Kroatien Juli 2006 - Teil 4

Copyright by Jan-Geert Lukner

Montag, 24. Juli 2006: Tromilja (bei Šibenik) - Knin

Aufstehen war wie üblich um 6.30 angesagt, doch wandten wir uns dann nicht wie sonst südostwärts, sondern stramm nach Norden. Denn gar nicht mal so weit nördlich von unserer Pension gibt es schon die nächste Bahnstrecke, um die wir uns noch gar nicht gekümmert hatten: Die Linie Knin - Zadar. Da ich diese Strecke auch noch nie gefahren war, mussten wir erstmal Motive suchen. Das Vorgehen war wie üblich, wenn keine festen Motive im Hinterkopf oder im alten Fahrtenbuch existieren: Man schaut erstmal auf der Karte, wo denn der Lichtstand am günstigsten ist.

So steuerten wir Đevrske an. Doch beim ersten Blick auf die Strecke westlich von Đevrske wurde uns klar, dass wir einen der imposantesten Abschnitte der Linie vor uns haben müssten. Das Gleis schien in der Ferne einen wirklich kegelförmigen Berg mit Felsspitze oben drauf zu umrunden und gewann dann an einer Felswand, die der in Buzet in nichts nachstand, an Höhe. Bei Đevrske führte das Gleis durch Landwirtschaft, dann in die bereits beschriebene stachelige, steinige und endlose Buschsteppe. Den 8.15-Y1 nahmen wir so "nebenbei" gern im Ortsbereich von Đevrske mit, doch unser Haupt-Anliegen war der zuverlässig hinter dem Pu in Bibinje (bei Zadar) startende Güterzug. Den langen Blockabstand nutzten wir erstmal, um uns im Tante-Vlatka-Laden des Dorfes, in dem gerade mal die Hälfte der Häuser wieder bewohnt waren, paar Frühstücksutensilien auszusuchen (u.a. den kältesten im Kühlschrank vorhandenen Trinkjoghurt). Leider lag der vorhin entdeckte Felsabschnitt noch im Schatten, doch auf einem Damm durch die Felder am westlichen Ortsrand von Đevrske gelang der Güterzug mit seiner richtigrummen Lok wunderprächtig (ich war gerade mit Frühstück fertig, Nico ein Stück entfernt musste sein Brot beiseite legen).

Ein zuverlässiger Güterzug!

Der vorhin entdeckte Kegelberg musste jetzt natürlich mal untersucht werden. Es ging auf der Hauptstraße ein ganzes Stück gen Westen, bis eine Nebenstraße nach Ostrovica abzweigte. Am Anfang der Asphaltstraße stand ein Schild, das den Wiederaufbau von 50 Einfamilienhäusern in Ostrovica mit deutscher Hilfe verkündete. Bescheidener hätte ich es gefunden, wenn das Schild nicht dort gewesen wäre. Sollte es die Einheimischen auf ewigen Dank an uns tolle Deutsche verpflichten? An Touristen dürften sich eher wenige nach Ostrovica verirren...

Nun denn, nach Querung eines kahlen Hügelrückens lag ein Talkessel vor uns, gerade gegenüber von uns die Felswand mit der Bahnlinie. Links sah man den Kegelberg, an dem sich im unteren Bereich die Häuser des Dorfes hochzogen. Um zum Haltepunkt zu kommen, mussten wir uns links um den Kegelberg herum wenden. Erst auf Asphalt, dann auf Schotter und Steinen ging es steil bergauf. Rund um den Hp waren alle Häuser zerschossen, die Dächer fehlten. Der Haltepunkt Dalmatinska Ostrovica bestand nur aus einem Namensschild ohne Bahnsteig. Mit Kegelberg ließe sich vielleicht am späten Nachmittag für den letzten Zug nach Zadar etwas fotografisch machen. Sicher sind auch vormittags Fotos von der anderen Seite des Bergkegels möglich, doch da hätte man entweder durch einen Tunnel laufen oder sich irgendwie durch das Dorf rechts um den Kegel herum durchschlagen müssen. Da aber jeder Schritt von uns von der einheimischen Bevölkerung genauestens überwacht wurde, sparten wir uns das erstmal.

