Copyright by Jan-Geert Lukner
Dass wir uns in einer Gegend befanden, die das Frühaufstehertum fördert, merkten wir immer extremer. Bereits um 6 Uhr wird man von der Tageshelligkeit geweckt, doch um 16 Uhr ist es schon wieder finster. Dieser Teil des Landes ist eben nicht nur extrem nördlich, sondern auch extrem östlich. Norwegen weigert sich allerdings, das Land in mehrere Zeitzonen aufzuteilen. So liegt die Helligkeit hier oben also eher in der ersten Hälfte des Tages. Da Norwegen hier die in Finnland gültige Osteuropäische Zeitzone ausspart, stoßen an der russischen Grenze bei Kirkenes MEZ und MZ (Moskauer Zeitzone) direkt aneinander. Hier wird die Uhr also gleich um zwei Stunden verstellt.
Nach einem sehr entspannten Frühstück brachte uns Einar zur FFR-Station.
Dieser Früh-Bus ins 142 km entfernte "benachbarte" Kirkenes fährt nur an den Tagen, an denen nicht der Bus von Hammerfest nach Kirkenes fährt (Ausnahmen: Freitag - da fahren beide, Samstag - da fährt keiner). Da der Bus aus Hammerfest erst gegen Abend nach Kirkenes fährt, besteht also nur dienstags, donnerstags und freitags die Möglichkeit zu einer Tagestour von Tana bru nach Kirkenes. FFR gewährt übrigens auf allen Linien für Scanrail-Inhaber 50% Rabatt. So kostete die einfache Fahrt Tana bru - Kirkenes 99 NOK (13 Euro).
Karge Winterweiße am Varangerfjord und ein entgegenkommender Schneepflug. |
Der Bus war gut besetzt und hatte keinen Sprung in der Windschutzscheibe (!). Die Landschaft war wesentlich abwechslungsreicher als gestern. Es ging meistens am Südufer des Varangerfjordes entlang. Die karge Landschaft konnte in drei Helligkeitsstufen unterteilt werden: Der trüb-graue Himmel, das dunkle Blau des Wassers (kein Eis!) und als Kontrast dazu die helle weiße und hier schon sehr karge Schneelandschaft. Gelegentlich tauchten wir durch heftige Schneeschauer durch und an einer Stelle kam uns eine Schneeschleuder entgegen, die um uns erstmal eine weiße undurchsichtige Wolke fabrizierte, die unseren Busfahrer sogar animierte anzuhalten (sonst lassen sich skandinavische Busfahrer von Wintersituationen ja eher nicht zu Langsamkeit bewegen...)
Die letzten Kilometer vor Kirkenes führten uns entlang der momentan stillgelegten Varangerbahn, einer reinen Erz-Werkbahn, die von den Erzgruben Bjørnevatn 8 km weit zu den Varangerwerken in Kirkenes führt. Der Riesen-Komplex der Varangerwerke überragt die gesamte Stadt und symbolisiert damit die überragende Bedeutung, die das Werk für die Region hat - bzw das überragende Elend, in das die Region nach der Stillegung des Werkes stürzte. Momentan wird wohl verhandelt, wer das Werk mitsamt Gruben übernehmen könnte. Es besteht also noch Hoffnung.
Die Varangerwerke (l) verleihen der Stadtkulisse einen industriellen Charakter - ebenso wie der alte Hafenkran am örtlichen Einkaufszentrum (r).
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Kirkenes empfing uns mit eisigem Wind, so dass die "gefühlte Temperatur" die angezeigten 10 Grad noch deutlich überschritt (da es sich um Minusgrade handelt, wäre die Vokabel "unterschritt" sicher angebrachter). An einer Friedhofsmauer bildeten sich derartig hohe Schneewehen, dass man kaum noch die auf dem Gelände befindliche Kirche erreichen konnte. Immer wieder stob der beißende Wind ganze Wolken von Schnee auf, gegen die man sich als Fußgänger anstemmen musste.
