Skandinavien Winter 2002 (1)

Copyright by Jan-Geert Lukner

Der ungefähre Fahrtverlauf ist aus dieser Skizze ersichtlich, die den Norden Skandinaviens zeigt.

Diese Reise sollte mal ganz was anderes werden. Peter Pochadt und ich hatten den Ehrgeiz, mit öffentlichen Verkehrsmitteln an das Ende Skandinaviens, bis an das Eismeer, zu gelangen. Und das auch noch mitten im Winter! Es sollte per Bahn und Bus bis in den äußersten Nordosten Norwegens gehen. Zur Rückfahrt freuten wir uns auf eine Fahrt mit der Hurtigrute, die wir ja schon im letzten Sommer kennen gelernt hatten. Eigentlich hatten wir eines der alten Schiffe buchen wollen, doch die letzten Vertreter der klassischen Postschiffe waren sehr stark mit Reisegruppen belegt, so dass wir uns angesichts der doch etwas längeren Fahrt für eines der größeren und bequemeren Schiffe entschieden.

Da es uns nicht so auf die große Flexibilität ankam und die Fahrpläne der Öffentlichen da oben auch nicht ganz so reichhaltig sind, haben wir die Anreise einschließlich der Rücktour per Hurtigrute bis Svolvær im Voraus gebucht. Ab Svolvær wollten wir spontan entscheiden, ob noch paar Fotos an Erz- oder Nordlandsbahn drin wären. Zur Überbrückung der Distanzen Hamburg - Helsinki und Stockholm - Hamburg nutzten wir die Scandinavian Airlines, die passend für uns ein erschwingliches Gabelflug-Angebot bereit hielten.

Samstag, 16. Februar 2002: Hamburg - Nachtzug ab Helsinki

Bereits während des Frühstücks in der Abflughalle hatte ich das Gefühl, die gewohnte Umgebung hinter mir gelassen zu haben. Das neue Abfertigungsterminal hatte etwas weltstädtisches, das ich mit dem Hamburger Flughafen so nie in Verbindung gebracht hätte. Unser Gepäck wurde mehrfach durchleuchtet. Und am Gate wurden wir regelrecht per Handscanner gefilzt. Peter musste sogar seine Stiefel ausziehen. Übrigens muss sich das Bahnpersonal in Sachen Auftreten keineswegs hinter dem Flughafenpersonal verstecken. Der Typ an der Annahme für sperriges Gepäck war zwar freundlich, hatte aber eine brennende Zigarette vor sich im Aschenbecher stehen...

SK 648 Hamburg-Fuhlsbüttel 08.50 > København-Kastrup 09.45

Etwas enttäuscht waren wir ja vom Minimal-Frühstück, das wir noch im Steigflug hinter Hamburg serviert bekamen. Es gab ein Mini-Baguette und einen Kaffee. Doch hatte ich den Kaffee noch nicht vollständig ausgetrunken, da begann auch schon der Landeanflug auf Kastrup!

SK 710 København-Kastrup 10.25 MEZ > Helsinki-Vantaa 13.05 OEZ

Bei einem Glas Wein konnten wir den Blick auf die schwedische Südküste genießen.

Im zweiten Flug war der Imbiss schon etwas reichhaltiger - besonders die Mini-Flasche Chardonnet fand ich lecker. Sowas bekommt man in Skandinavien ja nicht ganz so häufig... Meistens flogen wir über Wolken, doch an der schwedischen Süd- und Ostküste riss die Wolkendecke auf, so dass der Blick auf Öland und Gotland fallen konnte.

So schnell habe ich die Distanz Deutschland - Finnland noch nie überbrückt. Bisher hat die Fahrt mit Bahn und Schiff immer zwei Tage gedauert. Dafür befanden wir uns nach der Landung allerdings erstmal mitten im Wald, denn der Flugplatz Vantaa liegt eben doch ein Stück draußen. Zwischen den Bäumen lagen vereinzelte Schneereste. Wir hatten nun die Wahl zwischen dem Finnair-Expressbus und dem ordinären Linienbus (beide alle 20 Min). Da wir Zeit hatten, nahmen wir den von Connex betriebenen Linienbus, der 2 Euro billiger war.

