Skandinavien Herbst 2000 (1)

Copyright by Jan-Geert Lukner

Allen, die einen "normalen" Reisebericht erwarten, sei gesagt, dass diese Reise einzig und allein ein Ziel verfolgte. Zwei sehr interessante Fahrzeug-Baureihen sollten sich voraussichtlich noch in diesem Jahr von den norwegischen Bahnlinien verabschieden: Die Di3 (also die in ganz Europa unter Eisenbahnfreunden sehr beliebte "NoHAB"-Lok) und die weniger bekannte urig wirkende Elektrotriebwagen-Baureihe Bm68. Von diesen Fahrzeugen wollte ich gern nochmal so richtig viele schöne Bilder machen. Jedenfalls so viele, wie das norwegische Wetter zulassen würde... Eine Skandinavien-Reise, die einzig dem Zweck der Eisenbahnfotografie dient, lässt leider viele touristisch interessante Aspekte links liegen. Angespannt müssen Wetterberichte in Zeitung und Fernsehen studiert werden, nur um möglicherweise festzustellen, dass sie sich doch gegenseitig widersprechen. So war auch diese Reise lange einfach nur von der Suche nach schönem Wetter geprägt. Erst in Urlaubsmitte sollte sich das Bild zum Erfreulichen wenden. Dieser Reisebericht handelt von einer Fahrt, die Frust und Freude der Eisenbahnfotografie in ihrer extremsten und nervenzermürbendsten Weise mit sich brachte.

Sonntag, 27. August 2000: Hamburg - Tønder - Nachtzug ab Malmö

Die Wege von An- und Abreise brachten je zwei interessante Aspekte mit sich. Die Reise begann und endete mit Fernzügen ab und an Hamburg-Bergedorf und führte hin und zurück über unbekannte Pfade aus Deutschland hinaus bzw nach Deutschland hinein. Weder über Tønder noch über den Fährhafen Saßnitz (ex Mukran) war ich je zuvor gefahren. Last but not least stand die allererste Fahrt meines Lebens nach Norwegen ohne die Benutzung auch nur einer einzigen Fähre bevor.

Auf dem ersten Abschnitt der Reise begleitete mich Lars Steigemann, der dann später jedoch eine Trekkingtour vom schwedischen Idre aus geplant hatte.

IC 832 Hamburg-Bergedorf 09.43 > Niebüll 12.28

Re 5642 Niebüll 13.02+5* > Tønder 13.30 *Kreuzung Autozug

Nun weiß ich auch, weshalb in Bergedorf zwei Fernverkehrsautomaten nebeneinander stehen. Während ich mit einem solchen Kasten einen Dialog über eine Reise nach Niebüll führte, war nebenan eine dialogbasierte Verkaufsverhandlung für Lübeck in Gange.

In Niebüll gab es erste Fotos: Eine rangierende NVAG-Kurswageneinheit und der ankommende DSB-VT. Die Strecke nach Tønder wird nicht gerade schnell befahren. Zur Belustigung der Mitreisenden ließen wir uns vom dänischen Grenzer Stempel in unsere Reisepässe geben. Eine würdige Einweihung meines neuen Reisepasses!

In Tønder fand gerade das "Tønder-Festival" statt. Wir packten die großen Rucksäcke ins Schließfach (ein Problem mit dem Schloss wurde von dem Verkäufer der mit einem Kiosk kombinierten Fahrkartenausgabe unbürokratisch behoben, indem er uns einfach ein neues 5 DKK-Stück gab...).

In der Haupt-Abreisewelle des Tønder-Festivals fährt rollt ein Zweiteiliger VT von Niebüll ein, der sogleich gestürmt wird.