Wir liefen zwei Stunden lang kreuz und quer durch die Stadt. Die Nähe zur russischen Grenze macht sich in Kirkenes besonders in Form von vielen zweisprachigen Schildern bemerkbar. Im Hafen lagen mehrere russische Pötte. Murmansk ist nicht mehr fern - was sind schon 150 km in diesen Breiten? Wir wären gern mit einem der Schülerbusse bis an die Grenze bei Jakobselv hinausgefahren, doch war uns der Übergang auf unseren Bus nach Tana bru auf dem Rückweg zu knapp. Den östlichsten Punkt unserer Fahrt sollten wir hier aber trotzdem noch nicht erreicht haben!
Gegen 13 Uhr setzten wir uns mit halb erfrorenen Gesichtern im örtlichen Einkaufszentrum in eine Cafeteria. Endlich gab es mal wieder das neben Pizza zweite norwegische Nationalgericht: Hamburger und Pommes. Sowohl der "Doppelte Baconburger" als auch die Pommes waren ausgezeichnet - und das so kurz vor der russischen Grenze! Auffällig war, dass in diesem Einkaufszentrum furchtbar viele Schüler rumhingen. Einige hatten wir schon am Vormittag hier sitzen sehen.
Was muss das für ein Leben sein - ein Leben, das von den bescheidenen Sortimenten der umliegenden Läden beeinflusst wird. Der örtliche Musikalien-Höker hat halt nur 10 qm Verkaufsfläche. Für eine besondere CD mal eben in die nächste größere Stadt fahren - Pustekuchen. Die Stadt Narvik, die einem als Bahnfahrer ja schon wie ein äußerster Vorposten in der nördlichen Wildnis vorkommt, liegt von Kirkenes aus nochmal über 1000 Straßenkilometer entfernt! Das sind 1000 km, die in mehreren Tagen mit dem Bus zurück gelegt werden müssen und an denen gerade mal sechs Ortschaften liegen, die mehr als 1000 Einwohner haben!
Der nächste Bahnhof mit Personenerkehr ist übrigens nur 50 km von Kirkenes entfernt! Gleich hinter der russischen Grenze liegt das Städtchen Nikkel, von dem aus laut Hafas täglich ein Bummelzug nach Murmansk aufbricht - dies allerdings mitten in der Nacht!
Der Fahrer war zwar derselbe wie auf dem Hinweg (wie Einar uns nach der Abholung mitteilte war der Busfahrer sogar sein Nachbar), doch der Bus war ein "Gebrauchtkauf" von Norges Busexpressen, deren weiße Lackierung er noch trug.
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Blaue Stunde während eines kurzen Raststopps auf der Rückfahrt. |
Zunächst hatten wir viel Zeit. Ruth war schon zur Arbeit, hatte aber zum Frühstück alles vorbereitet. Einar wachte dann darüber, dass wir auch nicht zu wenig nahmen. Sein immer wieder gehörtes "Bare spis!" - "Esst nur!" haben wir gern in Erinnerung behalten. Er erzählte uns von den Unmengen von Beeren, die die beiden rund um ihr Ferienhaus in Värmland Jahr für Jahr sammeln würden und von denen wir ja auch schon Kostproben hatten probieren dürfen.
Während des Frühstücks hörten wir im Radio, dass verschiedene Straßen an der Eismeerküste und auf Gebirgsabschnitten gar nicht oder nur in Kolonne befahrbar seien. In Tana bru schien jedoch friedlich die Sonne, so dass wir nach der Verabschiedung von Ruth noch das eine oder andere Bild vom Wahrzeichen von Tana bru machen konnten, nämlich von der Tana bru, die Brücke über den Tanaelven. Mit der Versprechung uns jaaa zu melden, wenn wir mal wieder in die Gegend kommen sollten, nahmen wir dann auch von Einar Abschied.
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Unser Bus nach Vadsø nimmt in Tana bru Anschluss von Kirkenes auf. |
Als der Busfahrer in Tana bru unsere Bestellung "Vardø mit Scanrail" entgegen nahm, schaute er uns ratlos an. Groß war die Freude, als wir beide im Chor "Taks 2" sagten - diesen einzugebenden Code für die Ermäßigung kannten wir von den FFR-Bussen allmählich. Unser Busfahrer von gestern schaute vor der Abfahrt auch noch kurz rein, rümpfte die Nase und stellte fachmännisch fest: "Ah, der Vadsø-Bus". Es war wirklich nicht zu überriechen, dass auf dieser Linie anscheinend regelmäßig Fisch transportiert wird...