Erstmals entrichteten wir einen Obulus im Ausland, ohne Geld wechseln zu müssen. Natürlich bezahlten wir im Bus mit Scheinen, um möglichst viele finnische Euro-Münzen wieder zu bekommen... Dass wir den langsameren Bus gewählt hatten, merkten wir nur insofern, dass er an allen Ausfahrten der Schnellstraße mit Fullspeed über Ausfädelungsspur, kurze Busspur mit Haltestelle und Beschleunigungsspur wieder auf die Autobahn zurück brauste.

Ein Doppelstock-IC nach Turku, links ein gemischter IC in die östlicheren Landesteile.
Am Hauptbahnhof von Helsinki angekommen, stopften wir unsere großen Rucksäcke erstmal in ein Schließfach und schauten uns den Zugverkehr an. Uns beeindruckten die gigantischen "IC2"-Doppelstockwagen, deren Wagenkästen sich dank des breiten finnischen Profils nach oben hin kaum verengen. Vor diesen Wagen wirkte die Zuglok in schweizer "Lok2000"-Bauart wie eine kleine Rangierlok.

Wir trieben uns dann doch länger als zunächst beabsichtigt am Hbf herum, da es einiges zu beobachten gab. Besonders interessant waren die Abfahrten der Russenzüge nachmittags nach Pietari (St Petersburg) und abends nach Moskau. Letzterer bestand aus ca 10 grünen Schlafwagen. Und vor jedem Schlafwagen stand an der Tür ein dienstbarer Geist in graublauer Uniform.

Zwischendurch machten wir uns dann allerdings doch mal auf zu einer kleinen Stadtbesichtigung. So wahnsinnig gefiel uns Helsinki allerdings nicht. Viele Straßenzüge machten mit ihren grauen Häuserfassaden einen finsteren Eindruck. Lediglich rund um die Tuomiokirkko gab es einen Platz mit netten Häusern.

Zurück am Bahnhof wollten wir im alt-ehrwürdigen Speisesaal essen. Bei näherem Hinsehen machte der aus der Ferne prächtig wirkende Saal allerdings keinen so ehrwürdigen Eindruck mehr, so dass wir Pizza-Hut in einer nahegelegenen Passage vorzogen. Aus der rein finnischen Speisekarte konnten wir leider nicht so recht schlau werden. Die von mir gewählte Pizza "Chicken-blue-cheese" mit Ananas erwies sich allerdings als gute Wahl.

Das Zuglaufschild des Nachtzuges (aufgenommen in Rovaniemi).
Bei der Rückkehr zum Bahnhof stand unser Zug schon bereit. Er war beschildert mit "Santa-Clauss-Express", denn Rovaniemi, unser Ziel, nennt sich ja "Santa-Clauss-City" (direkt am Polarkreis liegt der Weihnachtsmann-Freizeitpark). Unser Wagen 18 war der erste von 14 Personenwagen; hinzu kamen zwei Autotransportwagen. Natürlich warteten in unserem Wagen schon haufenweise lärmende Kinder...

P 61 Helsinki 19.24 > Rovaniemi 07.49

Die Motivation, 10 Wagen zurück zum Café-Wagen zu gehen, besaßen wir nun nicht mehr. Bis Tampere saßen wir auf dem Gang und hielten uns an der Selters-Buddel fest. Die Kinder waren bis auf ein gelegentlich schreiendes Baby zur Ruhe gekommen.

Sonntag, 17.02.2002: Nachtzug an Rovaniemi - Karasjok

Wieder einmal waren wir begeistert von den Riesen-Betten (das Breitspur-Breitprofil macht's möglich) und der Laufruhe des Wagens. Dennoch konnte ich nicht so gut schlafen, weil ich bei jedem Halt aufwache. Und manchmal hatte ich den Eindruck, dass der Zug mehr steht als fährt. Gegen Morgen leuchtete es von außen weiß herein. Wir hatten die Grenze zum Winter überschritten - hier im Norden war alles weiß.

