar Mo Mi Fr zur Mittagszeit die Übergaben beider Richtungen trafen! Der Westfahrer stand auch noch im Bf und rangierte gerade die im Bf Echo beladenen Wagen an den Zug. Das war lichttechnisch allerdings höchst uninteressant.

Zum Essen ging es nun wieder rüber nach Wyoming, nach Evanston, wo uns der Appetit auf Burger zu Wendys (mit Bahnsicht!) trieb. Danach ging es wieder runter nach Echo, wo wir uns auf den gestern entdeckten Schattenplatz im Bahnhof stellten und Siesta machten. Wir konnten davon ausgehen, dass es seit den Übergaben keine Bewegungen auf der Schiene gegeben hatte. Und daran sollte sich auch die nächste Zeit nichts ändern. Dennoch - wir hatten ein nettes Plätzchen, was wollten wir mehr (außer Züge natürlich)?

Die fingen allerdings dann doch irgendwann wieder an zu rollen. Plötzlich war das Signal ins Gegengleis Richtung Canyon rot. Da musste einer runter kommen! Hier unmittelbar in Echo fiel uns für den nichts ein, im Canyon wäre ohnehin überall zu spitzes Licht gewesen. Also fuhren wir mal voraus. Hinter Henefer führen Autobahn und Eisenbahn nochmal durch einen engen, gewundenen Schluchtabschnitt. Wir hofften, dort Möglichkeiten zu finden. Und tatsächlich fanden wir büschen was im Bf Devil's Slide und nochmal an einem Feldweg-Übergang vor Morgan bei East Rees.


In Devil's Slide, wo das Anschlussgleis eines Steinbruchs abzweigt, begegnet uns ein Manifest mit ziemlich warziger erster Lok.

Leider war die erste Lok so richtig siffig gewesen. Deshalb haben wir die ganze Aktion mit einem unmittelbar folgenden Containerzug nochmal wiederholt. Diesmal fingen allerdings die Schleierwolken ernsthaft an zu nerven, die schon seit heute Mittag von Nordwesten gedroht hatten. So richtig volles Licht hatten wir in Devil's Slide nicht, aber das betraf hauptsächlich den Hintergrund.


Es folgt ein Doublestacktrain, der in Devil's Slide gut beleuchtet wird, während der Hintergrund noch etwas verschleiert ist.


Derselbe Zug nochmal kurz vor Morgan.

Danach ging es aber strax wieder in den Echo-Canyon, denn eine ganz passable Stelle, an der die Sonne nicht so wahnsinnig schnell hinter den Bergen ist, hatten wir dort noch. Da kam dann auch sofort nach unserem Eintreffen wieder der Autozug, doch der ging leider bei Vollschleier ab. Wir warteten einfach mal weiter. Hier war eine kleine Quelle, und Yannick nutzte die Zeit, um mithilfe eines Staudamms den abfließenden Bach umzuleiten.


Unser Leihwagen neben Yannicks Staudamm-Baustelle.

Als der Abschnitt zugeschattet war, dampften wir ab. Auf der Autobahn zurück nach Evanston kamen uns natürlich zwei Züge entgegen. Da hatte aber einer das heute mittag genannte Handbuch aufmerksam gelesen... Wir hatten natürlich dasselbe Hotel wie die vergangenen zwei Nächte erneut gebucht, das Knights Inn. Und allmählich freuten wir uns auch schon auf das 450g-Ribeyesteak, weil das gestrige einfach klasse gewesen war. Und wir wurden nicht enttäuscht! Als Bier gab es diesmal Cors. Schmeckte uns etwas besser als Budweiser, aber wir waren auch so durstig, dass uns wohl alles geschmeckt hätte. Bin ja kein Bierkenner und komme jedenfalls mit den amerikanischen Bieren gut klar...

Donnerstag, 13.09.2018

Für heute hatten wir wie gesagt einen relativ strikten Zeitplan. Zwischen 8 und 10 Uhr sollte es nochmal einen Versuch mit dem Vormittagsblick im Echo-Canyon geben und danach war Autobahn nach Montana angesagt. Viel gefrühstückt habe ich heute nicht. Mir hing das ganze Süßzeug etwas zum Hals raus. Um 7.30 saßen wir im Auto und trafen um 8.10 im Motiv ein - genau zum Beginn der Ausleuchtung des Talgrundes mit der Bahnstrecke. Nur ein Zug war uns entgegen gekommen, doch heute Morgen im Hotel habe ich auch schon zwei oder drei gehört.

Und so begann wieder das Warten. Wir buchten schon mal eine Unterkunft in Montana. Die Hotels in Helena hatten größtenteils seltenst schlechte Bewertungen. Das Super8 hätten wir zum Jugendherbergspreis bekommen können, aber den Bewertungen nach musste es ein vor Dreck starrendes Horrorkabinett sein. Außerdem lag es unmittelbar an der Autobahnabfahrt. Och nö. Allerdings waren alle Hotels so "verkehrsgünstig" gelegen. Beim Stöbern entdeckte Yannick eine Campinghütte oben in den Wäldern, weitab von jeder Straße. War zwar nicht ganz billig, aber klang unglaublich reizvoll. Wir loggten uns da gleich mal bis Sonntag ein.

Diesmal mussten wir keine ganze Stunde warten. Es war während einer ruhigen Minute auf der Autobahn in der Ferne ein Laut zu hören, der von einer schwer arbeitenden Lok kommen mochte. Aber das hatten wir gestern auch schon den ganzen Vormittag gedacht. Doch dann schob sich tatsächlich eine Loknase um die Ecke - allerdings eine ganz anders aussehende. Erst befürchteten wir schon Graffiti, doch es handelte sich offenbar um eine UP-Lok in Heritage Farbgebung. Der Zug war ein leider nur unten beladener Containerzug, aber wir wollen nicht meckern; dass überhaupt ein Zug kam, war mehr als wir erwarten konnten.


Ein nur einstöckig beladener Containerzug kommt im Morgenlicht den Echocanyon hochgedieselt. Die führende UP-Lok ist im Retro-Design in der Farbgebung der einstigen Western Pacific lackiert.

Es war jetzt 9 Uhr. Bis 10 hatten wir ja noch. Uns reizte auch nochmal das Motiv unten, direkt an der Bahn stehend. Wir fuhren rum (in dieser Reihenfolge war das 5-Min-Sache), parkten einfach an der Abendstelle von vorgestern mit Signalblick und warteten weiter. Wenn sich das Signal eingeschaltet hätte, wären wir noch dicke auf unseren Felsen gekommen.

Da wir auf der Autobahn nun ja eigentlich einem etwaigen Zug entgegen fahren mussten, konnten wir allerdings auch losfahren und - sollte wirklich noch einer kommen - wieder umdrehen. Wir hatten ja beide nicht dran geglaubt, aber die Signale leuchteten irgendwann wieder! Es kam wirklich ein Zug entgegen! Das war allerdings erst nach 10 Uhr ein Stück hinter Morgan. Da hatten wir beide keine Lust mehr, ganz bis Echo zurück zu fahren. Immerhin hatten wir ja noch paar Meilen vor uns. Aber der Ausblick von der Straßenbrücke Peterson im Morgan Valley war für ein Foto durchaus brauchbar, so dass wir zu einer zweiten Bahnaufnahme kamen.


Ein Doublestacktrain kommt uns in Peterson entgegen.

Dann ging es auf der I84 die letzten Meilen an den Großen Salzsee und ab Ogden auf der I15 immer nordwärts. Unseren ersten Tankstopp konnten wir mit einer Mittagsrast bei Tremonton, genauer gesagt Elwood, verbinden. Zufällig war neben der Tanke eine Arbys-Filiale. Das kannten wir noch nicht, es stand aber ganz oben auf unserer Liste der zu testenden Restaurantketten. Spezialität sind Roastbeef-Burger. Ein solcher schmeckte dann auch ganz hervorragend.

Gestärkt ging es weiter nordwärts. Die Landschaft war erstmal sehr weitläufig und wenig aufregend. Wieder mal waren wir fasziniert von der Bahnstrecken-Dichte hier im Land. Zunächst fuhren wir parallel zur Stichbahn von Ogden nach Malad, wobei letzteres bereits in Idaho liegt. Dann wechselte die Autobahn über einen kleinen Pass rüber in ein anderes Tal, wo wir auf die nächste Strecke trafen, die UP Pocatello Subdivision, die von Granger WY herüber kommt und sogar zweigleisig ist. Wahnsinn, diese Infrastruktur hier! Es folgte das "Ballungsgebiet" von Pocatello, Blackfoot und Idaho Springs. Hier war die Autobahn extrem voll, davor und ab der letzten Ausfahrt von Idaho Springs jedoch vollkommen leer. Am Ortsrand von Idaho Springs kam uns sogar eine Übergabe entgegen. Nun folgte ewige Weite, weites Nirwana, ewig keine Ausfahrt. Die in Dubois nutzten wir dann, um am dortigen Bahnhof mal kurz die Füße zu vertreten. Der Bordcomputer hatte sogar schon eine Kaffeetasse eingeblendet und gefragt, ob wir nicht mal ein Päuschen machen wollten...


Dubois, Idaho. Ein Kaff im Nichts... Und wir haben die Wettergrenze passiert.

Weiter ging es. Es lagen noch viele Meilen vor uns. Die Autobahn und mit ihr die parallele Bahnstrecke UP Montana Subdivision, die mit ihren geschraubten Gleisen jetzt nur noch Nebenbahn-Charakter hatte, führten nun durch eine eindrucksvolle Berglandschaft. Mittlerweile waren wir auch in die dicken Wolken hinein gefahren, doch die Sonne brach immer wieder hervor und sorgte für bombastische Stimmungen. Yannick recherchierte, dass auf dieser Strecke, die übrigens für UP eine extrem nördliche Enklave ist, nur dreimal die Woche ein Local bis Dillon gelangt und dass täglich ein Manifest die gesamte Strecke beführe. Der konnte uns theoretisch irgendwann entgegen kommen. Wir hielten - insbesondere in den sonnigeren Zonen - die Augen offen.

Mittlerweile waren wir von Idaho in unseren Zielstaat Montana gelangt, und zwar über eine der wenigen Grenzen in den USA, die nicht vom Lineal gezogen ist, sondern die offenbar einer Bergkette folgt. In Dillon mussten wir schon wieder tanken. In diesen Gegenden, wo teils ewig nichts kommt, riskiere ich lieber nichts und fahre bei Nadelstand auf Viertel an die nächste Säule. Das nahmen wir zum Anlass, einmal durch das Städtchen zu cruisen und am Bahnhof vorbei zu schauen. Dort stand sogar eine Lok und allerlei Baumaschinen. Offenbar gab es hier einen technischen UP-Stützpunkt. Was für ein Aufwand an dieser UP-Stichstrecke weitab vom Stammnetz für anderthalb Zugpaare! Wir hatten uns schon im Echo-Canyon, wo die Gleis- und Signal-Infrastruktur vom feinsten ist, gefragt, wo die UP das Geld dafür hernimmt. Hier stellte sich die Frage einmal mehr...

Die UP-Strecke endet dann kurz vor der hoch gelegenen Kupferbergbau-Stadt Butte an einem Gleisdreieck in der Pampa, Silver Bow. Hier gab es allerdings beiweitem nicht nur einen Übergabebahnhof zur BNSF, die hier anschließt, sondern ein ganzes Industriegebiet mit zahlreichen Anschlüssen, die voll mit Wagen waren. Genau genommen trifft die UP hier auf zwei Strecken, die hier parallel im Quertal liegen und im Osten noch bis Butte führen. Die Geschichte der Bahnen in dieser Gegend ist extrem spannend, kann aber unmöglich hier im Reisebericht vollständig ausgeführt werden.

Hinter Butte hatten wir nun erstmals das Phänomen, dass es auf dem weiteren Weg in Richtung Helena nicht mehr parallel zu einer Bahnstrecke ging. Nein, nur parallel zum Bahnkörper einer längst abgebauten Strecke, die steil über einen weiteren Pass führte.

Ganz bis Helena mussten wir nicht. An der Abfahrt Clancy fuhren wir ab. Nun ging es noch einige Minuten auf einer Nebenstraße in ein Tal hinein. Die Asphaltstraße ging bald in Erdpiste über. Dann mussten wir rechts in einen Waldweg abzweigen, der ordentlich aufwärts führte. Dabei wurde er immer schmaler. Bald passierte man die üblichen "private property" Schilder, aber wir waren ja diesmal berechtigt, wir hatten gebucht! Dann endete der Weg unversehens auf einem völlig abgeschiedenen Gehöft in den Wäldern, das nicht gerade nach Touristenhütten aussah. Fast erwarteten wir, dass irgendwo eine knarzende Tür aufginge und ein alter Waldschrat den Lauf seiner noch älteren Rifle herausstreckte. Ganz so war es dann aber doch nicht. Eine Frau und ein Junge kamen auf uns zu. Wir entschuldigten uns fürs Eindringen, fragten nach den "Chocolate Moose Hütten" und bekamen hilfsbereit und freundlich erklärt, dass wir eine Abzweigung verpasst hätten.

Nun fanden wir den Weg. Wenn wir genau hingeschaut hätten, wäre uns sogar der Wegweiser aufgefallen... Der Weg führte steil und gewunden bergauf bis zu einem Plateau, dann wieder abwärts in eine Senke. Wir kamen uns vor wie damals in den Karpaten, als die Wege in der Bergwald-Einsamkeit auch immer schmaler und schlechter wurden. Dann endete der Weg unversehens auf einem völlig abgeschiedenen Gehöft in den Wäldern. Oberhalb des Wohnhauses standen zwei Blockhäuser. Drei Hunde sprangen auf das Auto zu. Zwei Leute standen vorm Haus und machten keine Anstalten, uns vor den Hunden zu warnen. Deshalb stiegen wir einfach mal aus. Die Hunde erwiesen sich tatsächlich als total verspielt und freundlich. Die beiden Leute waren das Wirtspaar. Wie jetzt - ihr habt gebucht? Das haben wir gar nicht gesehen. War aber kein Problem, wir konnten die Hütte bis Sonntag haben, sie musste nur noch hergerichtet werden.


Auf dem Waldweg zur Hütte nutzten wir ein kurzes Sonnenloch für ein Autofoto.

Wir wollten ohnehin nochmal nach Helena, etwas einkaufen und zu Abend essen. Die Fahrt dauerte trotz des Waldweges am Ende nur gute 20 Min. Wir speisten bei Panda Express, was wieder mal sehr lecker war, und kauften dann noch bischen was bei Albertsons ein. Dann ging es zurück zur Hütte, wo wir noch bischen mit der Vermieterin sprechen und mit dem einen Hund Ballholen spielen konnten. Die Vermieterin erzählte, dass sie letztes Jahr um diese Jahreszeit schon Schnee gehabt hätten. Nun ja, hier oben war es definitiv deutlich kühler als in Utah, das war nicht zu leugnen.

Die Hütte war sehr rustikal eingerichtet - mit den bloßen Holzbalken an der Wand. Ich hatte allerdings das Gefühl, dass das nur Design war und man sich in einem sehr gut isolierten Haus befand. Die Fugen zwischen den Stämmen waren jedenfalls mit Beton oä gefüllt. An Einrichtung war alles da, was man benötigte, wobei die Küchenzeile nur eine Mikrowelle, aber keine Kochplatte hatte. Für die Kochplatte hätte man den Holzofen anheizen müssen, was wir uns aber geschenkt haben. Zum Heizen gab es einen Radiator. Auch das Badezimmer war in dem rustikalen Holz-Stil eingerichtet, in den das tolle Waschbecken im Waschschüssel-Design perfekt hinein passte. Wir teilten uns auf: Yannick durfte das Queensize-Bett im Schlafzimmer nehmen und ich bekam das Schlafsofa im Wohnraum, das ohnehin mehr Bett als Sofa war. Das Wasser war sehr eisenhaltig und roch ein wenig, da waren wir bereits auf booking.com und von der Vermieterin vorgewarnt worden. Es war aber trinkbar. Elektrizität war natürlich vorhanden, nur die Welt des Internets konnte nicht bis hier vordringen - weder als WLAN, noch via Mobilnetz. Das war jetzt ein wenig "Reisen wie früher"...

Aber das beste war: Hier herrschte bis auf das Rauschen eines entfernten Baches absolute Stille!

Freitag, 14.09.2018

Bevor wir in den Tag starten, muss ich noch erklären, wo wir bahngeografisch überhaupt sind. Es ist keine der ganz großen Bahnen, die uns in den nächsten Tagen beschäftigen wird. Wir befinden uns an der Strecke von Billings bzw Laurel, wo mehrere Schienenwege aus Richtung Twincities, Kansas und Denver zusammenlaufen, nach Sandpoint in Idaho, von wo die Verkehrswege in Richtung Seattle und Portland weiterführen. Die geschichtliche Kurz-Zusammenfassung lautet in etwa so: Von der Northern Pacific Railway gebaut, mit deren Übernahme von der Burlington Northern übernommen und von dieser in den 1980er Jahren quasi aufgegeben, übernahm 1987 ein Geschäftsmann aus Missoula die Bahnlinie unter dem Gesellschaftsnamen "Montana Rail Link" (MRL). Die MRL ist als "Class II Railroad" eingestuft und gewährt nun den Zügen der BNSF auf ihrem Netz gegen eine "kleine Gebühr" freie Fahrt. Die BNSF als Nachfolgegesellschaft der Burlington Northern macht von den Durchfahrrechten rege Gebrauch und ärgert sich nun bitterlich, dass man die Strecke 1987 aus der Hand gegeben hat. Die MRL hat eine schöne Übersicht über das Streckennetz Montanas herausgegeben, die ich um einige Ortsnamen angereichert habe, die im Reisebericht eine Rolle spielen werden: Montana-Karte.

Doch MRL ist nicht nur Netzbetreiber. Auch wenn die orange Farbe der BNSF auf ihrer Strecke klar dominiert, so betreibt man doch eine Reihe eigener Züge mit den eigenen Loks. Außerdem kommen die markanten blauen MRL-Loks als Helper auf den steigungsreichen Streckenstücken am Bozeman- und Mullanpass zum Einsatz. An dieser MRL-Strecke, die in unterschiedliche Subdivisions aufgeteilt ist, lagen rund um Helena zwei Ziele, die uns besonders interessierten: Der Lombardcanyon im Südosten und der Mullanpass im Westen.

Die Wetterberichte, die ja die ganze Zeit ab heute Topp-Wetter hier in Montana angesagt hatten, brachen nun ziemlich zusammen. Aus "durchgehend sonnig" war nun für fast alle Tage ein "wechselhaft" geworden, besonders zum Nachmittag würde man sich wohl auf einen reichlich zugequollenen Himmel einstellen müssen. Das war jetzt etwas doof. Wir konnten nur hoffen, dass bischen was geht.

Sobald es hell wurde, konnte man viel blauen Himmel, aber auch große Wolkenfelder sehen. Als wir nach der Abfahrt weiter unten wieder Netz hatten, schauten wir uns erstmal den Wolkenfilm an. Den geplanten Ritt in den Lombardcanyon konnten wir uns schenken. Südöstlich Helena war es ziemlich bewölkt. Westwärts hingegen gar nicht. Ok, also sollte es heute der Mullanpass sein. Nun waren wir ja endlich in der Gegend, auf die wir uns vorbereitet hatten, und westlich des Passes hatten wir uns zwei Motive für morgens notiert. Hin da!

Von Helena führte der Highway 12 vierspurig über den Pass, allerdings deutlich weiter südlich als die Bahn. Hinter dem Pass stößt man nun bald wieder auf die Strecke. Und bei Annäherung an den Bahnhof Elliston gab es ne Schrecksekunde: Uns kam ein Zug entgegen. Nein, Moment mal, der Zug stand dort doch! Und er kam uns auch nicht entgegen, sondern war ein Westfahrer mit Schlusslok, der hier ziemlich offenbar auf Kreuzung wartete. Und zwar auf Kreuzung mit dem Zug, den wir in unserem Motiv brauchten! Oh Mann, wir hatten noch einige Meilen zu fahren. Beruhigend war nur, dass später, ua im Bf Avon, die Signale noch dunkel waren. Zu allem Überfluss fuhren wir nun auch noch durch fette Nebelbänke hindurch. Würde unser Motiv überhaupt möglich sein?

