Skandinavien Herbst 2000 (4)

Copyright by Jan-Geert Lukner

Freitag, 08. September 2000: Nachtzug an Oslo - Notodden

Mit der Zweibettabteil-Reservierung hatte ich auch ein Frokostbillet bekommen, das man in Oslo wegen Umbau des Hauptbahnhofes nicht im Caroline-Café, sondern im Café Egon einlösen durfte. Und dort wurde so richtig aufgetischt! Die Auswahl war so groß, dass man keinesfalls alles probieren konnte. Endlich kam ich mal wieder in den Genuss dieser leckeren Pfannkuchen, die man einfach statt Brot mit Marmelade bestreichen konnte.

Soweit der erfreuliche Teil des Tages. Danach wurde die Sache ziemlich motivationslos. Eigentlich hatte ich gegen 11 Uhr mit einem Zug der Bergenbahn nach Hønefoss fahren wollen, der wegen Bauarbeiten an MO-FR den mir noch unbekannten Weg über Roa nehmen sollte (so hatte ich es vor meiner Abreise dem Internet entnommen...). In Wirklichkeit nahm er aber leider nur an MO-DO die Umleitung. Die Sache konnte ich mir also schenken. Was also weiter tun? Für die nächsten Tage war durchwachsenes Wetter angesagt. Ich beschloss, mich in meinem Stammquartier in Kongsberg (Vandrerhjem) anzumelden und mich von dort aus - soweit es das Wetter zulassen würde - um die Bm68 auf der Bratsbergbahn zu kümmern. Dumm nur, dass es dort auch nur noch Einzelzimmer für 600 NOK gab... Daher umdisponiert, denn zum Hotelpreis würde ich auch direkt an der Bratsbergbahn unterkommen können.

Signatur 77 Oslo S 11.11 > Nordagutu 12.52+12

Trotz des Freitages bekam ich noch Platz. Die Wagen sind so dämlich konstruiert, dass die Insassen unseres Großraums durch den Caféwagen zu den Plätzen gehen mussten. Und spätestens ab Kongsberg saßen dort die Soldaten kreuz und quer auf dem Fußboden. Ab Meheia bekamen wir zu allem Überfluss auch noch Abstand zu einem Di8-geführten Schotterzug.

Rt 2582 Nordagutu 13.00+31 > Notodden 13.22+31

Wir durften noch auf den "leicht" verspäteten Signatur von Kristiansand warten, dann ging's auch "schon" los...

Noch erreichen die Altbau-Triebwagen der Reihe Bm68 (hier der Steuerwagen) den Bahnhof Notodden.

In Notodden angekommen machten sich einige größere Wolkenlöcher bemerkbar. Ich konnte den Bm68 neben schwedischen Y1-Triebwagen fotografieren, mit denen die Timetåg AS ab November die Bratsbergbahn im Stundentakt bedienen will. Rechtzeitig zur Ausfahrt nach Nordagutu verschwand die Sonne natürlich. Nun, ich hatte ja noch den ganzen Nachmittag Zeit für Fotos. Dachte ich jedenfalls.

Erstmal stand die Beschaffung einer Unterkunft auf dem Programm. Billige Unterkunft? Jaaa, da draußen beim Flugplatz gäbe es einen Campingplatz. Ist nur 4 km entfernt... Da hatte ich mit dem großen Rucksack auf den Schultern dann doch nicht die Meinung zu. Blieb noch das scheinbar einzige (und somit auch erste) Haus am Platze, das Norlandia Telemark Hotel. Da wurde ich satte 175 DM für die Nacht los und erhielt dafür ein ziemlich verwohntes Zimmer. Aber irgendwie hatte ich heute zu nix mehr ne Meinung. Das steigerte sich dann noch, als der nächste Triebwagen von Nordagutu in Notodden aus dem kleinen Tunnel in den Modellbahn-verdächtigen kleinen Bahnhof einfuhr und die Sonne justemente in dem Moment auftauchte, als der erste Wagen an mir vorbei war. Und es kam noch besser. Die Strecke führt hier am Felsen oberhalb eines Sees entlang. Für die Rückfahrt nach einer Stunde wollte ich mir ein Motiv mit Seeblick aussuchen. Etwas irritiert war ich nur, als der Triebwagen sofort wieder aus dem Bahnhof zurückbretterte. Angesichts der Signatur-Verspätungen hatte ich in meiner grenzenlosen Naivität gedacht, dass vielleicht noch einige gestrandete Reisende von Nordagutu abzuholen wären. So freute ich mich denn auch zunächst über diese zusätzliche Zugfahrt...

