USA März 2007
Erste Schritte in der Neuen Welt (3)

Copyright by Jan-Geert Lukner

Samstag, 10. März 2007: Sabula - Dubuque - Sabula

Geschlafen habe ich trotz der Müdigkeit nicht besonders gut. Die Heizung bollerte auf Hochtouren. Der Regler für das Thermostat befand sich in Lorenz' Zimmer. Wie wir erst heute von der Wirtin erfuhren, war mein Zimmer grundsätzlich deutlich wärmer als das von Lorenz, weil es dichter an der Steigleitung lag. Der Tipp der Wirtin: Fenster auf! Dass ich das bereits gemacht hatte und die Heizung aufgrund des Temperatur-Fühlers daraufhin erst recht losbollerte, verschwieg ich ihr lieber...

Kommen wir zum Positiven: Ein mega-klarer blauer Himmel ließ uns aus den Schlafzimmerfenstern einen wunderbaren Sonnenaufgang über der Eisfläche des Mississippi beobachten. Nach ersten Fotos aus dem Fenster zog ich mich an und machte paar Bilder draußen am Ufer. Leichter Nebel kräuselte sich noch auf der Eisfläche und es war traumhaft still. Allerdings war es gegenüber gestern auch wieder empfindlich kalt geworden. Drinnen hatte derweil die Wirtin den Kaffeetisch für uns gedeckt. Sie meinte, für ein richtiges Frühstück hätte sie so kurzfristig nicht genügend im Haus, aber Kaffeekanne, Tassen und ein Obstschälchen waren liebevoll auf dem Tisch in der Küche arrangiert. Und wir hatten noch genügend Essbares vom Supermarkt übrig. Und der Kaffee war für amerikanische Verhältnisse sogar sehr gut.

Ein ruhiger Morgen am Mississippi-Ufer von Sabula.

Aus dem Fenster sahen wir weit in der Ferne in Savanna einen südfahrenden Containerzug auf der BNSF am Ufer entlang rollen. Schade, das hätte unser gewesen sein können. Als wir aufbrachen, glaubten wir nördlich von Savanna schon wieder eine Containerkette ausmachen zu können, die sich dem Ort näherte. Das gibt's doch nicht! Von Sabula (sprich: Säbjula, Betonung auf langem "u") fuhr man erstmal einen Damm durch die Flussarme und -auen in Längsrichtung nordwärts und schwenkte dann nach rechts in die alte Stahlträgerbrücke über den Fluss ab. Mit Fußgängern rechnete man hier wohl nicht, denn es gab kein Geländer und die Fahrbahn bestand nur aus einem Sicht durchlässigen Stahlgitter. Zu unserer Überraschung stand der zweite beobachtete Zug vor dem Einfahrsignal, das weit vorm Bahnhof und vorm Ort mit den ganzen Bahnübergängen angebracht war. Wir konnten uns in der Uferzone des Ortes ein brauchbares Plätzchen suchen. Erstmal kam dann allerdings ein Nordfahrer mit zwei schwarzen Loks des älteren Typs von Illinois Central.

Der Südfahrer im Ortsbereich von Savanna, gleich hinter Pizza Hut... Im Hintergrund die Straßenbrücke über den großen Strom.

Dann durfte der Südfahrer aufrücken. Nach diesem Bild hofften wir, dass die Sonne schon weit genug aufgestiegen wäre, um über die Felsen der "Mississippi Palisades" hinüber zu scheinen. Auf einem der Felsen war eine Aussichtsplattform angelegt, die wir uns mal anschauen wollten. Auf dem Parkplatz des State Parks parkten wir unser Auto und kraxelten einen völlig vereisten Pfad hinauf. Es war bald sicherer, neben dem Pfad zu gehen. Da konnte man zwar auf dem angetauten und aufgeweichten Erdreich ausrutschen, aber das wäre jedenfalls weicher gewesen, als der vereiste Pfad. In einer kleinen Schlucht kam uns ein Rudel Rehe entgegen. Weil die Schlucht nicht besonders breit war, konnten wir die Tiere aus einer Nähe beobachten, die sonst bei den scheuen Tieren nicht möglich ist. Erschrocken haben wir uns aber doch, als die Viecher angelaufen kamen.

Und so erreichten wir wahrscheinlich als erste Besucher des Tages die Aussichtskanzel. Da oben befand sich nochwas: Ein Parkplatz! Na super! Zwar war der Weg sehr schön gewesen, doch an den eisglatten Abstieg mochten wir nicht denken. Zuggeräusche waren bald schon zu hören, das passte ja! Ein langer Getreidezug rollte bald zu Füßen der Felsen und vor der Kulisse des vereisten Stromes zu unseren Füßen lang. Bei der Belichtung war ich mir angesichts der dunklen Umgebung des Zuges und der weißen, weiten Eisfläche nicht sicher. Dennoch wollten wir nicht noch auf einen zweiten Zug warten, wer weiß, wann der käme? Erst gedacht, dass man die Asphaltstraße vom Parkplatz aus abwärts gehen könne. Doch die verschwand irgendwo ins Hinterland (sah jedenfalls so aus), so dass wir doch wieder den Pfad hinabkletterten. Indem wir uns gegenseitig verschiedene Unfallgeschichten aus dem Bekanntenkreis erzählten, waren wir im Nu heile wieder unten.

Nun ging es stramm nordwärts über Hanover auf die Blackjack Road und durch das Mittelgebirge hinab zum Skihang am Fluss. Dort hatten wir gestern ja ein Motiv für Südfahrer entdeckt. Für Nordfahrer hätten wir an sich auch ein schönes Motiv gehabt, und zwar an dem gestern erwähnten Gehöft mit den Pferdewiesen, von denen man auf die Bahn vorm Fluss hinabschauen konnte. Tja, wenn wir gewusst hätten, von wo der nächste Zug denn käme... Nun, es kamen erstmal gleich zwei Züge von Süden, für die wir bei unserem Südfahrermotiv natürlich völlig daneben standen. Die Züge waren nicht zu hören gewesen. Nach dem zweiten Zug sind wir zur Pferdeweide gefahren (ca 3 Min Fahrt). Nördlich von hier hatten wir die Züge immer mal wieder tröten gehört, so dass wir ja einen Südfahrer eher hören würden. Wie wir aber nun bei der Pferdewiese standen, hörten wir den wegfahrenden Nordfahrer immer noch tröten. Oder kamen die Töne von einem Südfahrer? Wer wusste das schon? Daher fuhren wir lieber wieder zurück zu unserem Motiv am Ufer. Das war auch gut so. Nun war es deutlich zu hören: Die Tröööts kamen näher! Ein Kesselwagenzug mit drei neueren Loks kam durch.