Statt dessen fuhren und liefen wir mal an die Stelle, wo der Felsabschnitt westlich Đevrske in die Steppe übergeht. Dort konnten wir angenehm im kühlenden Schatten eines Felsens sitzen und dann einen Triebwagen zwischen all dem Fels fotografieren. Mit den 7122ern hier im Süden hatten wir Glück: Der einzige beschmierte VT, den wir hier sahen, begegnete uns nie auf Strecke.

Recht felsige Gegend...

Erkundenderweise ging es danach unter dem mahnenden Geklingel der Hochlicht-Glocke ostwärts. Unterwegs nahmen wir an einem BÜ einen entgegen kommenden VT mit, weil's zeitlich gerade passte. Ach ja, das war ja doch der versiffte VT auf Strecke! Das Bild hatte ich wohl schon geistig verdrängt... Man konnte immer mal wieder von der Hauptstraße über Nebenstraßen an die Bahn ran fahren. Das war sehr abenteuerlich in diesem Sicht-undurchdringlichen Buschdschungel mit den vielen Steinmauern. Plötzlich konnte man unversehens auf einem Dorfplatz stehen, ohne die Häuser 10m vorher gesehen zu haben, oder eben auch vor einem Warnkreuz.

Die Ausblicke auf die Bahn waren aber irgendwie immer gleich, bestenfalls brachte die Architektur der Betonunterstandshäuschen, falls denn am BÜ ein Hp war, Abwechslung. Ansonsten nur Buschwald. Das beste Motiv fanden wir ohne Abstecher. Links und rechts der Hauptstraße wurden hinter Kistanje die Bäume immer spärlicher und schwärzer: Eine Waldbrandlichtung! Um die Sache zu vervollkommnen, führte unsere Straße plötzlich in die Luft, um auf einer Brücke mit langgezogenen Rampen die Bahn zu überqueren. Die Brücke einer wenig befahrenen Straße über eine noch weniger befahrene Bahnstrecke konnte eigentlich nur den Sinn haben, als Fotostandpunkt zu dienen. Man hatte einen wunderbaren Ausblick über die weite Steppenlandschaft. Das Motiv wurde erstmal vorgemerkt.

Ab hier verschwindet die Bahn abwärts in der Krka-Schlucht und ist völlig unzugänglich. Dieser Abschnitt steht dem bei Ostrovica sicher in nichts nach. Wir wären gern mal dort gefahren, aber ob die zweieinhalbstündige Fahrt (eine Richtung Knin - Zadar!) in einem Y1 bei dieser Hitze das reine Vergnügen gewesen wäre??? Übrigens waren die Triebwagen erschreckend leer, wir sahen maximal eine Handvoll Fahrgäste. Auch die ICN auf der Hauptstrecke erweckten längst nicht den Eindruck, voll zu sein. Man konnte bei Vorbeifahrt immer viele leere Sitzreihen beobachten.

Nach einem beeindruckenden Abstieg nach Knin, das in einem Talkessel zwischen zwei Schluchten der Krka liegt und oben von der Tvrdjava (das "dj" ist eigentlich ein kleines Đ, das ich aber nicht aus der Zeichentabelle rüberkopiert bekomme), einer der ältesten Festungen Kroatiens, gekrönt wird, brauchten wir etwas Zeit, um das im Reiseführer empfohlene Hotel zu suchen. Der Grund: Es war an den Stadtrand gezogen, wo wir es in einem netten Neubau vorfanden. Die Übernachtung sollte 25 Euro pP inkl Frühstück kosten.

