Von Chester nach L'ester durch die Highlands - GB Juni 2012

Autor: Jan-Geert Lukner. Alle Rechte am Text und an den Bildern liegen beim Autor.

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Es stand mal wieder eine Tour auf die Insel an. Zur Abwechslung ging es mit Nico zusammen rüber. Die Wetterprognosen waren leider alles andere als gut, aber das kennt man ja, und bisher hat man immer trotz Grottenvorhersage was hinkriegen können. Wir hatten die längsten Tage des Jahres, da muss doch einfach mal Zeit für nen Sonnenstrahl drin sein?

Samstag, 23.06.2012

Die Nacht war kurz und ätzend. Auch wenn ich bald nach dem EM-Viertelfinalsieg Deutschlands gegen Griechenland zu Bett gegangen bin, blieb nicht viel Zeit zum schlafen. Dass mich dann aber auch noch eine Mücke ab 2.15 mit ihrem Gesumm nervte, war nun gar nicht geplant. Zweimal habe ich die Jagd eröffnet, doch ich hab das Tier nichtmal zu sehen bekommen. Es war schier unsichtbar.

Nun, das war keine gute Ausgangsbasis und entsprechend gerädert packte ich die restlichen Sachen zusammen. Um 4.45 trottete ich los zum Bus. Selbst in der S-Bahn schlief ich immer wieder ein. Davon konnte mich selbst eine lautstarke Unterhaltung zweier von der Nacht Übriggebliebener über 'Gott und die Welt' (eben eines jener Gespräche, die zustande kommen, wenn zwei Betrunkene sich blendend verstehen, obwohl sie sich nie zuvor gesehen haben) nicht abhalten.

Kleiner Schock dann bei Ankunft in der Abflughalle. Vor der Gepäck Einlieferung eine Schlange einmal quer durch die ganze Halle! Hamburg hat Sommerferien! Allerdings glänzte das Lufthansa Bodenpersonal durch hohe Motivation und Aufmerksamkeit. Immer wieder kam jemand an der Schlange entlang und fragte nach knapper Boardingzeit und ob man sich denn schon Bordkarten besorgt hätte. Wenn ein Schalter frei war, wurde der Nächste nicht herangebrüllt, sondern die Mitarbeiterin stand auf und winkte, bis der nächste Passagier aufmerksam wurde. Zusätzliche Einweiser gab es auch. So dauerte die Monsterschlange dann nur eine Viertelstunde.

Um 7.05 CEST war Abflug und fast pünktlich landete unser kleiner Vogel um 7.45 BST in Manchester. Übrigens: Wie füllt man Flüge von Hamburg nach Manchester? Ganz einfach, man verkauft die meisten Plätze als Zubringerdienst zum Continental Flug nach New York. Der Junge neben mir freute sich auf 14 Tage Long Island. Kam da grad ein bischen Neid bei mir auf? Na ja, höchstens wegen des Wetters, Manchester empfing uns mit tief hängenden Wolken und Regen.

Nicos Flieger kam 20 Min nach mir an und sogleich machten wir uns auf zur Autovermietung. Diesmal wies uns der Autoeurope Voucher zum Enterprise Schalter. Nie vorher gehört... Da die aber auch noch nie was von uns gehört hatten, waren erstmal tausend Fragen zu beantworten. Arbeitgeber, drei verschiedene Telefonnummern usw. Zwischendurch musste er ständig ans Telefon gehen.

Irgendwann hatten wir dann aber die Schlüssel in der Hand. Wir bekamen einen Vauxhall Astra Automatik. Der erwies sich auch als nicht übel, nur ein Tempomat hätte gern an Bord sein dürfen. Und der Wendekreis ginge auch kleiner. Wenigstens litt er nicht an Motorschwäche, aber Automatikwagen sind ja nie mit den ganz schwachen Maschinen ausgestattet.