Zwischen Dubuque und Savanna im einsamen Mississippi-Tal.

Nach dieser Aktion ging es hoch nach Galena. Das Gleis sah vor der Ortskulisse phantastisch aus. Plötzlich glaubte ich sogar einen Zug kommen zu hören. War aber eine Täuschung. Laut Tom hätte hier auf der CN-Strecke nur am Morgen (bei ungünstigem Lichtstand) ein Zug abwärts fahren müssen. In Richtung Chicago würde der Zug nachmittags fahren, brachte aber hier auch nix. Hinterm Ort bogen wir zur Erkundung nochmal auf eine abwärts ins Tal führende Straße ab, doch bis auf die Gaudi einer schnurgeraden, aber steil auf und ab führenden Piste brachte dieser Abstecher keinerlei Erkenntnisse. Es ging nun auf den Mittag zu. Der nächste Programmpunkt war der ICE-Zug in Bellevue. Es müsste ja irgendwann nach Mittag Dubuque (sprich: Dibbjuk, Betonung auf dem kurzen, fast verschluckten ersten Vokal) südwärts verlassen, wenn er denn auch samstags so führe wie gestern. Wir fuhren gleich über die Brücke auf das Westufer, wo wir im Bahnhof einzig den ostfahrenden CN-Zug stehen sahen. Bespannt war er mit zweimal Illinois Central und einmal CN. Bald sah es so aus, dass der Zug über die Brücke ans Ostufer fahren würde. Wir schnell wieder rüber nach East-Dubuque, denn die Ausfahrt aus der Brücke wäre ein Motiv gewesen. Als die erste Lok die Brücke erreicht hatte, machte das ganze Gespann aber wieder kehrt.

Wir fuhren also wieder nach Dubuque zurück, wo der Zugpark bald zum Stillstand kam und nix mehr geschah. Ansonsten konnten wir im Bahnhof viele abgestellte Wagen sehen, aber keine Loks. Bei den amerikanischen Zuglängen ist halt auch das Problem, dass die Zugloks schon weit außerhalb stehen konnten. Das Südende des Bahnhofs (Ausfahrten ICE Richtung Süden und CN Richtung Westen) war vom Straßennetz gar nicht einzusehen. Es lag zwischen Fluss und Felsen. Versuchsweise steuerten wir mal um den Felsen herum und entdeckten dort, dass man hier ausfahrende ICE-Züge prima am Ufer umsetzen könnte und dass auf dem CN-Streckengleis nach Westen ein Zug ohne Lok stand (wir sahen das Heck in Form eines Kesselwagens). Nun auch mal auf den Felsenberg hoch gefahren. Es befand sich eine ganze Wohnsiedlung und ein großes Kloster oder Krankenhaus oder beides oben drauf. Man hatte einen schönen Blick auf Stadt, Bahnhof und Fluss, aber die Südausfahrt lag zu dicht am Felsen, als dass man hätte hinab schauen können. Wir sahen bloß zwei besonders lange Reihen von Wagen. Vor der einen Reihe waren die bekannten Illinois Central und CN-Loks gespannt.

Als wir wieder auf der Stadtseite hinunter fuhren, setzte sich der CN-Zug wieder in Richtung Flussbrücke in Bewegung! Und hinter den letzten Wagen (die Kesselwagen von der anderen Felsseite) kamen nach und nach vier ICE-Loks zum Vorschein, die die andere Reihe von Güterwagen bespannten! Das war "unser" Zug für Bellevue! Da der aber noch stand, die CN nun aber doch konsequent auf die Brücke zufuhr, schnell wieder nach East-Dubuque rübergemacht. Für ein Bild von der Brückenausfahrt reichte es aber leider nicht mehr. So musste das südliche Tunnelportal (leider nicht das mit dem Diamond davor) herhalten. Ich hatte ja schon auf Railpictures.net extrem viele Bilder von diesem Tunnelportal gesehen. Aber damit, dass hier bereits vier andere Eisenbahnfotografen standen, hatten wir dann doch nicht gerechnet... Lichtstand war spitz. Wir machten allerdings den Fehler, uns auf der Westseite des Gleises auf einen Platz zu stellen, zu dem man nur über einen BÜ gelangen konnte, über den nun das Fotoobjekt langsam aus dem Tunnel kommend hinüberrollte. Oh je, und auf der anderen Flussseite hatte der ICE-Zug abfahrbereit gestanden!

Black is beautiful: Der Tunnel von East Dubuque mit den schwarzen Loks der Illinois Central.

Noch nie habe ich vor einem Bahnübergang derartig lange warten müssen! Der Zug nahm kein Ende und wir waren bloß am beten, dass er nicht noch stehen bleiben würde. Erst nach zehn langen Minuten war der Bahnübergang frei und wir konnten endlich in Richtung Straßenbrücke aufbrechen. Der erste Blick von der Brücke war eindeutig: Der ICE-Zug war weg! Damit hatten wir gerechnet. Nun hieß es bloß, den Zug einzuholen. Um das Motiv hinterm Felsen mit dem Flussufer war es schade, aber Bellevue wollten wir noch nicht aufgeben. Während die im Flusstal verlaufende Bahn einen Bogen beschreibt, kürzt die Straße hier etwas ab - allerdings durch die Berge! Der anfänglich noch starke Einkaufsverkehr auf der Straße wurde schnell weniger und bald schon konnte man "alles geben" (soweit es mit der Geschwindigkeitsbeschränkung noch einigermaßen vereinbar war). Bei der Abfahrt hinab nach Bellevue sah man schon ein längeres Streckenstück. Und auf diesem fuhr --- gerade weit und breit kein Zug! Puuuh, Glück gehabt! Durch die langsame Ortsdurchfahrt konnte er unmöglich schon durch sein. Nun, lange brauchten wir dann aber auch nicht mehr zu warten. Wir hatten uns gerade paar nette Häuschen am Straßenrand ausgeschaut, da hörten wir den ersten Trööt. Durch die Ortsstraße bummelte der Zug dann allerdings nicht mit dem erwarteten Typhon-Konzert, sondern mit dem durchgängigen Läuten einer Glocke! Das hatte ja schon wieder was!

Die Straßenbahn von Bellevue ist mit vier Loks bespannt.