Unsere Sorge, zu spät losgefahren zu sein, erwies sich als unbegründet, denn unsere Fotokurve befand sich noch komplett im Schatten. Und sie sah auch ganz schön zugewuchert aus. Wie gut, dass es oberhalb der Straße einen hohen Hang gab, auf den wir mühelos steigen konnten. Dabei mussten wir viel Lärm machen, denn bei Ankunft am Parkplatz war ein Schwarzbär über die Straße getrottet und genau in Richtung Hang verschwunden. Die Tiere sind zwar im Prinzip scheu, aber man sollte überraschende Begegnungen vermeiden, die bei ihnen den Verteidigungsmodus aktivieren. Der könnte nämlich schmerzhaft bis tödlich sein - deshalb lieber mal bischen lauter sein.


Als Beifahrer konnte Yannick schnell noch ein Handyfoto vom sich trollenden Bären schießen.

Oben angekommen war die Kurve noch immer nicht ausgeleuchtet. Aber bald war in der Ferne das Horn des erwarteten Ostfahrers zu hören. Oh je, das war noch zu früh! Allerdings klangen die Trööts noch sehr sehr weit entfernt. Und laaangsam wurde es auf der Strecke immer sonniger. Es passte! Ein wunderbares Motiv lag im Topp-Morgenlicht vor uns!


Im ersten Sonnenschein des Talgrundes rollt ein leerer Kohlezug der BNSF an uns vorüber.

Da der Blick in die andere Richtung auch klasse war, wollten wir auf unserem Fotohang nun auch noch auf den Gegenzug warten, den wir ja in Elliston hatten stehen sehen. Doch bald hornte es schon wieder von Westen! Ein zweiter Güterzug passierte die Szene!


Es folgt ein Manifest aus Richtung Garrison.


Auflösende Nebelschwaden in skandinavischer Landschaft. Ob das Bärchen uns von dort irgendwo noch beobachtet?

Von unserem Schwarzbären hatten wir leider, aber auch erwartungsgemäß nichts mehr gesehen. Aber die Begegnung mit einem Bären in freier Wildbahn war für uns beide zweifellos ein Höhepunkt. Eine schöne Begrüßung in Montana! Schade, dass man auf die Schnelle kein besseres Bild hinbekommen hatte. - Bald näherte sich nun der Westfahrer.


Nun kommt der Gegenzug aus Richtung Avon. Interessanterweise ist er mit einem Pärchen aus BNSF- und UP-Loks bespannt.

Nun hatten wir es hier aber auch. Was für ein herrlicher Morgen, an dem mal alles passte! Wir fuhren nun wieder ostwärts. Zwischen Avon und Elliston sahen wir Bauarbeiten auf dem Gleis. Deshalb rechneten wir nun erstmal nicht mehr mit weiteren Zügen. Nach einem Tankstopp an einer wahrhaft hinterwäldlerischen Uralttanke in Elliston wollten wir nun mal den Mullanpass bahnparallel queren. Da führt eine Schotterstraße über die Berge. Die Landschaft ist wunderbar, teils sehr offen. Gerade hatten wir einen tollen Weitblick am Westende des Bf Blossburg bewundert, da wurden wir gewahr, dass das Ausfahrsignal für einen Westfahrer grün zeigte. Da konnten wir doch direkt mal ausharren. Wir mussten wohl noch zwanzig Minuten warten, aber dann kroch langsam ein weiterer Güterzug um die Ecke.


Der Bahnhof auf der Westseite des Scheiteltunnels auf dem Mullanpass ist Blossburg. Vor der weiten Prärie kommt ein Manifest westwärts angefahren.

Den konnten wir nun auch noch überholen. Wir hätten ihm noch weiter folgen können, doch in Elliston wurde der Zug hingestellt, während von Westen ein Zug Einfahrt hatte. Der Zug von eben hatte ein Viererbündel Mittelloks von der MRL (Montana Rail Link), die hier für die Helper über den Pass zuständig sind und deren Strecke dies hier ja auch ist. In Elliston wurden die Mittelloks nun rausgenommen. Dazu drückten sie die hinteren Wagen erstmal zurück, zogen wieder ein kleines Stück vor und verschwanden dann auf ein drittes Gleis nach hinten, das wir gar nicht gesehen hatten. Die führenden BNSF-Loks drückten nun gegen den hinteren Zugteil und zogen nach dem Ankuppeln zum Ausfahrsignal vor.


Ein zweites Bild des Zuges etwa auf halbem Wege zwischen Blossburg und Elliston.

Wir rechneten nun mit einem ostfahrenden Zug, für den ja schon die Einfahrt gestanden hatte, und den vier MRL-Helper-Loks in Richtung Pass hoch. Deshalb fuhren wir mal wieder die Schotterstraße zum Pass ein Stück hinein. Dort hatten wir vorhin noch einen schönen Ausblick für Ostfahrer entdeckt. Doch es war eigenartig. Es kam nun erstmal gar nichts mehr...

Irgendwann wollten wir mal weiter. So hübsch der Ausblick hier auch war, ein unbedingtes "Must have" war er nicht. Und wir wussten, dass es auf der anderen Seite des Passes auch noch gut was zu tun gäbe. Im Bahnhof Blossburg am Scheitelpunkt vor dem Tunnel leuchteten die Asigs beider Richtungen aus dem Ausweichgleis rot. Das roch büschen nach anstehender Kreuzung. Motivlich gefiel es uns jetzt nicht sooo gut dort. Über die weite Pläne, die wir eben im Hintergrund hatten, ging es nun über die Passhöhe hinüber. Auf der anderen Seite folgte skandinavische Waldtal-Landschaft. Hier gibt es zwei Viadukte. Der Greenhorn Creek Viaduct konnte mittags gut von der Südseite genommen werden. Über Waldwege ohne "no trespassings", die auch nur im Google Luftbild auszumachen waren, gelangten wir direkt an die Bahn, wo man von einem Abhang oberhalb der Strecke einen topp Ausblick auf den Viadukt hatte. Das Röhren eines passenden Aufwärtsfahrers hallte schon beim Verlassen des Autos über das Tal und beflügelte uns ungemein, schnell den Hang zu erklimmen. Es dauerte dann aber doch noch zehn Minuten, bis der Zug mit seinen hart arbeitenden Loks langsam über das Viadukt gekrochen kam.


Ein mit Loks in BNSF-, Santa Fe- und MRL-Farbgebung bespannter Zug kommt langsam über den Greenhorn Creek Viaduct ("Greenhorn Trestle") geschlichen. Dahinter wird der Zug die Betriebsstelle Skyline passieren, die aber keine Kreuzungsmöglichkeit bietet, verfügt sie doch nur über ein kurzes Nebengleis zum Abstellen von Baufahrzeugen o.ä.

Das war ja mal ein hübsch buntes Lok-Sammelsurium! Hinten schoben zwei von vier MRL-Loks nach - die anderen beiden machten keinen Lärm. Wir blieben nochmal sitzen. Vielleicht kämen die ja direkt von Blossburg zurück. Vier Loks würden sich gut auf dem Viadukt machen. Sie sollten tatsächlich zurück kommen, aber nicht jetzt und auch nicht allein. Wir brachen das Warten um 14 Uhr ab und wollten uns nun mal die Motive rund um Austin anschauen, wo die Bahn mit einer langen Kehrschleife durch offene Wiesenlandschaft führt. Als wir gerade im Auto saßen und zurück zur Austin Road (die Schotterpiste über den Pass) fuhren, sahen wir oben am Hang eine lange Wagenkette laaaangsam abwärts gleiten.

Gut, die hätte uns am Viadukt nun auch nichts gebracht, denn eine Schlusslok war nicht vorhanden. Die Zugloks hatten wir hingegen nicht erkennen können. Es ging nun den steinigen Passweg hinunter nach Austin. Leider war der Weg hoch in die Kehrschleife durch ein Tor versperrt, das allerdings nur leicht eingehakt war und nicht über das übliche Schilder-Sammelsurium verfügte. Da der Weg eine ganze Reihe Häuser weiter oben erschloss, hätte man vermutlich reinfahren können; das Gatter mag wegen der Tiere gewesen sein. Sowas kennt man ja z.B. auch aus Norwegen. Na gut, wir trauten uns da aber erstmal nicht rein und fuhren deshalb so weit in Richtung Helena vor, bis die Strecke wieder ein Stück nach Süden drehte.

Dort standen wir wohl eine Stunde und haben auf den Zug gewartet, den wir da oben ja schon gesehen hatten. Abgesehen davon, dass das Einfahrsignal in den zweigleisigen Abschnitt vor Helena irgendwann anfing gelb zu blinken (=Fahrt, Übernächstes Signal Halt), tat sich gar nichts. Im Süden hatten sich zudem schon die ganze Zeit dicke Wolken gebildet. Als die sich mehr und mehr vor die Sonne schoben, brachen wir ab und fuhren dem Zug entgegen. In Austin kam er dann tatsächlich durch den Bahnhof gerollt. Er hatte sage und schreibe 12 Loks vor, davon 11 von MRL und eine von BNSF. Leider konnten wir nur einen Notschuss anfertigen.


Kurz hinterm Bf Austin kommt uns endlich der schon vor anderthalb Stunden etwas weiter oben beobachtete Güterzug entgegen. Da man ihm zwei Helper-Sets vorgespannt hat, hat er zwölf Loks an der Spitze!

Eine Verfolgung bis in die offene Pläne vor Helena scheiterte an einem BÜ bei Austin, wo wir den langen Zug komplett durchlassen mussten, und an einem zweiten BÜ vorm potentiellen Motiv, der genau vor dem Auto vor uns an ging. Da sich jetzt hinten im Bf Helena ein Spitzenlicht zeigte und wir genau so einen Westfahrer jetzt für zwei Motive gut gebrauchen konnten, fuhren wir direkt wieder nach Austin ins erste Motiv. Dort angekommen hornte aber bereits der nächste Ostfahrer von oben und rollte weiter in Richtung Helena. Er hatte sogar eine Schlusslok, doch mehr als ein Viertellichtbild war leider nicht drin.


Nachschuss östlich des Bf Austin.

Es hatte jetzt immer mehr zugezogen. Wir fuhren nochmal zum schönen Blick auf Helena, denn dort musste ja immer noch der Westfahrer stehen. Der fuhr dann bald los. Wegen absoluter Aussichtslosigkeit auf Sonne machte Yannick nur ein Video davon, wie der Zug sich die lange Rampe aus der Stadt hoch kämpfte. Ich wollte mit Tele ein Dreilichtspitzensignal vor der sonnenbeschienenen Stadtkulisse machen. Völlig unerwartet fuhr der Zug im Verlauf der langen Gerade dann doch noch durch einen kleinen Sonnenspot, wobei die Loks nie vollständig ins Licht kamen.


Ein MRL Manifest startet von Helena westwärts in Richtung Pass. Die 28tsd Einwohner starke Hauptstadt Montanas wird vom Geist beherrscht: Die zwei hervorstechenden Gebäude sind die Universität links und die Kathedrale rechts. Die Macht in Form des Capitols versteckt sich in der Abgaswolke der Loks. (Den Loks habe ich nachträglich beleuchtungstechnisch ein wenig auf die Sprünge geholfen).

Nach einem richtig gelungenen Morgen und Vormittag war der Nachmittag jetzt verhext. Da hat man jetzt eine Strecke, auf der es richtig gut rollte, und zwar gleichmäßig über den Tag verteilt, da muss natürlich das Wetter absaufen... Es gab noch einiges an Hin- und Hergedödel. Einmal hatte es ausgesehen, als ob ein Zug von Helena auf die nordwärts abzweigende Nebenbahn fahren würde, wodurch wir uns berufen fühlten, an dieser mal ein ganzes Stück entlang zu fahren. Auch hier gab es unwahrscheinlich schöne Landschaftsmotive, doch eine Lok oder gar einen Zug sahen wir nicht. Da muss das eben wohl nur eine Fahrt durchs Gleisdreieck gewesen sein. Wie wir zurück nach Helena kamen, rollte bereits der nächste Güterzug in Richtung Mullanpass. Wir wieder hinterher und den Zug wieder nur im Halblicht und auch noch weit vorm geplanten Auslösepunkt bei Austin erwischt. Wir waren etwa drei Fingerbreit in einem Wolkenfeld drin, da war schon der Spot weiter hinten auf dem Zug Glücksache.

Mittlerweile war es 18 Uhr geworden. Wir hatten bis auf einen Blaubeermuffin noch nicht wirklich was gegessen. Deshalb ging es nun erstmal zu Wendys, dann mussten wir Geld abheben und noch bischen was zu trinken aus der Tanke besorgen. Dann ging es zurück nach Clancy und unseren Waldweg hoch zur Hütte. Von der Fahrt auf dem Waldweg hat Yannick sogar ein Video gemacht: Youtube-Video.

Auf der Wetterkarte konnte man sehen, dass Kanada praktisch komplett unter Wolken lag. Das sah wirklich übel aus. In Montana war das Wetter durch die Ausläufer dieser Bewölkung bestimmt, die hier hereinzogen. Für morgen war die Vorhersage komplett "runter", Sonntag und Montag konnte hingegen nochmal eine Chance bestehen. Die Hoffnung stirbt zuletzt... Und erstmal konnten wir uns wenigstens über einen ersten (?) sehr gelungenen, ja, glücklichen Vormittag in Montana freuen.

Samstag, 15.09.2018

In der Morgendämmerung fiel ein erster prüfender Blick auf die Lichtung unterhalb unserer Hütte leider nicht auf Elche oder Schwarzbären, sondern wanderte schnell nach oben auf die über allem hängende Bewölkung. Da schien kein Gewaltstart nötig zu sein, auch wenn es natürlich theoretisch auch ein kleines lokales Wolkenfeld hätte sein können. Nach der Vorhersage von gestern konnte man darauf aber nicht hoffen. Erstmal gab es wieder nen schönen Kaffee, denn den konnte man sich selbst machen und die Stärke entsprechend selbst bestimmen.

Der Himmel war praktisch komplett verschlonzt. Nur einzelne blaue Lücken waren vorhanden. Gegen 8 fuhren wir einfach mal los. Erste Station war Mägges, wo wir erstmal ganz in Ruhe gefrühstückt haben. Und das WLAN haben wir natürlich auch genutzt. Als es im Wolkenfilm so aussah, als ob in Richtung Lombard Canyon eine wolkenfreie Zone zöge, brachen wir in die Richtung auf. Zum Kundschaften wollten wir ohnehin dort hin. Wir verließen Helena gleichzeitig mit einem Zug, dem wir zwischen Townsend und Toston zweimal in einem etwas aufgelockerten Abschnitt der Bewölkung auflauerten. Einmal mit weniger und einmal mit mehr Sonnenglück.


Zwischen Townsend und Toston erwischen wir den BNSF-Zug einmal mit Sonne. Hier ist die Landschaft noch relativ flach, bevor es dann in den Lombardcanyon geht.

Bis in den Canyon hinein hatten wir den Zug dann nicht nochmal einholen können. Dort führt der Highway nämlich zum Glück nicht mit durch. Man musste hier auf eine Schotterstraße abzweigen. Das mit dem Nicht-Einholen war nun etwas schade, weil im Canyon dann doch bestimmt 80%iges Licht schien, was aus der Ferne nicht zu erahnen war. Zwischen Toston und Lombard führt die Schotterstraße über den Berg rüber, um eine Flussschleife abzuschneiden. Von der Anhöhe hatte man schonmal einen sehr tollen Ausblick auf den Canyon. Hier warteten wir schon mal etwas, ob vielleicht nach Kreuzung in Lombard ein Gegenzug käme.

Kam aber nicht. Und das Sonnenfeld brach dann auch irgendwann wieder zusammen. Nun betrieben wir intensivste Ortskunde. Erstmal fuhren wir über den Bergrücken nach Lombard. Dort gibt es Morgenmotive, für die aber etwas Kraxelei nötig ist. Und die Kulisse fanden wir nicht so schick wie in der Flussschleife vor Toston unweit der Staustufe Toston Dam, wo wir eben gewartet hatten. Wir entschieden, dass man das bei Bedarf immer noch mal später machen kann, dass die Motive bei Toston Dam einfacher und wichtiger wären für morgen.

Richtig spektakulär wären bei Lombard die Ausblicke auf die elektrifizierte "Chicago, Milwaukee, St. Paul and Pacific Railroad", kurz "Milwaukee Road", die einst aus einer Seitenschlucht ("Sixteen Miles Canyon") in den Lombardcanyon führte, mit der MRL-Piste aber keine Verbindung hatte und heute leider komplett abgebaut ist. Dieser Bahntrasse begegnen wir nochmal mehr, sollten sogar noch in einem Dienstgebäude der einstigen Bahngesellschaft übernachten. Die tragische Geschichte der "Milwaukee Road" ist äußerst spannend zu lesen, eine Geschichte von Misswirtschaft und Führungsversagen. Die Streckenführung war ideal, andere Bahngesellschaften waren an Nutzungsrechten interessiert, doch die Infrastruktur wurde komplett zugrunde gewirtschaftet. Ähnlichkeiten zu gewissen europäischen Bahnen sind natürlich nur rein zufällig...

Also fuhren wir nach Toston Dam zurück. Dort checkten wir diverse Aussichtspunkte an den verschiedenen Wegpisten da oben in den Hängen. Vor allem kam es uns darauf an, mit Zügen in beide Richtungen etwas anfangen zu können. Die schlaueste Idee war, sich an einem Blocksignal aufzubauen, das zufällig an der Gabelung von unterem und oberen Weg stand. Würde es südwärts grün werden, würden wir morgen (wir hofften auf Wetter!) schnell den unteren Weg reinfahren, würde südwärts das rote Licht angehen, würden wir schnell den oberen Weg zu einem Standpunkt für Nordfahrer aufsuchen. Die Idee fanden wir so lange gut, bis das Signal tatsächlich auf rot ging, wir jetzt nur mal zur Probe auf den oberen Weg zustrebten, der Zug aber plötzlich schon um die Ecke kam. Das war eindeutig zu wenig Vorwarnzeit!

Also musste ein neues Konzept her. Wir stoppten, dass die Züge zwischen Toston Dam und den BÜs von Toston, an denen getrötet wird, sieben Minuten brauchten. Man konnte sich also an einem Nordfahrer-Motiv aufstellen, und - sobald es aus Richtung Toston hornt - zu einem Südfahrermotiv umtopfen. Nach einigen Versuchen und hin und her hatten wir tatsächlich für morgen früh und den Vormittag ein fertiges Konzept im Hinterkopf. Züge UND Wetter durften kommen.

Das reichte von der Vormittagsseite erstmal an Kundschaft. Nun galt es, den Zugang zur Canyon-Kante auf der Westseite der Schlucht zu finden. Der Ausblick von dort war es, der mich überhaupt dazu gebracht hatte, mich näher mit Montana zu befassen; einfach ein Hammer-Motiv! Es ging zurück nach Toston, ein Stück den Highway südwärts und bald wieder einen Schotterweg links rein. Der führte nun auf die den Canyon umgebenden Höhenzüge auf deren Westseite zu. Einmal verfuhren wir uns, weil zwei Wege parallel liefen und wir nur eine schrecklich schlechte Feldwegspur sahen. Obwohl beide Wege ewig parallel führten, gab es keine weitere Verbindung zueinander, so dass wir den gar nicht mal so guten Weg wieder ewig zurück mussten.

Der richtige Weg wäre eine Schotterpiste parallel zu einem interessanten Bewässerungskanal gewesen, die wir dann auch reinfuhren. Der Bewässerungskanal wurde aus dem Missouri aus dem Lombard-Canyon heraus gespeist, indem durch eine teils unterirdische Rohrleitung das Wasser hochgepumpt wurde. Wo der Graben zutage trat, konnte man bald rechts auf eine Fahrspur wechseln, die zum Rim, also zum Canyonrand, hochführte. In die Motive musste man nun einen Stacheldrahtzaun durchklettern, konnte dann aber schön bequem am Rim entlang laufen.

Dann wussten wir das jetzt auch. Während der Erkundungen lief unten übrigens immer wieder Güterverkehr. Dass auch am Samstag ordentlich was fuhr, ließ uns für So und Mo hoffen. Hier gab es nichts weiter zu tun. Aufhellungen am Himmel zogen westlich, weit westlich, vorüber. Es war mittlerweile fast 15 Uhr. Wir beschlossen, die Rückreise anzutreten, bei Albertsons in Helena einzukaufen und uns einen schönen Hüttenabend bei Wein und Leckereien zu machen.