Vom Manchester Airport ist man ja zügig auf der Autobahn, und im Nu waren wir in Richtung Chester unterwegs. Über der Merseymündung und auch weiter westlich waren Wolkenlücken zu sehen, vielleicht würde man ja eine abbekommen. In Helsby war zum Beispiel eine solche Auflockerung am Werke. Die Blumen in den bahnhofseigenen Gärten blühten wunderschön. Leider schoben sich nun aber vor der ersten Zugfahrt die Wolken wieder massiv vor die Sonne. Mit Verproviantierung im örtlichen Tesco Markt ging es weiter gen Westen. Auch wenn wir hauptsächlich nach Schottland wollten, stand heute doch noch ein Versuch mit dem 'Drag', dem E-Pendolino mit Class 57 Vorspann auf dem Programm. Da dieser sowohl hin als auch zurück auf Anglesey am besten ins Licht fuhr, wollten wir dort hin. Allerdings waren wir zeitig dran, und über dem River Conwy zeigten sich größere Auflockerungen. Moment, ein Motiv war da doch auch. So also schnell von der Rennstraße runter und am Parkplatz des Naturschutzgebietes am Flussufer geparkt. Mit dem vom Fluss ausgehenden Schlickgeruch in der Nase wanderten wir zum Gleis. Das Motiv mit dem Conwy Castle wuchert leider immer mehr zu. Aber noch ging es. In beide Richtungen waren nun Züge fällig. Die Wolken bildeten sich rapide um, doch das Blau hielt sich tapfer. Erst ging ein 175 als Nachschuss, dann kam ein 158 aus der Brücke. Und beides mit Sonne!

Mittlerweile auch hier im Forum wohlbekannt: Das Conwy Castle und links daneben die Tubular Railway Bridge über den River Conwy, deren Portale dem Stil der Burg ein wenig angeglichen wurden.

Nun hatten wir auf den Drag noch eine halbe Stunde Vorsprung. Wir suchten eine Stelle westlich Bangor auf, wo der Zug ein Stück gen Sonne kurven musste. Äh, Sonne? Welche Sonne? Über Anglesey waren leider gar keine blauen Lücken auszumachen. Die einzige Straßen-Schiene Kreuzung im fraglichen Streckenbereich war der BÜ an der Blockstelle Gaerwen, doch der war fototechnisch ungeeignet. Eine Brücke Stück weiter war offenbar nur eine Weideverbindung. Jedenfalls fanden wir keine Zufahrt. Aber von Gaerwen aus konnte man dem Verlauf der Bahn nun über ein allerliebstes Nebenstraßennetz folgen. Das war jetzt wieder so richtig typisch britisch. Hecken säumten die unübersichtlichen einspurigen Straßen. Und es ging Hügel auf und Hügel ab. An die Freundlichkeit musste man sich hierzulande erstmal wieder gewöhnen, bei jedem Ausweichmanöver mit Gegenverkehr wurde per Handzeichen gegrüßt und gedankt. Der starke Wind führte einem die Nähe der See vor Augen. Die endlosen Schafweiden konnten glatt aus der Kerrygold Werbung stammen. Den Drag nahmen wir trotz Bewölkung von der nächsten Straßenbrücke.

Der "Drag", ein lokbespannter Elektro-Pendolino, als Bäderzug London - Holyhead auf Anglesey.

Die Insel Anglesey, über die die Bahnstrecke bis kurz vor dem Fährhafen Holyhead führt (dieser liegt auf der nächsten Insel Holy Island), gefiel uns. Mal führt die Bahn durch eine sumpfige Flussniederung, dann ragen wieder steile Hügel empor. Da wurde sogar ein Tunnel erforderlich. Leider waren wir arg benommen durch den fehlenden Schlaf in der vergangenen Nacht (Nico hatte zwar keine Mücke im Zimmer gehabt, aber trotzdem nur 2h geschlafen). Wir schauten noch ein gutes Stück weiter. Immer wieder sah man aus der Entfernung fotogeeignete Brücken, doch oft kam man nicht ran, weil es wie vorhin Weideverbindungen waren. Mangelnde Wetteraussichten und die Müdigkeit nahmen uns die Lust, das alles näher zu erkunden. Wir kamen dann noch an der Blockstelle Ty Croes vorbei, die noch über von Hand zu schwenkende Gates verfügt und die mir auf den Fotos, die Frits hier mal gezeigt hatte, schon so gut gefallen hatte.

Eine weitere Erkundungsschleife am Westende von Anglesey ersparten wir uns nun ebenfalls. Da wir morgen nach Schottland aufbrechen wollten, hatten wir uns überlegt, heute wieder bis Chester zurück zu fahren und zu probieren, ob wir im altbewährten Bestwestern Westminster Hotel am Bahnhof Platz bekämen.