Natürlich hätten wir auch in Kirkenes das Hurtigruten-Schiff besteigen können. Aber warum einfach, wenn's auch kompliziert geht? So hatten wir uns entschieden erst in Vardø an Bord zu gehen. Dazu mussten wir uns von Tana bru aus nordostwärts wenden. Die Straße führt zunächst am Nordufer des Varangerfjordes nach Vadsø. Entlang der Eismeerküste geht es von dort aus weiter bis Vardø.
Busverkehr ist mehr oder weniger zweimal täglich, wobei auch hier wieder jeder Wochentag seinen eigenen Fahrplan hat. Während die Busse nach Vadsø noch auf die Linie Hammerfest - Kirkenes abgestimmt sind, verkehren die Busse Vadsø - Vardø nur nach lokalen Belangen. Mit unseren anderthalb Stunden Übergangszeit in Vadsø lagen wir gar nicht schlecht. Dienstags und donnerstags hätten wir bereits um 7 Uhr in Tana los gemusst und hätten in Vadsø trotzdem denselben Bus nach Vardø erreicht...
Am Nordufer des Varangerfjordes entlang unterwegs auf die Varangerhalbinsel. |
Als wir in Vadsø gegen 13 Uhr aus dem Bus stiegen, machte sich die Sonne schon wieder klar zum Untergang. Das Licht war etwas gedämpft durch viele Schleierwolken am Himmel. Wir fanden eine Straße, von der aus man sehr schöne Ausblicke auf den mittäglichen Abendhimmel über dem Hafen hatte. Sonnenlicht-Reflektionen auf dem Wasser und die Rauchfahne einer Fabrik ließen dabei unzählige Foto-Varianten zu. So vergingen die anderthalb Stunden Aufenthalt wie im Fluge.
In Vadsø hatte man von einer höher gelegenen Wohnstraße prächtige Ausblicke auf den Hafen und vorgelagerte Inseln. Abendstimmung um 13.45 Uhr.
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Zunächst war der Bus noch gut besetzt. Doch bald konnte ich in die erste Reihe aufrücken. Zwar war die Sonne bald untergegangen, doch fand ich die nun folgenden 70 Kilometer so eindrucksvoll, dass noch paar Fotos gemacht werden mussten. 70 Kilometer ging es nun auf einer einspurigen Straße nordwärts, auf der uns vielleicht zwei Autos entgegen kamen. Weiße Schneeschwaden wurden vom Wind über das dunkle Band der Straße vor uns gepustet. Ansonsten war nur das Weiß der Ödnis rund um uns herum und das Schwarz des Meeres zu sehen. Das Wasser war so warm, dass sich auf der Oberfläche kleine Nebelwölkchen kräuselten.
Plötzlich fiel mir auf, was die Landschaft hier so "anders" machte: Es war weit und breit kein Baum mehr zu sehen! Wir hatten die Baumgrenze überschritten - und das auf Meereshöhe! Drei kleine Dörfer wurden berührt: Kallelv, Indre Kiberg und Kiberg, deren bunte Holzhäuser sich an kahlen, schneeweißenen Hängen oberhalb malerischer Buchten in die Höhe zogen. In Kallelv war mal wieder "Kreuzung". Der Gegenbus kam und es fand der obligatorische Fahrer-Wechsel statt. Der neue Fahrer meinte beim Einsteigen erstaunt zu den Fahrgästen: "Så mange er dere!" - "So viele seid Ihr noch?!"
Schmale Straße durch weiße Weite: Nur selten kommt ein Fahrzeug auf der dunklen Fahrbahn entgegen, über die der eisige Wind den Schnee in Streifen hinüberweht (l).
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Immerhin waren noch zehn Fahrgäste an Bord, die mit uns auf der einspurigen Stichstraße zum Ostende Norwegens unterwegs waren, auf einer Stichstraße, die so schmal war, dass man jederzeit deren Ende an einem Weidegatter erwartet hätte, wenn da nicht unermüdlich in regelmäßigen Abständen der Hinweis gekommen wäre "Vardø soundsoviele Kilometer". Hinter Kiberg verließ unser Sträßchen die Küstenlinie und schnitt eine Halbinsel über eine Hochfläche ab. Wir hatten Glück: Offene Schlagbäume signalisierten: Weg ist passierbar.