In der Fußgängerzone herrschte dann Highlife. Auf zahllosen Bühnen musizierten Straßenmusiker. Es gab fetzige Folklore aus allen Teilen der Welt, aber auch aktuelle Rocksongs und Oldies. Einige packten allerdings auch schon zusammen; das Festival hatte heute seinen letzten Tag. Eine mexikanische Truppe packte ihren ganzen Kram in riesige, aber irgendwie handliche Segeltuchtaschen. Wir lästerten, dass wir die bestimmt im nächsten Zug wiedersehen würden.

Mit einem Wechsel von Chili-con-carne- und Musikgenuss verging der zweistündige Aufenthalt wie im Fluge. Ein Musiker sah äußerlich etwas wie "Vadder Abraham" aus. Seine Musik ebbte manchmal in ein Vor-sich-hingebrabbel ab, doch bei dem Lied "Livin' next door to Alice" brüllte er laut den Refrain, woraufhin die ganze Fußgängerzone brüllte "Alice - Who the fuck is Alice!" Durch Imitat von Hundegebell verarschte er dann noch einen anwesenden Hund, der dadurch sichtlich verunsichert wirkte...

Am Bahnhof führte die DSB dann vor, wie die Teilnehmer eines großen Festivals in einen zweiteiligen Triebwagen passen...

Re 5652 Tønder 15.32 > Esbjerg 16.55

Lars konnte noch einen Platz im Großraum ergattern. Ich teilte mir das Mehrzweckabteil u.a. mit einer Gruppe von Mexikanern mit sehr großen Segeltuchtaschen... Allerdings hatte ich noch leidlich Platz.

In Esbjerg ein Stück in die Stadt gegangen. Aus einer Kneipe kam ganz nette Musik und davor war ein Schild "Øl 10 DKK". Lars wollte da unbedingt rein; mir erschien die Kneipe sooo geheuer dann allerdings doch nicht. Nun, irgendwie waren wir dann doch hinein geraten; bei der Suche nach einem Platz wurden wir etwas durch die Kellnerin blockiert, die gerade einen Besoffenen zum Tanz auffordern wollte. Dann entdeckte sie uns... Das Bier kostete statt 10 dann doch 20 DKK und für den Musiker, der einen Heidenlärm veranstaltete, ging dann auch noch der Hut rum. Mit den 10 DKK, die ich drauflegte, war sie nicht zufrieden. Nun hatte ich nur noch ein 20 DKK-Stück... Tja, soviel zum Thema "Esbjerg"...

IC 461 Esbjerg 17.55 > Fredericia 18.58+7

Der Zug hielt als IC an jeder die Bahn kreuzenden Straße an... Unterwegs VT-Probleme, daher leichte Verspätung erhalten.

IC 156 Fredericia 19.09+9 > København 21.18

Dieser Zug bestand aus fünf voll besetzten IC3-Garnituren. Die elektronischen Anzeigen für Wagennummern und Platzreservierungen taten's nicht so ganz, so dass es eine Weile dauerte, bis die Reisenden verteilt waren.

Re 1406 København 21.36 > Malmö 22.11

Da es noch nicht genügend Öresundtog-Elektrotriebwagen gab, bestand dieser Zug aus zwei IC3-Einheiten. Leider gab es hier weder Kaffee noch Gebäck in der ersten Klasse... Die Lichter der schwedischen Küste rückten diesmal deutlich schneller näher als bei vorangegangenen Touren. Mehr bekamen wir von der neuen Öresundbrücke allerdings nicht mit.

Nt 390 Malmö 23.00 > Oslo 07.00

Nach zwei Flaschen Wein in unserem Abteil schlief ich wie ein Stein. Nur das Aufstehen fiel schwer...

Montag, 28. August 2000: Nachtzug an Oslo - Trondheim

Der Osloer Hbf wurde im Bereich der Haupthalle gerade umgebaut. Erstmal den Wetterbericht in den Zeitschriften gecheckt; das Ergebnis war eher ernüchternd. Da allerdings auch im (sonst oftmals schöneren) Süden, dem Einsatzgebiet der Bm68, keine Sonne zu erwarten war, beschlossen wir, gleich weiter nordwärts zu fahren - mit dem Signatur-Zug. Riesen-Schock dann, als wir forsch die 1. Klasse-Reservierung bestellten und uns der Preis gesagt wurde. 250 NOK sollten wir allein für die Reservierung bezahlen! Wir probierten jedoch einfach mal aus, was wir denn für 62 DM Zuschlag bekommen würden. [Zuschlag 2.Klasse: 25 NOK].

