Besonderheiten der Eisenbahnfotografie
Copyright by Jan-Geert Lukner
Ohne Einleitung direkt zu den "Fototipps"
Der Schwierigkeitsgrad der Bahn+Landschaftsfotografie liegt irgendwo zwischen Tier-
und Landschaftsfotografie. Während Tierfotografen den Lebenswandel ihrer Fotoobjekte zunächst genau studieren müssen
um deren "Fahrplan" heraus zu bekommen, reicht bei der Eisenbahnfotografie meist der Blick in das Kursbuch. Der zeitliche
Aufwand für Tierfotografie dürfte somit noch viel höher liegen. Doch gegenüber der Landschaftsfotografie gehört zur
Eisenbahnfotografie weit mehr Planung, Einfühlungsvermögen und zu einem großen Anteil Glück.
Um ein still stehendes Objekt mit idealem Lichtstand zu fotografieren, lässt einem der Verlauf der Sonne normalerweise
mehrere Stunden Zeit. Nehmen wir als Beispiel eine Kirche, deren Seiten genau zu den vier Himmelsrichtungen blicken und
die man von der Südostecke aufnehmen möchte, so steht das Licht ca von 8 bis 11 Uhr richtig. Zeit genug also für
Einstellungen und Bilder in allen Varianten. Ist das Objekt jedoch ein genau in West-Ost-Richtung fahrender Zug, so bleiben
einem nur die kurzen Momente derjenigen Zugdurchfahrten, die zwischen 8 und 11 Uhr durchkommen. Bei einem Zwei-Stunden-Takt
kann es sein, dass unterm Strich nur eine einzige Durchfahrt in Frage kommt.
Eine nicht angestrahlte Front ist zwar keine Katastrophe (solange das Frontlicht der Lok eingeschaltet ist),
schöner ist es jedoch, wenn Front und Seite beleuchtet werden. Bei gezielten Streiflichtaufnahmen
ist diese Regel zwangsläufig außer Kraft gesetzt.
Schmerzlich sind die
Motive, zu denen gar kein passender Zug verkehrt. Da bleibt nur, auf die angestrahlte Front oder Seite zu verzichten.
Weil zu einem Zug ein anständiges Motiv gehört (z.B. Zug neben Kirche), ist der in Frage kommende Zeitraum sogar noch
kürzer. Bei optimalem Sonnenstand für die Kirche 8 - 11 Uhr und für den Zug 10 - 13 Uhr kommen somit nur Züge zwischen
10 und 11 Uhr in Frage.
So richtig problematisch ist nun aber der Moment der Zugdurchfahrt. Denn da kann viel passieren. Der Landschaftsfotograf kann warten,
bis die Wolken ideal stehen: Paar Cumuli hinter der Kirche für Struktur im Himmel und kein Licht hemmender
Wattebausch vor der Sonne. Bei der Zugdurchfahrt jedoch ist entweder eine Wolke vor der Sonne oder nicht. Wenn der Zug
(oder auch die Kirche) sich gerade im Schattenreich befand und der nächste Zug erst wieder in paar Stunden zu erwarten ist,
bleiben dem Eisenbahnfotografen genau zwei Möglichkeiten. Er kann seine Kamera gegen den nächsten Baum feuern oder mit einem
enttäuschten "Das wär' Ihr Preis gewesen" dem Zug hinterherblicken...
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Der gelbe LKW im Hintergrund zieht die Blicke unnötig auf sich und zerstört den Gesamteindruck
des an sich netten Motives. Nördlich Eilsleben.
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Nicht nur die potentielle Wolke vor der Sonne macht die Spannung aus, sondern auch auffällig lackierte LKWs, die irgendwo im
Bildbereich durch die Lande ziehen, oder ein Vogel, der sich bei Annäherung des Zuges in die Lüfte erhebt und einen
undefinierbaren Klecks im Bild fabriziert.
Oder die neugierige Fliege auf der Linse...
Immer wieder tauchen allerdings auch
vermeidbare Probleme auf: So kann es passieren, dass der Zug viel höher als erwartet daherkommt und die Sicht auf den
Hintergrund derartig verdeckt, dass von der Kirche nur noch der Wetterhahn zu erkennen ist (die Frage, die der Fotograf
dann von unabhängigen Betrachtern über sich ergehen lassen muss: Was hat der zweite Wagen denn da Komisches auf dem Dach?).