Wir konnten den Zug von der erst noch parallel führenden Straße aus nochmals fotografieren, dann mussten wir von der Straße zur (gemächlichen) Verfolgung auf ein Netz von "Dirt Roads" abzweigen. Dabei kamen wir durch den abseits gelegenen Ort Green Island. Die Häuser machten einen furchtbar schäbigen Eindruck, Fenster fehlten, Schrott und Müll lagen umher. Das hatten wir so noch nicht gesehen! Die Erdpiste führte uns durch die Sumpfwiesen des Mississippi. Offenbar war dies ein Naturschutzgebiet, jedenfalls kamen wir an Punkten vorbei, die wie Wildbeobachtungsstände aussahen. Wie wir später erfuhren wurde hier auch Wild beobachtet, aber zu einem anderen Zweck als gedacht...

Den Zug fotografierten wir dann noch auf dem Seedamm westlich von Sabula Dorf und auf dem Flussdamm gegenüber unserer Pension. In dieser machten wir uns auch bisken frisch, bevor wir wieder in Richtung Savanna aufbrachen.

Der Damm vom Westufer auf die Insel in Sabula.

Weit war "unser" ICE-Zug derweil noch nicht gekommen. Ein ostfahrender BNSF-Zug wartete auf Kreuzung mit einem Gegenzug und blockierte dabei mit den letzten Wagen noch den Diamond. Und im Bahnhof der ICE wartete ein Zug in Richtung Westufer auf Kreuzung mit "unserem" Zug aus Dubuque. Beide warteten auf Räumung des Diamond... Beim Fotografieren des mit sieben Loks (!) bespannten ICE-Westfahrers im Bahnhof kamen wir mit einem älteren einheimischen Eisenbahnfreund ins Gespräch. Dieser wollte uns noch ein schönes Motiv für Züge beider Richtungen an der BNSF-Strecke zu Füßen der Palisades zeigen. Zwar hatten wir vor, für Abendaufnahmen nochmal unseren Aussichtsbalkon zu besuchen (diesmal mit Auto), doch folgten wir ihm erstmal, denn der Knäuel-auflösende BNSF-Nordfahrer fuhr bald in den Bahnhof Savanna ein. Es ging zu einem Bahnübergang, wo wir uns eine Weile mit dem Hobbygenossen unterhalten konnten und nebenbei Züge in beiden Richtungen vor die Linse bekamen. Er erzählte uns z.B., dass das Army depot, das auf der Karte nördlich von hier eingezeichnet war, schon längst aufgelassen ist und jetzt eine Art Industriemuseum darstellt...

Nach den zwei Zügen zog es uns aber doch noch auf die Palisades hoch und in unseren Ausguck. Die richtige Asphaltstraße zum Parkplatz zu finden war kein Problem. Der Ausblick auf den weißen Fluss im Licht der Abendsonne war wunderschön!

Man konnte sich regelrecht vorstellen, wie Black Hawk einst seine Krieger von hier über den Fluss geleitet hat.

Erst kam ein Südfahrer, mit dem wir hier nichts anfangen konnten. Doch dann waren aus Richtung Savanna City Trööt-Geräusche zu hören. Prima! Das ist unser Zug! Bald waren auch die Zug-Rollgeräusche zu vernehmen. Aber wieso kamen die denn von hinten? Tja, sie kamen wirklich von hinten! Wie um unsere Sinne Lügen zu strafen, kamen nun wieder Trööts von vorn, und sie kamen eindeutig näher! Dann aber auch ein Trööt von hinten. Sollte etwa...? Neiiiiin! Es kam, wie es kommen musste. Das Objekt der Begierde schob sich in Form eines wunderbar leuchtenden Containerzuges vom Ort her unter der Straßenbrücke hindurch. Gleichzeitig rollte ein dunkler Kohlezug unter unserem Felsen auf den Motivausschnitt zu. Und so wurde der schön am dunklen Ufer leuchtende Containerzug von einem dunkel am dunklen Ufer "getranten" Kohlezug zugefahren! Ahgrrrr!

Zwei Züge treffen aufeinander. Blick von den Mississippi Palisades auf den Fluss. Vorn die Straßenbrücke, hinten die Bahnbrücke.

Doch es kam noch besser: Der Kohlezug musste vor der Einfahrt stehen bleiben! Und zwar sehr lange stehen bleiben! Dabei füllte er noch den größten Teil des Motivausschnitts aus. So verdeckte er dann auch noch den nächsten Nordfahrer, der immerhin mit halbwegs bunten Frachten unter der Brücke hervor kam. Aber mittlerweile schattete das Motiv leider durch die Bäume einer vorgelagerten Insel immer mehr zu. Wir konnten nur hoffen, dass wenigstens eins der Bilder mit den aufeinander zu fahrenden Zügen brauchbar geworden war. Nun noch eine Weile den Ausblick genossen, dann nochmal zum Bahnübergang eines kleinen Jachthafens gefahren. Hier konnten wir "Eissitzer" im Gegenlicht fotografieren. Die Typen hockten dort, als wenn sie mal müssten - einfach so da auf dem Eis! Ich brauchte schon paar Augenblicke, bis ich merkte, dass wir da Eis-Angler vor uns hatten...

Die Eis-Sitzer vom Mississippi...

Nach Einkauf und Beobachtung eines Personalwechsels bei der ICE mit anschließender Beschleunigung von sechs Loks (na gut, zwei waren kalt...) ging es zurück nach Iowa in unsere Pension. Von der Wirtin erfuhren wir noch Wissenswertes zur Umgebung. Unter anderm berichtete sie von einer Siedlung namens Green Island ein Stück Fluss aufwärts - der Name kam uns bekannt vor! Es handle sich um eine Indianer-Siedlung. Die Indianer bekämen Häuser vom Staat geschenkt, zerlegten sie zwecks Verkauf in ihre Einzelteile und leben weiter in ihren Schilfhütten - so ihre Aussage. Die Gegend um Green Island herum sei den Indianern als Jagdrevier zur Verfügung gestellt worden. Deshalb also die Wild-Beobachtungskanzeln... In der nun folgenden Nacht habe ich besser geschlafen.

Sonntag, 11. März 2007: Sabula, IA - Oregon, IL

Für den Montag war Autoabgabe in Chicago angesagt. Da wir uns Montag auch nochmal Rochelle anschauen wollten, sollte die Entfernung vom Quartier nach Chicago nicht mehr ganz so groß sein. Deshalb checkten wir heute schon wieder in Sabula aus. Gern hätten wir noch die interessante Tunnelausfahrt in East Dubuque mit dem Diamond davor und auch weitere Motive verarztet. Doch nach den uns vorliegenden Angaben sollte es ja nichtmal einen geeigneten Zug für das Motiv geben. Nun, hinterher ist man immer schlauer, man beachte das Datum: Das wär' Ihr Preis gewesen!