Das wäre nun aber zu einfach gewesen. Den zuletzt in der Schlucht beobachteten Kohlezug hatten wir in der Steigung oberhalb Townsend eingeholt, wo er sich unter Volllast der drei Loks im Schritttempo den Berg hoch quälte. Und in Louisville stand ein Zug zur Kreuzung drin - im Sonnenlicht! Als wir den Fotostandpunkt erreicht hatten, war die Sonne aber fast wieder weg bzw es kamen nur noch kleine Spots.


Halblichtige Kreuzung im Bf Louisville.

Da sich jedoch über Helena immer mehr Blau am Himmel breit machte, fiel die Entscheidung einstimmig: Wir suchen nochmal den Stadtblick an der Rampe zum Mullanpass auf. Am Bahnhof standen drei Güterzüge für die Richtung; da sollte doch wohl bald mal einer kommen? Der Himmel wurde immer blauer, doch bald war lediglich von hinten ein Horn zu hören. In der Hoffnung auf eine Schlusslok bauten wir uns auf. Die Hoffnung wurde auch erfüllt, leider schob die Lok aber vorwärts, so dass wir leider nur die Rückseite zu sehen bekamen.


Vom Mullanpass fährt ein Zug in den Bf Helena ein.


Nochmal die Ortskulisse von Helena, diesmal sogar mit sichtbarem Capitol - allerdings nur als Nachschuss. Da es ja Bahnfotografen gibt, die zumindest bei kroatischen GM-Loks diese Lokstellung als "richtigrum" bezeichnen, zeige ich also auch gern mal so eine Konstellation.

Das Blau am Himmel hatte mit dieser Fahrt wohl seinen Höhepunkt an Größe erreicht gehabt. Während sich aus Richtung Hauptstadt immer noch nichts tat, zogen bereits erste Störungen durch, aber noch war viel blauer Himmel da. Bald hornte es schon wieder von hinten, dabei befand sich der eben eingefahrene Zug noch auf dem rechten Einfahrgleis. Und was war das, auf dem anderen Gleis tauchten nun Spitzenlichter aus Richtung Stadt auf! Wohin nun mit den Loks, die von hinten kamen, ein Viererpack Helper? Ganz einfach: Die blieben erstmal vor der Einfahrt liegen. Und zwar genau so lange, bis gerade mal wieder ein größerer Wolkenschatten bei uns vorbeischaute.

Aber viel mehr interessierten uns jetzt natürlich die Spitzenlichter aus Richtung Stadt. Da kam ein Zug, aber irre langsam. Mittlerweile war leider die Stadt schon wieder komplett in Schatten eingetaucht. Damit war das Motiv "Stadtblick" natürlich schon wieder total hinfällig. Aber bei uns schien noch die Sonne, wenn auch die blaue Himmelsfläche sichtlich kleiner geworden war. Man konnte also allein mit der Wolkenkulisse etwas machen. Aber bewegt sich der Zug aus Richtung Stadt überhaupt noch? Das Asig leuchtete nun schon eine ganze Weile grün, aber der Zug stand unten am Stadtrand vor einem BÜ und knipste sogar das Spitzenlicht aus. Wurden jetzt erst die Helper angekuppelt?

Als der Zug endlich kam, war das blaue Loch komplett Geschichte. Wir gingen wieder zu unserem ursprünglichen Plan zurück und starteten als erstes mal eine Besichtigungstour durch Helena. Die Altstadt liegt hübsch eingeschmiegt in ein kleines Tal und ist zum Teil Fußgängerzone, während alles andere auf einer Berglehne liegt. Die Kathedrale liegt etwas oberhalb der Altstadt und das Capitol mitten im Wohngebiet. Das machte alles einen ziemlich beschaulichen Eindruck. Die Hauptstadt Montanas ist gerade mal 28tsd Einwohner stark.

Wir besorgten uns nun bei Albertsons Weißwein und alle Zutaten für ein Truthahnsandwich, wobei wir als Brot einen Viererpack Naanbreads nahmen. Zurück in der Hütte konnten wir das herrlich auf der Veranda sitzend verputzen, denn trotz aller Bewölkung war es heute relativ warm gewesen. Einziger Störfaktor des Essens war der verspielte schwarze Hund des Hofes, der lieber mit uns rumgebalgt hätte. Aber als er merkte, dass wir ihn einstweilen nicht beachteten, setzte bzw legte er sich brav hin und schaute uns aus großen Hundeaugen beim Essen zu. Zur Belohnung gab es hinterher ein Stück Truthahnschwarte für ihn. Abends gab es dann noch ziemlich starken Regen. Da wird so eine Hütte ja gleich mal doppelt so gemütlich...

Sonntag, 16.09.2018

Als ich um 3 mal aufwachte, funkelten bereits die Sterne. Heute sollte es um 6.15 los gehen, denn wir wollten kurz nach Sonnenaufgang im Motiv sein. Die Abfahrt klappte pünktlich und trotz der gestrigen Niederschläge war das Befahren des Waldweges kein Problem. Zügig und ohne Ereignisse wie z.B. Zugsichtungen ging es nach Toston. Hinterm Ort, auf dem Weg in die Fotokurve bei Toston Dam, hatten wir die erste Wildbegegnung. War aber nur eine Herde herkömmlicher Rehe, die hier allerdings wesentlich weniger scheu sind als ihre europäischen Pendants.


Erstes Licht beleuchtet die Landschaft am Toston Dam. Der Missouri fließt hier nordwärts und wird erst nach einem riesigen Bogen seinen eigentlichen Südostkurs aufnehmen.

Eine halbe Stunde nach Erreichen unseres ersten geplanten Motivs gelangte der Abschnitt in die Sonne. Nun durfte gern ein Zug kommen. Es war herrlich hier. Wie vorgestern Morgen bei Avon duftete die Luft auch hier durch die Kräuter etwas nach Zimt. Hier in Toston lag allerdings auch eine Minz-Note mit in der Luft. Jedenfalls war das wieder mal ein wunderbares Plätzchen. Und bald wurde immerhin die Frage geklärt, ob sonntags womöglich Betriebsruhe herrscht. Erstens konnten wir jetzt über eine App via Smartphone den Funk mithören - und dort wurde immerhin gesprochen, und zweitens hornte es bald aus Richtung Toston. Das war zwar die falsche Richtung, aber dank einer richtig herum gestellten Schlusslok hatten wir schon mal den Nachschuss in der Tasche.


Ein Kesselwagenzug rollt gemächlich am Toston Dam vorüber. Die Staumauer befindet sich unten hinterm Hügelrand.

Mit dem Nebel hatten wir ziemliches Glück. Bereits eine Flussschleife weiter, in Lombard, hing der Nebel recht hartnäckig drin. Wir konnten nur hoffen, dass die Nebelwolken blieben, wo sie waren. Für eine andere Perspektive stiegen wir nochmal etwas höher. In dem Zeitfenster, in dem wir Seitenlicht auf dem Zug gehabt hätten, also bis 9.30, war kein Horn aus Richtung Süden zu hören. Dafür eröffnete der Aufstieg auf den Hügel nun den Ausblick auf das Nebel verhangene Tal in Richtung Lombard. Da waren doch glatt paar Landschaftsbilder drin.


Fast an derselben Stelle wie eben gestanden, nur jetzt nach links geblickt, kann man auf den Bahnhof Lombard hinunterblicken. Jedenfalls, wenn kein Nebel ist. Der Kesselwagenzug nimmt allerdings die volle Flussschleife mit und wird erst nach rund zwanzig Minuten dort sein.

Für die Zeit ab 9.30 sah unser Konzept nun den Ausblick von der "Haupt-Schotterstraße" in deren Steigungsbereich auf den Hügel vor. Es tat sich stundenlang nichts, doch wir verbuchten das mal als Urlaub. Man stand dort absolut ungestört, konnte den Blick auf den Canyon genießen und einfach entspannen. Dass es an einem Sonntag nicht all zu sehr brummen würde - damit hatten wir ja durchaus gerechnet. Gegen 12 wurden wir allerdings doch erlöst. Aus Richtung Süden hornte es, das Licht stand noch seitlich genug und wir waren hier so weit nördlich, dass man selbst jetzt keine Einschränkungen wegen Hochlicht hatte. Im Gegenteil - die Schatten waren für Mittagsverhältnisse noch ganz schön lang. Montana liegt etwa auf einer geographischen Breite wie die Schweiz.


Da Yannick noch höher stand, zeige ich mal seine Version von diesem Manifest.

Schön, dass wir das Motiv bekommen hatten. Da nun leicht ein Zug nach Süden kommen konnte, fuhren wir mal runter bis zu einem Wendekreis des öffentlichen Weges neben der Bahn, von dem ein MRL-Weg parallel zur Bahn weiter führt. Von dem aus hatten wir noch einen Ausblick notiert. Als wir aber an dem Wendehammer saßen, hornte es wieder von Süden. Wir fuhren den Bahnarbeiterweg hinein und hofften bis in eine Kurve vor dem Stauwehr "Toston Dam" zu kommen. Da hätte man am Hang stehend mit Frontlicht in die Außenkurve halten können. Doch leider endete der Weg vorher.

Wir rannten nun ein Stück am Gleis entlang, doch die Sache war praktisch aussichtslos, denn oberhalb des Gleises begann nun ein "sensibler" Steinschlagzaun, also "sensibel", weil er vermutlich bei Erschütterung irgendwo Alarm auslöst. Ätzenderweise wurden wir bei unserem Hin- und Herrennen am Gleis von einem Pickup auf der anderen Flussseite genau beobachtet. Der unbeschriftete Wagen fuhr während unserer Rückfahrt auf dem "Bahnmeisterweg" ständig auf einer Höhe mit uns. War es ein "aufmerksamer Gutbürger", der direkt Meldung machte? Der gehörte Güterzug war einer von der MRL, den wir mangels Alternativen von einem Felsen oberhalb des Hauptweges nahmen.


Auch MRL fährt auf der eigenen Strecke, kaum zu glauben *g*. Ein Manifest rollt bei Toston Dam nordwärts.

Von dem Gutbürger haben wir dann nichts mehr gesehen. Wir warteten nochmal pro forma, ob in Toston gekreuzt würde, doch als sich nichts tat, ging es erstmal zur Verpflegungsaufnahme zu einem netten kleinen, familiären Imbiss-Restaurant in Townsend, "Full Belli Deli". Wir nahmen jeder ein warmes Fleischklopsbaguette to go, denn den Nachmittag wollten wir nun ganz relaxed am West-Rim des Lombard-Canyons verbringen. Natürlich kreuzten, als gerade unsere Baguettes im Ofen schmorten, zwei Züge in Townsend, der Nordfahrer sogar bespannt mit MRL-Loks älterer Bauart. Na ja, shit happens. Was muss der auch unbedingt mittags kommen?

Den Weg zum Rim hatten wir ja gestern zum Glück ausgekundschaftet, so dass wir mitsamt unseres Essens straks ins Motiv fahren und laufen konnten. Der in Townsend beobachtete Südfahrer bekam in Toston schon wieder Kreuzung, so dass wir den dann schon mal vom Rim aus umsetzen konnten.


Der leere Kohlezug in der Missourischleife zwischen Toston und Lombard.

Danach konnten wir nur hoffen, dass der über Mittag doch ganz gut angezogene Verkehr nicht zum Nachmittag hin wieder einbricht. Derweil streckten wir uns im Gras aus. Hier klapperte es überall, doch das waren zum Glück keine Klapperschlangen, sondern mit lautem Geklapper umherfliegende Käfer oder Heuschrecken. All zu lange mussten wir uns aber gar nicht von der Sonne bruzzeln lassen. Bald war schon wieder das Horn zu hören. Erst dachte ich, ganz weit im Süden, dann kam es aber deutlicher von Norden. In Wirklichkeit war es wohl beides, denn der Südfahrer ging in Lombard an die Seite, um einen nordfahrenden Kohlezug passieren zu lassen. Dieser kreuzte in Toston einen Südfahrer, dem bald darauf noch ein Südfahrer folgte. Was hier nach dichtem S-Bahn-Takt klingt, war natürlich alles zeitlich gestreckt, denn die Züge sind ja sooo dermaßen langsam. Lassen wir Bilder sprechen...


Ein Getreidezug südwärts in der Flusskehre. Er liefert sich ein Wettrennen mit einem Wasserskiläufer.


Ein langer Kohlezug taucht von Süden auf.


Noch ein Getreidezug südwärts - diesmal als Nachschuss.


Als nächstes kommt jetzt ein Manifest von Toston.


Und nochmal in der Schleife selbst.

Hier am Rim war brauchbarer Handy-Empfang, und so hatten wir nebenbei ein wenig den Funk mitlaufen lassen. Allerdings war es wie bei meinen bisherigen Berührungspunkten mit dem Zugfunk der US-Bahnen: Ich verstand kein Wort. Man müsste halt ganz genau wissen, wovon die da gerade sprechen, man müsste jede Betriebsstelle oder Ortsbezeichnung kennen und am besten auch noch die Zugnummern... Lediglich die Sprachansagen der Detektoren konnte man gut verstehen, aber da wusste man leider nie so ganz genau, in welche Richtung der "besprochene" Zug gerade unterwegs war. Hier mal eine später gezogene Ansage eines Detektors: Detektor-Ansage.

Das Zug-Spektakel war gegen 17 Uhr schlagartig zuende. Die Züge blieben jetzt aus, dafür zogen, nachdem wir eine Zeit das immer schöner werdende Abendlicht beobachten durften, größere Wolkenfelder vor die Sonne. Nun traf wieder der alte Grundsatz "Lieber keine Züge und Wolken als nur eines von beiden" in Kraft. Erst ganz zum Schluss, als wir schon zum Auto zurück liefen, kam ein fünfter Südfahrer, den wir im allerletzten beleuchteten Abschnitt des Canyons aufnahmen.


Den nahmen wir auch noch mit: Eine Leerkohle im allerletzten beschienenen Abschnitt des Lombardcanyons - zufällig an derselben Stelle, an der sich heute Morgen der erste fotografierte Zug, der Kesselwagenzug, befand.

Wir waren glücklich, ich war glücklich. Diese Blicke waren für mich absolutes Pflichtprogramm, und ich war froh, dass es geklappt hat. Optimal wäre vielleicht ein zweiter Nordfahrer gegen 18 Uhr (aber nicht bei Wolke!) gewesen, aber angesichts von sechs Zügen an diesem Nachmittag und Abend können wir mehr als zufrieden sein. Dass Sonntag war, hat man kaum gemerkt.

Mit voll aufgedrehtem "Lord of the dance" ging es durch die weite Prärielandschaft die paar Meilen bis Three Forks, wo wir das Lewis & Clark Motel reserviert hatten, das sich im alten Bahn-Übernachtungsgebäude des einstigen Bahnhofs der "Milwaukee Road" eingenistet hat. Zum Abendessen fuhren wir allerdings noch zwei Dörfer weiter nach Manhattan, wo im Internet das Steakhaus "Sir Scott's Oasis" sehr empfolen wurde. Die Steaks waren auch wirklich gut.

Wir hatten uns schon über die Lage unseres Lewis & Clark Motel gewundert, denn die alten Bahnanlagen hätten wir weiter westlich vermutet. Im Hotel wurde dann auch erklärt, dass das Gebäude innerorts umgezogen sei. Die Lobby war sehr liebevoll eingerichtet. Es gab sogar wie in alten Zeiten einen Puzzletisch. Die Zimmer waren eher schlicht, aber vollkommen ok. Der Ort Three Forks hat seinen Namen von den drei Zuflüssen Jefferson River, Madison River und Gallatin River, die sich hier vereinigen und ab hier den Missouri bilden. An der Vereinigung gibt es den Missouri Headwaters State Park.

Montag, 17.09.2018

Zum Frühstück gab es Topfkuchen in allen Varianten. Das fand ich angenehmer als die Standardware, und die Kuchen wirkten sogar selbstgebacken. Nur der vermeintliche weiße Sandkuchen war wohl eher Toastbrot - das haben wir aber nicht getestet. Um 7 saßen wir im Auto und fuhren in Richtung Toston. Der Plan war, den Frühmotiven noch eine Chance zu geben, wohl wissend, dass auch der Montag sehr verkehrsschwach sein kann.

Auf der Fahrt nach Toston hing vor uns einiges an hohen Wolkenfeldern. Östlich des Canyons war der Himmel aber komplett klar. Da war eher der Nebel im Canyon das Problem. Gerade unser Motiv am Toston Dam war unter einer dicken Nebelschicht. Von unserem Aussichtshügel konnte man allerdings ganz gut in Richtung Lombard schauen. Als dort der Schatten immer mehr von den Gleisen und der markanten Brücke der "Milwaukee Road" wich, entschlossen wir uns, dorthin zu fahren und den Berg südöstlich der Brücke zu besteigen. Das erwies sich allerdings als ziemlich üble Kraxelei. Und der Lichtstand für den Vordergrund war eigentlich auch schon zu spitz. Zudem zogen leider die Wolkenschleier nun doch zu uns rüber. Und auf der Schiene herrschte Totentanz. Wir hofften ja zumindest auf den Local, schon allein wegen der zu erwartenden älteren MRL-Loks. Aber der konnte praktisch den ganzen Morgen / Vormittag kommen.


Über diese Brücke querte einst die elektrifizierte Chicago, Milwaukee, St. Paul and Pacific Railroad ("Milwaukee Road"), die hier aus einem kleinen spektakulären Seitencanyon ("Sixteen Mile Canyon") auf den Lombardcanyon stieß, Bahn und Fluss. Einst gab es hier eine kleine Siedlung, und ein "Turmbahnhof bzw -haltepunkt" ermöglichte ein Umsteigen. Die von hier auf der westlichen Talseite südwärts führende "Milwaukee Road" würde bei Garrison die von hier nordwärts führende Strecke der MRL bzw Vorgängergesellschaften wiedertreffen und dann bis St Regis parallel verlaufen. Die Trasse der einstigen "Milwaukee Road" führte dabei über Three Forks und Butte.

Nochmal die Karte...

Nach 20 Min brachen wir ab. Für vorn fehlte das Seitenlicht und drüben bei Toston Dam hatten wir noch Stellen für beide Richtungen auf dem Zettel. Wobei das Abbrechen gar nicht so einfach war, hatten wir uns doch an völlig unterschiedlichen Stellen auf den Felsen postiert. Und hier war natürlich null Handy-Empfang. Aber zwei Dumme hatten mal wieder einen Gedanken. Ich war gerade am Abstieg und rief Yannicks Namen in die Felsen, da war er auch schon auf dem Rückweg gewesen. Na gut, von wegen "ein Gedanke": Yannicks Beweggrund vorzukommen war ein ganz anderer als meiner: Er meinte von Süden ein Horn gehört zu haben.

Nach Ankunft auf der anderen Seite des Bergrückens trötete es auch irgendwann von Süden. Wir bezogen einen Aussichtspunkt. Es dauerte allerdings noch ewig, bis dann ein Kesselwagenzug im Schritttempo um die Ecke gekrochen kam. Gerade hatte sich der einzige noch vorhandene Schleier weit und breit vor die Sonne geschoben. Aber das war auch ein richtiger Riesenschleier! Während der Zug laaaangsam auf das Motiv zukroch, wurde es hinterm Zug allerdings schon wieder langsam heller. Und bis der Zug den Auslösepunkt erreicht hatte, war ganz annehmbares Licht.

Wir hatten allerdings schon wieder das nächste Hornen aus Richtung Lombard gehört. Der Kesselwagenzug brauchte wohl zehn Minuten, bis er bei uns vorbei war und eine halbe Stunde, bis er in Toston um die Ecke verschwunden war. Diese halbe Stunde war längst noch nicht vorüber und der Zug noch voll im Blickfeld, als der nächste Zug bereits um die Ecke kam. Der Schleier hatte sich inzwischen aufgelöst, so dass wir den zweiten Zug hier gut bekamen.


Eine Ladung Kohle bei Toston Dam.