Ab 5.50 ging dann das Geplärre wieder los. Zunächst war es nur aus dem Nachbarabteil zu hören, doch irgendwann vor Rovaniemi kam man sich vor wie in der Säuglingsstation eines Krankenhauses. Aus den offen stehenden Abteiltüren kam Babygeschrei in allen Tonlagen...

Rovaniemi: Der Winter hat uns empfangen. - In der Lok steckte mehr, als man ihr ansah: Sie hat unseren ausgewachsenen Zug mit 18 Wagen (davon 16 klimatisiert) von Oulu bis hier und weiter nach Kemijärvi bespannt.

Nach Ankunft in Rovaniemi konnten wir paar Stativ-Fotos machen. Die Dämmerung dauert in Skandinavien bekanntlich sehr lange. Ein Ansatz von "blauer Stunde" war zu sehen. Vor dem Himmel wurden einige hohe Wolken rot von der Sonne angeleuchtet. Unser Zug fuhr nach 1/2 Stunde Aufenthalt und um einige Wagen gekürzt als einziger Zug des Tages weiter über den Polarkreis ostwärts nach Kemijärvi. Der Film "Zugvögel" hatte ja bewiesen, dass man auch durchaus über Kemijärvi nach Inari (denn das lag auch auf unserer Route) gelangen kann, wenn man im Zug verschläft, doch wollten wir doch lieber auf unserer planmäßigen Route bleiben.

Das Bahnhofsrestaurant hatte freundlicherweise auch an Sonntagen ab 7.30 Uhr geöffnet. So stand einem Frühstück erstmal nichts mehr im Wege. Die Bedienung schaute sich interessiert die von uns erhaltenen deutschen Euro-Münzen an. Dann tauchten kurz hintereinander zwei Dinge auf: Erstens der P 67 aus Helsinki, der eigentlich nur FR auf SA sowie SO auf MO fahren soll und der wieder voller Kinder war (offenbar Ferienbeginn???), und wenig später die tief stehende Morgensonne.

Mit abgestellten Loks und Wagen in den tief verschneiten Bahnanlagen konnten wir nochmal kräftig die Auslöser betätigen, bevor es dann für knapp eine Woche hieß: Abschied nehmen von der Eisenbahn. Bevor der Bus endgültig mit uns in den Wäldern verschwinden würde, wollten wir gern noch unsere Sammlung von finnischen Euro-Münzen vervollständigen. Leider erfuhren wir an mehreren Stellen, dass es keine 1 und 2-Cent-Münzen gäbe. Diese seien einzig für die Starter-Kits in geringer Menge geprägt worden...

In Rovaniemi verlassen wir den Zug und steigen um auf die Gummieisenbahn.

Bus Rovaniemi 11.10 OEZ > Karasjok 18.05 MEZ

Die Busverbindung von Rovaniemi bis ins norwegische Karasjok (direkt hinter der Grenze) wird ganzjährig einmal am Tage angeboten. Bis Sodankylä herrscht reger Busverkehr, bis Ivalo und Inari schon deutlich weniger. Im Sommer gibt es weitere Busverbindungen nach Norwegen hinüber bis Kirkenes. Der Karasjok-Bus übernachtet im Sommer nicht dort, sondern nutzt die Nacht, um einmal bis zum Nordkapp und zurück zu fahren. Es handelt sich um eine private Buslinie, die leider auf Scanrail keine Ermäßigung gab.

Zwischen Rovaniemi und Sodankylä führt die Landstraße über die verschneite Landebahn eines Mini-Flugplatzes.
Für 52 Euro erhielt ich allerdings die bisher wohl längste Busfahrt meines Lebens. Im Preis inbegriffen waren übrigens 2,70 Euro Pikalisä (Schnellbuszuschlag) für das Stück bis Sodankylä und 3,70 Euro norwegische Steuer (für ca 5 km!!!). Beides war auf dem Fahrschein ausgewiesen. Die Besetzung des Busses lag ständig bei ca 15 Personen, wobei etwa 2/3 den Bus nur im Nahverkehr nutzten.