In der vergangenen Nacht habe ich die dritte Zeitumstellung der Tour über mich ergehen lassen müssen. Denn bereits jetzt wurde in den USA auf Sommerzeit umgestellt. Allmählich verlor ich jegliches Zeitgefühl... Beim Frühstück leistete uns die Wirtin Gesellschaft. Sie fragte mich, ob die USA meinen Erwartungen entsprachen. Interessante Frage, und ich muss sagen, dass ich diese Frage doch erstaunlich entschieden bejahen konnte. Aber ein Gesamt-Resummé soll mal am Schluss des Reiseberichtes folgen. Weiterhin erzählte sie uns, dass hier in der Gegend besonders viele deutschstämmige Siedler lebten.

Die Sonne schien zwar mal wieder, doch größere Schleierwolken trübten den Himmel. Über hübsche Berg- und Talstraßen gelangten wir mal wieder zu unseren Motiven rund um Milledgeville. Weder den Ausblick an der Livengood-Farm, noch den Ausblick von der Elkhorn Road hatten wir bis jetzt mit richtigem Licht hinbekommen. Durch Umrundung der beiden Blocksignale an der Elkhorn Road wurden wir gewahr, dass in Richtung Westen grün war. Somit schieden erstmal unsere beiden Motive aus und wir suchten uns etwas seitliches. Dies fanden wir in Form des hübschen Speicher-Ensembles von Hazelhurst. Dort mussten wir allerdings doch eine ganze Weile warten, bis Zuggeräusche zu hören waren. Dummerweise kamen diese Zuggeräusche von links, es näherte sich also ein Ostfahrer! Für diesen war das Motiv hier nicht wirklich geeignet. Außerdem war die Sonne gerade stark verschleiert. Das war insofern schade, als dass ein buntes Altlok-Sammelsurium vorgespannt war. An zweiter Stelle lief eine Lok ohne Führerstand!

Er kam aus der falschen Richtung. Und die zweite Lok besitzt mit an Sicherheit geltender Wahrscheinlichkeit Vielfachsteuerung - so ganz ohne Führerstand...

Offensichtlich waren die Blocksignale noch für den letzten Zug in der Gegenrichtung eingestellt gewesen. Das ist in Deutschland bei Sbk-Signalen an eingleisiger Strecke ja auch so, dass bei Wechsel der Erlaubnis die Signale der einen Richtung von Grün auf Rot wechseln und in der anderen Richtung umgekehrt. Sicherheitshalber stellten wir uns nun aber mal wieder auf die Brücke der Elkhorn Road, was insbesondere den schwarzen Hund freute, der sogleich wieder angelaufen kam. Und tatsächlich tauchte auch bald der nächste Ostfahrer auf. Schade war nur, dass das Licht noch nicht wirklich voll wieder da war.

Blick von der Elkhorn Road gen Westen.

Dennoch beschlossen wir, dass es gut war und wechselten zur Brücke an der Livengood-Farm. Hier warteten wir geschlagene zwei Stunden. Dann bemerkten wir, wie ein Zug von Osten aus dem Ort Milledgeville (aber nicht aus dem Bf, dessen Ausweichgleis weit raus geht) auf uns zu kam. Den konnten wir hier gar nicht umsetzen. Wie die Wilden rasten wir nun zum Bahnübergang Livingood Road, wobei das Gleis diagonal durch die Felder führt, während die Straßen quadratische Maschen bilden. Zum Glück konnte man von der Livingood Road weit nach Westen schauen. So bemerkten wir noch rechtzeitig, dass von Westen ebenfalls ein gleißendes Licht auf dem Gleis näher kam. Also schnell gedreht und den Zug gerade noch mit unserem Weitblick umgesetzt. Dann wieder zur Livingood Rd und dort auf den Westfahrer gewartet, der trotz Schattenfront noch ganz nett kam.

Aus Richtung Südwesten wurde nun immer deutlicher das Ende der Schleier-Teilbewölkung sichtbar. Wie eine gerade Linie war alles Weiß im Himmel zuende und nur noch klares Blau folgte. Das war in Ordnung. Wir beschlossen zudem noch eine kleine Steigerung der Quantität, indem wir mal an die UP-Strecke im Süden wechselten. Im Mittleren Westen Auto zu fahren, macht einfach Spaß. Die Straßen sind gähnend leer und führen auf und ab. Von jeder Hügelkuppe ergibt sich ein neuer weiter Ausblick.

Eine von vielen Farmen im Mittleren Westen.

Viel zu schnell hatten wir die Union Pacific erreicht. Am Ende des Abstiegs in das Mississippital sollte die BNSF-Barstow Linie gekreuzt werden. Wir rechneten mit einem Diamond. Die Brücke, die wir vorfanden, war uns aber auch recht. Aus Richtung Clinton stand ein Ostfahrer vor der Brücke und hinter diesem Dosto-Containerzug stand schon wieder der nächste. Aus der Brücke heraus brummte es jedoch und innerhalb einer Viertelstunde hatten wir zwei Züge umsetzen können. Der zweie Zug kam vor Clinton dann auch zum stehen.

Ein UP-Zug mit fünf Loks rollt unter der BNSF Barstow-Linie hindurch auf Clinton zu.

Das nutzten wir, um mal die Fotografierbarkeit der Mississippi-Brücke zu testen. Dazu nach Clinton rüber gefahren. Unterwegs kam eine Kreuzung mit Stopp-all ways-Schildern im Zuge zweier ausgewachsener Hauptstraßen. Da lob' ich mir unsere Kreisverkehre... In Clinton musste man zur Brücke hin auf Bahngelände. Das erste Schild konnte man ja noch übersehen, auf dem zweiten Schild folgte dann auch noch der Strafkatalog fürs Weitergehen. Das beeindruckte uns nun doch etwas, so dass Lorenz nur aus der Ferne und ich gar nicht abdrückte. Die Brücke war auch nicht so lang wie die Eingleisbrücken von Sabula und Dubuque, weil hier der Fluss mehrere schmalere Arme bildete. Also zurück gefahren und kurz vor Unterquerung der BNSF-Barstow Sub an einen anderen Bahnübergang herangefahren. Man hatte weiten, wenn auch unspektakulären Blick. Bei der dichten Zugfolge konnte man ja mal warten. Schade war nur, dass wir den BNSF-Zug auf der Nord-Süd-Strecke somit nur aus der Ferne bewundern konnten. Als Ausgleich kam in unser Motiv nach kurzer Wartezeit ein Zug gefahren, dessen frisch lackierte Loks mal nicht das UP-Farbkleid trugen, sondern im historischen Lack der Chicago Northwestern angemalt waren. Die UP lackiert nach Auskunft zweier anderer Eisenbahnfans, die den Zug auch aufs Korn nahmen, einige Loks in den verschiedenen (historischen) Farben der ganzen von UP im Laufe der Zeit "geschluckten" Bahngesellschaften. Ein feiner Zug...