Unser Reiseführer aus dem Jahr 2002 beschrieb Knin quasi als Geisterstadt. Nach der Unabhängigkeitserklärung Kroatiens wurden hier die Kroaten durch die serbische Bevölkerung vertrieben, nach der Rückeroberung vertrieben die Kroaten die Serben, so dass niemand mehr da war. Davon merkten wir allerdings absolut Null. Knin empfing uns als eine nicht unbedingt hübsche, aber wie gesagt hübsch gelegene Stadt, in der quirlig das Leben tobte. Zerstörte Häuser sah man praktisch gar nicht. Der Bahnhofsvorplatz machte den Eindruck eines sozialistischen Paradeplatzes. Das Innere des Empfangsgebäudes war dann aber wieder ätzend wie viele größere kroatischen Bahnhöfe: Leer, nüchtern, finster.

Die Hochlichtglocke war übrigens mittags wieder ausgegangen, denn es war gar kein Sonnenlicht mehr. Finstre Gewitterwolken hatten nun den Platz am Himmel eingenommen. Wir starteten daher mal eine Erkundungstour nordwärts an der Likabahn entlang. Als eines der herausragendsten Motive hatte ich einen Viadukt auf einer Bergscharte notiert. Dieser wollte jetzt gefunden werden. Zwar ahnte ich, wo er sein müsse, doch das Hinkommen war dann recht schwierig.

Erst testeten wir eine weiße Straße von Padjene ("dj" steht wieder für kleines Đ). Diese Straße eröffnete zwar viele Motive an der in Hanglage mit weitem Blick über die Buschsteppe verlaufenden Bahn, doch endete ein Stück vor Plavno die Asphaltdecke. Da gerade ein heftiger Gewitterschauer nach dem anderen runterging, hielten wir eine Fahrt auf Schotterpiste hier in der Einsamkeit für nicht so angebracht und drehten um.

Weiter nördlich verläuft die Hauptstraße als Schnellstraße auf der Westseite der Zrmanja-Schlucht, während die alte "gelbe" Straße unten im engen Tal verläuft. Dort unten sollte nun in Zrmanja-Ort eine gelbe Straße nach Plavno abgehen. Wir fanden aber nur eine Schotterpiste. Also den ganzen Weg bis kurz vor Knin zurück und die letzte in der Karte verzeichnete Anfahrmöglichkeit nach Plavno genommen. Auch hier standen wir plötzlich wieder vor Schotter, doch hatten wir eine Abzweigung übersehen. Der Ort Plavno ist jetzt mit "Bender" ausgeschildert. Nach zwanzig Minuten auf einsamster Asphaltpiste erreichten wir erst den Bahnhof Plavno (auch hier in der Einöde selbstverständlich mit Rotkäppi plus Weichenwärter) und dann den Viadukt.

Dieser Viadukt war klasse. Wir liefen ein Stück die auf der Karte gelb eingezeichnete Schotterpiste parallel zur Bahn aufwärts und hatten von verschiedenen Stellen einen Super-Ausblick auf die elf Steinbögen mit dem kleinen Dorf zu Füßen und einem großartigen weiten Ausblick auf das Hochgebirge dahinter. Dieser Viadukt war praktisch in Längsrichtung auf eine Bergscharte gebaut worden (während Bergscharten ja sonst eher in Querrichtung als Pass verwendet werden). So fiel also beiderseits des Viaduktes das Gelände ab.

Der Viadukt von Plavno: Das schönste Kunstbauwerk der Likabahn.

Leider war an Sonne nicht zu denken. Eine GM kam mit nem einzelnen MWB-farbenen Begleitwagen abwärts gerollt und einen Nagibni versuchten wir mal gegen den hellen Himmel aufzunehmen. Doll war das aber nicht. Wir konnten nur auf morgen Nachmittag hoffen... Nun waren wir hungrig genug für eine zünftige Mixfleischplatte im Hotelrestaurant und die eine oder andere Flasche Karlovaćko.