Länger und länger wurde mein Gesicht, als um 18.08 Uhr, als der Zug planmäßig wieder Notodden hätte verlassen sollen, noch immer nichts zu sehen war. Irgendwann gab ich es dann auf und fragte den Fahrdienstleiter, ob denn der Zugverkehr eingestellt worden sei. Er schaute mich bloß mit großen Augen an und meinte "wieso"? Auf meinen Hinweis darauf, dass der Zug um 18.08 Uhr irgendwie nicht gefahren sei, meinte er, dass der sehr wohl gefahren wäre. Als Maxi-Taxi...

Vor meinem Urlaub war der Zugverkehr zwischen Nordagutu und Notodden wegen Lokführermangel zeitweise ganz eingestellt gewesen. Den Bm68 war die Zulassung für den Einmannbetrieb vom norwegischen EBA entzogen worden. Prompt hatte die NSB den Lokführer der einen Einheit abgezogen und als Zugbegleiter auf der anderen Einheit eingesetzt. Nach Ferienende hatte man allerdings Rentner und Azubis als Zugbegleiter angeheuert. Doch ich wusste nicht, dass diese um 18 Uhr Feierabend haben...

Für mich war also auch Feierabend. Völlig frustriert im Zimmer die Glotze angemacht und den Rest des Tages vor dem Fernseher verbracht. Ich hatte keine Lust mehr, den örtlichen Wasserfall zu besichtigen oder einen langen Fußmarsch zu einer Stabkirche zu unternehmen. Da der Fahrdienstleiter den Maxi-Taxi-Verkehr für das ganze Wochenende angekündigt hatte, beschloss ich, morgen gleich nach einem Super-Luxus-Frühstück (denn das musste es bei dem Übernachtungspreis ja wohl geben?!?) in Richtung Oslo zu starten.

Samstag, 09. September 2000: Notodden - Nachtzug ab Oslo

Hmm, das Frühstück in der JH Trondheim stand dem heutigen Frühstück in nichts nach... Es gab nur noch eins: Weg hier!

Timeekspressen Notodden 09.55 > Kongsberg 10.35+5

Der Timeekspress ist eine Busverbindung im Stundentakt von Oslo nach Notodden (rund um die Uhr!) und kommt bei der Bevölkerung sehr gut an. Weitere Timeekspress-Buslinien sind mittlerweile entstanden und nun soll bereits genannte Timetåg AS dieses Konzept auch auf eine Nebenbahn übertragen, die durch einsame Gegenden führt. Mal sehen, ob das ankommt... Mein Timeekspress-Bus war ab Notodden zu 100% besetzt und ich war froh, dass ich ab Kongsberg auf die S-Bahn umsteigen konnte. Meine Fahrkarte war gestern abgelaufen und ich musste nun alle Fahrten einzeln bezahlen. Dennoch wählte ich lieber den Schienenweg.

Lt 520 Kongsberg 10.50+5 > Drammen 11.39

Zwei "ICE"-Triebwagen der Reihe Bm70 in der alten roten Farbgebung begegnen sich in Drammen.

Die Abfahrtsverspätung hatte ihre Ursache in einem verspäteten Signatur, der noch vorgelassen wurde. Das Wetter war ganz nett, so dass ich in Drammen einfach mal ganz zwanglos ausstieg. Dort gibt es eigentlich immer mal was zu sehen... Vielleicht würde ja als Lt von Hønefoss ein Bm68 einfahren. Statt dessen tauchte jedoch ein Bm69 mit Ganzwerbung für "melksjokolade" auf. Sah ganz witzig aus. Dann gab es noch zwei Bm70 zu fotografieren. Einstmals wurden diese Züge als "ICE" vermarktet, doch mittlerweile gehören die Triebwagen eher zum "alten Eisen" und erhalten äußerlich eine Umlackierung in das neue Farbkonzept als "Agenda".

Lt 522 Drammen 12.39 > Oslo S 13.18

Unterwegs Ausschau nach Motiven an diesem wohl am stärksten befahrenen norwegischen Streckenstück gehalten. Denn so schön wie das Wetter zur Zeit aussah, wollte ich einfach mal an dieser stark befahrenen Strecke paar Fotos machen. Für eine Bm68-Aktion auf der südlichen Bratsbergbahn, wo die übrig gebliebene Einheit im 2-4h-Takt pendelte, waren aber doch zu viele Wolken am Himmel. Den großen Rucksack steckte ich ins Schließfach und fuhr zur weiteren Erkundung nochmal bis Asker. Die Motivfindung war nicht einfach, da die Strecke teilweise sehr zugewachsen ist oder sich zwischen unzugänglichen Felsen entlang schlängelt.