Nun hieß es weiter warten. Der von uns erwartete Local schien nicht zu kommen. In der Hoffnung, unser Motiv von unten, wo man zur Abwechslung mal dichter am Gleis stand, umsetzen zu können, verlagerten wir unsere Siesta unten zur Kehre am Gleis. Die Zufahrt zum Bahnarbeiterweg war zwischenzeitlich verrammelt und verschlossen worden. Schade eigentlich. Aber wir hofften im Falle eines Horns aus Richtung Toston schnell zu Fuß reinlaufen zu können. Der Zaun war zum Glück an einer Stelle niedergetrampelt.

Bald waren wir beide weggedämmert. Das Horn, was dann irgendwann zu hören war, kam aber nicht aus Toston, sondern vom BÜ auf halbem Wege hierher! Wir nur noch Kameras an uns gerissen und den Weg hineingesprintet. Zum Glück musste der Zug in den scharfen Kurven stark abbremsen, so dass wir mit heraushängender Zunge, aber rechtzeitig unseren Fotostandpunkt erreichten.


Und ein Getreidezug südfahrend am Missouri unterhalb des Toston Dams.

Super, dass das noch geklappt hatte! Der weitere Plan für heute war, den Nachmittag nochmal am Mullanpass zu verbringen und dann allerdings noch den großen Ritt nach Thompson Falls zu machen, da wir uns für morgen früh dort in der Gegend Programm erhofften. Als wir die Schlucht bei Toston verließen, begann man auf der Schiene damit, mit allerlei Baugerät auszuschwärmen. Montag ist halt Tag des Bahnmeisters, ob nun in Deutschland oder hier. Wie gut, dass wir hier praktisch "durch" waren - für einen ersten Eindruck jedenfalls. Natürlich warten im Bereich des Lombardcanyons noch tausende andere Blickwinkel auf Umsetzung - allein im Bereich von Lombard.

Wir fuhren nun nach Helena zurück. Kurz vorher bzw bei der Einfahrt überholten wir sogar noch die beiden Nordfahrer, die wir in der Schlucht gesehen hatten. Für uns gab es nun Wendys to go, zwei leckere Burger und ein Töpfchen Chili für mich, einen Burger, Chicken Wings und Chili Cheese Fries für Yannick. Das nahmen wir uns mit, denn wir wollten den beiden Zügen nun in Austin auflauern und wussten ja nicht, wann die mit Helper-Unterstützung in Helena weiterführen. Leider mussten wir auch noch tanken. Und ausgerechnet jetzt, wo wir das warme Essen an Bord hatten, funzten bei einer Exxon all unsere Karten bzw der eingegebene Phantasie-Zip-Code nicht. Immer wieder kam "See Cashier". Das wurde uns zu blöd, nachdem das - im Gegensatz zu früheren Touren - bisher immer geklappt hatte. Die nächste Tanke funzte aber auf Anhieb.

Als wir in Austin ankamen, signalisierten die Signale eine anstehende Zugbewegung. In der Ferne kämpfte sich gerade die lange Schlange eines Kohlezuges die Kehrschleifen hoch, das war mal wieder ein Soundspektakel! Runterwärts kam ein Helper-Set.


Fünf MRL-Helper, sortiert von dreckig bis sauber, kommen den Pass hinuntergerollt - hier unterhalb der Station Austin.

Leider hatten sich mittlerweile massig Schleier am Himmel breit gemacht. Die sonnigen Abschnitte wurden zur Minderheit. Wir gaben uns deshalb nach dem Essen erstmal einem Verdauungsschläfchen hin.

Eine Stunde später. Der Schleier, obwohl örtlich begrenzt, biss sich hier fester als uns lieb war. Züge kamen allerdings auch keine. Als wir wieder einigermaßen wach waren, machten wir uns auf, mal das Wegenetz oberhalb der Bahnschleife hinein zu fahren. Die Schotterpisten waren topp gepflegt, die diversen, sich oft widersprechenden Schilder von "No Trespassing" bis "Public area" ignorierten wir geflissentlich. Allerdings ist das Ergebnis der Kundschaftsfahrt schnell zusammengefasst: Bis auf einen eher bescheidenen Abendblick gab es hier nichts. Ich bleibe dabei: Man müsste an die mittlere Ebene der Schleife rankommen, da wären wir wieder bei dem Freitag beschriebenen Weg mit Tor ohne Schloss und ohne Schilder.

Schleiertechnisch war unten nichts mehr zu wollen, und das Licht wurde immer spitzer. Wir machten uns einfach mal auf, die Austin Road (Schotterpiste) hoch zum Freitag entdeckten Blick auf den obersten Viadukt zu fahren. Die Piste war im Steigungsabschnitt nicht sonderlich toll zu befahren, man musste immer wieder aufpassen, nicht auf Steine aufzusetzen. Auf halber Höhe testeten wir einen Ausblick von einer Waldschneise für eine Gasleitung, fuhren dann aber doch lieber ganz nach oben. Dort war der Ausblick durch Bäume zwar etwas eingeschränkt, aber die Fernsicht lohnte sich allemal. Lange tat sich nichts, außer, dass ein Helper-Quartett gen Tal "eilte". Anhand dessen konnten wir feststellen, dass das Seitenlich auch noch nicht wirklich ausgeprägt war. Den Güterzug hörten wir schließlich etwa eine Stunde später mit lautstarkem Motorsound in seinem Kampf gegen die Steigung.


Im Steigungsabschnitt auf den Mullanpass quert ein BNSF-Zug den Austin Creek Viaduct ("Skyline Trestle").

Da während der Annäherung dieses Zuges auch von oben, von der anderen Seite des Gebirgskammes, ein Horn zu hören war, suchten wir nun stantepede weiter unten eine Stelle für den Talfahrer auf. Yannick hatte die richtige Zuwegung auf dem Luftbild erkannt. Der Weg war zwar mit einem Tor verschlossen, aber zu Fuß war es ein hübscher kleiner Spaziergang durch den Wald. Zeit lassen konnten wir uns - die Schlusslok des Aufwärtsfahrers war noch diesseits des Passtunnels zu hören.

Die Wolkenschleier hatten sich mittlerweile ordentlich zurückgebildet. Aber noch immer stellten sie eine latente Gefahr dar. Das merkten wir, als wir für den Abwärtsfahrer bereit standen und es von hinten erstmal dunkel zu werden begann. Zum Glück dauerte es mit dem Kreuzen in Blossburg so lange, dass der relativ kleine Schleier wieder abziehen konnte. Der Zug kam im Streiflicht wunderbar und plastisch auf der Brücke.


Der Gegenzug mit Kurs bergab auf dem "Skyline Trestle".

Einzig die leeren Flachwagen hätten meinetwegen nicht zu sein brauchen. Die Wagen hätte ich lieber mal beladen in der Gegenrichtung gesehen, denn darauf werden über diese Strecke regelmäßig Boeing-Flugzeugrümpfe transportiert. Wir teilten uns nun für die letzte halbe Stunde, die wir noch hatten, auf. Yannick ging zur Gasleitung und ich suchte oben nochmal nach einer Variationsmöglichkeit und fand diese auch. Da hatte man zwar ein Glied des Viaduktes weniger drauf, dafür aber vorn einen viel freieren Blick als eben. Da von unten kein weiterer Zug zu hören war bzw der Abwärtsfahrer auch nicht in Austin kreuzte, war die einzige Hoffnung, dass das Helper-Set des Aufwärtsfahrers von vorhin noch "kurz" zurück käme. Das war allerdings bis 18 Uhr nicht der Fall.

Ich fuhr verabredungsgemäß runter, um Yannick aufzugabeln, der auch schon bereit stand. Er gab allerdings an, dass er von der anderen Seite des Berges ein entferntes Horn gehört habe. Hoch zu meinem Punkt schaffte ich es nicht mehr; ich hatte auch keine Lust, den steinigen Weg jetzt noch dreimal fahren zu müssen. Deshalb bauten wir uns beide an der Gasleitung auf. Bald waren Rollgeräusche zu hören. Leider handelte es sich nicht um die Helper, sondern um einen kompletten Güterzug, für uns quasi aus der falschen Richtung. Die Schlusslok stand auch noch falschrum, was besonders schade war, da es sich um eine in der letzten Burlington Northern Lackierung gehandelt hatte.


Nachschuss auf einen leeren Kohlezug auf dem "Skyline Trestle".

Und der Viadukt war jetzt massiv am zuschatten. Das mit dem Güterzug war doppelt schade, weil man, hätte man's gewusst, nur eben über den Kamm hätte rüberfahren müssen, wo man den in der weiten Prärie am Bf Blossburg topp im Streiflicht hätte nehmen können. Nun ja, sollte nicht sein. Weiter hier zu warten, kam nicht in Frage, weil wir bis 22 Uhr in unserer Unterkunft in Thompson Falls sein mussten. Osmand zeigte bereits als Ankunft 22.31 an, Google konnte beruhigen mit 21.48. Sehr sehr schade, die Abendstimmung hier oben auf dem Mullanpass war phantastisch. Erstmal kam uns allerdings auch kein passender Zug entgegen. Erst hinter Avon sahen wir das gleißende Spitzenlicht vor uns. Manchmal ist es gut, wenn man nicht groß überlegt. Die Straße war frei und breit genug für einen U-Turn, schnell zurück zum Bf Avon, wo wir den Zug dann tatsächlich in diesem gleißenden Streiflicht umsetzen konnten.


Einer geht noch: Getreidezug im gleißenden Abendlicht bei der Einfahrt in den Bf Avon.

Die Aktion hatte uns vier Minuten gekostet. Der weitere Fahrtverlauf war lang, ist aber kurz erzählt. Die gut dreistündige Fahrt führte bald, bei Garrison, auf die Autobahn. Parallel zur MRL Strecke und der Trasse der Milwaukee Railroad, von der sogar noch die Ruine eines Umspannwerkes stand, ging es bis hinter Missoula und von dort über Landstraße nach Thompson Falls. Ab Ravalli hatten wir die Straße praktisch für uns. Ewig ging es bei Fernlicht durch die Finsternis des Flathead River Tales. Zum Glück hatten wir nur eine einzige Wildbegegnung. Das Reh, besonders die leuchtenden Augen, waren im Scheinwerferlicht rechtzeitig zu erkennen. Um 21.41 erreichten wir wohlbehalten das gebuchte "Falls Motel", wo wir bereits freundlich erwartet wurden. Das Zimmer war klasse, schön riesig wie so oft in den USA... Totmüde fielen wir ohne weiteres Essen ins Bett.

Dienstag, 18.09.2018

Um 7 zogen wir los. An einer Tanke besorgten wir uns etwas Frühstück, wobei entweder der Kaffee oder die Kaffeesahne mit Haselnuss aromatisiert waren, urgs. Noch viel urgser war allerdings der Himmel. Der war nämlich eine einzige Schlonzepampe. "Hochmotiviert" fuhren wir ostwärts. Dass man das erste Stück des Highways nur mit 55mph fahren durfte, weil evtl das "berühmte" Bighorn-Schaf auf der Straße hocken könnte, passte zu unserer "motivierten" Fahrweise. Warum Autos, die es ganz offensichtlich eiliger hatten, auf den langen schnurgeraden Abschnitten ohne Gegenverkehr nicht überholt haben, gab uns allerdings Rätsel auf. Das Bighorn-Schaf sahen wir leider nicht, dafür jede Menge Rehe.

Unterwegs kam uns die Hinfahrt des Gas Local entgegen. Da war die Sonne noch nichtmal aufgegangen. Bei Weeksville, kurz vor Plains, stellten wir uns einfach mal an die Seite und harrten der Rückfahrt des Gas Local, die wir verfolgen wollten. Mehrmals trötete es in der Ferne, doch es handelte sich um BNSF-Züge, die im Viertel- bis Garnichtlicht vorüber fuhren. Aus Richtung Nordwesten kam laaaangsam mehr Blau heran, aber ob das für den Gas Local reichen würde?

Der Gas Local ist ein von der MRL gefahrener Kesselwagenzug mit Treibstoff, der die Lücke in einer Pipeline zwischen Missoula und Thompson Falls überbrückt. Hier hatten wohl die Indianer Bedenken gegen den Pipeline-Bau, so dass der Zug einspringen muss. Doch inzwischen hat man sich wohl geeinigt und die Lücke in der Pipeline soll geschlossen werden. Na ja, noch fährt da also der Zug. Damit das aber alles nicht zu einfach wird, gibt es auf dem Abschnitt Missoula - Paradise zwei verschiedene Strecken. Die "Hauptstrecke" ist die 4th Subdivision untenrum über St Regis. Die ist länger, weist dafür aber nicht so starke Steigungen auf wie die 10th Subdivision über Dixon. Deshalb geht wohl fast aller Zugverkehr über die südliche 4th Subdivision. Lediglich der Gas Local soll wohl regelmäßiger die 10th Subdivision nutzen, die einige wunderschöne Landschaftsmotive bietet, auf die es uns ankam. Ansonsten kann auch noch der eine oder andere Ostfahrer über die 10th geleitet werden, denn die gravierende Steigung betrifft nur Westfahrer. Allerdings ist die 10th wirklich eher "Nebenbahn", so gibt es dort keine Signale, und der Betrieb wird in einer Art Funkleitbetrieb abgewickelt.

Zwei Stunden später. Wir hocken noch immer bei Weeksville. Der Gas Local ist noch immer nicht zurückgekommen. Das war allerdings auch gar nicht so schlecht, denn mit jeder Viertelstunde wurde die Sonne etwas kräftiger und für unser Motiv seitlicher. Wobei wir nicht damit rechneten, dass das Ende der Schlonzepampe noch rechtzeitig zur Stelle wäre. War es auch nicht. Als der Gas Local endlich um 11 Uhr bei uns in Weeksville auftauchte, war das Licht noch sehr gedimmt. Obwohl es im Osten eher schlechter aussah, nahmen wir trotzdem die Verfolgung auf. Ein wenig besser - wenn auch nicht voll - war das Licht dann an unseren Hauptmotiven am Flathead River. Immerhin, die Bilder waren "rettbar", aber der Plan stand trotzdem fest, dass wir das morgen nochmal versuchen würden.


Vor Plains hat der Gas Local erstmals ganz gutes Licht, so dass wir ihn am Ufer des Clark Fork River umsetzen können.


Voll da war das Licht kurz vor Dixon an einem unserer Hauptmotive am Ufer des Flathead River.


Hinter Ravalli führt die Strecke langsam bergauf in Richtung Evaro Hill, dem Pass rüber nach Missoula.

Nach einem letzten Bild zwischen Ravalli und Arlee drehten wir um in Richtung Westen. Dort war der Himmel mittlerweile völlig blau geworden, während im Osten der Schlonz kaum weniger wurde. Da es nun schon Mittag war, besorgten wir uns beim Schlachter in Plains geniale Buffalo Cheese Bacon Burger und nahmen die zu einem Felsen mit, an dem man schön ungestört essen und nebenbei auf Züge warten konnte. Den Burger hatte ich auf und gerade die Soße über meine fettigen Cheese Fries gegossen, da rief Yannick, der schon auf den Felsen geklettert war, "Zug kommt".

Da wir es irgendwie im Urin hatten, dass dieser leere Kohlezug seinen Weg vielleicht über die 10th Subdivision nehmen könnte, verfolgten wir ihn nochmal bis Paradise. Hier kannten wir schon vom Gas Local den "Parkplatz der Entscheidung", wo man gut beobachten konnte, auf welche Strecke der Zug fährt. Erst war Einfahrt von der 4th gezogen, doch dann wieder zurück genommen. Das ließ darauf schließen, dass sich ein Zug von der Vierten näherte, man aber erstmal unseren Leerkohlezug durch den eingleisigen Flaschenhals am südöstlichen Bahnhofskopf fahren wollte. Und der konnte dann ja nur auf die Zehnte abbiegen. So war es dann auch! Da konnten wir noch paar Hauptmotive umsetzen!


Hier in der Ausfahrt aus dem Bf Paradise entscheidet es sich, ob ein Zug auf die vierte oder zehnte MRL Subdivision abzweigt. Links führt die Vierte aus dem Bild, während der BNSF-Zug zu unserer Freude auf die Zehnte abzweigte.


Da ergaben sich einige wunderschöne Fotomotive am Ufer des Flathead River östlich von Paradise.


Jedenfalls ist der Kohle-Leerzug deutlich länger als der Gas Local...


Ein letztes Mal gab es den BNSF-Zug kurz hinter Perma.

Hinter Perma war die Schlonzgrenze allerdings fast erreicht. Wir drehten nun wieder um, denn wir hatten uns noch Stellen westlich von Thompson Falls notiert, die sich besonders nachmittags eignen. Auf der Fahrt dorthin ging es hinter einem Schulbus her, der so zügig fuhr, dass man ihn nicht überholen wollte, bei dem man aber an den (wenigen) Haltestellen das Spielchen mit den ausklappenden Stopp-Schildern beobachten konnte. Hinter Trout Creek gab es nun zwei Stellen für Nordwestfahrer und eine für Südostfahrer. Da so knapp hinter uns eigentlich kein Zug kommen konnte, stellten wir uns erstmal am Südostfahrer-Motiv auf. Denn wir hatten ja keinen Nordwestfahrer überholt und alle Signale waren dunkel bzw teils waren auch Arbeiten auf der Strecke zu sehen. Fehler! Wir hatten uns dort gerade eingerichtet, da kam ein Nordfahrer. Auch noch ein sehr besonderer, die "Spezialität" dieser Strecke, nämlich der Boeing Flugzeugrumpf Transport.


Dann erwischen wir ihn doch noch, den Boeing Flugzeugrumpf-Transport. Leider nur als halber Nachschuss nach der Querung des Clark Fork River westlich von Trout Creek.

Das war nun mega ärgerlich. Erst setzten wir noch zur Verfolgung an, aber wir hätten einen Riesenbogen zurück zur Hauptstraße fahren müssen, und die Motivfrage weiter nördlich war hier in diesen skandinavischen Wäldern auch völlig ungeklärt. Deshalb brachen wir ab und bezogen nun das eine Nordwestfahrermotiv, einen Seedamm. Leider waren die Standpunkte alle recht kompromissbehaftet, da die Bewaldung der Straßenböschung doch ziemlich dicht war. Yannick war sogar einen Baum hochgeklettert. Ich balancierte auf einem gefallenen Baumstamm 2m über dem Boden. Aber nach einer Zeit gaben wir auf. Der Hauptgrund dafür war weniger die unbequeme Lage als der Umstand, dass sich ausgerechnet hier am ansonsten wolkenlosen Himmel ein größeres stationäres Gewölk breit gemacht hatte.

Statt dessen postierten wir uns an dem zweiten Nordwestfahrerblick. Hier schienen wir in einer etwas unproblematischeren Zone des Gewölks zu sein; schattig wurde es immer nur mal kurz. Wir hofften etwas auf einen Nordfahrer, weil Yannick in seiner Scanner-App auf dem Kanal von Thompson Falls irgendwelches Gebrabbel gehört hatte. Wie immer verstanden wir da kein Wort; lediglich die Sprachspeicher-Meldungen der Detektoren waren verständlich, wobei wir auch da wieder nicht wussten, ob es um einen Wegfahrer oder einen kommenden Zug ging. Tja, und dann kam natürlich ein Südfahrer... Immerhin hatte er eine richtig herum stehende Schlusslok, so dass wir das Motiv umsetzen konnten.


Ein Kohleleerzug quert den Trout Creek und rollt in den gleichnamigen Bahnhof hinein (Nachschuss).

Im besten Abendlicht suchten wir jetzt nochmal zwischen Trout Creek und Thompson Falls nach Stellen. Erst in den skandinavischen Wäldern bei White Pine, wo die Wege aber ohnehin an Privatgrundstücken endeten. Dann bei Belknap, wo wir offeneneres Terrain fanden. War zwar ziemlich motivlos, aber das tief stehende Licht kam da wenigstens noch bis zuletzt hin. Ein Nordwestfahrer schien dort aber gerade durch gewesen zu sein, denn ein Blocksignal schaltete nordwärts von rot auf grün und ging dann aus. Prima, "Zug verpasst" hatten wir noch nicht heute Nachmittag, passte aber gut zu den letzten verkorksten Stunden bei bestem Licht. Um 19.10 war die Sonne hinterm Hügel und wir fuhren nach Thompson Falls ins Hotel zurück.