Kilometerlang fuhren wir in der zunehmenden Dunkelheit nun durchs Nichts. Es kam kein Auto entgegen. Waren wir überhaupt noch auf dem richtigen Weg? Doch, da stand's wieder: Vardø 15 km. Was muss das für ein Kaff sein, dieses Vardø? Wer sollte hier schon noch wohnen? Der Bus fuhr und fuhr. Draußen nur noch weiße Düsternis, im Westen noch ein heller rötlicher Schein. Die Straße war hier oben nicht mehr dunkel, sondern nicht minder weiß als der Schnee. Einziger Anhaltspunkt waren die Stöcke links und rechts der Fahrbahn, die dem Fahrer signalisierten: Du bist noch auf dem Weg, Du bist noch in der Zivilisation, auch wenn es ringsum nicht danach aussieht!
Wieder mal ging es eine Höhe hinan. Das lange Band der Markierungspfähle vor sich erwartend musste man dreimal hinschauen, denn das, was man hier in der letzten Rest-Helligkeit des Tages vor sich sah, kam etwas unerwartet: Das Meer lag vor uns! Die Straße führte vor uns von der Höhe hinab auf die Küste zu. Dort wurde das Weiß der Landschaft mit dem Schwarz des Meeres ausgetauscht, das auch hier nicht ansatzweise gefroren war. Das Meer bildete allerdings nur einen mehrere hundert Meter breiten Streifen, dahinter ragte eine langgestreckte Insel aus dem Meer. Und das unwirkliche an der Szenerie: Auf dieser Insel lag eine richtige Stadt, deren Lichter warm zu uns herübergrüßten: Vardø!
Zur Stadtkulisse gehörten auch die Kuppeln zweier Observatorien, die den Eindruck nur verstärkten, hier in einer anderen, unwirklichen Sphäre gelandet zu sein. Eine Mondstadt am Ende der Welt, 80 Kilometer hinter dem letzten Baum! Standesgemäß betraten wir die Mondstadt nicht auf gewöhnlichem Wege. Am Festland ging es in ein gelb erleuchtetes Loch hinein. 86m ging es nun in die Tiefe und dann steil wieder hoch. Der Tunnel spuckte uns geradewegs auf dem Rathausplatz von Vardø aus, wo uns der Bus vor der Kulisse des letzten Abendrotes in einen beißend kalten Wind entließ.
Am östlichsten Punkt unserer Fahrt und im östlichsten Ort Norwegens angekommen: Vardø! |
Vardø ist die östlichste Stadt Norwegens und damit der östlichste Punkt der "westlichen" Welt (sagt man das heute überhaupt noch so?). Vardø liegt weit östlicher als Warschau, liegt eher auf einer Linie mit Kiew und Kairo. Kein Wunder, dass hier die MEZ dazu führt, dass es morgens um 6 hell ist und um 14.30 Uhr die Sonne wieder untergeht...
Schnell nun wurden mit dem letzten Abendrot paar Aufnahmen gemacht, dann flüchteten wir vor dem beißenden Wind in einen Supermarkt, in dem wir uns für die bevorstehende Schiffstour ordentlich mit Lebensmitteln eindeckten. Es ist unglaublich: Dieser Supermarkt jenseits von gut und böse hatte genau dasselbe Warenprogramm zu bieten, wie jeder andere Supermarkt in Norwegen auch! Was für ein Aufwand, was für eine Logistik muss dahinter stecken, um die Waren hier frisch an die Verbraucher abgeben zu können.
Als sich Hände und Gesicht von dem Kälteschock einigermaßen erholt hatten, begaben wir uns zum Anleger der Hurtigrute, wo man im Windschatten sogar problemlos draußen warten konnte. Mit zwanzigminütiger Verspätung tauchten dann die hohen Aufbauten der "Kong Harald" hinter den umliegenden Felsen auf und glitten langsam auf uns zu.