Unser Bus hatte nicht den für skandinavische Busse üblichen Sprung in der Windschutzscheibe, sondern derer gleich sechs! Dieser Umstand störte allerdings weder uns, noch unseren schon ziemlich russisch aussehenden Busfahrer, der übrigens die vollen acht Stunden durchhielt. Wenig verwunderlich war für finnische Verhältnisse, dass die Fahrt weitestgehend durch Wald verlief. Doch je weiter wir in Richtung Norden kamen, desto hügeliger wurde die Gegend und desto interessantere Ausblicke ergaben sich.

In Sodankylä gab es einen ersten längeren Stopp. 130 km durch die Einsamkeit lagen hinter uns. Links und rechts der Straße hatten zwar immer wieder kleinere Siedlungen gelegen, die aber meist nur aus Ferienhäusern bestanden. Einmal führte die Straße über die verschneite Landebahn eines Mini-Flugplatzes. Der Busbahnhof machte in seinem sozialistischen Outfit einen furchtbar öden Eindruck. Zwei Halbwüchsige lungerten auf einer Bank herum und amüsierten sich köstlich über paar Typen, die den Bus vor dem hässlichen Empfangsgebäude fotografierten... Nicht minder aufregend war das Leben im Stationscafé, wo paar einheimische Gestalten beim Bier vor sich hinstarrten.

Die Visitenkarte des Ortes? Der Busbahnhof von Sodankylä von außen und innen.

Auf der nächsten Etappe bis ins 175 km entfernte Ivalo sollten wir kaum noch Häuser zu sehen bekommen. Dann und wann lagen an einer Flussquerung mal paar Campinghütten, gelegentlich tauchte ein Bauernhof auf.

Links: Am einsamen Straßenrand warten Beförderungsfälle. Rechts: Das tiefstehende Licht verbreitet eine eigene Stimmung.

Ansonsten wurde es jetzt bergiger. Wenn mal eine platte weiße Fläche vor uns lag, die in der Ferne in weißen Nadelwald überging, so handelte es sich gewiss um einen See. Vereinzelt entdeckten wir Scooterspuren auf dem weiten Weiß dieser Flächen. Die Sonne war jetzt um 14 - 15 Uhr schon wieder dem Horizont gefährlich nahe gekommen. Doch gerade dieses tief stehende Licht und die immer wieder finster hinter den rötlich angestrahlten Bergen und Baumwipfeln drohenden Wolkenbänke verursachten ein beeindruckendes Naturschauspiel.

Eine der wenigen menschlichen Ansiedlungen zwischen Sodankylä und Ivalo.

Als in der Ferne eine größere menschliche Ansiedlung zu sehen war, dachten wir schon, dass jetzt Ivalo erreicht wäre. Beim Näherkommen merkten wir jedoch bald, dass es sich um einen Wintersportort größeren Ausmaßes handelte, der hier mitten in der Pampa lag. Unser Bus bog von der Hauptstraße ab und drehte eine Ehrenrunde durch Saariselkä, das fast wie Davos auf finnisch wirkte. Na ja, fast... Aber sowas hätte ich nicht gerade mitten in der lappländischen Pampa erwartet.

In Ivalo war mal wieder Rast-Stopp ohne Rast, denn die Busbahnhofsgastronomie hatte bereits geschlossen. Die Sonne war mittlerweile verschwunden und jetzt um 16.30 wurde es empfindlich frisch. Gerade hatte ich in einer unbeobachteten Ecke den Schnee gelb eingefärbt, da brauste plötzlich unser Bus vom Hof! Und unsere ganzen Habseligkeiten gleich mit! Schade eigentlich... Völlig mützen- und handschuhlos warteten wir nun 20 Minuten in der Kälte, bis der Bus zur Abfahrtszeit wieder auftauchte. Er hatte wohl mal an die Tanke gemusst...