Zug-Stau: Hinter dem wartenden Containerzug ist bereits das Spitzenlicht des nächsten Zuges zu sehen.

Gegen 15.30 Uhr machten wir uns auf, um entlang der Bahnlinie einen größeren Schlag ostwärts zu tätigen. Auf dem Lincoln Highway (die parallel zur UP bis Chicago führende Landstraße) war schon deutlich mehr Verkehr. Bei Round Grove entdeckten wir einen hübschen Blick von oben auf eine Außenkurve. Die Bahn steigt hier aus dem Tal des Rock River in die Hügel empor. Nun mussten wir doch mal etwas länger auf einen Westfahrer warten (halbe Stunde). Wir standen vor einem völlig heruntergekommenen Gehöft, rund um das herum sich Hühner, Katzen, Hunde und Pferde zwischen allerlei Gerümpel herumtrieben, in dem sich aber (trotz ca sechs rumstehender Autos) keine Menschenseele blicken ließ. Wir mutmaßten nach unseren Green Island-Erfahrungen sogleich, dass hier Indianer wohnen müssten (gibt es überhaupt noch welche östlich des Mississippi?). Aber irgendwann kam dann ein Auto mit zwei Frauen im Trainingsanzug (nein, keine Sportlerinnen) angefahren, von denen die eine die andere absetzte und weiter fuhr. Dass hier welche stehen und Züge fotografieren, fanden sie offenbar nicht weiter ungewöhnlich. Sie boten sogar an, dass wir unser Auto in ihrer Einfahrt parken dürften.

Der Güterzug mit drei neueren Loks kam erstaunlich leise aus dem Rock River Valley herauf gefahren. Ohnehin muss ich sagen, dass der Motorsound bei den kroatischen GMs bald beeindruckender klingt, als bei den hiesigen Loks. Wir fuhren nun ein ganzes Stück weiter. Es ging durch die Stadtbereiche von Morrison und Dixon. Eine Tafel vor Straßenbauarbeiten verkündete: "Hit a worker - 14 years in jail"... Den einen oder anderen Punkt entdeckten wir noch, aber insgesamt war's uns hier auch etwas zu industriell und zersiedelt (man war halt aus den letzten Tagen anderes gewöhnt...). Einen Stopp machten wir erst wieder vor Franklin Grove, wo man von einem auf einer Kuppe gelegenen Bahnübergang einen schönen Blick nach Westen in eine Mulde für Streiflicht-Aufnahmen hatte. Und die Sonne war schon wieder mächtig am sinken. Dumm war nur, dass nun zwar jede Menge Westfahrer kamen, die Ostfahrer mit zwei Zügen innerhalb der guten Stunde jedoch weniger üppig ausfielen. Leider hatten beide Ostfahrer zumindest vorn auch noch Wagen mit vertikalen Sicken, so dass das Licht nicht wirklich gut auf ihnen reflektieren konnte. Auch der Sonnenstand fast über dem Gleis erleichterte das Fotografieren nicht, insbesondere schied leider ausgerechnet hier mit dem Muldenblick das starke Teleobjektiv wegen gnadenlosem Streulicht-Einfall aus. Nun ja, dennoch war der Abend hier sehr nett und paar Westfahrer, u.a. mit alten Loks, konnten ja auch noch verarztet werden.

Blick von unserem Bahnübergang mit dem Licht...

...und gegen das Licht.

Warum Neues testen, wenn Altbekanntes in der Nähe liegt? Oregon mit dem uns bekannten Hotel "Paddle Wheel Inn" lag gerade nördlich von hier, und so kehrten wir der UP-Strecke den Rücken und fuhren nordwärts nach Oregon. Zum Frühstück nahmen wir uns Sandwiches aus dem Supermarkt mit; man war ja gewarnt... Sehr angenehm war dann aber noch das Abendessen im "Black Hawk Inn", wo ich mir nochmal wie am ersten Abend das riesige T-Bone-Steak gönnte. Zum Glück kannte sich Lorenz mit den amerikanischen Trinkgeld-Gepflogenheiten aus und hatte beim ersten Besuch über 10% gegeben, so konnten wir uns heute hier wieder blicken lassen. Unter 10% zu geben soll wohl ein deutliches Zeichen der Unzufriedenheit sein... Im Hotel dann nochmal wunderbar tief geschlafen.

Montag, 12. März 2007: Oregon, IL - Brooklyn, NY

Trotz Erkältung in diesem ruhigen Hotel wie ein Stein geschlafen. Zum Frühstück gab es etwas Wasser-Kaffee, ansonsten nur Mitgebrachtes. Man konnte auch mit dem Becher in der Hand über die schöne Terrasse schlendern und den milden Morgen genießen. Leider verschwand die Sonne bald wieder hinter hohen Wolkenfeldern. Wir wollten nun gern noch paar Aufnahmen in Rochelle machen, nutzten dorthin selbstverständlich die Bahn parallelen Straßen. In Chana war ostwärts grün und bei Flag Center haben wir dann einfach mal gewartet. Ein Dosto-Containerzug kam durch, allerdings ohne Sonne.

So ging es dann auch in Rochelle weiter. Zwar driftete von Norden anscheinend das Ende der Wolkendecke auf uns zu, erreicht hat es uns aber irgendwie nie. Der in Flag fotografierte BNSF-Zug hatte vor Rochelle warten müssen und konnte von uns nochmal ohne Licht fotografiert werden. Das war's dann aber schon! In der guten Stunde, die wir im Railroad Park zu Rochelle zubrachten, kam nur ein einziger UP-Zug durch. Und eine Rangiereinheit näherte sich aus Richtung Containerbahnhof immer mal, drehte dann aber jedes Mal wieder um.

Ein BNSF-Zug nähert sich dem Diamond von Rochelle.