Die Exxon-Tanke neben unserem Motel akzeptierte zwar heute Morgen wie anscheinend alle Exxon-Tanken meine Kreditkarte und Zip-Code nicht und hatte deshalb beim Tanken verschi..., aber heute Abend erfreute sie uns mit einem guten Salat-Angebot und einem wunderbaren gekühlten Riesling aus Dayton, Montana. Ein Land, das größer ist als Deutschland, kann also nicht nur Skandinavien, sondern auch Mosel. Nebenbei haben wir die Scanner-App beim Essen noch etwas mitlaufen lassen. Wir hatten den Eindruck, dass die Detektoren immer nur Züge in eine Richtung melden - das wäre dann ja für die Fototour ganz hilfreich, wenn man weiß, welcher in welche Richtung zuständig ist.

Mittwoch, 19.09.2018

Rekonstruierter Berichtsteil Anfang (Erklärung folgt)

Für heute hatten wir geplant, mit demselben Programm zu starten wie gestern. Der Gas Local sollte schon nochmal bei voller Sonne gehen, fanden wir. Aufgrund der Wettervorhersage, die nun für Montana deutlich unbeständiger wurde, beschlossen wir, danach noch möglichst weit südwärts zu kommen, denn für Utah war nach wie vor Sonne, Sonne, Sonne angesagt. Wo wir letztendlich landen würden, sollten heute Wetter und Verkehr bestimmen. Das war insofern schade, da wir auch gern noch die ganz im Norden verlaufende BNSF Hi-Line über den Marias Pass aufgesucht hätten, aber gerade da oben war konstant schlechtes Wetter vorherorakelt. Das machte keinen Sinn - gerade wenn andernorts weiter südlich konstantes Topp-Wetter versprochen war. Auch der Yellowstone Nationalpark, der mich von allen US Nationalparks anhand von Bildern und Beschreibungen immer am meisten fasziniert hat, musste aus diesen Gründen bis zu einem anderen Mal warten.

Erstmal also der Gas Local. Allerdings kamen wir gar nicht erst in unsere "Wartekurve" bei Weeksville, denn wir hatten gerade in Thompson Falls bei Exxon unser Frühstück besorgt und bei der Nachbartanke getankt, da polterte oben auf den Gleisen ein leerer Kohlezug ostwärts. Der Himmel war heute wirklich klar, so dass man den Zug bei der ersten Gelegenheit nehmen wollte. Wir wussten auch schon wo: Mit den alten Signalauslegern des Bf Plains. Unterwegs war uns der Gas Local entgegen gekommen. Wie gestern, alles gemäß Plan!


Der Bahnhof von Plains hat nicht nur die alten Signale mit den beweglichen Farbblenden, sondern diese sogar auf schmucken Signalauslegern. Eine morgendliche Leerkohle fährt ein.

Wir folgten dem Ostfahrer bis Paradise. Unsere heimliche Hoffnung war natürlich gewesen, dass der Zug auf die Zehnte abbiegt. Tat er aber diesmal nicht. Wir konnten zwar noch ein Bild auf der Vierten direkt hinter Paradise machen, sahen dann aber von einer weiteren Verfolgung ab.


Der Kohlezug bleibt in Paradise diesmal auf der Hauptstrecke und wendet sich St Regis zu.

Nun bezogen wir aber wirklich wie gestern unseren Warteposten in Weeksville. Da gab es erstmal ein entspanntes Frühstück. Am Himmel war die Situation leider nicht ganz so topp. Im Osten war es zwar klar, doch von Nordwesten zogen schon wieder massiv Schlonz und Schleier auf, die wir nun im Hintergrund hatten. Na ja, Hauptsache, wir hatten Volllicht. Um ca 10.20 hörten wir dann auf Yannicks Scanner-App die Anfrage des Gas Local, vom Bahnhof Pipeline (so heißt der Verladebahnhof bei Thompson Falls) auf die Strecke ausfahren zu dürfen. Da wir die Bezeichnungen "Gas" und "Pipeline" kannten, war diese Anfrage sogar für uns verständlich. Etwa zehn Minuten später kam die Meldung eines Detektors südlich von Thompson Falls, der 88 Achsen ohne Befund meldete. Der Gas Local war unterwegs!


Am Ufer des Clark Fork River rollt der Gas Local auf Weeksville zu.


Und nochmal zwischen Weeksville und Plains.

Der Dispatcher hatte den Lokführer zusammen mit der Abfahrterlaubnis darüber informiert, dass er in Paradise noch paar Wagen aufnehmen müsse. So überraschte es uns dort nicht, dass der Local erstmal stehen blieb. Zum Aufnehmen der Wagen zog er immerhin in die Zehnte vor, so dass diese Frage schon mal zu unserer Zufriedenheit geklärt war. Und vor allem waren wir erleichtert, dass die aufzunehmenden Wagen, ein Kran der MRL und paar dunkle E-Wagen, hinten dran gingen, denn das schöne am Gas Local sind schließlich die hellen Kesselwagen.

Bald ging es weiter, und wir konnten nun nochmal die ganzen schönen Motive mit vollem Licht, wenn auch leider mit ziemlich schlonzigem Hintergrund-Himmel, umsetzen. Beim Aussteigen am ersten Motiv raschelte es laut unterhalb der Straßenböschung und mindestens zwei Bären verdufteten durch den Schilfgürtel des Flusses. Das heißt, so ganz verdufteten sie nicht. Man wollte ja wenigstens mal wissen, von wem man da gestört worden war. Deshalb kletterte der eine Bär in sicherer Entfernung auf einen Baum und schaute neugierig zu uns herüber. Als alles geklärt war, verschwand er wieder.


Möchte man ihn nicht am liebsten knuddeln? Das Bärchen ist neugierig und schaut, wer da gestört hat.


Der Gas Local östlich von Paradise am Flathead River.


Danach wird bald die Flussseite gewechselt und am Südufer des Flusses geht es auf Perma zu.


Hinter Dixon wird der Flathead River verlassen und relativ unspektakulär geht es auf Ravalli zu.


Falls sich jemand für Eisenbahnkräne interessiert: Der MRL 100855 ist Ende 2013 angeliefert worden und kann auch aus eigener Kraft hin und her fahren. Wir hatten ihn gestern immer wieder zwischen Paradise und Plains im Einsatz gesehen.

Wir dehnten die Verfolgung bis Missoula aus, mussten allerdings immer wieder sehr lange warten. So wurde es bereits deutlich nach Mittag, als der Zug eeendlich oberhalb von Missoula auftauchte. Wir hatten Position auf dem Gelände einer riesigen Spedition bezogen, wo uns niemand hinter paar Aufliegern stehend beachtete. Leider war die Sonne gerade im Schlonz, als sich der Zug im Schritttempo das Gefälle hinab bremste.


Der Gas Local fährt in den Bf Evaro ein, den Scheitelbahnhof des Evaro Hill.


Langsam bremst sich der Zug den Pass hinab und erreicht die Ausläufer des Großraums Missoula.

Um mal was neues zu testen, gab es heute das Mittagessen bei Freddys. Die machen Werbung mit Steakburgern, doch das Steak waren dann doch nur Frikadellen. Bemerkenswert war nur die Sauberkeit des Restaurants, es wirkte alles sehr gepflegt, auch die Klos waren pikobello, was in US-Schnellrestaurants eher die Ausnahme ist. Nun legten wir uns die Karten für alles weitere. Der Himmel war hier nun komplett am Zuschlonzen, wir konnten also die Reise beginnen. Lediglich wenn es nach Sonnenchance am Mullanpass aussehen würde, wäre ich einem Abendbesuch dort nicht abgeneigt gewesen. Yannick meinte, da ginge wettertechnisch eh nichts.

Es ging auf der Autobahn ostwärts. An einer Autobahnabfahrt im Nirgendwo hinter Byrne fuhren wir auf ein kleines Nickerchen an den Rand. Da standen wir dann zwischen der MRL Strecke und dem Bahndamm der tragisch verflossenen Milwaukee Road. Nach einer halben Stunde weiter. Als wir uns Garrison näherten, fiel der Blick in nordöstliche Richtung zum Mullanpass bald auf geschlossene Bewölkung. Dorthin brauchten wir also nicht abzubiegen. Wir folgten deshalb auf der Autobahn der hier abzweigenden BNSF Nebenbahn nach Butte. Und wieder mal trug es sich zu, dass wir uns dem Industriegebiet und Nebenbahnknoten Silver Bow gegen 17 Uhr näherten, also zu der Zeit, zu der Yannicks Recherchen zufolge der Manifest der UP auf die hier beginnende UP Montana Subdivision starten sollte. Im Gegensatz zur Hinfahrt stand dort nun tatsächlich ein UP Manifest mit drei Loks zur Abfahrt bereit!!!

Wahnsinn! Wir warteten am ersten BÜ hinter Silver Bow. Fotografisch ging da zwar gar nichts und die Wolken ließen auch eher nur wenige bescheidene Lücken, aber wir wollten einfach schauen, ob er wirklich losfährt. Und tatsächlich - wenige Minuten nach 5pm tauchte er wirklich auf! Wir fuhren auf der Autobahn voraus nach Feely, quasi ein BÜ weiter, vor dem allerdings die Wasserscheide zu queren war. Auch hier waren noch nicht so tolle Motive, höchstens eine gewisse Sonnenchance, aber ab hier konnten wir der Strecke auf einem Highway folgen. Das machte allerdings nur Sinn, wenn der Zug mal kommen würde. Denn man konnte nur unmittelbar vorm Zug abschätzen, wo noch Sonne durch die Wolken käme. Es kam aber kein Zug!

Eine halbe Stunde später. Vom Zug ist immer noch nichts zu sehen. Wir beschlossen, auf der Autobahn nochmal eine Abfahrt zurück zu fahren und nach dem rechten zu sehen. Ok, bald sahen wir den Zug. Den Kampf gegen die Gravitation den Pass hinauf hatte die Gravitation fast gewonnen. Der Zug stand mehr als dass er fuhr! Aber er kam immerhin. Wir also an der nächsten Abfahrt gedreht und wieder zurück nach Feely. Und gewartet. Und gewartet. Bald war der Himmel im Westen völlig zugezogen. Man musste dem Zug schon voraus fahren! Nun bekamen wir allerdings etwas Panik, weil sich die Tankanzeige nach dem ganzen Hin- und Hergegurke gefährlich der Viertelmarke näherte. Und in Richtung Süden würde wohl vor Dillon keine Tanke im Nirgendwo auftauchen!

Vom Zug immer noch keine Spur! Wir mussten zum Tanken nach Silver Bow zurück fahren. Unterwegs kam uns wieder der Zug entgegen - nicht wesentlich weiter als eben - im besten Sonnenschein auf einem Streckenstück, wo man einfach nicht auf die Westseite der Bahn gelangen konnte. Der Kampf gegen die Gravitation war noch nicht aufgegeben, aber auch noch nicht gewonnen. Uns wurde das Ganze zunehmend egal. Die Sonne sank immer tiefer. Wir tankten erstmal. Dann wieder südwärts auf die Autobahn. Wir waren gespannt, wo wir den Zug einholen würden. Dass es aber wirklich erst in Feely war, wo wir vor einer Stunde bereits gewartet hatten, hatten wir nicht erwartet. Das machte alles keinen Sinn mehr. So toll die Strecke im weiteren Verlauf in einem tief eingeschnittenen Tal auch sein muss, die Sonne war nun schon tief in die Wolken reingesunken - da würde gar nichts mehr gehen. Der Zug hatte für seine ersten zehn Kilometer anderthalb Stunden gebraucht und wurde auch jetzt im Gefälle kein Stück schneller.

Auf einer gähnend leeren Autobahn, auf der man meistens mit Fernlicht fahren konnte, ging es nun noch zwei Stunden stramm südwärts durch die zunehmende Dunkelheit nach Idaho Falls, wo wir im Falls Motel ein Zimmer gebucht hatten. Das Abendessen besorgten wir uns bei Arbys, wo wir als Deutsche sofort eine Sensation darstellten und von der Bedienung mit paar deutschen Sprachbrocken verabschiedet wurden. Das Hotel war sehr schön. An der Rezeption konnte man sich Bären-Abwehrspray ausleihen. Davon haben wir aber keinen Gebrauch gemacht...

Donnerstag, 20.09.2018

Der heutige Tag würde erstmal im Zeichen des Fahrens stehen, das war klar. Aber spätestens zum schönen Nachmittagslicht wollten wir am Soldier Pass sein - so die ursprüngliche Planung. Allerdings fällt mir bei den Toppmotiven Utahs immer gleich eines mit als erstes ein, dessen Umsetzung nicht ganz trivial sein soll. Das hatte ich heute Morgen mal vorsichtig zur Sprache gebracht, und Yannick war sofort Feuer und Flamme. Die Rede ist vom Ausblick aus Richtung Westen auf den langen Damm durch den Großen Salzsee - zeitlich ungemein passend nach der Reise von Idaho Falls.

Das Motiv hat allerdings drei Haken: Erstens soll der Verkehr dort äußerst dürftig sein. Man musste damit rechnen, ohne ein einziges Zugfoto wieder abzuziehen. Zweitens gestaltete sich die Zuwegung etwas spannend. Der Flecken "Lakeside", der praktisch nur aus einem Ausweichbahnhof, zwei kleinen, eher verlassenen Steinbrüchen und einem Funkmast besteht, ist nur durch einen Truppenübungsplatz, einem Schießplatz der US Army, erreichbar. Im Internet fanden wir unterschiedliche Aussagen über die Durchfahrmöglichkeit und überhaupt über die Qualität des Weges - eine Quelle hatte dringend die Nutzung eines Geländewagens angeraten. Der dritte Punkt war die gefundene Aussage über die Verseuchung der Hügel um Lakeside mit Klapperschlangen.

Erstmal stärkten wir uns aber am erstaunlich reichhaltigen Frühstücksbuffet des Falls Hotels. Es gab eine Pancakemaschine, und es gab Rührei und diese Cevapiwürstchen. So ging es also gut gestärkt los. Yannick recherchierte auf der Fahrt fleißig weiter, wie groß die Chancen sein könnten, dass wir tatsächlich nach Lakeside kommen. Es sah nicht schlecht aus. Wir fanden beide Gefallen an der Idee, das klang nach einer spannenden Aktion. Und wir waren uns einig, dass wir das ganze als Abenteuer und Erholung verbuchen, wenn wie erwartet tatsächlich kein Zugverkehr sein sollte.

Ein Päuschen gab es in Malad City, wo wir Sprit und Sprite tankten und am Bahnhof vorbei schauten. Selbst am Endpunkt dieser Nebenbahn ließen viele Wagen und mehrere Anschlüsse auf regelmäßige Aktivitäten schließen.

Weiter gings. Wir hatten noch ein gutes Stück Fahrt vor uns, vor allem den durch den Ballungsraum rund um Salt Lake City. Wobei wir Salt Lake City selbst eher links liegen ließen, da wir den See südlich umrunden mussten. Mir war gar nicht so bewusst, dass die Salzseestadt selbst eher abseits der südöstlichen Ecke des Salzsees liegt. An der letzten Abfahrt des Großraumes von Salt Lake City bunkerten wir erstmal ordentlich Essen und Getränke, unter anderem gleich mal einen ganzen Kanister Arrowhead Mineralwasser.

Es war irre, wie lang sich die Umrundung des Südufers hinzog. Ewig ging es durch die weißen Salzkrusten ausgetrockneter Seebuchten. Die Autobahn und auch die parallele Bahnstrecke führten oft auf Dämmen durch diese unwirkliche weiße Landschaft. An einer Stelle stand eine UP-Übergabe in einem Bahnhof. Hier in der Umgebung gab es eine Vielzahl von Fabriken zu bedienen; immer wieder tauchten Anschlussgleise auf. Wir überlegten schon, hier vielleicht lieber an dem Local dranzubleiben. Dann hätte man wenigstens einen Zug, was wir in Lakeside ja eher nicht für wahrscheinlich hielten. Und die weiße Landschaft hier war schon eindrücklich. In Delle stand auf einer abzweigenden Anschlussbahn ein anderer Local. Wir fuhren mal raus und machten in der Gluthitze ein Foto, auch wenn die Lok falschrum stand.


Diese SD40N sollte die einzige fotografierte "alte" Lok - also mit alter Vierfensterfront - bleiben. Und die bekamen wir ausgerechnet von hinten... Bei Delle, wo das Anschlussgleis von US Magnesium auf die UP Shafter Subdivision trifft, hat die Lok einige Wagen bereitgestellt. Hinten hat das Züglein sogar einen Caboose dran.

Ein Stück ging es noch auf der Autobahn weiter, doch bereits eine Abfahrt später mussten wir auf die Landstraße abzweigen, die stramm nordwärts zum Gelände der US Army führt. Hier ging es nun so richtig in die Wildnis. Schilder kündigten "open range" an, und genau das traf es: Eine weite Mondlandschaft, umgeben von bizarren Hügeln. Nach 15 Meilen war der Militärstützpunkt erreicht. Ein Wegweiser "Lakeside" wies vorher nach rechts. Da die Straße hier eine Kurve gemacht hatte, setzte diese Nebenstraße, eine gut befahrbare Erdpiste, die Richtung der bisherigen Asphaltstraße schnurgerade fort.

Nun wurde es spannend. Wir waren auf dem Militärgelände. Zaun rechts, Zaun links. Schilder forderten nur auf, die Straße nicht zu verlassen. Das hatten wir nicht vor. Dann ein offenes Tor. Daneben ein Schild "Road closed due to explosive disposal, delay 000 minutes". Bei den 000 konnte Private Maverick, bevor er rumballern wollte, den Minutenwert einschieben. Hatte er jetzt aber nicht gemacht, und das offene Tor werteten wir als Einladung weiter zu fahren.

Diese Erdpiste führte nun schnurgerade weiter durch die Mondlandschaft, mal Hügel auf, mal Hügel ab. Die größte Herausforderung war, das Tempolimit von 35mph einzuhalten, weil man einfach Gas geben konnte. Paar Meilen vor Lakeside verließ man nun das Army Gelände durch ein ebensolches Tor wieder. Dumm wäre jetzt nur, wenn auf dem Rückweg das Tor plötzlich zu wäre. Aber wir hatten weder im Camp noch im Gelände Aktivitäten gesehen, und so konnten wir das wohl ausschließen. Um 13 Uhr trafen wir in Lakeside ein.

Nach einigem Herumschauen wählten wir eine Fahrspur (selbst die hätte man ohne SUV bewältigen können) oberhalb des einen vermutlich stillgelegten Steinbruchs und liefen dann vorsichtig und laut aufstampfend den angeblich von Schlangen so verseuchten Hügelrücken hinauf. Das einzige, was wir sahen, waren zahlreiche Wohnungseingänge von irgendwelchen unterirdisch hausenden Tieren, aber Schlangen sahen wir überhaupt keine, geschweige denn, dass vor uns etwas in den Büschen geraschelt hätte. Oben auf dem Hügelkamm klapperte höchstens mal wieder eine Heuschrecke oder ein Käfer durch die Luft, aber auch nur vereinzelt.

Lakeside - diese Location ist schon ein wenig spooky. Es herrschte bis auf besagte Klapperschrecken eine absolute Stille. Hier wäre kein Mensch weit und breit, wenn nicht unten im Bahnhof paar Eisenbahner mit Hi-Railern zugange gewesen wären. Rund herum eine Kulisse aus schwarzem Felsgestein, und dann natürlich dieser unwirkliche See mit seinen weißen Ufern. Der Ausblick von unserem Hügelrücken war der Wahnsinn! Unsere Absicht, diese Aktion als pure Erholung zu verbuchen, schien aufzugehen. Die befürchtete Gluthitze blieb aus; es wehte ein erfrischender Wind. Von unserem Wasserkanister machten wir kaum Gebrauch.


Unser Hügel besteht aus längs gerichteten Felsgraten. Dahinter der See mit seiner Salzkruste in den flacheren Bereichen. Aus dem See erhebt sich Strongs Knob Island.


Der Great Salt Lake ist im Spätsommer besonders eindrucksvoll, weil dann der Wasserstand so niedrig fällt, dass zu den Ufern hin besonders viel Weiß zu sehen ist.