Dienstag, 25. Juli 2006: Knin - Malovan - Knin

Das Frühstück gab es schon ab 6.00 Uhr. Das war gut so, denn ab 7.12 sollten drei Güterzüge hintereinander ab Knin aufwärts ins Gebirge fahren. Das war zwar sehr schön, doch wären uns drei aufeinanderfolgende Güterzüge, die in das Licht fahren, lieber gewesen. Es gab nur wenige Möglichkeiten, diese drei Nordwestfahrer mal mit Frontlicht zu erwischen. Die besten Chancen rechneten wir uns noch von der in Padjene abzweigenden Asphaltstraße aus, die wir gestern getestet hatten.

Nach einem genauen Blick auf die Minenkarten des HCR (aber hier war weit und breit nichts rot eingezeichnet) konnten wir einen schönen Hangstandort beziehen. Es dauerte nicht lange, dann begann das Orgelkonzert. Schon zwanzig Minuten, bevor der Güterzug erschien, waren die zwei GM-Loks akustisch anwesend. Die Vorbeifahrt der Doppeltraktion mit ihren Cement-Eiern im schönsten Morgenlicht war ein Hochgenuss! Ein Stück weiter bezogen wir einen neuen Standpunkt, wobei der leider recht motivlos war (aber mit gutem Lichtstand). Der Güterzug von eben war noch deutlichst zu hören. Er musste den Talkessel von Plavno umrundet haben und die Maschinen donnerten jetzt kriechend in geringer Luftlinie von uns den Berg weiter hoch.

Doch was war das? Widerhall? Während der Zug von oben noch deutlich zu hören war, drängte sich von unten nun ein immer lauter werdender Sound in das Konzert. General Motors' Orgelkonzert im Stereoklang! Eindeutig: Der zweite Güterzug kam. Als auch dieser vorüber war, war es von unten erstmal ruhig. Und auch von oben erstarb der Sound jäh. Offenbar war der Bahnhof Plavno erreicht und der erste Güterzug hatte noch nicht den nächsten Streckenabschnitt bis Zrmanja verlassen. Einige Minuten Stille - dann donnerte der ebenfalls mit zwei GMs bespannte Kesselwagenzug in Plavno wieder los.

Güterzug Nummer 2. Hier wird hart gearbeitet!

Wir suchten uns nun einen dritten Standpunkt, wobei wir dazu schon ein ganzes Stück den Schotterweg reinlaufen mussten. Die S-Kurve war zwar netter als der Blick eben, doch mussten wir zunehmend zur Uhr schauen. Denn wir wollten ja unbedingt unten auf der Zadar-Strecke den Blick von der Straßenbrücke mit dem Nebenbahn-Güterzug machen. So verließen wir bald wieder den Standpunkt. Als der Sound des dritten Güterzuges in der stillen Gebirgswelt die Oberhand über den des zweiten Güterzuges gewann, waren wir schon wieder am Auto und konnten den Zug nur noch bei der Vorüberfahrt beobachten. Doppeltraktion vor Tads-Wagen. Würde sich unser Verzicht wenigstens rentieren?

Zügig fuhren wir nun runter zur besagten Straßenbrücke zwischen Kistanje und Knin. Der vorausfahrende Pu-VT musste Knin nun erreicht haben, der Güterzug konnte also ab Kistanje folgen. Und lange brauchten wir tatsächlich nicht zu warten! Bald schon sah man eine Kette von Kesselwagen weit hinten, wo wir das Gleis gar nicht vermutet hätten, durch den Buschwald rollen. Die GM stand richtig herum, das Motiv war um Klassen besser als die oben auf der Likabahn verschmähte S-Kurve - der Verzicht war eine gute Entscheidung gewesen. (Ok, im Nachhinein hätte man wohl knapp beide Motive mitnehmen können, aber das wäre ein riskantes Spiel gewesen).

Der Ortswechsel hat sich gelohnt. Besser kann man die Streckenführung durch die karge Weite wohl kaum darstellen. Eines meiner Lieblingsbilder!