Die Hurtigrute befährt auch im Winter tagtäglich die gesamte Route von Bergen bis Kirkenes und zurück. Aufgrund von vorrangig in den Wintermonaten geplanten Werftliegezeiten kann es allerdings gerade in dieser Jahreszeit zu Ausfällen einzelner Umläufe kommen, die aber im Vorhinein geplant und bekannt gegeben werden. Anstelle des Schiffsnamen steht dann "innstillt" im Fahrplan. Auch vor uns fuhr die MS "Innstillt" her. Wahrscheinlich diesem Umstand hatten wir es zu verdanken, dass wir von Hafen zu Hafen Fahrzeit zusetzten, weil die Gabelstapler praktisch doppeltes Frachtaufkommen zu verladen hatten und mit der Liegezeit nicht auskamen.
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Das Schiff, das uns die nächsten Tage beherbergen würde: Die "Kong Harald". Sie gehört zur neuesten Generation von Hurtigruten-Schiffen und verfügt innen über Hotel-Komfort. Dieses Bild entstand später auf der Fahrt in Sortland. Bis dahin sollte es noch einige interessante Eindrücke für uns geben. |
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Dies wurde unser Lieblingsplatz: Die vordere Sitzreihe des Panoramasalongs. |
Trotz teilweise sehr starkem Seegang konnte ich ausgezeichnet schlafen. Zu gut, um im nördlichsten Hafen Mehamn um 2 Uhr mal einen Fuß an Land zu setzen oder um irgendwas von der Umrundung des Nordkinns, Europas nördlichstem Punkt, mitzubekommen. In Honningsvåg bin ich mal kurz an Land gegangen, allein um mal auf der Nordkapp-Insel gewesen zu sein.
Die Nordkapp-Insel, Blick in Richtung Norden. Im Sommer Anziehungspunkt für zahllose Menschenkarawanen aus Mitteleuropa, die alle mal auf einer Insel in der Nähe des nördlichsten Punktes Europas gewesen sein wollen...
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Hinter Honningsvåg, wo wir mit rund 75minütiger Verspätung um ca 8.15 ablegten, setzte ein tolles Schauspiel ein: Zu dicken dunklen Wolken nördlich von uns und den weißen Schneebergen um uns herum setzte jetzt das goldene Licht der Morgensonne ein. Die um uns liegenden Schneeberge wurden zu Goldbergen (nein, nicht Goldbären...), die wiederum in krassem Kontrast zu den finsteren Wolken im Norden standen. An Frühstück war nicht zu denken - bis wieder Wolken vor die Sonne glitten, standen wir draußen und ließen die Verschlüsse klappern.
Wie Eisberge erscheinen die von frischem Schnee eingehüllten Berge rund um unsere Fahrtroute zwischen Honningsvåg und Havøysund.
Die Bilder können durch Anklicken vergrößert werden.
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Irgendwann nach einer Stunde hatte die Natur aber ein Einsehen mit uns und schickte dickere Wolken vor die Sonne, so dass wir ohne Angst etwas zu verpassen in Ruhe frühstücken konnten. Na ja - erst jedenfalls. Als wir uns Havøysund näherten, war die Sonne schon wieder da, wenn auch nicht mehr ganz so golden. Und noch etwas gab es in Havøysund zu sehen: Das Gegenschiff, die "Narvik", lag dort am Kai - wie gemacht, um fotografiert zu werden. Die Narvik ist zwar nur eines der mittelgroßen Schiffe, doch nahm man die paar winzigen Häuschen des Ortes neben dem großen Schiff kaum wahr...
In Havøysund mussten wir warten, bis die entgegenkommende Narvik den Kai geräumt hatte. |
Die Bewölkung nahm nun erstmal wieder zu, doch meldete sich die Sonne mittags zurück - rechtzeitig für den Landgang in Hammerfest. Hammerfest nennt sich die "nördlichste Stadt Norwegens". Es war schon beeindruckend, wie sich die bunten Holzhäuschen der Stadt die kahlen schneebedeckten Hänge oberhalb der Bucht in die Höhe zogen. Auch hier gab es so gut wie keine Vegetation. Beim Landgang entdeckte ich einen Fotoladen, der sogar meinen Fuji-Velvia im Angebot hatte. Interessanterweise wurden unterschiedliche Preise verlangt: Die letzte Emulsion gab es für ca 13 Euro, die aktuelle hingegen für satte 20 Euro! Zum Vergleich: In Deutschland zahlt man ca 7 Euro...