Signatur 43 Oslo S 08.48+4 > Trondheim 14.50+20

Die Reservierung führte uns in einen Wagen mit gelben Ledersitzen, auf denen es sich ganz angenehm reisen ließ. Allerdings nervten die Kopfstützen, die ständig nach unten rutschten. Unsere Plätze befanden sich in einer Vierersitzgruppe (die Frage, weshalb ich in Skandinavien dauernd Plätze in Vierergruppen bekomme, habe ich glaub'ich schon anderswo mal gestellt). Allerdings konnten wir beliebig wechseln. Einige Geschäftsreisende, die zunächst noch drin waren, ließen sich bereits am Vormittag das im Preis enthaltene Essen servieren, bevor sie dann in Lillehammer oder Otta aussteigen mussten.

Zunächst bekamen wir ein Glas Saft in die Hand gedrückt und natürlich konnten wir uns Kaffee, Tee und Süßigkeiten selbst nehmen. Zudem bekam jeder die "echten" Signatur-Kopfhörer für den Audio-Empfang in die Hand gedrückt. Vor dem Mittagessen wurden erstmal warme Handtücher serviert, dann gab es Getränke nach Wahl (wir hätten wohl sogar Wein bekommen, wenn wir uns denn getraut hätten, sowas in einem norwegischen Zug zu bestellen; und das, ohne einen Pfennig dazu zu bezahlen) und frische Brötchen. Das Mahl an sich bestand aus einem Stück Räucherfisch als Vorspeise und als Hauptgang Wildragout mit Kartoffelpü und Preiselbeeren. Während dies alles in nicht gerade großen Portionen in Einweggeschirr serviert wurde, so gab es hinterher stilvoll eine Tasse Kaffee aus einer richtigen Kaffeekanne in eine Porzellantasse gegossen. Die Skandinavier und ihr Kaffee, zu schön...

Dass wir aufgrund der nicht zugelassenen und somit abgeschalteten Neigetechnik der Signatur-Züge nicht pünktlich ankommen würden, stand sogar auf unserer Reservierung. Spaßeshalber habe ich mal über die Verspätung Buch geführt: Oslo +4 (why?), Hamar +9, Lillehammer +8, Dombås +15 (Kreuzungsaufenthalt in Sjoa), Trondheim +20.

Der Signatur ist angekommen und rechts steht "Ole Tobias" nach Mo i Rana bereit.

Vor Støren wurde ohne Angabe von Gründen Busersatzverkehr von dort bis Trondheim angekündigt. Bei der Einfahrt wurde dann allerdings doch die Weiterfahrt des Zuges bekannt gegeben.

Nachdem im Süden noch die Sonne geschienen hatte, gab es in Trøndelag nur noch einzelne Wolkenlöcher. Auch mein Kollege Peter Pochadt, der ebenfalls in Norwegen unterwegs war, konnte per SMS von der Raumabahn kein besseres Wetter vermelden. Wir würden ihn allerdings abends in Trondheim treffen.

Noch ein Bild des Signatur neben einer Di3 vor dem "Ole Tobias" gemacht, dem nach dem Erbauer der Nordlandsbahn Ole Tobias Ohlsen benannten Nachmittagszug nach Mo i Rana, dann stiefelten wir durch die Stadt aufwärts zur Jugendherberge. Da wir bisher eh schon auf großem Fuße gelebt hatten, leisteten wir uns ein Doppelzimmer mit Dusche.

