Aktuelle Beobachtungen aus Griechenland

Stand März 2004
Copyright by Jan-Geert Lukner

Eine zehntägige Reise führte uns vom 6. bis 16. März 2004 in den Großraum Athen. An dieser Stelle möchte ich von den Dingen berichten, die vielleicht für andere Eisenbahnfreunde von Interesse sein könnten, die demnächst selbst eine Griechenland-Tour planen.

Infrastruktur in Athen

Die Magistrale von Thessaloniki soll unter Fahrdraht durch das Athener Stadtgebiet bis Piräus geführt werden. Desgleichen eine S-Bahn-Strecke, die vom Flughafen kommend ab dem großen "Nordkreuz Acharne" parallel zur Magistrale ebenfalls durch die gesamte Stadt nach Piräus geführt werden soll. Um Platz zu gewinnen, wird die Schmalspurstrecke innerhalb Athens stillgelegt. Sie wird hier ohnehin überflüssig, wenn die Normalspurstrecke nach Korinth fertig gestellt ist. Dieser Umbau war wohl irgendwann mal im Hinblick auf die olympischen Spiele geplant gewesen.

Phönix aus der Asche: Ein Desiro taucht im Moloch von Piräus aus dem Müll auf. Dieses Streckenstück soll wohl stillgelegt werden. Die Normalspur führt dann in den heutigen Schmalspurbf von Piräus.

Und nun zur Realität im Monat 5 vor der großen Olympiade: Die Elektrifizierung macht einen sauberen Schnitt im Bahnhof Inoi, ca 30 km nördlich von Athen gelegen. Weiter südlich, also auch im gesamten Athener Stadtgebiet, findet man eher Telegraphenmasten, als irgendeine Spur von Fahrleitungsmasten. Die charakteristischen Stadtdurchfahrten durch Athen und Piräus auf Straßenniveau mit ihren unzähligen Schrankenposten sind noch genau so da, wie vor zwei oder auch vor zwanzig Jahren. Ein Schmalspur- und ein Normalspurgleis (nördl des Athener Larissa-Bf zwei Normalspurgleise) führen einträchtig nebeneinander her durch den Moloch.

Nur einige wenige Baumaßnahmen sind zu erkennen: Die Güterschuppen und das Zollgebäude im Larissa-Bf (der Normalspur-"Hbf" von Athen mit drei Bahnsteiggleisen) sind abgerissen worden - erste Anzeichen für den Bau eines neuen großen Hauptbahnhofes. Zwischen den Güterbahnhöfen Rouf und Ag Ioannis Rentis wurden bisher die "Ausläufer" der Stadtautobahn mittels Posten-gesichertem BÜ gequert. Hier ist inzwischen eine neue Eisenbahnbrücke mit langen Rampen auf beiden Seiten in Betrieb genommen worden. Unter der Brücke wird die Autobahn gigantisch ausgebaut. Nördlich dieser Überführung sind entlang der Strecke riesige Schwellenstapel aufgestellt, die auf Größeres schließen lassen.

In Piräus ist auch noch alles beim alten. Die Normalspur führt mitten durch die Stadt in ihren eigenen Endbahnhof. Von dem Gleis dorthin sind gerade noch die Schienenköpfe zu erkennen, alles andere ist schon im Erdboden verschwunden. Die Schwellen müssten regelrecht ausgegraben werden. Dieses Streckenstück soll wohl stillgelegt werden - die Normalspur soll dann in den jetzigen Schmalspurbahnhof von Piräus eingefädelt werden.

Die Infrastruktur Flughafen - "Nordkreuz" Acharne - Korinthos

"Kakia Skala" - die "steilen Stufen" zwischen Megara und Kineta oder gröber zwischen Athen und Korinthos. Die imposante Steilwand am Saronischen Golf wird zunehmend durchlöchert. Oben sind Autobahn-Tunnel und unten die Normalspurtrasse mit Tunneleingang zu erkennen. Ein Schmalspurzug ist gerade auf der 1000mm-Strecke zu sehen, die sich tunnellos (!) um die Sporne herumschlängelt.