Zur Erholung trug natürlich auch der Schienenverkehr bei. Wir hatten, als wir gerade über die letzte Hügelkuppe auf Lakeside zufuhren, einen Güterzug ostwärts über den Damm verschwinden sehen. Dann war aber wirklich Ruhe dort unten. Irgendwann fuhr auch einer der Hi-Railer auf den See raus, da konnte also erstmal gar nichts "Richtiges" kommen. Drüben am anderen Ende des Dammes liegt die Halbinsel Promontory, in deren Norden der Punkt liegt, an dem die erste transkontinentale Bahn der USA 1869 ihren Lückenschluss feierte. Auch wenn bei dem historischen Punkt schon längst keine Züge mehr fahren, gibt es dort noch die "Golden Spike" Gedenkstätte. Mit dem Seedamm, dem "Lucin Cutoff" bzw der UP Lakeside Subdivision wurde die nördlich um den See führende Strecke praktisch überflüssig. Was uns allerdings nicht ganz klar war: Weshalb wird der Seedamm so wenig genutzt und weshalb nutzen die westwärts fahrenden Züge von Ogden lieber den mühsamen Weg durch den großstädtischen Ballungsraum von Salt Lake City und dann die südliche Seeumfahrung über die UP Shafter Subdivision?


Einen Badestrand (hier vielleicht eher Pökelstrand) gibt es auch. Wir haben aber trotz der Hitze von einem Bad abgesehen.

Drei Stunden später. Wir wissen beide nicht, wo die Zeit geblieben ist. Wir haben auf Felsen gesessen und im Kraut gelegen, haben Landschaftsfotos gemacht und einfach die Stille und das "Sein" genossen. Ich war gerade beim Pinkeln, als Yannick rief, er habe drüben auf der Halbinsel hinter dem Damm ein Licht gesehen. Auch wenn das sicher ein Zug sein musste, denn auch die Halbinsel Promontory ist wohl eher menschenleer, musste ich meinen Geschäftsvorgang jetzt nicht gewaltsam unterbrechen, denn der Zug würde noch zwanzig Minuten brauchen, bis wir das erste Mal den Auslöser betätigen konnten. Und so war es dann auch.


Draußen auf dem Damm nähert sich ein Getreidezug der Einfahrt in den Bf Lakeside.


Die S-Kurve im Damm ist der Tatsache geschuldet, dass es früher geradeaus auf einer Holzbrücke weiter ging, die man in den 1950er Jahren durch einen neuen nördlicher gelegenen Damm ersetzt hat. (Graffito der zweiten Lok beseitigt)


Der Zug hat Lakeside erreicht. Da Lakeside nur an der Spitze einer Halbinsel liegt, führt das Gleis von hier westwärts durch das salzige Weiß eines trocken gefallenen Seearms weiter.

Wir waren happy! Beide hatten wir es nicht ernsthaft geglaubt, dass wir dieses Motiv mit Zug würden umsetzen können. Und nun hatte es doch geklappt! Dass die zweite Lok einen Graffitischaden hatte, war uns sowas von sch...egal! Es war wunderbar! In bester Laune und mit laut aufgedrehtem "Lord of the dance" bei runtergelassenen Fenstern ging es durch den Schießplatz zurück in Richtung Autobahn. Die Tore waren nach wie vor offen, da war niemand weit und breit!

Wir näherten uns der Autobahnauffahrt zeitgleich mit einem Güterzug auf der den See südlich umrundenden und Autobahn parallelen Bahnstrecke, der UP Shafter Subdivision. Der Zug kam von Westen. Wir fuhren ihm voraus und versuchten, ihn bei Timpie in den weißen Salzflächen zu bekommen, was auch gut klappte. Leider war das Streiflich noch nicht voll ausgereift.


Ein Güterzug auf der UP Shafter Subdivision in den Salzzonen zwischen Delle und Timpie.

Das war insofern schade, da es auf der Strecke jetzt ganz gut brummte, dass nun aber erstmal Westfahrer dran waren, für die das Licht nun zunehmend schwächer wurde. Als erstes kam ein kurzer Steinzug, der in Delle an die Seite ging, denn das Spitzenlicht des nächsten Zuges war schon in Timpie zu sehen. Der Getreidezug war dann auch ratz fatz da und "flog" an dem Steinzug vorbei. Praktisch mit der Zugvorbeifahrt plumpste die Sonne hinter die Berge. Wie schnell das dann immer geht...


Ein Steinzug passiert das Gleisdreieck von Delle, an dem das Anschlussgleis zu US Magnesium abzweigt.


Es folgt unmittelbar ein Getreidezug, hier bei der Einfahrt im Bf Delle.

Was wesentlich weniger schnell ging, das war die Fahrt in unser gebuchtes Hotel im "nahen" Provo. Ich hatte die Städtekette Ogden - Salt Lake City - Provo im Kopf zu stark parallel zum Salt Lake Ostufer verlegt, doch wie gesagt liegt bereits Salt Lake City an der Südostecke des Sees, Provo dementsprechend noch ein ganzes Stück landeinwärts. Und dass sich die Fahrt um das Südufer des Great Salt Lake herum ganz schön hinziehen konnte, wussten wir ja eigentlich schon von heute Mittag. In der beginnenden Dunkelheit ging es mitten durch den urbanen Bereich mit entsprechend starkem Verkehr - doch ohne Stockungen - durch die Außenbereiche von Salt Lake City und dann auf der Autobahn nach Provo. Wir hatten das Sleep Inn gebucht, das zwar nah an der Autobahnabfahrt liegt, aber doch um paar Ecken herum, dass man von der Interstate nichts mitbekommt. Die "Straße der Köstlichkeiten" lag praktisch vor der Tür und wir hatten uns bereits für Wendys entschieden. Dort fanden wir interessant, dass sich Gruppen / Freundeskreise wirklich in solch einem Kettenrestaurant zum gemütlichen Beisammensein treffen, wie man es bei uns in einem normalen Restaurant tun würde.

Dass wir wieder über Utah zurückgefahren waren, hatte neben dem Wetter einen weiteren Hintergrund: Wir wollten nochmal einen Versuch mit dem Potash-Local wagen, dem nur wöchentlich und nach unseren Infos immer wieder sonntags fahrenden Zug in die Colorado-Schlucht. Leider erst heute Abend entdeckten wir auf Railpictures.net Fotos von unserem Anreise-Wochenende vom Local, allerdings vom Freitag! Wir waren alarmiert und schrieben den Fotografen an, erhielten aber so kurzfristig keine Antwort. Blieb nur die Hoffnung, dass das mit dem Freitag eine Ausnahme gewesen war. Wir hielten an der Planung fest, Sonntag nochmal den Potash Local zu probieren.

Freitag, 21.09.2018

Wir freuten uns nun auf zwei Tage rund um den Soldier Summit. Dass da landschaftlich etwas ginge, hatten wir ja auf der Hinfahrt gesehen. Und mit etwas Geduld würden wir der Strecke vielleicht auch den einen oder anderen Zug abluchsen. Das schlechte Wetter sollte gar nicht so weit nördlich stehen, insofern waren wir auch relativ alternativlos. Und Echocanyon brauchte es nicht nochmal zu sein... Es ging recht früh los. Das Frühstück nahmen wir uns in Form von einigen Mc Muffins (J) bzw Pancakes (Y) von Mc Donalds mit und verzehrten es auf der Fahrt. Es ging auf Highway 6 in die Berge, wo wir vor uns schon eine massive Dunstentwicklung sahen. Die kam allerdings von Waldbränden. Ja, Utah hat auch Wald! Heute jedenfalls noch.

Die Signale waren dunkel. Wir hatten jetzt auch nicht sooo direkt mit was anderem gerechnet. Die Sonne schien eh noch nicht bis in die Schlucht, durch die die Verkehrswege zumeist dicht beisammen aufwärts führen. Die Rauchschwaden wurden immer dicker. Leuchtschilder am Wegesrand wiesen die Autofahrer an, dass sie auf den folgenden Meilen nicht anhalten dürften. Feuerwehrfahrzeuge sah man bestenfalls als Beobachter, die eigentliche Brandbekämpfung konnte in dem unwegsamen Terrain nur aus der Luft erfolgen. Darf die Feuerwehr überhaupt in private properties eindringen? Böse Frage, aber bei der Rechtslage in den Staaten vielleicht nicht ganz unberechtigt...

Dort wo sich Bahn und Highway 6 von der Schlucht des Spanish Fork River in das Tal des Soldier Creek weiter aufwärts wenden, das ist dort, wo die Bahn durch diese zwei markenten Tunnel führt, wurde die Luft wieder merklich klarer. Noch ein ganzes Stück weiter geschah es dann: Signale leuchteten vor uns rot, uns kam ein Abwärtsfahrer entgegen! Wir wussten nun überhaupt nicht, wo wir den umsetzen sollten. Streiflicht wäre nett gewesen, aber die Straße verlief nahezu ununterbrochen neben den Bahngleisen. Nicht so pralle Aussichten, aber wir fuhren dennoch ein Stück zurück, um nach geeigneten Möglichkeiten zu schauen. Allerdings erlösten uns nun auch die Signale des anderen Gleises von unserem Dilemma: Da kam auch ein Bergfahrer! Mit dem konnten wir ja doch büschen mehr anfangen! Also wieder Richtung Soldier Summit gewendet und eine Zufahrt am Bahnhof Gilluly für ein erstes Foto genutzt. Während der Fahrt war uns natürlich der Abwärtsfahrer entgegen gekommen. Und in Gilluly wurde schon wieder ein Talfahrer signalisiert! Der passierte auch noch vollständig, bevor unser Bergfahrer dann heran kam.


Ein Aufwärtsfahrer im unteren Teil des Bf Gilluly.

Was war nur plötzlich los? Wo kamen die ganzen Züge her? Der Bergfahrer hatte nun die Rundkehren vor sich, wir konnten ihn also vorm Summit nochmal locker einholen. Wir stellten uns in die Einfahrt, wo schon etwas Herbstfärbung präsent war. Doch hier ging es schon wieder los: Während unser Zug so langsam mal um die Ecke kommen musste, näherte sich von hinten schon wieder ein Zug! Das hätte noch gefehlt: Ein Gegenzugschaden auf einer Strecke, auf der fast nichts fährt! Es ging allerdings auch diesmal gut; unser Bergfahrer kam gerade noch rechtzeitig, viel hätte nicht gefehlt!


Und nochmal bei den Einfahrt in den Bf Summit auf der Passhöhe des Soldier Summit.

Dem Talfahrer sind wir nun wieder voraus gefahren, da man von etwas oberhalb einen schönen Blick in die Rundkehre im Bf Gilluly hatte. Dort stellten wir fest, dass der Manifest auch eine richtig herum gedrehte Schlusslok hatte. Die bot die Möglichkeit, einen Nachschuss auf die beiden Tunnelportale beim Talkessel der Soldier Creek Mündung zu wagen.


Steil geht es bergab und dann in die untere Rundkehre. Wir blicken in einen Teil des dreigleisigen Bf Gilluly.

Ende des rekonstruierten Berichtsteils. (Erklärung folgt)

Weit kamen wir allerdings nicht aufwärts. Bald kündigten die Signale den nächsten Zug abwärts an, der sich nun gar als Manifest der BNSF entpuppte. Und er hatte sogar zwei Schlussloks, was dann ja sogar nach "bischen was" aussieht. Den nahmen wir uns nun auch nochmal an den Tunneln, wobei wir böse Sorge wegen eines Gegenzugschadens hatten, denn die Signale der Gegenrichtung zeigten auch schon wieder Fahrt für einen Bergfahrer!


BNSF zu Gast auf der UP Provo Subdivision mit den markanten Tunneln. Die Luft ist hier geschwängert vom Rauch der Waldbrände. Der Bereich links unterhalb der Tunnel, wo der Soldier Creek in den Spanish Fork River mündet, war in den 1980er Jahren für einige Zeit ein See, weil ein massiver Bergsturz das Tal verschüttet hatte. Später baute man für den Spanish Fork River einen Tunnel unter den Erdmassen hindurch, so dass der See wieder abfloss.

Der Aufwärtsfahrer kam nicht. Alles gut gegangen! Wir warteten noch paar Minuten. Da aber auch die theoretische Chance eingetreten sein konnte, dass er kurz war und wir ihn nicht gesehen haben, fuhren wir dann schleunigst wieder aufwärts, um ihn einzuholen. Und wir wollten ja eh in die Richtung. Unterwegs sahen wir allerdings nur noch dunkle Signale. Es war auch kein Zug vor uns. Statt dessen schien jetzt die Zeit der Hi-Railer angebrochen, die schon sehnsüchtig an mehreren Stellen auf ihren Einsatz gewartet hatten.

So querten wir den Pass einmal komplett und schauten uns etwas in Helper um. Bei der Utah Railway war das Gelände leider wieder verwaist. Bei der tollen Kulisse hätte da nur mal eine Lok vorm Schuppen stehen müssen, schon hätte man ein Motiv gehabt. In Helper stand noch einer der leeren Kohlezüge von vorhin, doch trauten wir uns nicht, vor ihm über die Gleise zu hopsen. Nach einer Stippvisite in Wildcat, wo auch alles tot war, besorgten wir uns Futter und stellten uns zum Essen oben im Bf Kyune mit Signalsicht auf.

Hier passierte auf der Schiene nichts, auf dem Tablet aber Tragisches: Irgendwie schaltete sich beim Reiseberichtschreiben das Tablet ganz kurzzeitig ab, und danach war die Datei des Reiseberichtes leer. Jetzt widmeten wir erstmal mehr Aufmerksamkeit dem EDV-Kram als den Signalen, wobei wir hinsichtlich Signale auch wirklich nichts verpassten... Die zerschossene Datei hatte zum Glück noch 67 KB, die realistische Größe für einen Reisebericht in diesem Stadium, und letztendlich beruhigte ich mich damit, dass man da gewiss noch was retten kann - auch wenn auf die schnelle heruntergeladene Text-Editoren da auch nichts auslesen konnten. Während ich sonst immer mal alle paar Tage ein Backup mache, hatte es mich jetzt eiskalt in einer Phase völliger Vernachlässigung getroffen; das letzte Backup war elf Tage her! Ich konnte nur hoffen, dass man was retten konnte - zur Not über einen Spezialisten gegen Bezahlung. Diese bisher wirklich eindrucksvolle Reise MUSSTE ihren Reisebericht haben...

Vier Stunden später. Wir sitzen immer noch hier. Allerdings diesmal mit zwei Unterbrechungen. Einmal hatten wir gedacht, wir schauen einfach mal bis zum nächsten Bahnhof Colton und zurück, wo aber weder Züge noch eingeschaltete Signale zu sehen waren. Das zweite Mal war unmittelbar danach, weil bei Rückkunft in Kyune plötzlich ein Westfahrer grün hatte. Und der kam auch schon! Wir hatten das passende Motiv in ausreichender Entfernung parat, und so gab es mal wieder ein Foto.


Scheint auch eher ein "Departmental" (sagt man das auch in den USA? Ich kenne den Begriff nur aus GB) zu sein, also ein Zug für Materialtransport der Bahn. Aber immerhin kam etwas. Unten wurde das Bild nachträglich etwas "entzäunt".

Mittlerweile ist es aber 16.30, die Schatten im Canyon werden länger, wir haben unser Steinezielwerfspiel in einen Colabecher der Größe X-Large beendet (10:6 für Steinle, kein Wunder bei dem Namen..., war aber hart umkämpft) und stehen immer noch hier. Was mögen die Fahrer der Baustoff-Trucks denken, die immer wieder an uns vorbeipendeln? Und Yannick ist völlig aus dem Häuschen, weil er einen magnetischen Stein gefunden hat. Hab ihm schon gesagt, dass er den nicht in den Flieger mitnehmen darf ;-b

So gegen 18 Uhr hatten wir keine Lust mehr. Die Schatten wurden nun richtig groß, wir hatten mehrere Runden Geografie-Quizz durch und das Abendlicht lud zu den schönsten Streiflicht-Aufnahmen ein. Wenn ein Zug gekommen wäre. Der Vollständigkeit halber fuhren wir nochmal zum Summit, doch mittlerweile waren die Rauchschwaden der Brände auch hier schon angekommen. Also runter nach Helper. Hier erwischten wir gerade so im allerletzten Sonnenstrahl wenigstens ein abgestelltes Helper-Set vor großartiger Felskulisse.


Helper in Helper - dieses Wortspiel musste jetzt sein. Aber diese Nachschubloks für den Soldier Pass, die hier wohl immer stationiert waren, haben dem Ort wirklich seinen Namen gegeben.

Einen fahrenden Zug bekamen wir auch noch zu sehen. Wir hatten die Unterkunft im benachbarten Price gebucht. Und als wir auf dem Highway in die Stadt einfuhren, bummelte gerade der letzte Kohleleerzug von heute Morgen durch den Ort. An dem ersten freien, aber auch vollkommen nach Verzweiflungsmotiv aussehenden BÜ außerhalb des Ortes kam der Zug haargenau in dem Moment, an dem die Sonne auch hier vollkommen hinterm Berg war. Na ja, das Motiv hätte uns jetzt auch nicht glücklich gemacht...

Wir fanden schnell unser Hotel Greenwell Inn. Das war auch nicht schlecht. Und zum Abendessen liefen wir paar Häuser weiter zum Restaurant "Main Street Grill", wo wir uns mal wieder mit Steak versuchten. Das war auch definitiv nicht schlecht, aber die qualitative Rangfolge der Steaks ist bislang ganz klar Wyoming - Montana - Utah, entspricht also der zeitlichen Reihenfolge. Und bei der Bestellung des Bieres mussten wir unsere Ausweise vorzeigen. Yeah, it's the law... In Utah muss man ja froh sein, wenn man überhaupt was Alkoholisches bekommt, denn die fleißigen Mormonenbienchen (siehe Wappen) mögen das ja nunmal nicht.

Samstag, 22.09.2018

Der Tag begann mit einer Ernüchterung. Ich hatte nochmal etwas nach dem Potash Local gegoogelt. Nur mit den gezielten Suchbegriffen "potash local" und vor allem "fridays" wurde uns ein Forenbeitrag in trainorders ausgeworfen, wonach der Zug seit Juni 2018 offenbar tatsächlich freitags fahren soll. Jahrelang fuhr er sonntags, wir hatten im Vorhinein recherchiert und nur Beiträge gefunden, die das bestätigten, und nun hatte man das also so kurz vor unserem Besuch geändert. Äääätzend... Wir würden uns für Sonntag etwas anderes überlegen müssen - im weiteren Streckenverlauf der Green River Subdivision und deren Fortsetzungen ostwärts durch Colorado gäbe es genügend Betätigungsmöglichkeiten, nur vielleicht nicht genügend Züge.

Den heutigen Tagesbeginn mag man auch sonst durchaus als etwas planlos bezeichnen. Zunächst besorgten wir uns etwas Frühstück bei Starbucks. Dann hatte ich auf paar schöne Felsformationen im Morgenlicht gehofft, aber irgendwie machte mich da nichts so recht an. Deshalb fuhren wir bald von Helper den Pricecanyon hoch. Weit kamen wir nicht, denn plötzlich und noch viel zu weit unten wurde uns ein entgegenkommender Abwärtsfahrer signalisiert. Für den fiel uns nichts besseres ein als die Einfahrt in den Bf Helper. Die Schlucht war nämlich noch komplett zugeschattet. Die Einfahrt Helper wäre ja mit der imposanten Felskulisse auch gar nicht so schlecht gewesen, wenn der Zug auf dem geraden Gleis eingefahren wäre. Aber er musste ja unbedingt auf das vorderste Gleis abbiegen, und damit wurde dieses Foto zur reinen Verzweiflungstat.

Zu allem Überfluss blieb der Manifest dann auch noch auf dem Bahnübergang stehen, der unserer Meinung nach die einzige Möglichkeit darstellte, wieder wegzukommen. Sehr sehr dumm gelaufen, zumal amerikanische Güterzüge ja gern mal für längere Zeit stehen... Da sich andere Autos in eine bestimmte Richtung wegbewegten, schauten wir aber doch mal rum, und siehe da - es gab eine Unterführung, die auf der Karte kaum erkennbar war.

Daraufhin fuhren wir komplett zum Soldier Summit hoch. Unterwegs gab es weder Zugbewegungen noch eingeschaltete Signale. Doch schon von weitem sah man, dass etwas im Bahnhof Summit drin stand. Letztendlich standen dort sogar zwei Züge, ein beladener Kohlezug in Richtung Provo und ein leerer in Richtung Helper. Wir hatten eh nichts besseres zu tun und harrten mal der Dinge, die da kommen mögen.