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Zusammentreffen eines ICs in Nord-Süd-Richtung und einer Eiltaube in West-Ost-Richtung im griechischen
Bahnhof Lianokladi. Die Taube stellt nicht gerade eine Bereicherung des Bildes dar...
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Andere Nettigkeiten kann die Bahn selbst bescheren: Ein Wendezug, der plötzlich mit Steuerwagen voraus kommt, eine Graffity-
versaute Wagengarnitur anstelle des planmäßigen roten Schienenbusses, all zu große Unpünktlichkeit,
eine weit vor Plan verkehrende Cargo-Bedienungsfahrt u.v.m. Am schlimmsten
sind jedoch die Missgeschicke, bei denen man selbst Mist macht. Kamera nicht aufgezogen, Belichtung falsch eingestellt,
zu früh/spät abgedrückt... Es passiert (dem Blockwärter jedenfalls) immer wieder.
Im Gegensatz zur Landschaftsfotografie ist die Eisenbahnfotografie eine Bewegungsfotografie. Das bringt z.B. die
Erforderlichkeit extrem kurzer Belichtungszeiten und alle damit verbundenen Nachteile mit sich. Auch die Verwendung von
Autofocus sollte vermieden werden. Zwar mögen die Autofocus-Systeme inzwischen sehr weit entwickelt sein, doch höchsten
Anforderungen kann nicht immer genügt werden.
Tipps zur Eisenbahnfotografie:
Diese Tipps geben lediglich die Meinung des Blockwärters wieder.
Die Ausrüstung
- Lieber einmal möglichst früh etwas tiefer für eine Kamera mit gutem Linsensystem in die Tasche greifen, als sich
später zu ärgern, dass man zwar viele interessante Züge im Kasten hat, die Bilder jedoch wegen mieser Qualität nicht mehr
anschauen mag.
- Autofocus ist für Eisenbahnfotografie absolut unnötig (oder sogar schädlich).
- Auf Zoom-Objektive verzichten: Deren Mangel an Lichtstärke kann - je nach Lichtverhältnissen - zu lange Belichtungszeiten
erforderlich machen. Und besonders im Tele-Bereich liefern einige Zoom-Objektive nur mangelhafte Qualität.
- Dia statt Negativ verwenden. Wer aus eigenen Fehlern lernen möchte, muss Dias verwenden, da
diese gnadenlos jeden Fehler des Fotografen aufzeigen. Abzüge werden in den Laboren
meist in Farbe und Helligkeit verfälscht, so dass Spiel mit Kontrasten zwischen Schatten und beschienenen Flächen
meist in einem blassen Brei enden. Elektronische Fotos sind noch weit von der Qualität eines projizierten Dias entfernt
und noch manipulierbarer als Abzüge.
Die Foto-Vorbereitung:
- Erkundung der Standpunkte vom Zug aus, dabei gleichzeitig Auge auf Standpunkt und potentiellen Hintergrund haben. Je höher
der Standpunkt im Verhältnis zur Strecke, desto mehr Landschaft ist hinter dem Zug zu sehen. Anhand Sonnenstand günstigste
Tageszeit ermitteln.
- Anhand der Landkarte (jeder Streckenfotograf sollte mindestens ein Generalkarten-Set besitzen; kostet meist nur 20 DM
für ganz Deutschland) genaue Ausrichtung der Strecke in Hinblick auf Sonneneinstrahlung erforschen.
Der Moment, auf den alles ankommt:
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Wenn das Licht eher von hinten kommt, kann man auch mal die Seitenansicht eines Zuges wagen.
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- Rechtzeitig den Punkt festlegen, an dem der Zug "eingefroren" werden soll.
- Kurze Belichtungszeit wählen. Mindestens 1/500 sec, bei Zügen ab 100 km/h sogar 1/1000 sec. (ist auch vom Winkel
abhängig). Ansonsten leichte Unschärfe möglich.
- Vorher einkalkulieren, dass der Zug einen Teil des Motivs verdeckt. Ggf erhöhten Standpunkt suchen.