Anschließend ging es entlang des Hafens zum Bahnhof, wo Lars schon mal paar Busverbindungen in Richtung schwedischer Grenze heraussuchte. Leider ließ sich eine interessante Route mit Schifffahrt über den Femundsee wegen Saisonende nicht mehr durchführen. Da die Wolkenlöcher nun größer geworden waren, strebten wir danach in Richtung Skansenbru. Bestes Verkehrsmittel dazu: By-Sykkels (Stadt-Fahrräder). Diese kann man sich an verschiedenen Stellen in der Stadt gegen 20 NOK Pfand ab- und anderswo wieder anketten. Dabei erhält man die 20 NOK wieder zurück.

Ein von der NSB gesponsortes By-Sykkel.

An der Skansenbru setzten wir uns einfach an den Hafen und beobachteten das Treiben. Immerhin konnten wir einige Bm92, die hier massenhaft im Nahverkehr eingesetzten VTs, mit Sonne fotografieren. Später drehten wir mit den By-Sykkels eine Runde durch die Stadt und um den Dom, bevor wir uns dann mit Peter und Christoph am Bahnhof trafen. Zusammen gingen wir im "Dickens" (in einem der alten Speicherhäuser) essen. Dabei stellten wir fest, dass man auch nach über zehn Besuchen in Norwegen immer wieder über die Preise in Ohnmacht fallen kann. In dieser urigen Kneipe kostete ein großer Teller Fischsuppe (als Hauptgang) satte 40 DM!!! Es gab viel zu erzählen...

Dienstag, 29. August 2000: Trondheim - Vikhamar - Nachtzug ab Trondheim

Unsere großen Rucksäcke konnten wir erstmal im Keller des Vandrerhjems stehen lassen. Es war etwa 50% blauer Himmel zu sehen; daher wollten wir uns ein Stück nördlich von Trondheim am Fjord mit dem Tageszug der Nordlandbahn versuchen. Der Bus dorthin fuhr unterhalb des Vandrerhjems ab.

Bus Linie 6 Trondheim-Strandveien 08.05+14 > Være 08.30+16

Tja, wenn man den ÖPNV auf Fototouren benutzen will... Die Fahrt mit dem Bus wurde zu einer spannenden Sache. Der Tageszug überholte uns bereits vor Ranheim, durch das wir noch ganz durch mussten. Allerdings musste er in Ranheim auf Kreuzung warten, so dass wir ihn mit dem Bus wieder überholten. Doch als der Bus in Være hielt, waren wir auf gleicher Höhe zum Zug. Hätte der Bus nur +15 und nicht +16 gehabt, wären wir durchaus noch zum Bild gekommen...

Zu allem Überfluss standen auch noch Peter und Christoph mitsamt ihres Wagens da, die sich nach einem Bild vom Zug bloß wunderten, wo wir denn plötzlich herkamen. Sie hatten per Auto bereits südlich der Stadt den Røros-Zug (mit Di3) und nun eben hier den Tageszug der Nordlandsbahn machen können... Etwas abgemildert wurde allerdings der Ärger dadurch, dass wir an diesem wunderschönen Motiv in Være mit Kornfeldern und Bahn vor einer Fjordbucht, in der viele bunte Boote lagen, doch noch zum Bild kamen. Dem Dagtog folgte ein langer langer Güterzug mit zwei Loks der Baureihe Di8, der noch voll ausgeleuchtet wurde, bevor sich die Sonne dann für den Rest des Tages verabschiedete.

Peter und Christoph fuhren zurück in die Stadt, während Lars und ich uns entschlossen, ein Stück am Fjord weiter zu laufen. Abgesehen von einem Abstecher zu "Schmids Strand" mussten wir allerdings dann doch auf einen Gehweg parallel der Straße nach Vikhamar ausweichen. In Vikhamar waren ABM-Kräfte (?) damit beschäftigt, die Randstreifen von Straße und Gehweg von Unkraut zu reinigen. Das Bild kam uns dann doch sehr bekannt vor... Ansonsten stellten wir fest, dass das Nachmittagsmotiv hier mit Damm durch Fjordbucht völlig zugewuchert war (das gibt's also nicht nur in Deutschland...), dass es hier aber eine schöne Fotomöglichkeit für morgens (für den Dagtog) gab.