Zwei Stunden später. Bislang mochte weder der eine noch der andere Zug kommen. Nun röhrte es allerdings hinter uns und es kam ein leerer Kohlezug ostwärts gefahren, der das letzte verbleibende Hauptgleis des Bahnhofs nutzte und keine Anstalten machte anzuhalten. Prima, den konnten wir schon gebrauchen. Wir fuhren schnell voraus und nahmen ihn an drei Stellen.


Eine Ladung leerer Kohlewagen rollt entlang des noch jungen Price River in den Bf Kyune ein.


Derselbe Zug, derselbe Fluss im oberen Teil des Pricecanyons.


Und nochmal bei Castle Gate im unteren Teil des Pricecanyons mit seinen interessanten Felsformationen. Im Google Luftbild ist an dieser Stelle noch eine große Kohleverladung zu erkennen, doch die Fläche wurde sauber beräumt.

Danach ging es wieder hoch zum Summit. Die beiden Kohlezüge standen unverändert da. Wir zogen uns in der Tankbuzze auf dem Summit eklige Hotdogs (mit Zwiebeln aus der Tube!) und setzten uns wieder auf unseren Beobachtungsposten. Bald änderte sich tatsächlich was! Der Westfahrer, mit dem wir nun eher wenig anfangen konnten, schaltete sein Spitzenlicht an! Und noch eine halbe Stunde später setzte er sich sogar in Bewegung. Aber der Leerzug zeigte null Aktivität - abgesehen davon, dass die Motoren der Loks im Stillstand vor sich hin bröbbelten.


Aktivität gab es eher in den Wäldern: Die Waldbrände waren der Passhöhe schon ganz schön nahe gekommen.

Zum Zeitvertreib pendelten wir mal zu unserer Warteposition von gestern und zurück, doch nichts tat sich. Wir hatten einen Fixpunkt: Den westfahrenden Amtrak bei Green River. Zu dem wollten wir rechtzeitig vor Ort sein. Das hieß, dass wir um 15 Uhr am Soldier abbrechen durften, suuuper! Wir hatten nicht das Gefühl, hier noch was zu verpassen...

An der Abfahrt des aufstrebenden Wüstenstädtchens Floy verließen wir die Autobahn. Nee, im Ernst: Floy ist eine der vielen Interstate-Abfahrten im Nirgendwo. Hier ist absolut nichts, außer einem Ausweichbahnhof der UP, dessen Ausweichgleis aber mit E-Wagen vollgestellt war. Wir hatten uns eine Zuwegung durch diese einzigartige Mondlandschaft an die Bahn ran ausgeschaut und mussten von dort bis zu einem potentiellen Aussichtspunkt noch ein ganzes Stück auf dem bahnparallelen Bahnmeisterweg laufen.

Nachdem wir am Soldier Summit in einem kühlen Wind standen, empfing uns hier nun eine Gluthitze - selbst jetzt nach 17 Uhr noch. Willkommen in der Wüste! Herrlich war aber die absolute Stille, die hier herrschte. Auf dem Weg ins Motiv dann das Unfassbare: Yannick hatte sich zufällig umgedreht und schrie "Zuuug!" Meine Güte, ich hatte beim Amtrak durchaus -15 einkalkuliert, aber das wäre frühestens in zehn Minuten! Das darf doch nicht wahr sein! War es auch nicht. Es kam tatsächlich ein Güterzug, ein UP-Manifest. Mist, wir standen zu ungünstig für ein gescheites Foto. Wir liefen weiter. Kurz vor der frühestmöglichen errechneten Vorplanzeit des Amtrak-Zuges erreichten wir den Fotostandpunkt. Schnell noch einen Hang hochklettern, dann waren wir in Position. Diesmal war ich es, der eine Bewegung zwischen den Sanddünen wahr nahm. Immer noch sehr früh. Doch auch diesmal war es nicht der "California Zephyr", sondern der nächste Güterzug! Wirklich unfassbar! Aber toll :-)


Ein beladener Kohlezug auf der UP Green River Subdivision zwischen Brendel (Crescent Junction) und Green River. Wenn jemand eine Modellbahn durch ein faltig auf den Tisch geworfenes Tischtuch fahren lassen würde, würde jeder sagen: "Unrealistisch". Die Landschaft hier beweist das Gegenteil ;-)


Da darf dann auch der Nachschuss gezeigt werden...

So konnten wir uns für den Amtrak eine etwas seitlichere Position suchen. Mittlerweile war er mit +14 im Internet prognostiziert. Auch der Zug klappte wunschgemäß. Sehr erfreut über die Dreingabe zumindest des zweiten Güterzuges liefen wir durch die Bruthitze zum Auto zurück. Dabei gab es noch einige Landschaftsaufnahmen von den tollen Felsformationen hier.


Der Amtrak Zug 05 "California Zephyr" in der eindrucksvollen Landschaft bei Floy.


Und nochmal dichter.


Diesen seitlicheren Nachschuss hätten wir mal eben mit dem Kohlezug machen sollen. Der Amtrak strebt Green River entgegen.


Und nochmal der Blick in die Felsen.


Und nocheinmal.

Ideal für die kommende Nacht wäre eine Unterkunft in Green River gewesen. Doch auf booking.com wurden nur Preise ab 160€ für ein Zimmer ausgeworfen, selbst im Motel6! Was war da denn los? Für einen Hunni weniger bekamen wir das Etablissement derselben Kette in Grand Junction, mussten aber jetzt und morgen früh je 80 Min Fahrt in kauf nehmen. Die Fahrt durch die von der tiefen Sonne beschienenen Felsen war phantastisch. Und der Mond stand über allem. Was für eine grandiose Landschaft! Im Motel6 in Grand Junction wurde uns erzählt, dass man nun auch komplett ausgebucht sei. Dies Wochenende waren wohl alle unterwegs...

Zum Abendessen ging es dann noch zu Dennys - erstmalig in diesem Urlaub! Ich nahm nur einen Salat. Die Bedienung war etwas chaotisch, aber ansonsten war es mal wieder nett dort. Schade, dass die Dennys-Dichte im Norden nicht so groß war. Als wir anschließend noch an der Tanke paar Getränke kauften, fragte der Tankwart, wo wir her kämen, und kramte daraufhin sein ganzes Deutsch-Vokabular zusammen, um uns zu verabschieden. Es ist wirklich bemerkenswert, wie exotisch Deutsche in den USA abseits der großen Sehenswürdigkeiten sind, aber auch, wie sich alle freuen, mal Deutsche in ihrer abgelegenen Kleinstadt zu begrüßen!

Sonntag, 23.09.2018

Tja, ein Sonntag in Utah ohne den Potash Local! Aber nun waren wir halt hier. Wenigstens mussten wir heute nicht wie vor zwei Wochen vergeblich warten, sondern konnten den Tag gleich anders angehen. Wir hatten ja überlegt, direkt nach Colorado weiterzufahren und dort noch was zu machen, doch wettertechnisch wurde uns das nicht empfolen. Der Plan sah daher vor, den Amtrak nochmal an der Stelle von gestern Abend bei Green River bzw Floy abzugreifen und dann den Canyonlands Nationalpark zu besuchen. Da es morgens überraschenderweise zu 90% bewölkt war, ließen wir den ersten Programmpunkt gleich mal wieder fallen und fuhren statt dessen an der Ausfahrt Danish Fork von der Autobahn. Das ist auch wieder so eine Abfahrt im Nichts. Von hier ging es auf Nebenstraße runter nach Moab. Die Felsenszenerie, in die wir dort eintauchten, hatte auch schon allerhöchsten Sehenswert! Mittendrin lag sogar ein Weingut, doch wir haben ringsherum keine einzige Weinrebe gesehen...


In der Coloradoschlucht oberhalb von Moab, zwischen Dewey und Castle Valley.


Hinter der Felsmauer liegt die Ortschaft Castle Valley.


Durch einen wieder sehr engen Teil der Schlucht geht es entlang des Colorado weiter nach Moab.

Leider nun doch erst gegen 9 Uhr trafen wir im Canyonlands NP ein, wobei wir uns auf den Teil "Island in the sky" beschränkten. Unsere Überlegung war, dass wir vormittags eher die Blicke westwärts in Richtung Green River beackern sollten. So fuhren wir, unterbrochen natürlich durch zahlreiche Fotohalte, den Parkplatz Upheaval Dome an.

Von dort wanderten wir einen Pfad am Rande einer Art von Krater weiter, der spektakulärste Ausblicke auf eben diesen Krater ermöglichte, nur halt nicht so in den Green River Canyon. Dazu mussten wir noch ein ganzes Stück über den offiziellen Endpunkt des Weges am Overlook 2 weiter gehen und letztendlich einen der Felsen besteigen. Zum Glück sind die Felslehnen ja sehr stumpf und auch in der Schräge gut begehbar. Nach paar Fotos war erstmal Siesta angesagt.


Ausblick von der Zufahrtsstraße zum Parkplatz Upheaval Dome.


Der Krater "Upheaval Dome".


Blick zum Canyon des Green River.


Dito.


Felsen zwischen Upheaval Dome und Green River.

Herrlich war die Stille dort. Nur die Schritte eines tapsigen Wanderers, der ewig brauchte, um den richtigen Einstieg auf den Felsen zu finden, hallten dauernd durch die Stille. Wir hatten getrennte Felsen bestiegen, aber durch Zuruf einigten wir uns irgendwann auf den Rückweg. Zurück am Auto waren wir fix und fertig, durchgeschwitzt und durstig. Da wir noch nichts gegessen hatten, reifte der Plan, eben noch das restliche Straßenstück zu fahren, dann aber in Moab Essen zu gehen. Natürlich entstanden jetzt auch noch paar Bilder im zunehmenden Hochlicht von anderen Aussichtspunkten.


Da unten fließt der Green River. Ein Canyon im Canyon...

Dann ging es nach Moab runter. Natürlich wieder zu Wendys. Dort war eine Mega-Schlange und eine asiatische Reisegruppe vor uns, aber als wir unser Essen hatten, konnten wir dort gut und entspannt unsere Mahlzeit verzehren. Als wir aus dem Restaurant traten, liefen wir wieder mal gegen eine Wand aus Hitze. Es war nun gegen 14.30. Der weitere Plan war, erstmal eine Siesta in der Coloradoschlucht unweit des Potash-Werkes zu halten und dann zum Abendlicht vielleicht nochmal in den Nationalpark zu fahren. Ganz sicher war das nicht, denn von Nordwesten drückte definitiv schlechtes Wetter rein, und wir mussten schauen, wie schnell das vordrang.

Wenn man sich aus Moab kommend dem Colorado nähert, wandert wohl der Blick jedes ortskundigen Eisenbahnfreundes hoch zum Gleis der UP Cane Creek Subdivision bzw zur Uranverladung im Bf Emkay. Vorhin hatten wir dort auch schon hingeschaut und nichts Auffälliges gesehen. Jetzt war mir so, als ob ich dort Wagen sehen würde. Stehen konnten da ja eigentlich nur die Uranwagen. Deshalb meinte ich zu Yannick "Waren die Uranwagen vorhin auch schon dort?" Yannick schien erst gar nicht zu wissen, was ich meinte, und gab dann den einzig richtigen Hinweis: "Das sind keine Uranwagen". Waren es auch nicht. Da gab es nur eine logische Konsequenz, die uns nun beiden gleichzeitig aufging: "Das sind die Wagen vom Potash Local! Das IST der Potash Local, da hängen links Loks dran! Der bewegt sich ganz langsam!" Also nun doch sonntags? Bei der Fahrt über den Riesen-Umweg in die Schlucht war nun ganz gut, dass sich dort kein Sheriff postiert hatte... Das größte Problem waren aber die Wolken, doch die hatten ein Einsehen mit uns. Wir bekamen den Zug dreimal mit Sonne in der Schlucht!


Der Potash Local (oder halt irgendeine Potash-Wagen-Sonderzuführung) ist gerade aus dem Bootlegger Canyon in die Coloradoschlucht abgebogen.


Der Zug erregt nicht nur bei uns, sondern auch bei zahlreichen Ausflüglern Aufmerksamkeit.


Kurz vor dem Potash Werk.

Wir konnten unser Glück gar nicht fassen. Diesen Zug darf man offenbar nicht planen zu fotografieren, der Zug findet den Fotografen - wie es bei mir schon vor zwei Jahren war! Es ist schon krass: Das Zeitfenster, in dem wir den Zug da oben sehen konnten, mochte vielleicht fünf Minuten betragen, und in diesen fünf Minuten hatten wir gerade den Blick! Wenn bei Wendys keine asiatische Reisegruppe vor uns gewesen wäre und wir wie geplant bereits etwas früher in der Schlucht unsere Siesta begonnen hätten, hätte der Zug uns vollkommen überrascht und wir hätten das erste Hauptmotiv nicht bekommen!


Man kann dort auch durchaus Bilder ohne Zug machen...

Hinten am Werk, wo man ja auch eine großartige Felskulisse hat, war nämlich wegen der Wolken an Sonne nicht zu denken, weder auf der Reinfahrt ins Werk, noch als die Loks nach längerer Wartezeit wieder aus dem Werk raus kamen. Wir dachten, sie würden sich jetzt an den im Übergabegleis stehenden Wagenpark setzen und nutzten die Zeit, um zur einzigen reellen Nordfahrerstelle beim Verlassen der Coloradoschlucht zu fahren. Genau wussten wir nicht, wo man da stehen muss. Das fanden wir aber gut, und doch schneller als erwartet kamen - - - die drei Loks solo angefahren.


Früher als erwartet kehren die drei Loks zurück - leider ohne Zug.


Für mein Hauptmotiv waren mir die fehlenden Wagen egal: Hier wird gerade der Wanderweg zum Corona Arch gequert, bevor man in den Bootlegger Canyon einbiegt.

Ohne große Eile sind wir hinterher gefahren, um die Loks vielleicht beim Abzweig der Straße zum Canyonland NP nochmal zu bekommen. Aber die Loks müssen derartig Gas gegeben haben, dass sie dort wohl schon durch waren (konnte eigentlich gar nicht, vielleicht waren sie auch in Moab stehen geblieben - na ja, andererseits hatten wir auch eine Weile gebraucht, bis wir in der Schlucht wieder am Auto waren). Während wir da warteten, wurden wir unabhängig nacheinander von zwei Eisenbahnfreunden angesprochen, ob ein Zug käme. Der zweite entpuppte sich nach einigen Wortwechseln als Schweizer.

Mittlerweile war es 17.30 geworden. Im Norden hing die dicke Bewölkung, aber bis hier war sie immer noch nicht vorgedrungen. Durch die so unerwartete Eisenbahn-Einlage waren wir gut gelaunt auf den angedachten Abendbesuch im NP. Und so fanden wir uns nun an drei herrlichen Ausblicken ein, um das Licht-Schattenspiel im Colorado-Canyon kurz vor Sonnenuntergang zu beobachten und fotografisch umzusetzen. Wie vor zwei Jahren mit Christian im Monument Valley hatten wir wettertechnisch mal wieder Optimalbedingungen. Diesmal allerdings wegen der losen Wolken, die einen Wechsel aus Hell und Dunkel fabrizierten, wodurch sich die Felsen voreinander im tief stehenden Licht unheimlich plastisch abhoben.


Noch außerhalb des Nationalparks: Merrimac- und Monitor-Butte.


Der Shafter Canyon.


Blick durchs Tele über den Shafter Canyon bis hin zur Coloradoschlucht.


Weiter südlich ein Blick nach Westen.


Das Schluchtsystem des Colorado im Schattenspiel, ...


... Blick vom Buck Canyon Overlook.


Und nun noch der Blick im letzten Licht vom Grand View Point,...


...wo die "Isle in the Sky" praktisch endet, weil südlich davon der Green River in den Colorado mündet.

Nach diesem Tag wussten wir, was wir getan hatten. Wir waren, nicht zuletzt auch wegen der Hitze, fix und fertig. Zum Glück ohne übermäßigen Schleicher vor und ohne Drängler hinter uns gelangten wir die lange gewundene Straße aus dem Park hinaus bis an den Highway von Moab zur Autobahn. Dabei wunderten wir uns über die vielen uns entgegen kommenden Autos. Was wollen die jetzt noch im Nationalpark? Waren das alles Camper? Denn außer Campingplätzen gibt es da oben nichts...

Auch der Highway war gut zu fahren, und so landeten wir gegen 20.40 in Green River im Knights Inn. Für heute waren hier die Preise auf booking.com wieder normal, das Wochenende muss hier in der Gegend wohl wirklich Großkampftag sein. Vom Mittagessen und einem nachmittäglichen Eis waren wir noch so voll, dass wir problemlos ohne weiteres Abendessen ins Bett fallen konnten.

Montag, 24.09.2018

Eigentlich hatten wir heute schon eher was in Colorado machen wollen, vielleicht so in der Gegend von Kremmling. Allein die Wettervorhersage hatte uns davon abgehalten. Wir wollten heute erstmal aus dem Fenster schauen und bei Sonnenchance den Amtrak machen.

Während ich jetzt am Morgen noch ein wenig das WLAN des Hotels nutze, flattert eine Nachricht von dem Kollegen in Deutschland ein, den ich um Rat gebeten hatte wegen des verschwundenen Reiseberichtes. Er meinte, ich solle doch mal schauen, ob ich im Dateiexplorer nicht irgendeine vom System durchgeführte automatische Speicherung mit dem Dateinamen und irgendeiner Ergänzung finden würde. Manchmal braucht man solche Hinweise, um auf die naheliegensten Ideen zu kommen: Im Dateiexplorer einfach mal "Systemdateien einblenden" einzuschalten. Und siehe da, nun tauchte eine Datei mit einem komplizierten Namenszusatz auf, die immerhin eine Speicherung des Reiseberichtes zwei Tage vor dem Absturz enthielt! Wahnsinn! Mit nur zwei fehlenden Tagen sah die Welt schon ganz anders aus! Herzliches Dankeschön an dieser Stelle an Frank T. aus Groß G., der zuhause einige Zeit verbracht hat, die schadhafte Datei zu knacken.

Am Himmel hingen ganz schön fette Wolkenklopper. Aber es waren auch blaue Abschnitte zu sehen, vielleicht 50/50. Als wir das Haus verließen, hatte sich das Verhältnis ziemlich zu unserem Ungunsten verschoben. Aber es handelte sich um tief hängende Schauerwolken, da konnte es zwei Hügel weiter schon wieder ganz anders aussehen. Schauer in Utah? Tatsächlich, gibt es! War aber eher leichtes Tröpfeln. Um aus der Wüste den Garten Eden zu machen, reichte es definitiv nicht. Unser beabsichtigtes Motiv bei Floy lag noch mittenmang unter einem Wolkenklopper, da fuhren wir gleich durch. Die Ausfahrt 128 zwischen Elba und Cisco liegt ähnlich zentral im Nichts. Hier schien Sonne und hier wollten wir mal schauen. Viel Zeit blieb uns gar nicht zum schauen, denn plötzlich tauchte von Osten ein Kohlezug auf!


Nachschuss auf einen Kohlezug mitten im "Nichts" zwischen den Ausweichbahnhöfen Elba und Whitehouse, also zwischen Staatsgrenze und Green River.

Der bis dahin pünktliche Amtrak war es nun nicht mehr und tauchte mit +15 bei uns auf. Bei der Dichte an Kreuzungsstationen hätte man die Begegnung von Gz und Pz wohl auch hinbekommen können, ohne den Pz zu verspäten... Jedenfalls traf diese Verspätung präzise den Durchzug einer Miniwolke, es war unglaublich! In der gleißend hellen Wüstenlandschaft gibt es einen schwarzen Fleck, in dem sich der Zug befindet. Zeige ich jetzt nicht.

Aber wir wollten heute ja eh ostwärts, und da passte der Zug als Taxi ganz gut. In Grand Junction frühstückten wir erstmal in aller Ruhe in einer Mägges-Filiale mitten in einem Gewerbegebiet. Der Wahnsinn: Diese Mägges-Filiale hat eine eigene Community! Die treffen sich dort regelmäßig zum Essen, veranstalten Partys in der Filiale oder unternehmen Ausflüge. Offenbar war zumindest ein Teil der Leute eher älteren Semesters anwesend und frühstückte dort. Und wir hatten uns schon über den vollen Parkplatz gewundert... Auch hier hatte es die Bedienung absolut toll gefunden, Deutsche bedienen zu können und versucht, paar Worte in Deutsch einfließen zu lassen.