- Typischerweise werden die Züge aus der Position "schräg von vorn" aufgenommen, so dass Front und Seite des Zuges
zu sehen sind. Innerhalb dieses Winkels kann natürlich beliebig Position bezogen werden.
- Eher frontal, wenn das Licht sehr spitz kommt oder die Wagen uninteressant oder beschmiert sind (soweit bekannt).
- Eher seitlich, wenn kein Licht auf die Lokfront fällt oder der Zug interessante Wagen führt.
- Gleißend helle, überstrahlende Flächen oder (sofern nicht als Effekt eingesetzt) all zu große Schattenpartien vermeiden.
- Keine Masten oder Gebäude abschneiden. Ein abgesägter Wasserturm macht das Bild nicht so attraktiv. Und ein Mast mitten
durch das Bild teilt selbiges in zwei Hälften.
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Es musste ja unbedingt der ganze Bahnhof auf ein Bild passen. Da wurde der Lichtmast gnadenlos
ignoriert. Schade um das nicht wiederholbare Bild. Bodenfelde mit Akku-Triebwagen.
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- "Gras- und Bahnsteigrutscher" vermeiden. Das Fahrwerk des Zuges sollte nicht durch Gras, hohe Bahnsteigkanten oder
Brückenträger verdeckt werden.
- Möglichst markante Umgebung wählen. Ein Zug mitten im Wald oder mit einer flachen Wiese im Vordergrund ohne Hintergrund
mag zwar nett anzuschauen sein, doch sollte irgendein "Aufhänger" im Bild sein, anhand dessen die Stelle identifizierbar
ist. Das kann ein Gebäude, ein weiter Landschaftsüberblick, eine Bahnanlage o.a. sein.
- Manches ist aber auch reine Geschmacksache. Hier einige Dinge,
wegen denen besonders penible Fotografen durchaus ein Bild bleiben lassen, auch
wenn sonst alle Bedingungen optimal sind:
- Hochspannungs- / Überlandleitungsmasten im Motiv.
- Satellitenschüsseln irgendwo im Bild.
- Zug hat Schlusssignal an (geschobener Wendezug oder Triebwageneinheit).
- Der Steuerwagen einer Triebwageneinheit "lächelt" ins Bild.
- Die Kuppelstange einer Stangenlok befindet sich nicht in der unteren (sichtbaren) Position.
- Ein Oberleitungsmast hinter (!) der Lok.
- All zu hoch stehendes Sonnenlicht im Sommer zur Mittagszeit.
- In Plastik eingepackte Strohballen im Bildbereich.
- u.v.m.
Die Bilder nutzen
- Um die eigene Fotografie zu verbessern (ein "Auge" für's Motiv zu bekommen),
ständig die eigenen Bilder kritisch beobachten. Ob ein Bild
gefällt, hängt vom intuitiven Gefühl bei der Betrachtung ab. Ist man
von einem Bild nicht im ersten Moment begeistert, so muss man sich die Frage stellen, was verbessert werden kann.
- Ständig darum bemühen, auch Bilder von anderen Eisenbahnfotografen anschauen zu können. Nur durch Vergleiche ist
eine Weiterentwicklung möglich.
- Bei einer Präsentation rechtzeitig vor Ermüdung der Zuschauer Schluss machen. Auf jeden Fall nur eine Auswahl an Bildern
vorführen, also nicht "Zug ganz weit weg", "Zug ideal" und "Zug halb aus Bild herausgefahren", sondern nur das Bild "Zug
ideal".
- Die schönste Weise der Bildbetrachtung ist eine Projektion; hier kann jedes Bild genauestens
"studiert" werden.
Die Beachtung all dieser Regeln ist noch längst keine Garantie für ein Spitzenbild. Viel mehr
als auf theoretische Regeln kommt es auf das "Auge" für ein bestimmtes Motiv oder eine unvorhergesehene
Situation an. Obiges Bild war nicht geplant gewesen; lediglich ein Nachschuss mit der Sonne
(gemäß den Regeln) war beabsichtigt. Das Spiel des Lichtes im Zug und im aufgewirbelten
Staub erforderte schnelles Umdenken. AKN östlich Barmstedt.
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