Hammerfest - Farbenfrohe Holzhäuser, aber kaum Vegetation. |
Unsere Kong Harald fuhr nun mehrmals in richtige Schneewolken hinein. Unser Stammplatz war weiterhin der Panoramasalong, wo wir eine Weile dösen konnten. Schön war, dass kein Streit um die vordersten Plätze entstehen konnte, weil mehr vordere Plätze da waren, als Touristen an Bord (den einheimischen Fahrgästen ging der Panoramasalong natürlich am A... vorbei). In Øksfjord machten wir zur "blauen Stunde" von Deck aus einige Stativ-Aufnahmen. Das Schiff lag ganz ruhig und die gelben Lichter des Ortes hoben sich wohltuend vor den kalten weißen Bergen ab.
Hinter Øksfjord erlebten wir ein Wechselbad der Gefühle. In der Dunkelheit tauchte eine undurchsichtige graue Front vor uns auf, in die wir eintauchten. Bald prasselten fette Schneeflocken waagerecht auf unsere Frontscheibe. Das Aufklatschen der Flocken konnte ich sogar durch meine Kopfhörer hören. Doch plötzlich war das Spektakel vorüber und der Mond leuchtete hell und unschuldig vom sternenklaren Himmel. Ein kleines Nordlicht war auch da.
An diesem Abend war ich furchtbar müde, so dass ich bereits um 21 Uhr in der Koje lag und sofort einschlief. Wach wurde ich erst wieder um 22.30, als Peter seine dicken Sachen anzog, um ein eindrucksvolles Nordlicht zu beobachten, das draußen am Himmel stehen würde. Da schloss ich mich natürlich an. Das Nordlicht gab es dann allerdings mit holländischen Untertiteln. Die beiden Nedderlandser waren nämlich auch draußen und waren so gar nicht in der Lage, das Schauspiel still zu genießen...
Der nächtliche Anblick von Tromsø mit seiner Eismeerkathedrale wurde mir später wiederholt als wunderschön beschrieben. Nun, ich habe ihn geflissentlich ignoriert, obwohl ich irgendwann mitten in der Nacht mitbekam, wie Peter gebannt aus dem Fenster schaute.
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In Hammerfest stieg auch der Weihnachtsmann zu. Es gibt nichts, was die Hurtigrute nicht mitnehmen würde - Hauptsache, dass es auf einer Palette steht. |
Dann kam uns der Geistesblitz: Warum nicht einfach in Svolvær nach paar Stunden auf das Gegenschiff umsteigen und mit diesem im Nachtsprung nach Harstad zurück fahren? Von dort fuhr samstags immerhin ein Bus nach Narvik mit Anschluss an die Erzbahn nach Abisko. Diese Variante brachte zudem noch einen äußerst interessanten Nebenaspekt mit sich: Wir würden mit der alten "Nordstjernen" fahren! So würde ich endlich mal das klassische "Hurtigruten"-Feeling mitbekommen (Peter ist da schon Hurtigruten-erfahrener...).
Mit bangem Gefühl, ob auf dem nachgefragten Schiff noch Platz wäre, fragten wir an Bord unseres Schiffes am Empfang nach. Ein Telefonat später hatten wir eine Reservierungsnummer für eine Zweibettkabine auf dem Gegenschiff in der Hand! Zwar meinte unsere Rezeptionistin irgendwas davon, dass nur noch die "Sykekabine" frei wäre, doch wussten wir nicht recht, ob sie damit das Krankenzimmer oder vielleicht eine aufgrund ihrer Lage besonders krank machende Kabine meinte...
Aber dass die alten Schiffe keine Luxuskreuzer sind, war uns ja bekannt und mit knapp 40 Euro pro Person für Strecke und Pritsche kamen wir wahrscheinlich günstiger weg, als bei einer Hotel-Übernachtung.