Statt Zügen konnten wir verschiedene Bautrupps beim werkeln beobachten. Erst fuhr ein Pritschenwagen am Diamond vor und später tauchte sogar ein Auto auf Schienen auf, dessen Insassen sich ebenfalls ans Werk machten. Der Montag-Vormittag scheint also auch in den Staaten der große Instandhaltungstag zu sein... Wir untersuchten derweil den zum Railroad-Park gehörigen Souvenirladen. Hier wurden (alte) Zeitschriften, Souvenirs, Modellbahn usw angeboten. Ein Grüppchen älterer Herren stand beisammen und war fleißig am fachsimpeln über irgendwelche Loktypen.

Ein UP-Zug nähert sich dem Diamond. Links ist der Trainspotter-Pavillon zu sehen, in dem auch der Funkverkehr beider Bahnen übertragen wird.

Als der blaue Himmel nicht näher kommen wollte, beschlossen wir um 11.40, dass man vielleicht doch mal langsam gen Flughafen fahren sollte. Der O'Hare Airport wollte nämlich erst noch von uns gefunden werden. Aber wir glaubten nun früh dran zu sein. Die Fahrt auf der Autobahn durch diesen doch sehr flachen und öden Landstrich war ziemlich ermüdend. An den Mautstellen wurden wir endlich mal die lästigen 1ct-Münzen los. Nach dem amerikanischen Motto "keep smiling" wünschte uns die Maut-Dame aber trotzdem eine gute Fahrt.

Irgendwann hinter Aurora merkten wir, dass wir ein Problem hatten. Meine Google-Maps orientierten sich entlang der zu fotografierenden Bahnstrecken, aber der O'Hare Airport war leider nicht mehr mit drauf. An dieser Stelle muss ich auch mal von der amerikanischen Weg-Ausschilderung berichten. Es gibt sowohl an Autobahnen, als auch an Landstraßen so gut wie keine Wegweiser mit den nächsten Ortsnamen. Einzig sind Straßen-Nummern und Straßen-Namen hervorragend ausgeschildert. So kann man also mitten durch die weite Felder-Prairie fahren und an jedem abzweigenden Feldweg steht dessen Name ("Sunshine Rd", "Elkhorn Rd" usw.), mitunter sogar mit Vorankündigung, nicht aber zu welchem Dorf der Weg führt. Und so fehlte uns dann auch jegliche Ausschilderung zu einem der fünf größten Flughäfen der Welt, dem O'Hare Airport zu Chicago.

Auf gut Glück bogen wir mal auf eine nordwärts führende Autobahn ab und am nächsten Kassenhäuschen fragten wir nach dem Weg. Nun, mit dieser freundlichen Hilfe bogen wir an der richtigen Stelle auf eine ostwärts führende Autobahn ab, doch als diese wieder einen Knick gen Süden beschrieb und wir fast hinter uns (aber weit weg) einen Flieger starten sahen, kombinierten wir messerscharf: Wir sind hier falsch. Nächste Ausfahrt raus, Villengegend, Straßenrand, Kofferraum auf. Ich hatte vorher in Deutschland zur ganz groben Orientierung eine 1:3Mio-Karte über den Mittleren Westen gekauft, und diese hatte glücklicherweise eine brauchbare genauere Karte vom Großraum Chicago auf der Rückseite. Da wir eh noch tanken mussten, geleitete Kartenleser Lorenz den Fahrer Jan nun über städtische Hauptstraßen in die richtige Richtung.

Interessant fand ich den stramm nordwärts führenden Highway, der sechs- bis achtspurig (aber nicht als Schnellstraße!) durch ein endloses Gewebegebiet führte. Ich fühlte mich nun doch sehr an die griechische Ausfallstraße von Athen nach Elefsina erinnert. Was sehen deutsche Gewebegebiete dagegen "hübsch" und aufgeräumt aus! Es fehlte jegliche Vegetation, es gab nur die staubige Straße und nicht minder staubige Gebäude links und rechts. An einer staubigen Tankstelle füllten wir dann noch den Tank ein letztes Mal und keine Minute zu früh war dann der Flughafen erreicht. Selbst dem Ausschildern der Leihauto-Rückgabe waren die Schildermacher nicht ganz gewachsen, erst hieß es "Hertz linke Spur", dann unvermittelt wieder "Hertz rechte Spur". Irgendwie haben wir es dann aber doch geschafft.

Unsere Hoffnung, nun mit der Flughafenbahn zum Terminal zu gelangen, schwand bald wieder. Hertz unterhält einen eigenen Bus-Shuttle zu den Terminals! Busse von den anderen großen Autoverleihern sahen wir ebenfalls. Das Einchecken lief reibungslos ab und nach relativ kurzer Zeit konnten wir sogar schon in den Flieger steigen. Es flog im Auftrag von Delta ein kleiner Com Air Cityhopper. Wir konnten uns auf zwei Sitzreihen verteilen. Hier in Chicago schien natürlich auch wieder die Sonne...

Delta 5492 Chicago O'Hare 15.11 Central Time > New York JFK 18.30 Eastern Time

Im Landeanflug auf New York JFK fällt der Blick auf Manhattan.

Mit dem russischen Limousinenservice aus Brighton Beach gelangten wir schnell wieder in selbigen Stadtteil, wo wir uns im Brighton Bazaar noch mit paar Lebensmitteln ausrüsteten, die es dann im 20.Stock mit Blick auf den dunklen Atlantik bei einer Flasche Moskauer Bier zu vernichten galt.

Dienstag, 13. März 2007: Brooklyn, NY - Nachtflug ab NY

Ich habe lange und gut geschlafen. Nach Kaffee und Cornflakes bei schöner Morgensonne bin ich zu einer zweiten Subway-Tour aufgebrochen. Da die Subway in Manhattan nur unterirdisch fährt, blieb ich heute einfach mal in Brooklyn, wo man von den Hochbahnen aus wesentlich mehr von der Stadt sieht und wo sich auch mehr Fotomotive bieten. Leider zog sich der Himmel jedoch ziemlich schnell zu, so dass aus der geplanten Fotoaktion schnell ein blödes Rumgedödel wurde, das ich hier gar nicht in allen Einzelheiten beschreiben muss. Vom Haltepunkt West 8 St konnte man Züge vor dem Hintergrund des Coney Island Vergnügungsparks und des Meeres fotografieren. Der Vergnügungspark könnte fast als "historisch" gelten, ist aber wohl eher etwas abgehalftert.

Blick von der W 8 St auf den Coney Island Vergnügungspark.