Lt 437 Vikhamar 13.13 > Levanger 14.28

Zunächst hatte es im Norden noch bedeutend besser ausgesehen, doch bis zur Sonne hätten wir wohl noch 100 km weiter fahren müssen. Dazu hatten wir aber dann auch keine Lust, geschweige denn einen Zug, und so drehten wir eine kleine Runde durch Levanger. Dort eine Bibliothek aufgesucht, um einen Blick ins Internet zu werfen und paar Mails zu beantworten. Das durfte ich dann auch ohne Leseausweis für 1/2 Stunde. Der Blick auf diverse Wetterberichte war eher ernüchternd...

Lt 444 Levanger 15.28 > Hommelvik 16.25

Lt 1726 Hommelvik 16.41 > Trondheim-Skansen 17.20

Der Lt 1726 befuhr mit uns immerhin die Trondheimer Güterumgehungsbahn, auf der die Züge im Bummeltempo in einem langen Tunnel die die Stadt umgebenden Berge durchqueren und den Nidelven auf einem hohen Betonviadukt überfahren. Der Zustand der Strecke machte keinen besonders guten Eindruck... In Skansen saßen Peter und Christoph auf dem Bahnsteig, daher bereits dort ausgestiegen.

Nun wieder viel Zeit an der Skansenbru verbracht. Diesmal warteten zwei Di3er darauf, den abendlichen Güterzug nach Bodø zu bespannen, doch leider fehlte diesmal das zum fotografieren geeignete Licht...

Mit Christoph fuhr ich nun zur Jugendherberge hoch, um unsere Rucksäcke zu holen, die wir für die letzten Stunden des Tages im Schließfach des Busbahnhofs ließen (billiger als Schließfächer im Bahnhof). Zum Abendessen ging es diesmal zum Griechen. Ein norwegischer Grieche sozusagen. Für ein Moussaka bezahlte ich dann auch immerhin "nur" 25 DM. Um 22 Uhr konnten wir in den Nachtzug einchecken, wo es dann noch "a Glaserl Wein" gab. Die vorletzte aus Deutschland importierte Flasche... Auf die Abfahrt mussten wir noch eine Weile warten, da die Zuglok erst 20 Min nach Abfahrtszeit auftauchte:

Nt 475 Trondheim 23.10+30 > Lønsdal 08.03+30

Mittwoch, 30. August 2000: Nachtzug an Lønsdal - Mo i Rana

Die Verspätung hatte in der Gegend von Mosjoen sogar um die 60 Minuten erreicht. Eigentlich hatten wir zunächst Fotos am Ranafjord machen wollen, doch angesichts der tief hängenden Regenwolken überlegten wir es uns anders. Zwar mussten wir in Mo den Schlafwagen verlassen, doch siedelten wir einfach in den Caféwagen um, in dem wir unsere Frokostbiletter (Frühstücksgutscheine; sind bei Übernachtung im Zweibettabteil für 70 DM enthalten) einlösten und uns über ein kleines, aber durchaus feines Frühstücksbuffet hermachen konnten. Mit frisch im Wagen gebackenen Brötchen! So ließ sich die Fahrt durch das herrliche Dunderlandsdal aushalten...