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Risøyhamn: Mit entsprechender Kleidung und im Windschatten lohnte sogar ein Besuch des Sonnendecks. |
Nördlich von Sortland ist schon wieder deutlich mehr Vegetation an den Ufern zu erkennen. |
Dieser Schnee, der offensichtlich noch ganz frisch war, bedeckte auch heute noch die umliegenden Höhen bis hinab zur Wasserkante. Allerdings zog sich hier doch schon wieder ein deutlicher Vegetationsgürtel bis auf etwa 50m Höhe über dem Meer an den Bergen hin. Das eindrucksvolle Schauspiel der völligen Kargheit, das wir gestern erlebt hatten, gab es hier nicht mehr. Gegen Abend trübte sich das Licht dann wieder ein. Allerdings waren sie auch so beeindruckend genug: Die Felsentürme der Lofoten, die nun vor uns aufragten!
Die Lofoten kommen in Sicht! |
Der Aufenthalt zum Besuch des Hurtigruten-Museum in Stokmarknes entfiel, wodurch wir unsere Verspätung auf +45 reduzieren konnten. So war dann auch noch dicke genug Helligkeit da, um genügend von der Durchfahrt durch den Raftsund mitzubekommen. Dieser enge Sund bildet die Grenze zwischen Lofoten und Vesterålen. Allerdings war der Sund längst nicht so imposant wie erwartet. Er war zwar schmal, aber von senkrechten Felswänden konnte nicht die Rede sein. Die größte Enttäuschung war aber, dass wir - um Verspätung abzubauen - nicht in den Trollfjord gefahren sind.
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Die Einfahrt in den Raftsund, die enge Durchfahrt zwischen den Lofoten und den Vesterålen. |
Svolvær: Hinter den Lichtern des Hafens wird ein steiler Berg ausschließlich vom Mondschein beleuchtet. |
Beim Betreten des Schiffes wusste ich schlagartig, weshalb Traditionalisten (und nicht nur die) die alten Postschiffe als die einzig wahren Schiffe der Hurtigrute ansehen. Uns empfing ein Durchgang, der zierlos und zweckmäßig mit Rohrleitungen an der Decke ins Innere führte. Doch von hier zweigten schmucke Edelholz-Türen ab, von der eine zur ebenfalls ganz in dunklen Hölzern gehaltenen Rezeption führte. Ein prächtiger Anblick, denn die schmucke Einrichtung war eben die eines Schiffes und nicht die eines Hotels!
Ebensolchen Charme bot die gesamte übrige Inneneinrichtung, so z.B. in den großzügigen Speiseräumen. Ich habe innen viele Stativ-Fotos gemacht, wobei ich die Belichtung oft nur raten konnte. Unsere Innenkabine war nicht größer als ein Schlafwagen-Abteil, aber wir verbrachten den restlichen Abend sowieso draußen.
Edle Inneneinrichtung eines Schiffes: Kontor und Speisesaal der Nordstjernen. |
Und dann kam nach den Kontrasten um Vardø zum zweiten Mal ein Teilstück der Tour, das einen besonders tiefen Eindruck auf mich gemacht hat. Im Windschatten der Brücke konnten wir in erhöhter Position stehen und durchs Fenster über die Schulter des Steuermanns auf die moderne elektronische Seekarte schauen, die sich Stück für Stück mit dem Schiff bewegte und auf der die Farben der Leuchtfeuer immer genau in dem Moment wechselte, wo auch in der Realität das Licht seine Farbe wechselte, weil man in den nächsten "Sektor" gelangt war.
Doch das Überwältigende war einfach der Blick in die Landschaft! Von wegen "dunkle arktische Nacht"! Der Mond beleuchtete wieder mal intensiv die hell reflektierenden schneebedeckten Berge links und rechts des Raftsundes. Am Ufer tauchten immer wieder Leuchtfeuer und kleine Ansiedlungen mit weißen Dächern auf. Und dann war da natürlich noch die "Aurora borealis", das Nordlicht, dessen Schleier immer wieder über den Himmel waberten. Wir konnten uns von diesem Anblick nur äußerst mühsam losreißen!
Als Schlummertrunk genossen wir in der Cafeteria einen Nach-Mitternächtlichen Kakao, bevor wir trotz lauten Rumpelns der Schiffsschraube schnell in unseren Kojen eingeschlafen sind. Da das Schiff erst um 8 Uhr Harstad verlassen sollte, mussten wir nicht schon zur Ankunft auschecken. Wir wussten eh nicht genau, wie wir die langen Stunden bis zur Busabfahrt rumkriegen sollten...