Lt 2137 Oslo 13.53 > Asker 14.25

Lt 2140 Asker 14.38 > Sandvika 14.50

Ein Bm69 verlässt als Osloer "S-Bahn" den Bahnhof Sandvika.

Einen potentiellen Fotostandpunkt glaubte ich auf dem Parkhaus des Sandvika Storcenter ausgemacht zu haben. Da stand ich dann bald im dicksten Samstags-Einkaufsverkehr (allerdings in einer ruhigen Ecke) mit Super-Ausblick auf die Strecke, die auf einem alten Viadukt durch die Stadt führt (von dem Viadukt sieht man wegen Bewuchs leider weniger). Hinter den Häusern der Stadt diente ein markanter felsiger Berg, ein See und der Bahnhof mit markanter Übergangsbrücke als Background. Und es kam so einiges durch. Natürlich waren es meist Bm69er (leider ohne Ganzwerbung). Ein Signatur kam ohne Sonne, dafür ein Bm70-Ersatzpark mit alten Bergenbahn-Wagen mit Sonne. Der Bergenbahn-Express selbst wurde leider durch einen Flughafenzug verdeckt, doch diese "Flytog" brachten weitere Abwechslung ins Spiel. Und es kam sogar eine einzelne Di8 durch.

Lt 2148 Sandvika 16.50 > Oslo-Nationaltheatret 17.07

Da haben die doch glatt einen völlig neuen unterirdischen Bahnhof Nationaltheatret für die West-Ost-Richtung gebaut. Der neue Bahnsteig ist nicht ganz so finster wie der alte und ist durch ganz nette Kupfer-Elemente verziert.

An der Erdoberfläche musste ich feststellen, dass die Geschäfte nur noch eine halbe Stunde geöffnet haben würden. Schnell bei Cubus zwei ganz nette Outdoor-Hosen für 75 DM/Stück und in der Karl-Johanns-Gate einen Norweger-Pullover für 125 DM erstanden (ich finde die Dinger ja soooo schööön...). Bei Klamotten ist Norwegen interessanterweise billiger als Deutschland. Der Verkäufer bei Cubus hat mich gleich als Deutschen enttarnt, weil ich 150 DM in bar bezahlen wollte ("mit so alten Zahlungsmitteln bezahlen nur Deutsche"...).

Nun das abendliche Flair der Stadt mit ihren zahlreichen Straßenmusikern genossen. Eine wunderschöne Atmosphäre. Plötzlich war auch sie wieder da - die Skandinavian Light Show! Das tief stehende Sonnenlicht beleuchtete Fassaden und Flaggen an der Karl Johann mit vollster Intensität von hinten und erzeugte grell leuchtende Farben. Auch mit Rathaus und einem Springbrunnen davor waren interessante Lichtspiele zu fotografieren. Ein Mann sprach mich an, ob ich nicht Bilder von seinem Sohn machen wolle, wie er mit seinem Fahrrad im Springbrunnen Kunststücke vorführt. Wäre nett gewesen, doch leider begann die Sonne hinter Akerbrygge zu versinken.

Die "Skandinavian Light Show" hat Oslo erreicht. Blick entlang der "Karl-Johann" zum Schloss und der Springbrunnen vor dem Rathaus.

Nun noch auf eine Bank am Waser gesetzt. Dabei noch eine Weile mit einem Norweger auf der Nachbarbank unterhalten. Von der Festung Akershus wehte Livemusik herüber, die Wellen rauschten und über einem der blaue Abendhimmel. Schöööön! Mit einem Schlenker über Akershus, wo ich gern ein Stativ gehabt hätte, um ein Grillfest mit Fackeln und besagter Livemusik vor der angestrahlten Festung zu fotografieren, ging es zurück zum Bahnhof, wo ich noch ne Stunde das abendliche Treiben beobachten konnte.

Nt 393 Oslo S 23.00 > Malmö 06.35

Obwohl der Zug recht leer war, musste ich mir das T3-Abteil mit zwei anderen teilen. Der eine war ein "afrikanischer Norweger", der mit drei dicken Koffern angeschleppt kam, von denen er einen auch noch in die Gepäckablage über meinen Rucksack quetschte.