Eine halbe Stunde hinter Ivalo konnten wir erste Blicke auf eine weit verzweigte weiße Fläche erhaschen. Der Inari-See (Inarinjärvi) lag in seiner ganzen winterlichen Schönheit vor uns! Die Ausdehnung des Sees von 80 km war nicht auszumachen, denn zahlreiche felsige Inseln blockierten die freie Sicht. Eine von ihnen muss Ukonkivi gewesen sein, wo der Film "Zugvögel" sein romantisches Ende nimmt. Im Ort selbst war ich mir nicht ganz sicher, ob der örtliche Gasthof tatsächlich derjenige aus dem Film war.

Mittlerweile war es 17.05 OEZ. Genau zwei Stunden bis 18.05 MEZ hatten wir noch durch den äußersten Nordzipfel Finnlands zu fahren und dennoch sollte vor Karasjok keine Ortschaft mehr kommen. Die lange Dämmerung ermöglichte uns bis kurz vor der Grenze noch ausreichende Sicht auf die Landschaft. Nur an Fotos war nicht mehr zu denken. Bevor wir von der nordwärts weiterführenden Hauptstraße westwärts in Richtung Karasjok abbogen, lud der Busfahrer an einer kleinen Raststation Zeitungen ein.

Auf der einspurigen Nebenstraße kam uns für ca 3/4 Stunde kein einziges Auto entgegen. Das weiße Band der Piste leuchtete schnurgerade vor uns und führte in ständigem Auf und Ab geradewegs auf die letzte Tageshelligkeit im Westen zu. Von Hütten entlang der Straße war nichts zu sehen. Nur die Postkästen, deren weiße Schneehauben im letzten Dämmerlicht des Tages von weitem leuchteten, waren zu erkennen. Sie wurden von unserem Busfahrer mit den sicher sehr weit gereisten Zeitungen gefüttert.

Kurz vor der Grenze war auch der letzte Schein von Tageshelligkeit verschwunden und nur noch die Sichel des zunehmenden Mondes verbreitete ihr kaltes Licht vom klaren Himmel. Durch die Reflektion auf der Schneedecke herrschte eine ordentliche Helligkeit, die im Laufe unserer Tour von Nacht zu Nacht intensiver werden sollte. Unsere Rückreise nach Deutschland würde bei Vollmond stattfinden, doch das nur am Rande...

In Karigasniemi, dem finnischen "Grenzbahnhof" gab es nochmal einen viertelstündigen Raststopp, den wir eher als überflüssig empfanden, weil bis Karasjok nur noch ca zehn Minuten zu fahren war. Der Busfahrer knipste alle Leselampen des Busses an und erklärte das damit, dass die Grenzer schließlich was sehen wollten. Na ja, EU-Außengrenze halt... Die finnischen Grenzer winkten uns müde durch, auf norwegischer Seite gab es keinen Grenzposten und wenn an der Ankunftshaltestelle in Karasjok Zollbeamte gestanden hätten, so wäre für sie nichts zu tun gewesen, denn einige verwegen aussehende Typen mit großen Einkaufstaschen, aus denen Flaschengeklimper zu hören war, hatten den Bus bereits am Ortsanfang von Karasjok verlassen...

Die Busfahrt endete geradewegs vor dem Rica-Hotel, das die einzige Übernachtungsmöglichkeit im Ort darzustellen schien. Die Übernachtung kostete pro Person ca 75 Euro - durchaus normal für norwegische Verhältnisse. Ein Vandrerhjem hätte leider ein ganzes Stück außerhalb auf einer Husky-Farm gelegen. Unser Zimmer war o.k.; allerdings sind Vandrerhjem-Zimmer in der Regel auch nicht bedeutend schlechter. Das Hotel sah von außen nüchtern aus, strahlte mit seinem großen Kamin im Foyer aber eine typisch skandinavische Gemütlichkeit aus.

Die alte Holzkirche von Karasjok.
Ein Abendspaziergang führte uns nochmal in den Ort runter, wo wir die angeleuchtete Holzkirche mit Stativ fotografierten. Dabei ohne Handschuhe rumhantiert, was mir bei der mittlerweile herrschenden eisigen Kälte von den Fingern mit einer gewissen Gefühllosigkeit quittiert wurde. Das Thermometer vorm Hotel zeigte zwar nur 20 Grad (hier und im Folgenden ist natürlich nicht mehr von Plusgraden die Rede...), doch tat der eisige Wind ein Übriges.