Das Fotografieren wurde schwieriger als erwartet. Der klassische Blick wäre der von Coney Island einfahrende Zug vom Bahnsteig der Gegenrichtung aus. Doch dummerweise wartete wegen besetzter Gleise in der Endstation Coney Island der dorthin fahrende Zug immer am Bahnsteig West 8 St, bis der zu fotografierende Gegenzug einfuhr und stand somit im Weg. Daher ging nur ein Nachschuss mit anschließender Weiterfahrt nach Coney Island. Diese Station ist Endpunkt von vier Linien. Jede Linie besitzt einen eigenen Mittelbahnsteig, also zwei Gleise. Die vier Mittelbahnsteige werden von einer relativ neuen Hallenkonstruktion überspannt. Nördlich des Bahnhofs ist ein gigantisches Betriebswerk errichtet.

Die Bahnhofshalle von Coney Island.

Nun ja, mit der F bin ich nun einfach mal nordwärts gefahren und entdeckte durchaus eine ganze Reihe von Motiven. Die Sonne kam aber nur noch zu ca 10% mal raus. Immerhin handelte es sich dann mal um längere Intervalle, da die Wolken kaum zogen. So konnte ich an der 18 Av mal paar Züge und eine interessante Absicherung von Bauarbeitern fotografieren.

Wenn ein Subway-Fahrer die rote Fahne sieht, muss er sofort anhalten. Denn wir wissen ja: "Hit a worker, 14 years in jail"...

Ab Church Av verschwindet die F im Tunnel. Da die parallele B/Q-Linie auch eine Station Church Av hat, beschloss ich, mal einen Spaziergang durch die namensgebende Straße zu unternehmen. Es ging erst durch ein Stadtteilcentrum mit vielen kleinen Läden, dann wurde es etwas grüner. Der Weg zog sich doch länger hin, als erwartet. Bald bekam ich Angst, dass ich vielleicht schon an der Station vorbeigelaufen wäre, denn die Metro-Eingänge sind schon mal gut getarnt. Anhand der Bushaltestellen-Aushänge, die in NY übrigens sehr ordentlich mit Linienskizze sind, konnte ich mich aber vergewissern, dass ich noch ein Stück gehen musste...

Südlich der Church Av führen Local-Q und Expreß-B durch einen Beton-Einschnitt, in dem die kleinen Stationen mit schmalen Bahnsteigen nischenartig reingequetscht worden sind. Eine solche Station ist Beverly Road, wo ich paar Bilder auch ohne Sonne gemacht habe. Nett fand ich das über den Gleisen angebrachte Stationsgebäude. Danach (und nach ziellosem Hin und Her) zog es mich zur Shuttle-Linie S (eine weitere Shuttle-Linie S gibt es in Manhattan, siehe erster Tag). Dieser Shuttle, den ich auch heute Abend auf dem Weg zum Flughafen nehmen musste, besteht nur aus zwei Wagen. Die Strecke besitzt nur zwei Zwischenstationen, ist zum Ende hin eingleisig und verbindet tangential drei aus dem Zentrum hinausführende Strecken. Am Park Place gelang mir ein Bild, für das mal kurz die Sonne rausschaute.

Zwei-Wagen-Subway auf sanierter Eingleispiste: Shuttle S am Park Place.

Die Gegend an der Endstation Franklin Av fand ich nicht ganz so sympatisch und andere "Bleichgesichter" musste man hier schon wieder lange suchen. Eine aufgeregte Frau fragte gerade die Stationswärterin, ob es in der Station einen Policeman gäbe. Den Grund dafür wollte ich lieber gar nicht wissen. So so, hier sollte ich also heute Abend mit Sack und Pack auf dem Weg zum Flughafen umsteigen? So langsam kam mir da ein russischer Limousinenservice in den Sinn...

Über Atlanic Av und Pacific St mit der D zurück nach Coney Island gefahren. Beim Warten kam ein Zug mit noch in PLastik eingepackten Sitzen durchgefahren. Offenbar eine Neuanlieferung auf dem Wege ins Depot Coney Island. Der Zug sah so aus, wie die bisher nur auf den grünen Schmalprofil-Linien gesehenen Neubau-Züge. Ob es diese Bauart nun auch für die "breiten" Linien geben soll? Schön sind in diesen neuen Zügen ja die deutlichen Sprachspeicher-Durchsagen. Bei den älteren Zügen reden die Kutscher (oder wohl eher die Schaffner) ja auch sehr viel, man versteht bloß meistens nichts (ich jedenfalls nicht).

Auch Linie D ist nicht uninteressant. Ein Stück wurde sogar wieder mal auf dem Mittelgleis Expreß gefahren, weil auf dem Außengleis Bauarbeiten stattfanden. In Coney Island entschied ich mich, nochmal auf gut Glück mit der F nordwärts zu fahren. Südlich der Station Bay Parkway führt der Hochbahn-Viadukt über einen großen jüdischen Friedhof hinüber. Und immerhin kam hier für einen Zug auch mal die Sonne raus! Danach zog es aber schon wieder völlig zu und ich hatte keine Lust mehr. Irgendwie war auch die Luft raus. Wir hatten schöne Tage im Mittleren Westen gehabt, da musste ich mich nicht hier von den Wolken nerven lassen.

Um 15.00 zurück nach Brighton Beach gefahren und mir im Russen-Supermarkt was zu essen besorgt. Dabei textete mich eine Verkäuferin mit kyrillischen Buchstaben voll. Erst dachte ich, dass sie mein neben den Speisen abgestellter Einkaufskorb störte und nahm diesen mit einem lieben Lächeln weg. Als der kyrillische Textfluss aber weiterging, zuckte ich doch mal die Schultern und sagte "sorry". Darauf schaute sie mich mitleidig an und meinte irgendwas wie "only english?". Jedenfalls war nun Ruhe. Hatte sie sich etwa daran gestört, dass ich meinen Rucksack mit in den Supermarkt genommen hatte? Ich werde es wohl nicht mehr erfahren.

Ich brauche wohl nicht zu erwähnen, dass sich die Wolken mit aller Kraft zerbröselten, sowie ich in Lorenz' Wohnung angekommen war? Eine halbe Stunde später war keine Wolke mehr zu sehen. Geil! Aber nochmal zu einer Subway-Tour aufzubrechen, kam überhaupt nicht mehr in Frage. Statt dessen machten wir etwas viel netteres, das der gesamten Tour zu einem würdigen Abschluss verhalf: Ein Strandspaziergang in Brighton Beach in Richtung Coney Island. Das war richtig nett. Ich habe hier sogar den Sonnenuntergang abgewartet. Rot ging der Feuerball hinter den Spielgeräten des Vergnügungsparkes unter. Das war's! Na ja, fast.