Diese Strecke verläuft in weiten Teilen in der Mitte des Attiki Odos, der neuen Autobahn vom Flughafen nach Elefsina (quasi Nord- und Ostumfahrung von Athen). Am Anreisetag waren keine großen Veränderungen ggü dem Stand von vor zwei Jahren zu beobachten. Die Strecke an sich, also Planum, Tunnel, Brücken, war fertig, aber Gleise waren nur in unmittelbarer Nähe des Flughafens verlegt. Am Abreisetag war man schon ein gutes Stück weiter: Gleise und Fahrleitung lagen / standen schon auf weiten Strecken zwischen dem Flughafen und dem Nordkreuz.

Diese Aktivitäten erstreckten sich auch schon auf den Abschnitt in Richtung Korinthos. Nördlich des Flugplatzes von Elefsina wurden am Abreisetag auch schon Gleise verlegt. An den zahlreichen Tunneln, die die eindrucksvolle Steilküstenlandschaft "Kakia Skala" zwischen Megara und Kineta durchlöchern, wurde noch Hand angelegt, wobei das Planum auch schon in die Tunnel hinein führte. Einziger noch nicht fertig gestellter Kunstbau ist die Brücke über den Kanal von Korinth, die ein Stück südlich der heutigen Brücke in unmittelbarer Nähe der Autobahn-Brücke liegen wird. Am Rohbau der Bahnhöfe entlang der Strecke wurde kräftig gearbeitet.

Die Schmalspur-Strecke Athen - Korinthos verläuft weitestgehend unberührt von den Bauarbeiten auf ihrer alten Trasse. Lediglich im westlichen Bereich der Kakia Skala bis östlich Kineta hat man die alte Strecke außer Betrieb genommen und das Schmalspurgleis kurzerhand auf das Planum der Neubaustrecke verlegt.

Das besagte "Nordkreuz" Acharne, die künftige Umsteigestation zwischen Nordsüd- und Flughafen-Korinthos-Linie, konnten wir nicht genau lokalisieren. Zu sehen waren nur die dorthin führenden Rampen, die von der Autobahn wegzweigten. Hier waren weder Schotter, noch Gleise verlegt. Ebenfalls im Bau ist eine neue Güterstrecke, die aus Richtung Athen in einem weiten Bogen durch zahlreiche Tunnel östlich an Aspopirgos vorbei an die Küste westlich von Piräus führen wird, wo neue Hafenanlagen gebaut werden.

Sicherungstechnik

Als erstes fallen die deutschen Formsignale auf, die im bereisten Gebiet noch als Einfahrsignale von zahlreichen Bahnhöfen auffallen. Allein in Athen gibt es sie noch vor den Bahnhöfen Larissa-Bf (nur Südesig), Rouf, Ag Ioannis Rentis (nur Südesig) und Piräus-Normalspurbf. Letzteres zeigt sogar Hp2, während alle anderen dauerhaft Hp0 "Halt" verkünden. Die Signale sind mittlerweile genau so außer Betrieb wie die neuen Lichtsignale, die nördlich Larissa-Bf schon überall aufgestellt sind. Während Blocksignale mitlaufen, werden die Signale in den Bahnhöfen nicht bedient. Gefahren wird ausschließlich im Funkfahrbetrieb. Zwischen Rouf und Ag Ioannis Rentis konnten wir erleben, dass im Sichtabstand gefahren wurde, was bei den niedrigen Geschwindigkeiten sicher ungefährlich ist.

Fahrzeuge

Auf der Schmalspur hatte sich nichts wesentliches verändert. Zwei Zugpaare wurden regelmäßig mit den sechsachsigen Alco-Dieselloks bespannt (Züge 300-303). Der übrige Nahverkehr wurde mit den zweiteiligen MAN-VTs bestritten, wobei wir einmal erleben konnten, dass eine Alco vorgespannt war. GanzMavags verirrten sich nur noch in Ausnahmefällen nach Athen - dann als Wagenersatz hinter einer Alco. Im IC-Verkehr sind natürlich die dreiteiligen MAN-VT bildbeherrschend. Zwei Alsthom-Loks sollen ebenfalls noch einsatzbereit sein - nach Auskunft von griechischen Eisenbahnfreunden sollen sie für Sonderdienste (Bauzugverkehr) von Korinthos und Patras eingesetzt werden.