Zurück im Hotel belohnten wir uns mit einem netten Abendessen, das für mich aus Rendyrkarbonader (Rentier-Hacksteaks) bestand. An den Nachbartischen sammelte sich das "Sametinget", das Parlament der samischen Minderheit, das hier in Karasjok seinen Sitz hat und sich vor seiner Sitzung offenbar erstmal stärken wollte. Die ganze Inneneinrichtung des Restaurantes mit seiner hohen Holzdecke bildete einen passenden Rahmen dafür. - Nach 461 km Busfahrt durch ein finnisches Wintermärchen konnten wir vorzüglich schlafen...

Montag, 18.02.2002: Karasjok - Tana bru

Nach dem Aufstehen blickten wir in eine graue Wolkenwand. Ansonsten ließ sich die Szenerie vorm Fenster mit "Winter" beschreiben. Die Bäume trugen fette Schneepakete, denen offenbar auch der gestrige Sonnenschein nichts hat anhaben können.

Auf der Website der Rica-Hotel-Gruppe stand etwas von "Norges storste frokostbuffet". Dies auszutesten hatten wir uns als ersten Programmpunkt des Tages vorgenommen. Nun ja, die Größe des Buffets brachte eine gewisse Ernüchterung mit sich und ich war mir sicher, dass es in Norwegen durchaus größere Frühstücksbuffets geben würde (dies sollten wir auch noch bestätigt finden...). Lecker war das Dargebotene aber allemal und so konnten wir gut gestärkt eine Runde durch den Ort in Angriff nehmen.

Der Ausbund an Hässlichkeit: Würstchenbude und Betonkirche am zentralen Platz von Karasjok.
Was wir sahen, war einer dieser typischen nordskandinavischen Orte mit einer Straßenkreuzung, zwei Tankstellen, einem Supermarkt und einigen Geschäften. Alles in reiner Zweckbauweise erbaut, so dass fürs Auge nichts erfreuliches zu tun war. Eine Betonkirche hinter einer verwahrlosten Pølserbude (Würstchenbude) wirkte so hässlich, dass das Ensemble fotografiert werden musste. Auf der anderen Flussseite gab es ein etwas neueres Einkaufszentrum in Holzbauweise, das einen freundlicheren Eindruck machte.

Bus Karasjok 12.40 > Tana bru 15.25

Unser erster Kontakt mit den markant in gelb und rot lackierten FFR-Bussen. Es handelte sich um ein Modell, das vorn einige Sitzreihen für Fahrgäste und hinten eine große LKW-Ladefläche besitzt. Der Bus kam von Hammerfest und setzte seine Fahrt nach einer längeren Pause mit uns an Bord in Richtung Kirkenes fort. Das von uns benötigte Streckenstück wird nur montags, mittwochs, freitags und sonntags bedient. Wenn wir also den Bus verpasst hätten, hätten wir zwei Tage auf den nächsten Bus warten müssen. Glücklicherweise wussten wir, dass der Bus nicht vorm Hotel (wie der finnische Bus), sondern von einem separaten FFR-Busbf abfahren sollte.

Die Busfahrt war eher unspektakulär. Da es ständig im Tal des Tana-Flusses entlang ging, waren die Ausblicke stark eingeschränkt. Die nördlichere Straße, die Tana und Kirkenes mit dem Rest Norwegens verbindet, führt über einen Gebirgszug hinüber und ist sicher aufregender. Allerdings ist der Gebirgsabschnitt im Winter gesperrt, so dass unsere Route entlang der finnischen Grenze die einzige Anbindung der Varanger-Region an das übrige Land darstellte.