Sonntag, 10. September 2000: Nachtzug an Malmö - Hamburg

In diesen internationalen Nachtzügen gibt es natürlich keine Serviceleistungen wie ausschlafen bis 8 Uhr, Frokostbilletter, Check-in-Schalter usw. So war dann auch nach Ankunft in Malmö nix zum Frühstück zu organisieren.

Der Nachtzug "Nils Holgerson" aus Berlin hat sein Ziel Malmö erreicht. Mittlerweile ist dieser Nachtzug von einem privaten Anbieter übernommen worden und führt slowakische Schlafwagen.

Der Nachtzug aus Stockholm kam um 06.51-6 an und mit ihm Lars auf dem Rückweg von seinem Camp in Idre. Zusammen wollten wir nun noch mit der Fähre Trelleborg - Sassnitz fahren. Bis zur Abfahrt des IR "Kurt Tucholsky" nach Berlin mussten wir allerdings noch den ganzen Vormittag rumbringen. Nach einer Runde durch die sonntäglich-verschlafene Stadt, auf der wir auch nichts zu beißen bekamen, aßen wir im Bahnhof bei einem inzwischen geöffneten Steh-Café unter Mit-Nutzung der Stühle von Burger King ein original-schwedisches Smörgås mit Hühnchenfleisch (andere waren noch nicht fertig...). Dann beschlossen wir, mal kurz in København vorbei zu schauen. Denn die große Brücke haben wir ja erst einmal bei Dunkelheit befahren.

Øresundtog Malmö 08.29 > København Østerport 09.13

Vom Bahnhof Østerport aus zum Hafen gegangen, wo eine Festungsanlage mit wunderschöner Parkanlage zum Verweilen einlud. Auf der Festungsinsel befanden wir uns plötzlich inmitten von Soldaten, die die alte Festungsinsel noch immer zu ihrem Zwecke nutzten. Es hatte aber niemand etwas gegen einen Sonntagsspaziergang in den Anlagen einzuwenden.

Øresundtog København Østerport 10.27 > Malmö 11.11

Auf dieser Fahrt bekamen wir sogar einen der neuen und längst noch nicht vollständig ausgelieferten Øresund-Triebwagen (Zweisystem-Fahrzeug), nachdem wir bisher immer mit irgendwelchen ungereinigten IC3-Einheiten (Diesel) vorlieb nehmen mussten. Einmal stand sogar noch die Kaffeekanne vom Vortag im Abteil (das Alter des Kaffees ist von Lars allerdings nur vorsichtig geschätzt...).

IR 317 Malmö 12.02 > Stralsund 18.00

Der IR "Kurt Tucholsky" bestand aus zwei Wagen, in denen zwei normale Abteile einfach zu 1.Klasse-Abteilen erklärt worden waren.

Die dreieinhalbstündige Überfahrt von Trelleborg nach Saßnitz verbrachten wir an Bord des FS "Saßnitz", auf dem wir zunächst einmal lecker zu Mittag essen konnten. Eigentlich hatten wir ja auf ein Buffet gehofft, doch angesichts der wenigen Gäste hätte sich das vielleicht nicht so sehr gelohnt...

Da ich den Fährhafen Saßnitz-Mukran noch nicht kannte, reiste ich nun also auch über einen für mich neuen Weg wieder nach Deutschland ein. Während des Aufenthaltes am Bahnsteig besichtigten wir kurz den neuen "Tower" mit der Aussichtskanzel. Und natürlich musste der IR am Bahnsteig fotografiert werden, da die Zukunft dieser Fernverkehrsverbindung nach allem, was man so hört, wohl ziemlich schlecht aussieht. In Stralsund trennte ich mich wieder von Lars, der weiter nach Berlin musste.

IR 2130 Stralsund 19.05 > Hmb-Bergedorf 22.06+38

Die Fahrt war trotz sonntäglicher Fülle sehr angenehm, wenngleich sie die wohl größte Verspätung der Reise mit sich brachte. Nun, die Signalstörung in Buchenhorst (+13) und der Steuerwagenschaden in Rostock, wegen dem die Lok umlaufen musste, waren halt Pech...

So kam ich also wieder gesund und munter zuhause an. Es bleiben die Erinnerungen an die einsame Weite auf dem Saltfjell, an Sonnenuntergänge über dem Skjerstadsfjord und Zugfahrten durch eine der schönsten Landschaften Europas. In der Erinnerung und auf den Fotos wird sie mir erhalten bleiben: Die Skandinavian Light Show...

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