Jetzt interessierte uns aber mal der weitere Streckenverlauf der Likabahn oben im Gebirge. Ich hatte da ganz nette Erinnerungen an den Passabschnitt bei Malovan. Unterwegs auf einem Parkplatz oberhalb des Zrmanja-Tals Rast gemacht. Und da lag es schon wieder in der Luft - dieses Orgelkonzert. Weit hinten auf der anderen Seite der Schlucht konnten wir ein Stück Bahn oberhalb einer 250m in die Tiefe fallenden Felswand erkennen. Die Meterangabe stammt aus einem alten Baedeker aus einer Zeit, als noch Bahnstrecken und keine Straßenrouten im Reiseführer beschrieben wurden.

Wir warteten und warteten. Der Sound wurde mal stärker und mal wieder schwächer. Nach fast einer halben Stunde tauchte der Zug endlich auf. Ein vierter Güterzug fuhr hier aufwärts - mit nur einer Lok bespannt. Wir fuhren nun auch weiter und trafen zeitgleich mit dem Zug im Bahnhof Zrmanja ein. Glücklicherweise musste der Güterzug hier auf Kreuzung mit dem Nagibni warten, so dass wir mal nach einer Stelle suchen konnten, wo sich die Strecke ein Stück südwärts neigte. Tatsächlich gab es da eine Talumrundung, wo uns dieser Wunsch erfüllt wurde. Dazu mussten wir ein Stück eine Schotterpiste hochfahren. Mittlerweile wussten wir aber, dass man sich auf kroatische Schotterpisten verlassen kann (in Griechenland gibt's da ja immer gern mal böse Überraschungen...).

Auto auf dem Weg abgestellt und erstmal auf den Nagibni gewartet. Plötzlich hörten wir unter uns das Geknirsche von Autoreifen auf Schotter. Da wird doch wohl nicht...? Doch, natürlich kam da jetzt noch ein weiterer Wegverkehrsteilnehmer, der wohl etwas irritiert war, als unser Auto im Weg stand. Nun, da half alles nichts: Standpunkt verlassen und Auto ein Stück weiter an die Seite gefahren. Im anderen Auto saß übrigens der Postbote! Den ICN konnte ich dann aber doch noch fotografieren.

Und er neigt sich doch!

Nun galt es, auf die Schnelle für den Güterzug was zu finden. Es nützte nichts - wir mussten einen Hang hoch. Auch hier wieder vorher der bange Blick auf die Minenkarten. Weit und breit war aber nichts Rotes zu sehen. Außerdem waren die Minenflächen mittlerweile derartig gut durch Tafeln gekennzeichnet, dass wir hier wohl kaum Sorge haben mussten. Irgendwie war's aber doch ein blödes Gefühl!

Der Ausblick war phantastisch. Hier oben herrschte ein ganz anderes, alpineres Landschaftsbild mit weiten Almwiesen und hohen Bergen rings herum. Wunderschön! Wir ließen uns dann einfach mal im Gras nieder, denn ein Güterzug aus Richtung Norden sollte jetzt auch bald mal kommen. Er kam dann nach etwa einer Stunde auch, doch das Licht war gerade hinter einer der nun rasend schnell quellenden Wolken, außerdem kam die Lok falschrum...

Weiter ging es hoch nach Malovan, wo uns ein weiterer Güterzug unverhofft entgegen kam. Kurz am Scheitelpunkt in die Runde geschaut, dann wieder zurück gefahren. Der zweite Güterzug stand in Zrmanja zur Kreuzung mit einem ICN. Leider kam während des gesamten Aufenthaltes die Sonne nicht hinter so einer blöden Schwaberwaberwolke hervor. Rund um den Bahnhof war übrigens alles zerschossen, die Häuser hatten keine Dächer, das EG fehlte ganz. Fdl und Ww residierten in weißen Containern.

Eigentümliche Stimmung im zerstörten Bahnhof.