Auf der Normalspur hat sich hingegen einiges getan. Auf der "S-Bahn" (Vorortverkehr im angenäherten Stundentakt auf der Magistrale bis Inoi, dann auf Zweigstrecke nach Chalkida) sind die zweiteiligen MANs bis auf ein Zugpaar durch neue GTW und Desiros abgelöst worden, die im Berufsverkehr auch in Doppeltraktion fahren. Im Fahrplan sind für die neuen Züge die Zuggattungen DS (Desiro) und RB (Railbus für den GTW) eingeführt worden. Auch im Fernverkehr hat sich etwas getan. Nachdem bis vor kurzem alle IC und ICE-Züge aus den Hennigsdorfer VT-Garnituren bestanden, hat sich jetzt ein erstes lokbespanntes Zugpaar eingeschlichen: IC 52/ "Ermis-Express" besteht seit Anfang März aus den nagelneuen IC-Wagen, von denen die OSE massenweise bestellt hat. Zugloks sind die ADtranz-Loks, von denen gerade eine zweite Serie in Griechenland eintrudelt.

Vor den wenigen beobachteten Güterzügen gelangten MLW-Maschinen zum Einsatz, darunter auch die modernisierte A-501. Im Nahgüterverkehr wird offenbar zudem gelegentlich eine museal erhaltene blaue Alco eingesetzt. Planmäßige Ferngüterzüge verirren sich i.d.R. nur nachts bzw am späteren Abend nach Athen. Lokal gibt es allerdings noch Züge nach Inoi und Chalkida, nach Acharne und nach Elefsina. Letzteres ist wohl besonders interessant (selbst aber nicht erlebt): Dienstags holt sich die OSE von den dortigen Raffinierien (Aspopirgos) selbst ihren Treibstoff ab. Dazu gibt es je einen Zug auf Normal- und Schmalspur, damit beide Betriebswerke zu ihrem Treibstoff kommen (Elefsina liegt zwar an der Schmalspur nach Korinthios, bis hier führt allerdings ein Dreischienengleis). Angeblich soll man dienstags sogar beide Güterzüge nebeneinander im Bf Elefsina fotografieren können.

Ein lokaler Güterzug erreicht den Güterbahnhof Rouf. Zuglok ist eine der modernisierten MLW-Loks, die in der neuen Farbgebung dieser Loks ("der OSE" kann man nicht sagen - doe OSE hat kein einheitliches Farbchema!) lackiert ist.

Leider werden all diese lokalen Fahrten eher ad hoc eingelegt, so dass nur gesagt werden kann, dass morgens/vormittags mit Bedienfahrten stadtauswärts und ab Mittag mit Fahrten stadteinwärts gerechnet werden kann. Auf der Schmalspur kann wohl einmal die Woche mit einem Dienstgut-Zug, bestehend aus Alco/Alsthom und G-Wagen, nach Kiparissia gerechnet werden. Aber auch hier: Zeiten sind wechselhaft!

Die Zahnradbahn Diakopto - Kalavrita

Es handelt sich um eine der aufregendsten Bahnlinien, die ich in Europa kennengelernt habe. Im März war die Strecke noch immer wegen Sanierung gesperrt. Doch der Bahnhof Kalavrita, dessen Gebäude und Gleisanlagen wie "geleckt" aussahen, wirkte, als ob der Betrieb normal laufen würde. Im Lokschuppen stand ein Triebwagen mit laufendem Motor und die Museumsdampflok war "kalt" vor zwei Flachwagen gespannt. Im Bahnhofsgebäude selbst hantierte das wie immer reichlich vorhandene Personal noch mit Farbeinmern rum. Eine Nachfrage ergab, dass die Sperrung wohl noch einen Monat andauern könne - aber wer weiß das schon so genau? Nach Wiedereröffnung ist das Hauptproblem der Strecke noch nicht behoben: Neue Fahrzeuge gibt es nicht und die alten Garnituren waren zuletzt extrem störanfällig geworden.

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