Eine einsame Straße. Kein Haus weit und breit. Kein Auto weit und breit. Doch montags und mittwochs erwacht diese Stelle kurz nach Mittag zum Leben. Zwei Linienbusse halten hier an und tauschen ihre Fahrer aus.
Das Tal war sehr einsam. Oft war kilometerweit kein Haus zu sehen und Autoverkehr gab es hier so gut wie keinen. An einer dieser besonders einsamen Stellen steuerte unser Fahrer den Bus plötzlich in eine Haltebucht, ohne dass dazu ein Anlass erkennbar gewesen wäre. Die Durchsage des Fahrers gab den Aufschluss: Wir warten auf den Gegenbus - dies könnte einige Minuten dauern. Als der Gegenbus dann kam, tauschten die beiden Fahrer ihre Plätze und weiter ging es.

Insgesamt waren neun Fahrgäste im Bus. Zwei davon gingen etwas auf die Nerven. Sie spielten irgendwelche Handy-Spiele, die sich für uns in Form von elektronischem Gefiepe bemerkbar machten. Für eine zweite Geräusch-Untermalung sorgte der Bus selbst: Der Keilriemen gab bedenkliche Laute von sich. Na ja, machte ja nichts. Wenn wir liegen geblieben wären, hätten wir ja den nächsten Bus nehmen können... An einer kleinen Fjellstua gab es eine kurze Pause, die für einen Kaffee genutzt werden konnte.

Nach 170 km gen Nordosten nahmen im Einzugsbereich von Tana bru Besiedlung und Verkehr wieder leicht zu. Besonders erstaunt waren wir, dass der Bus hier von einigen Leuten für Kurzstrecken genutzt wurde. Bleiben diese Fahrgäste dienstags, donnerstags und samstags, wenn kein Bus fährt, zuhause??? Als wir in Tana bru auf dem FFR-Hof eingelaufen waren, wurden wir von Ruth und Einar begrüßt.

Peter hatte die beiden vor vielen Jahren mal auf einer Radtour hier oben kennen gelernt. Er war auf offener Straße von Ruth angesprochen worden, die es interessant fand, dass hier oben jemand mit dem Rad unterwegs war. Als sie hörte, dass Peter eine Unterkunft suchte, lud die gastfreundliche Dame Peter ein, doch bei ihr zuhause zu übernachten. Dadurch war ein langjähriger Kontakt entstanden und natürlich "musste" Peter, wenn er schon in dieser abgelegenen Gegend war, bei Ruth und Einar reinschauen.

Das Wahrzeichen von Tana bru: Die Tana bru.

Das war uns recht, denn Tana bru ist aufgrund seiner Lage am Zusammentreffen mehrerer Landstraßen ideal als Ausgangspunkt für Touren in die Umgebung - auch per Bus. In dem kleinen Holzhäuschen, das in einer nahen Wohnsiedlung lag, bekamen Peter und ich sogar Einzelzimmer. Die Aufnahme war sehr herzlich. Ruth, die im örtlichen Kinderkrankenhaus in der Psychatrie arbeitet (erstaunlich, was für Infrastruktur es hier oben gibt!), erzählte nun in einer Tour und wir gaben uns Mühe alles zu verstehen. Einar, seines Zeichens Straßenbauer im Ruhestand, war da schon bedeutend ruhiger, zeigte sich aber sehr interessiert an dem, was wir so machen.

Ansonsten verbrachten wir den Abend mit Essen. Ruth hatte Lachs gekocht; dazu gab es Kartoffeln und Salat. Einfache Hausmannskost auf norwegisch - genau das, was wir wollten. Wenn man sich in Norwegen selbst versorgen muss oder Essen geht, ist ja eher Pizza angesagt... Nach dem Abendessen zogen wir nochmal los und machten paar Stativaufnahmen in der tief verschneiten Siedlung. Dabei konnten wir auch ein leichtes Nordlicht beobachten, denn die geschlossene Wolkendecke des Tages löste sich am Abend auf. Eine Scooterspur, die am Ende der Siedlung aufwärts in die umgebenden Hügel führte, brachte uns zu einem Aussichtspunkt, an dem wir nicht mehr durch die Lichter der Siedlung geblendet wurden. Zum Nachtkaffee gab es selbst gesammelte Moltebeeren mit Sahne. Lecker...

Fortsetzung

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