Laut Karte sollte eine weiße Straße von hier parallel zur Bahn bis Plavno führen. Wir fuhren diese Schotterpiste mal ein Stück rein, entdeckten hier schon genug Motive für die Züge eines ganzen Tages, drehten aber bald angesichts der nun wieder einsetzenden Gewitterschauer um. Ich bin sicher, dass diese durchaus gut befahrbare Schotterpiste noch viele weitere Motive - vielleicht auch für die Frühgüterzüge - eröffnet. Bei der nächsten Tour dann...

Der Himmel war nun wieder wie gestern völlig dicht. Wir fuhren nach Knin zurück und gaben uns, da wir sehr müde waren, einem Mittagsschläfchen hin. Nachmittags fuhren wir einfach mal zur Tvrdjava hoch und besichtigten die Riesen-Festung. Dabei auch einfach mal zu den Bahnanlagen runtergeknipst. Doch der ICN von Split ließ uns ewig warten. Er kam dann eine Stunde verspätet... Ansonsten konnte man hier gut den Verlauf der Krka-Schlucht beobachten. Und überall führten irgendwelche Gleise lang... Abends gab es im Hotelrestaurant wieder lecker Grillplatte.

Blick von der Tvrdjava auf den Bahnhof, ein ganzes Stück dahinter dann das Betriebswerk.

Mittwoch, 26. Juli 2006: Knin - Karlovac

In der Nacht war eine größere italienische Reisegruppe mit im Hotel. Doch wir waren so müde gewesen, dass wir nicht mehr viel gehört haben. Da wir die drei Früh-Güterzüge weit oben im Gebirge machen wollten, konnten wir uns mit dem Frühstück etwas mehr Zeit lassen.

Unterhalb des Bf Zrmanja hatten wir ja vom Schotterweg tolle Ausblicke entdeckt. Auch wenn die Güterzüge hier kein Sonnenlicht auf die Front bekommen würden, so musste eines der Motive, ein Damm, hinter dem es steil abwärts ging, mal umgesetzt werden. Die Sonne schien wieder unschuldigst vom Himmel - so, als ob es nie Gewitter gegeben hätte. Oben im Motiv angekommen, empfing uns totale Einsamkeit und Ruhe. Das einzige, was in der Luft lag, war das noch sehr ferne, aber unverkennbare Donnern zweier GM-Lokomotiven. Wir wussten, dass noch viel Zeit sein würde.

Mit dem erwarteten Sounderlebnis wurde es aber leider nichts. Plötzlich kam ein Bagger den Schotterweg entlang gerumpelt. Genau auf unserer Höhe (aber zum Glück nicht im Bildausschnitt!) hatte er sein Ziel erreicht und machte das, was ein Bagger halt so macht: Baggern. Dass das angesichts des felsigen Bodens nicht ruhig zuging, dürfte klar sein. Wir haben uns nur fassungslos angeschaut. Als Videofilmer, dem es auf den GM-Sound angekommen wäre, hätte ich wohl einen Tobsuchtsanfall bekommen...

Nun, der Güterzug war dann irgendwann im Kasten und wir suchten nun oberhalb von Malovan im Bereich des Scheitelpunktes weiter. Doch das Licht kam hier überall schon arg von hinten und vermochte nichtmal befriedigend die Seite zu bestrahlen. Aber was sollten wir machen? Der zweite Güterzug war bald zu hören, er folgte dem ersten im Blockabstand (wobei hier ein Blockabstand bei 30-40 Minuten liegt). Der Sound wurde lauter und lauter, jeden Augenblick erwarteten wir, dass der Zug um die Ecke käme. Doch plötzlich hörten wir nur noch, wie runtergeschaltet wurde und schlagartig war Ruhe! Da hatten die doch glatt den Zug in Malovan an die Seite genommen, um den ICN überholen zu lassen!