Sonnenuntergang am Strand von Coney Island. Kann es einen würdigeren Abschied geben?

Nun war es nach 19 Uhr und für die Fahrt mit der Metro eigentlich schon arg knapp. Und so rechte Lust hatte ich zu dieser aufwändigen Fahrt auch nicht. Daher bat ich Lorenz, mir den Limo-Service zu bestellen, mit dem ich entspannt um 20.30 Uhr zum Flughafen gelangte.

EK 206 New York JFK 23.15 > Hamburg-Fuhlsbüttel 12.35-55

Der Flug war wieder mal sehr angenehm. Nach einem leckeren Essen und einem Filmchen konnte ich sogar für die eine oder andere Stunde schlafen. Ich bekam nichtmal mit, wie die Besatzung an meiner Nase vorbei mit einem Kleiderbügel in der Hand das Fenster-Rollo dicht machte. Als ich aufwachte und das Rollo ein Stück hoch schob, kam bereits gleißendes Sonnenlicht herein. Die Maschine war wieder so leer, dass sich locker alle Passagiere längs auf die Sitze legen konnten (was auch viele taten). Kurz vor Hamburg konnte ich unter mir Heide (Holst), den Kanal und die Brücke von Hochdonn sehen.

Ein Aha-Erlebnis hatte ich noch, als ich in Ohlsdorf mit der S-Bahn abfuhr. Noch nie war mir die Fahrt im 474 so sanft vorgekommen wie jetzt. Wir glitten geradezu über die Gleise. Jedenfalls kam einem das nach zwei Tagen New York Subway so vor...

Epilog

Die Frage, auf deren Antwort ich am gespanntesten gewartet habe, ist die an mich selbst gerichtete, ob mich das Amerika-Fieber nun auch angesteckt hat und ob ich baldigst wieder rüber "muss". Nun, New York fand ich interessant, aber recht anstrengend. Das lag sicher auch am durchgezogenen Programm. Richtigen "Urlaub" mache ich dann doch lieber abseits des Trubels. So hat mir unsere Midwest-Tour, aber auch die Zugfahrt dorthin mit dem "Capitol Limited" eindeutig am besten gefallen. Besonders imposant war die Landschaft, die uns Illinois bot, natürlich nicht. Im Gegenteil: Der Unterschied zu den hügeligeren Teilen Norddeutschlands war bloß, dass alles noch etwas offener war: Weniger Wald, weniger Knicks. Dennoch hat dieses "Midwest" einfach ein besonderes Flair, "Country" ist eben was anderes als deutsche Provinz.

Muss man deshalb nochmal hinfliegen? Hier kommt unser Hobby stark ins Spiel: Diese Berg- und Talbahnen mit ihren langen Güterzügen und bunten Dieselloks in dieser sympatischen Landschaft sind wirklich ein Grund nochmal hinzufliegen. Was heißt nun aber "nochmal hinfliegen"? Nochmal USA? Nochmal Midwest? Nochmal dieselbe Gegend? In Europa fahre ich ja ganz gern zum wiederholten Mal in dieselbe Gegend, denn beim ersten Mal gelingt bekanntlich nur selten alles. Meist entdeckt man viel mehr, als umsetzbar ist. Und bei unserer zurückliegenden Tour haben wir nun wirklich genügend Stellen zurückgelassen, die optimiert werden müssten...

Schön wäre eine Tour per Bahn durch den Kontinent, auf der man an zwei oder drei völlig gegensätzlichen Orten für jeweils einige Tage zum fotografieren bleibt. Einer dieser Orte dürfte dabei auch nochmal die Gegend zwischen Michigansee und Mississippi sein.

Und welchen Eindruck habe ich sonst so von diesem ersten USA-Besuch mitgebracht? Das Gesamtbild war immer wieder sehr vertraut, weil man einfach in Deutschland so viel über Amerika hört und sieht. Andererseits unterschieden sich manche Dinge wesentlich grundlegender, als ich es von meinen bisherigen Reisezielen Griechenland, Kroatien oder Skandinavien kenne: Fast alle Maßeinheiten sind anders, ob es nun die Temperatur oder eine Entfernung, eine Verpackungsgröße oder auch nur die nachmittägliche Uhrzeit ist. Das ist weiter kein Problem, aber im Zeitalter der zusammenwachsenden Welt schon etwas kurios, zumal in den USA ja eigentlich genügend europäische Kultur vorhanden ist.

Und bei einigen Dingen musste ich mir dann doch mal an den Kopf fassen: Die ganzen Netto-Preise (Meine Hochachtung gilt demjenigen, der an einer amerikanischen Supermarkt-Kasse das Geld abgezählt in der Hand hat), oder das Heizen mit Fenster-Öffnung - um nur mal zwei Beispiele zu nennen. Die Verkehrszeichen unterschieden sich grundlegend, wobei die Amerikaner dazu neigen, viele Hinweise auszuschreiben. Was eine "Speed Zone" ist, war nicht schwer zu erraten, bei der "No Passing Zone" haben wir etwas länger überlegen müssen. Ich schätze, dass ein Amerikaner es schwerer hat, sich mit den europäischen Symbol-Zeichen anzufreunden. In den USA darf man bloß kein Analphabet sein...

Dann sind da noch die Menschen. Man kennt ja die Amerikaner auf Urlaubstour in Europa. Nun, da drüben gibt es einen ganzen Kontinent voll davon... Nein, ganz so schlimm ist es nicht. Was mir trotz vorheriger Warnung auffiel, ist diese übertriebene, pflichterfüllende Freundlichkeit, die einem oft in der Öffentlichkeit begegnete. Wenn man sich dann aber mal mit jemandem direkt unterhielt, war alles einfach nur normal, nett und natürlich. Da wir ja wussten, dass wir in eine eher konservative Ecke des Landes kommen würden, hatten wir etwas Bedenken, was die Leute wohl sagen, wenn wir mit unseren Kameras an der Strecke stehen. Die Realität sah dann aber so aus, dass man bloß aufpassen musste, jeden freundlichen Gruß aus vorbeifahrenden Autos (und Loks) zu erwiedern.

Und zu guter Letzt kann ich vermelden, dass sich bei mir während des Aufenthaltes manch verloren geglaubte Englisch-Vokabel wieder angefunden hat. Der Pflege der Sprache ist so ein USA-Aufenthalt, und wenn er nur kurz ist, sehr zuträglich.

Besonderer Dank geht natürlich an Lorenz, mit dem diese abwechslungsreiche Tour großen Spaß gemacht hat.

Zurück zum Archiv . Zurück zum Eingang