Da oben auf dem Saltfjell (692m über NN) statt Regen sogar blaue Lücken zwischen den Wolken auszumachen waren und wir einfach mal Lust auf Wildnis hatten, verließen wir in Lønsdal den Zug. Die großen Rucksäcke vertrauten wir der Obhut des betrieblichen Mitarbeiters an (als Fahrdienstleiter kann man ihn ja nicht bezeichnen; er ist lediglich der verlängerte Arm der Fernsteuerzentrale Trondheim, deren "wirkliche" technische Fernsteuerung bereits in Grong endet). Unweit des Bahnhofs gab es den Di3-bespannten "Polarsirkelpendel" zu fotografieren (an Sonne war noch nicht zu denken) und über einen bereits 1990 von mir entdeckten Bahnkörper einer längst vergessenen Schmalspurbahn oberhalb der eigentlichen Nordlandsbahn liefen wir dann ein ganzes Stück in Richtung Norden, wo wir uns auf einen Felsen setzen und auf den Güterzug von Bodø warten konnten. Dass er mit zwei Di3ern bespannt sein würde, wussten wir, seit wir gestern in Trondheim die nordwärtige Leistung der Loks von der Skansenbru aus beobachtet hatten.

Mittlerweile kam die Sonne mehr und mehr heraus und als sich die Planzeit des Güterzuges näherte, bildete sich regelrecht eine große blaue Fläche rund um die Sonne herum. Die Laune stieg beträchtlich. Hier oben gab es eine wunderbare klare und würzige Luft; zudem hingen die Blaubeerbüsche voll von potenziellem Proviant. Doch dann kam sie, die erste Di3-Verarschung des Urlaubs (von konkret dreien...). Als der Zug bereits zu hören war, bildete sich nämlich schnell innerhalb dieses riesigen Wolkenlochs eine kleine winzige Minifurzwolke, die mindestens 90% des Sonnenlichtes schluckte, als der herrlich fotogene Güterzug vorüberzog. Na gut, der Kutscher hatte vergessen das Spitzenlicht anzuknipsen, was uns aber in dem Moment weniger störte...

Dennoch waren wir froh, hier in der Wildnis ausgestiegen zu sein. Die Luft war einfach wunderbar. Wir liefen den alten Bahndamm ein ganzes Stück weiter. Bald stießen wir bei paar Hütten auf einen Aussichtsfelsen, von dem man die Nordlandsbahn unter sich wunderbar überblicken konnte. Leider mussten wir feststellen, dass es wenig geraten war hier auf weitere Züge zu warten. Plötzlich zogen nämlich dicke schwarze Regenwolken auf, die uns zügig in Richtung Bahnhof gehen ließen. Da wir wegen einiger Wasserlachen auf dem Kleinbahndamm einen Bogen schlagen mussten, landeten wir auf dem richtigen Bahndamm, was natürlich kein großes Problem gewesen wäre, wenn da nicht plötzlich ein Streckenläufer aufgetaucht wäre, vor dessen Augen wir dann doch nicht unbedingt auf dem Gleis entlang marschieren wollten. Als erste Regentropfen fielen, hatten wir den Bahnhof fast erreicht. Auf den Zug brauchten wir keine zehn Minuten mehr zu warten.

Der Tageszug rollt in die Station Lønsdal ein. Es regnet bereits. Die Flagge signalisiert "Ausfahrt Halt".

Dt 472 Lønsdal 13.10 > Mo i Rana 14.35

Lars fuhr mit dem Zug weiter südwärts, um rechtzeitig zu seinem Tourprogramm in Idre einzutreffen. Ich stapfte dann jedoch nach einem Kontrollanruf in der Jugendherberge dorthin hoch. Das schaffte ich sogar noch einigermaßen trocken. Für den Rest des Nachmittags herrschte Dauerregen. Habe mich einfach aufs Bett gehauen und Augenpflege betrieben. Doch da der Mensch bekanntlich nicht von Luft allein lebt, trieb mich der Hunger dann doch nochmal runter in die Stadt, wo ich im Supermarkt ein dickes Stück Lachs mitsamt einiger Brötchen erstand, die ich dann auf meinem Zimmer verzehrte. Mittlerweile hatte sich eine laute Gruppe in der JH breit gemacht, doch das Geprassel des Regens machte mich sooo müüüde, dass ich früh eingeschlafen sein musste.

Fortsetzung

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