Da der ICN unten in Gračac mit dem Gegen-ICN kreuzt, würde der Güterzug hier wohl über eine Stunde stehen! So war es dann auch. Während der Tf des Güterzuges gemütlich einen Spaziergang durch die Hügel begann, lauerten wir dem ICN an einer Steinbogenbrücke auf, die beinahe die höchste Stelle der Bahn markiert. Wir befanden uns gute 800m über Meereshöhe.

Wenn der zweite Güterzug nun also in Malovan stand, musste der dritte Güterzug wohl in Zrmanja warten. Deshalb fuhren wir einfach nochmal an die Talausfahrung zwischen Zrmanja und Malovan, wo wir gestern den vierten Güterzug gemacht hatten. Der dritte Zug kam ja jetzt in derselben Zeitlage. Gesagt - getan. Aus etwas veränderter Perspektive erwischten wir somit den dritten Zug mit ganz guter Ausleuchtung!

Auf 800m Höhe wird die Landschaft schon kahler.

Auch wenn danach die Hochlicht-Glocke schon wieder tönte, so warteten wir im Bahnhof Malovan auf einem Hügel gegenüber dem zerstörten Empfangsgebäude, in dem die Diensträume aber wieder hergerichtet waren, auf den südfahrenden Güterzug. Leider war das Licht schon etwas zu weit rum, als dieser kam, aber die Szene mit Fdl und Weichenwärter war nett.

Nun wollten wir einen großen Sprung nordwärts machen. Das war allerdings schwierig, weil wir, nachdem wir im Supermarkt von Gračac nach den kältesten Getränken geforscht hatten, im Bahnhof den Nahgüterzug entdeckten, der einen Wagen in Mittelweserbahn-Farbe und eine nette Reihe von E-Wagen mit Holz führte. Nicht zu vergessen die richtigrumme Lok! Dieser Zug gelangt an den meisten Tagen nur von Ogulin bis Perušić und zurück. Deshalb suchten wir uns einen Punkt, der zwei Dinge auf einmal erlaubte: In Ruhe Supermarkt-Einkäufe vernichten und Sammler-Zug aufnehmen. Dabei entdeckten wir einen Haltepunkt mit nagelneuem Bahnsteig. Lässt das auf eine baldige Wiederaufnahme des Nahverkehrs schließen? Zur Zeit verkehren zwischen Knin und Vrhovine nämlich nur die ICN- und Nachtzüge.

Auch nach Vertilgung der Einkäufe gab es höchstens mal wieder einen Nagibni zu bewundern, der mit Affenzahn über irgendwelche technisch nicht gesicherten BÜs bretterte. Also ein Stück weiter gefahren, weil die Stelle so dolle nicht war. Von der Straße sahen wir das Empfangsgebäude von Lovinac, das wirklich nur noch eine Ruine war. Der gesamte Dachstuhl fehlte! Auch wenn der Anblick alles andere als ergötzend ist, so fanden wir das EG aus fotografischer Sicht hochinteressant, denn nirgendwo sonst wurde so deutlich, was dieser Strecke in den neunziger Jahren widerfahren ist...

Allerdings fuhr dann der Sammler auch schon ein, ohne dass wir bereit standen und machte, indem er wegen Kreuzung stehen blieb, das "Motiv" auch für den Gegenzug unbrauchbar. Wir fuhren lieber ein Stück voraus. Die Bahn fährt hier durch die Lićko Polje, einer wilden, relativ ebenen Landschaft vor imposanter Hochgebirgskulisse. Ein genialer Bergkegel ließe sich von der Autobahnbrücke aus umsetzen (hatte ich sogar 2003 notiert, als nur die Brücke ohne Autobahn da war), doch gibt es nun keine Möglichkeit mehr, auf die Brücke zu kommen.

Lovinac: Die Gleisanlagen sind generalüberholt, die Bahnhofsgebäude jedoch zerschossen.