Hinter Palisade, das ja auch noch zum Städtekonglomerat von Grand Junction gehört, verschwinden Bahn und Interstate erstmal in einem Canyon, in dem die Fotomöglichkeiten mangels Anhaltemöglichkeiten eingeschränkt sind. Erst weiter draußen in De Beque konnten wir über eine längere Erdpiste an die Bahn ranfahren und fanden an einem BÜ sogar ein richtig tolles Motiv. Den Amtrak-Zug hatten wir eingeholt, den Wolken waren wir aber nicht so wirklich entflohen...


Amtrak Zug 06 rollt Colorado aufwärts auf De Beque zu.

Immerhin, das war unsere erste Zugverfolgung mit Mc Donalds-Besuch zwischendurch... In Glenwood Springs überholten wir den Zug abermals beim station stop. Dahinter gleiche Situation wie vorhin, aber noch etwas verschärft: Enger Canyon, keine Chance anzuhalten. Dahinter kommt Dotsero, wo die Bahn von der Autobahn abzweigt und nur noch von einer Nebenstraße begleitet wird. Dabei folgt die Bahn dem Colorado weiter aufwärts. Hier fanden wir direkt am Ausgang des engen Coloradotals in das hier wieder breitere Autobahntal eine ganz nette Zweirichtungsstelle. Wir mussten jetzt auch auf den Gegenzug aufpassen, die beiden Kalifornischen Zefiere kreuzen hier irgendwo. Die Kreuzung fand dann sogar direkt in Dotsero statt, und trotz üblen Wolkenkrimis erwischten wir nun beide Züge mit Sonne!


Zunächst kommt der westfahrende Amtrak Zug 05 aus dem engen Tal und wird gleich in Dotsero seinem Gegenzug begegnen,...


...der dann auch sogleich bei uns erscheint. Es ist wieder Zug 06, den wir heute ja schon paarmal gesehen haben.

Wir beschlossen, der Bahn weiter zu folgen. Dieses Streckenstück bis Bond und State Bridge kannte ich noch nicht. Wir haben uns auf der Fahrt keine Motive notiert. Der ganze Abschnitt ist ein einziges spektakuläres Motiv. Das Tal ist oft schluchtartig eingeschnitten, im Mittelteil zwischen roten Felswänden. Anfangs hatte man noch Asphaltstraße, später dann Erdpiste, die aber topp zu befahren war. Wir waren mit Verlassen des Autobahntales nun direkt in die fetten Regen- und auch Gewitterwolken hineingefahren. Je höher man gelangte, desto schöner wurde die Herbstfärbung.

In Bond stand ein ostfahrender UP-Güterzug mit laufenden Lokmotoren abgestellt. Wir hielten uns dort nicht groß auf. Ab State Bridge ging es die mir bereits bekannte Erdpiste, auf der sogar LKW-Verkehr herrschte, nach Kremmling hoch. An dem einen besonders schönen Ausblick in das Tal hielten wir eine Rast mit Schläfchen, teils in strömendem Regen. Dann ging es in den Endspurt nach Winter Park über Kremmling, Hot Sulphur Springs, Granby, Hot Sulphur Springs und Granby. Ja, wir waren von Granby tatsächlich nochmal nach HSSp zurück gefahren, weil uns in der Richtung im Rückspiegel blauer Himmer nervös gemacht hatte. Und im Bf von HSSp hatte ein Ostfahrer der BNSF gestanden, der ja vielleicht bald losfahren könnte. Nur er dachte nicht im Traum daran... In Kremmling stand der Sheriff an einer Straßeneinmündung mit eingeschaltetem Rotblaulicht, weil da jemand mitten auf der Straße ein Zelt aufgebaut hatte. Die Sache musste er erstmal klären...

Auf der Fahrt weiter von Granby durch die ganzen Urlaubsorte nach Winter Park kam plötzlich das gleißende Abendlicht unter den Wolken hervor. Was für eine Stimmung vor schwarzen Wolken und mit gelb leuchtenden Bäumen! Doch auf der Schiene tat sich nicht wirklich was. Wir fuhren nach Winter Park, dem Davos Colorados, wo wir zu einem für Davos erstaunlich günstigen Preis von immerhin nur 100$ ein Zweibettzimmer im Valley Hi Motel bekommen hatten. 17 Uhr, so früh waren wir bisher noch nie im Hotel.

Wir hielten uns angesichts des draußen herrschenden skandinavischen Lichtes keine Minute im Zimmer auf, sondern fuhren gleich wieder südwärts. Am Ortseingang von Tabernash hatten wir einen hübschen Ausblick auf die Bahn gesehen, an den wir uns nun einfach mal ohne große Hoffnung stellten. Bald hofften wir sogar auf das schnelle Nahen der nächsten Wolkenfront im Westen, denn man stand da völlig bescheuert an der Hauptstraße. Die Wolkenfront hatte bereits erste Tentakel der Verschattung vorbeigeschickt, die uns zusammenpacken ließen, als ich doch mal etwas lauter aufschreien musste "Zug kommt!", denn Yannick saß bereits im Auto, das Licht hatte nochmal zur vollen Intensität gefunden, und es tauchte tatsächlich ein Zug auf. Zwar auf dem ungünstigeren, entfernt laufenden hinteren Gleis, aber es war trotzdem toll! Und vor allem: Das vordere Gleis war schon im Schatten!


Unmittelbar, bevor die nächste Wolkenfront Besitz von der Sonne ergriff, passierte tatsächlich das Unglaubliche und ein Zug tauchte auf. Das vordere Gleis liegt bereits im Schatten!

Nun zog es erstmal wieder völlig zu. Wir fuhren in den Supermarkt in Granby, besorgten uns Bagels, Käse und Lachs für einen schönen Weinabend auf dem Hotelzimmer. Für den Wein selbst mussten wir rüber zum Liquor-Shop, wo es aber leckeren gekühlten Weiswein gab. Komisch, wir bekamen nichtmal ne braune Tüte um die Flaschen, was Yannick zum Anlass nahm, die Flaschen auf dem Parkplatz demonstrativ hochzuhalten. Hoffentlich hat das kein Jugendlicher gesehen...

Um 19 Uhr waren wir auf dem Zimmer, wo wir unseren (hoffentlich vorerst) letzten Abend auf dem amerikanischen Erdboden bei zwei Fläschchen Kalifornischen Chardonnays begangen. Die Zimmer waren riiiiesig! Und allein der Sanitärtrakt hatte drei Räume: Erst eine Garderobe, dann einen Raum mit Waschbecken und Sessel (!) und hinter einer weiteren Tür dann Klo und Badewanne. Überhaupt machte das Hotel insgesamt einen sehr gepflegten Eindruck! Nur das WLAN war immer mal wieder "on strike".

Dienstag, 25.09.2018

Das Frühstück war dann nicht ganz so aufwändig gestaltet. Ab 7 Uhr war im Erdgeschoss ein kleines Buffet aufgebaut, dessen Bestandteile man dann aber ins Zimmer mitnehmen sollte. Um 7.30 brachen wir bei leichten Minustemperaturen auf. Es ging nochmal bis Kremmling zurück. Wir hatten die Hoffnung, den super klaren Himmel vielleicht für einen Güterzug und dann als letzte Amtshandlung gegen 10.30 für den Amtrak nutzen zu können. Doch beim Aufenthalt auf der Straßenbrücke östlich von Kremmling verging die Zeit, ohne dass ein Güterzug aufgetaucht wäre. Und die Verspätung des Amtraks wuchs leider auch, so dass man mit dem vermutlich auch nichts mehr würde anfangen können.


Herbstfarben im Tal des gerade erst geschlüpften Colorado Rivers zwischen Granby und Hot Sulphur Springs.

Wir hätten den Amtrak gern im Byerscanyon aufgenommen, aber mit der Verspätung war uns das zu riskant. Wir fanden allerdings dichter an Granby eine schöne Stelle mit Herbstwald, an der wir den Zug erwarteten. Das klappte dann auch ziemlich gut. Die Herbstfärbung hier oben musste einfach mal wenigstens mit einem Zug umgesetzt werden.


Der Reisebericht beginnt mit Amtrak und endet mit Amtrak. Es ist mal wieder "Zephyr 05", der uns westlich von Granby auf 2383m Höhe begegnet.

Nun gab es nur noch einen kurzen Tankstopp in Granby, dann die Fahrt über den Berthoud Pass zur Autobahn und nach Denver. Das klappte alles derartig reibungslos, dass wir in Denver an einer der letzten Abfahrten vorm Flughafen noch ganz in Ruhe bei Panda Express essen und sogar noch eine von "zuhause" gewünschte itunes-Karte bei Walmart besorgen konnten.


Der Berthoud Pass hält noch immer meinen persönlichen Rekord des höchsten Punktes, den ich je auf dem Erdboden betreten habe. Wir befinden uns 3447m über dem Meer. Nach Denver ("Mile-High-City") ging es nun gut die Hälfte davon abwärts.

Zum Glück haben wir einer alten Angewohnheit zufolge vor der Mietwagen-Rückgabe alle Sachen, also Kabel, Musikstick, Tablet fürs Navi samt Halterung usw auseinandergebaut und verstaut. Denn bei der Mietwagenrückgabe wird es ja regelmäßig hektisch, weil sofort ein Angestellter auf einen zu stürzt. Ich sagte ihm, dass der Wagen nach Maintenance verlangt (Antwort: "Ja, hat mir mein Computer auch gerade gesagt") und dass manchmal die Luftdruckwarnung für die Reifen kommt (Antwort: "Immer morgens, wenn es kalt ist, nicht wahr?" - Er wusste echt schon alles...). Dann kam noch das ganze Geschwafel, wie toll ich den Service finden würde und ob ich Alamo weiter empfehlen würde usw, und dann schickte er uns auch ganz schnell in den bereitstehenden Shuttlebus. Ich konnte gerade noch mein Gepäck bergen.

Die Fahrerin war die erste unfreundliche Person, die uns auf unserer Tour begegnete. So ganz verstanden wir nicht, wie sie unsere Koffer untergebracht haben wollte, woraufhin sie meinen Koffer dann selbst von einem Platz zum anderen knallte. Bevor der Bus los fuhr, kam noch ein Managertyp rein, der vorn irgendwelche Worte an die Fahrgäste richtete, die wir ganz hinten sitzend aber nicht verstanden. Dass ich noch den Autoschlüssel in der Hosentasche hatte, merkte ich nun allerdings erst, als der Bus den halben Weg zum Terminalgebäude zurückgelegt hatte. Das gab mir nun die äußerst willkommene Gelegenheit zu einem weiteren Plausch mit unserer netten Fahrerin. Immerhin brauchte ich nicht wieder zum Car Rental Village mit zurück zu fahren. Sie nahm den Schlüssel und gab den "Fund" dann auch gleich über Funk bekannt. Natürlich versäumte sie nicht, mir zweimal vorzuhalten, warum ich mich nicht gemeldet hätte, als der Managertyp nach den Leuten mit dem Schlüssel aus einem RAV4 gefragt hatte. Die anderen Fahrgäste waren sichtlich erheitert und ich suchte vergeblich die Bodenklappe, durch die ich verschwinden konnte... :-)

Ansonsten lief aber alles sehr reibungslos. Die Schlange an der Gepäckabgabe hielt sich in Grenzen, und an der Sicherheitskontrolle gab es null Beanstandungen. Nun hatten wir noch viel Zeit, aber es gab ja genug zu schreiben. Yannick hatte im Dutyfree shop noch Proviant für den im November anstehenden DSO-Forenausflug organisiert. Er durfte die Flasche aber nicht selbst mitnehmen. Bezahlen durfte er, dann würde irgendjemand ihm die Flasche zum Terminal hinterhertragen. It's the law... Vielleicht hat sich Yannick aber auch nur bös veräppeln lassen und die Belegschaft liegt schon beduselt unterm Tisch... - Nein, im "Finger" zwischen Gate und Flugzeug stand tatsächlich jemand vom Laden mit paar Plastiktüten, und eine davon bekam Yannick ausgehändigt.

LH447 Denver 17.25+65 MDT - Frankfurt 11.00+35 MESZ

Diesmal hatten wir eine Boeing 747, deren Rumpf vermutlich eher nicht mit auf der Montana Rail Link Eisenbahn transportiert worden ist. Aber die hatte hinten im Bereich der Rumpf-Verjüngung einige Zweierreihen am Fenster, von denen wir eine reserviert hatten. So konnten wir aufstehen, wann wir wollten, ohne jemand Dritten belästigen zu müssen. Und der Flug war auch durchaus angenehm, auch wenn ich vielleicht nicht ganz so viel geschlafen habe. Einen Film schaute ich mir noch an, "The Founder", wobei ich die letzte halbe Stunde nur noch als Hörspiel bzw gar nicht mehr mitbekommen hatte. Das Verschlafene habe ich morgens nochmal nachgeholt; jetzt bin ich also über die Entstehung des Mc Donald's Imperiums bestens informiert; passte ja auch bischen zur Reise.

Ansonsten gab es abends ein ordentliches Abendessen mit Rindfleischstreifen, Gemüse und Kartoffenpüree und morgens ein Frühstück mit einem Brötchen und einem Spinatomelette. Nun ja... Betreut wurden wir von einem Familienunternehmen; schon lustig, wenn die eine Stewardess die andere mit "Mama" anredet. War aber ein nettes Team! Die Tochter erzählte auf meine Frage, wie die beiden denn bei den ständig neu ausgewürfelten Teams zusammenkommen, dass sich die Mitarbeiter immer mal spezielle Flüge wünschen dürften - da würden dann Mutter und Tochter versuchen, denselben zu bekommen. - Gemäß Ankündigung sind wir trotz der einstündigen Verspätung ab Denver pünktlich in Frankfurt gelandet. Das hätte sich der Pilot aber schenken können, denn nun mussten wir im Vorfeld noch 35 Min warten, weil ein A380 noch auf unserem Zielgleis stand, und bei dem musste ein Gepäckstück wieder ausgeladen werden.

Mittwoch, 26.09.2018

Somit wurde die Sache mit meinem Einstundenanschluss spannend. Gehetzt bin ich nicht, denn nach Hamburg wird ja mindestens stündlich geflogen. Und nach dem Abschied von Yannick musste ich dann auch noch alle Schikanen durchlaufen: Erst eine Fahrt mit dem Skytrain über zwei Stationen, dann viele gewundene Gänge. Statt der erwarteten Pass- und Zollkontrolle tauchte sogar erstmal eine Sicherheitskontrolle auf - ich liiiiebe das beim Umsteigen, hatte ich bisher in Frankfurt noch nicht, wird wohl nur mit Reisenden aus Schurkenstaaten gemacht ;-) Na ja, das ging zügig, ebenso das Handling an den nun erst auftauchenden Passbuden.

Doch dann ging es nochmal einen Terminalfinger ganz nach hinten durch. Erst nach fünf Minuten kam gaaanz hinten mein Gate in Sicht. Ich war mir sicher, dass ich dort nichts mehr werde. Und als ich ankam, war tatsächlich das Gate geschlossen und der Flug vom Bildschirm verschwunden. Eine Dame saß noch hinterm Counter und fragte "Nach Hamburg"? Auf meine Zustimmung machte sie ihr Pförtchen nochmal auf und ich durfte noch durch. Gab sogar einen A321 im Retro-Lack!

LH 014 Frankfurt 12.00 - Hamburg 13.05

Das hatte ja so richtig perfekt gepasst! Ich freute mich schon auf einen Nachhauseweg ohne Koffer, denn den erwartete ich nun definitiv in Frankfurt abgehängt zu haben. Das ging dann auch alles schön zügig, die Anzeige "letztes Gepäckstück auf dem Band" ließ nicht zu lange auf sich warten und ich bin gleich zum entsprechenden Schalter geeilt, wo ich die Anlieferung des Koffers nach hause klar gemacht habe. Dann genoss ich, dass ich in der schon ab Airport sehr vollen S-Bahn und später auf dem Fußweg vom Bahnhof auf meinen Wilstorfer Hügel kein Großgepäck mit mir herumschleppen musste.

Donnerstag, 27.09.2018

Langsam bräuchte ich mal meinen Rasierer.

Um 20 Uhr hatte mit meinem Koffer dann auch der letzte Teilnehmer der Reise sein Ziel erreicht... Hmmm, als ich mal in Zagreb meinen Koffer nicht bekam, ist er mir sofort nach Ankunft des nächsten Fluges im Hotel zugestellt worden, in Deutschland dauert sowas anderthalb Tage...

Fazit

Irgendwie griff mal wieder die Regel, dass ein topp beginnender Urlaub nur schlechter werden kann und umgekehrt. Hier umgekehrt. Die ersten Tage waren diesmal ziemlich schleppend, doch danach lief es außerordentlich gut. Auf der eingleisigen MRL-Strecke rollte es sogar trotz So und Mo recht gut. Dass am Soldier Summit nicht mit dem großen Zugverkehr zu rechnen war, war uns klar, doch die Momente des Riesenglücks mit dem Getreidezug auf dem Seedamm in Lakeside und mit dem rechtzeitigen Erkennen des Potash Local in Moab am Sonntag sind es, die im Gedächtnis bleiben! Und irgendwann werden wir auch in Montana mal ein stabiles Hoch erleben, so dass man sich auch mal um die nördlichere Hi-Line mit dem Marias Pass oder auch bahnabseits um den Yellowstone NP kümmern kann. Wir haben aber mit Lombardcanyon, Mullanpass und Flatheadriver-Tal einen schönen Grundstein legen können.

Aber auch das "Dortsein" hat uns mal wieder großen Spaß gemacht. Vieles ist dort drüben anders, und es macht Spaß, sich vorübergehend darauf einzustellen. Insbesondere das entspannte Autofahren ist herrlich. Es gibt dort kaum Raser, aber vor allem auch nur ganz wenige Schleicher. Was ist das schön, wenn alle genau die zugelassene Geschwindigkeit fahren. Und die beträgt in Montana auf Landstraße immerhin fast 120 km/h! Dass wir sogar Bären gesehen haben, empfinden wir als ganz großes Highlight, aber auch die stolzen Gabelantilopen sah man immer wieder gern am Wegesrand. Zu Übernachtung und Verpflegung fand ich sehr bemerkenswert, dass man bei Hotels eher selten und bei Restaurants auch längst nicht immer auf die großen Ketten zurückgegriffen hat. Vor zwei Jahren im Südwesten gab es fast nichts anderes, im Norden hingegen erschien uns die Dichte der Ketten ein ganzes Stück weitmaschiger. Steaktechnisch hatte nun ein ordinäres Hotelrestaurant in Wyoming die Führung übernommen - ausgerechnet ein Bundesstaat, in dem wir praktisch nur zum Übernachten waren. Gern hätten wir in Winter Park noch ein Coloradisches Steakhaus aufgesucht, aber zum Glück entdeckten wir rechtzeitig im Net die Preisvorstellungen... Somit bleibt Colorado ebenso wie Idaho außerhalb der Wertung.

So herrlich es war, mal wieder in diese andere Welt einzutauchen, sich nach und nach an die dortigen Gegebenheiten zu gewöhnen, so wunderbar der Urlaub insgesamt wirklich war, so sehr freue ich mich jetzt allerdings auch wieder auf die nächsten europäischen Touren. Wenn man in den USA war, weiß man es erst zu schätzen, wie frei wir uns in Europa bewegen können! Klar, über das Betreten einer Heuwiese ist auch ein europäischer Bauer not amused, aber dass wir überhaupt in der Regel die Feldwege bis zu seiner Wiese nutzen dürfen - dass wäre in den USA undenkbar - nichtmal zu Fuß! Da steht man dann vor dem Wirtschaftsweg, der vermutlich die schönsten Motive eröffnet, doch das bekannte Schildersammelsurium verleidet einem bereits an der Abzweigung von der Straße jegliche Lust hineinzulaufen. Gewandert wird in den Staaten offenbar nur in ausgewiesenen Ausflugsgegenden...

Hmmm, den Bericht mit einem negativen Aspekt zu beenden, wäre der tollen Reise nicht angemessen. Deshalb darf ich vielleicht noch ergänzen, dass ich in letzter Zeit nie so lange nichts von Donald Trump gehört oder gelesen habe, wie in diesen zweieinhalb Wochen. :-)

Und last but not least geht natürlich ein herzlicher Dank an Yannick, mit dem die Tour mal wieder großen Spaß gemacht hat.

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