So gelangten wir erst im nächsten Bahnhof, Medak, wieder an die Bahn. Von der östlichen Einfahrweiche aus konnte man den Kegelberg auch noch schwach im Dunst erkennen. Plötzlich gesellte sich der Weichenwärter zu uns und machte, als der Zug auftauchte, mit seiner roten Fahne stramme Auf- und Abwärtsbewegungen. Diese Bewegungen waren so zackig, dass das Tuch der Fahne durch den Luftzug regelrecht knallte. Die Zeichen mussten wohl heißen "Einfahrt frei", denn das Esig war nur eine Tafel.

Weiter ging es nach Gospić. Die Stadt machte einen hübschen Eindruck. Zwar sah man durchaus noch viele Kriegsschäden, aber mindestens ebenso viel frische Farbe auf den renovierten Hausfassaden. Vor Gospić waren wir wieder durch Minengürtel gefahren. Man hatte nicht nur Warnschilder, sondern auch sehr genaue Landkarten (schätze mal 1:25000), auf denen die Minenflächen rot eingezeichnet waren, als Schautafel aufgestellt.

Mittlerweile zogen wieder fette Gewitterwolken durchs Land, aber wie wir gerade die Aktion abblasen wollten und schon auf der Autobahn-Zufahrt waren, da sahen wir, dass weiter nordwärts eigentlich schon wieder viel blauer Himmel zu sehen war. Da ich von 2003 die Ecke bei Vrhovine (oben auf dem zweiten Gebirgspass der Likabahn) noch als sehr nett im Hinterkopf hatte und dort in über einer Stunde der Nachmittags-Pu anstehen sollte, fuhren wir dort einfach mal hin.

Auf den herrlich genauen Minenkarten-Tafeln an der Straße (rund um Vrhovine war nix rot!) waren einige Wege zu einer Fotokurve nördlich des Bf Vrhovine eingezeichnet, die sich aber dann als unbefahrbar erwiesen. Auf der anderen Seite der Bahn konnten wir allerdings einen Asphaltweg reinfahren, der geradewegs in eine Rundkehre der Bahn führte. Über paar Wiesen konnte man das Gleis queren und schön von leicht erhöht die Rundkehre einsehen. Der Bummelzug kam mit richtigrummer GM-Lok und der nachfolgende Nagibni machte sich auch gut. Seeehr nett!

Eben noch hinter den Häusern langfahrend, hat der Pu nun die Rundkehre durchfahren und sein Ziel Vrhovine fast erreicht.

Für den zurückfahrenden Bummelzug fanden wir dann auch noch einen netten Ausblick mit Gewitterwolken im Hintergrund. Da machte auch die lange Loknase mal nichts... Nun war es schon 18 Uhr und wir sahen zu, dass wir in Otočac auf die Autobahn kamen, denn wir wussten ja nicht, ob wir auf Anhieb in Karlovac im altbekannten Hotel Carlstad ein Zimmer bekämen. Das ging dann jedoch wieder mal problemlos. Wir erhielten sogar dasselbe Zimmer wie im Vorjahr ganz am Ende eines verwinkelten Ganges - also schön ruhig. Da machte es auch nichts, dass nach wie vor als deutsche TV-Sender nur RTL2 und Südwest3 funktionierten... Und nochwas: Dieser Raum war klimatisiert! Mitgebrachtes Wasser würde auch nach einer Stunde noch nicht warm sein!

Selbstverständlich gab es keine zwei Meinungen, wo wir essen gehen würden: Natürlich im klimatisierten (!) Lehrlingsrestaurant der Hotelfachschule! Für etwa 8 Euro pro Person gab es Zwiebelsuppe, ein wahnsinnig zartes Rumpsteak mit Pfeffersoße, dazu Reis und gegrillte Champions, hinterher Palatschinken und als Getränke Weißwein und Mineralwasser. Da schmeckte das Bäuerchen hinterher doch doppelt gut!

Der letzte Teil des Reiseberichtes führt uns in völlig andere, fast heimische Landschaft. Es geht um die Überbleibsel des europäischen Fernverkehrs und um einen Wolkenkrimi, der es in sich hatte.

Fortsetzung

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