Die A55 war jetzt schön leer und mit Musik der Frankfurter Gruppe 'Paddy goes to Holyhead' von der CD (wenn das nicht passend war...) düsten wir in rund anderthalb Stunden nach Chester. Dort gab es zwar nur Einzelzimmer, aber die 59 GBP pro Person war das windschiefe Tudor-Hotel wert. Allein das Frühstück, schmatz! Aber erstmal war Inder angesagt. Im altbekannten Gate of India waren wir gegen 18 Uhr die ersten Gäste. Sofort kümmerte man sich rührend um uns. Als Nico Tikka Masala nehmen wollte, verzog der Kellner das Gesicht und meinte, das sei eine ganz schlechte Wahl, viel zu süß, und dann empfahl er verschiedene Sachen. Dabei wurde Nicos Schärfewunsch natürlich berücksichtigt. Eine richtig gute Beratung! Meine Auswahl fand hingegen seinen Gefallen. Sag Lamm, Lamm mit Spinat, das ess' ich immer wieder gern. Zu den Pompadoms bekamen wir eine Riesenmenge an Soßen und Zutaten und das Essen selbst ließ keine Wünsche offen. Nach einem Verdauungsspaziergang bezogen wir sehr früh unsere Zimmer. Die Müdigkeit schlug jetzt richtig zu. Um 20.30 war ich eingeschlafen.

Sonntag, 24.06.2012

Draußen goss es in Strömen. Das hat ja sowas beruhigendes und einschläferndes. Dank Fenster zum Hinterhof war es ansonsten herrlich ruhig gewesen, obwohl man abends noch viel das Knarzen der Bodenbretter aus dem Nachbarzimmer gehört hatte. Meine Güte, ich wusste gar nicht wie viel man in einem kleinen Hotelzimmer hin und herlaufen kann... Aber das hatte einer geruhsamen Nacht keinen Abbruch getan. Das Frühstück hielt ebenfalls den hohen Erwartungen stand, und so konnten wir um 9.15 frohgemuts die lange Reise starten.

Am Empfang des Hotels führt der Portier gerade ein Interview mit einem zugeschalteten Banker zur Finanzkrise durch. Könnte man jedenfalls meinen ;-) Zum EM ist das Hotel mit Englandfahnen geschmückt.

Blick über den Bahnhofsvorplatz von Chester.

Tomtom berechnete als Ankunftszeit in Dalwhinnie an der Highland Mainline 14.45. Auf sonntäglich leerer Autobahn ging es rasch nordwärts. Weiter oben im Gebirge zeigten sich sogar Aufheiterungen. Vor den dunklen Wolken herrschte dann Theaterbeleuchtung. Anstrengender wurde es hinter Perth, als die A9 zur zweispurigen Schnellstraße wurde, auf der zu allem Überfluss auch noch Baustellampeln dafür sorgten, dass jeweils hinter den Baustellen Kolonnefahren angesagt war. In Dunkeld & Birnam fuhren wir an den Bahnhof ran. Ein nettes Ensemble mit Semaphores und Signalbox. Nach Betreten des menschenleeren Bahnsteigs plärrte mich erstmal eine verzerrte Stimme voll, dass ich mein Gepäck nicht unbeaufsichtigt lassen solle usw. Interrssant auch die Gleisangabe: 'Die Züge fahren meistens aus Gleis 1, manchmal auch von Gleis 2.' Aha!

Der Ginster blühte, je höher man kam, um so intensiver. Ansonsten kam man sich vor wie beim Saltfjell Aufstieg in Norwegen. Die A9 bot mittlerweile auch authentisches E6 Feeling. Der Pass von Drumochter führte die Verkehrswege durch baumlose Highlandtäler. In Dalwhinnie, dem ersten „Ort“ hinterm Pass, bogen wir ab, um nach einer Unterkunft zu suchen. Ich hatte allerdings nicht damit gerechnet, dass der Ort praktisch nur aus der Destillery und wenig drumherum bestehen würde. Das einzige Hotel war unbewirtschaftet. Wir hatten draußen am Pass gesehen, dass man im einsam am Gleis gelegenen Balsporran Cottage praktisch direkt im Motiv hätte wohnen können. Wir fuhren dorthin zurück und fragten mal nach. Die Wirtin zeigte uns nun auch zwei Einzelzimmer (der Twinroom war schon gebucht), doch wenn wir hätten länger bleiben wollen, hätten wir zwischen Single- und Twinrooms hin und her umziehen müssen. Und mit 40 GBP pP war es für die einfachen Verhältnisse auch nicht ganz billig. Wir bedankten uns und schauten im nächsten Ort nördlich des Gebirges, in Newtonmore. Hier folgten wir Hotel-Hinweisschildern in eine etwas abseits gelegene Wohnsiedlung mit Golfplatz und fanden dabei ein absolut hübsch gelegenes B&B, Alvey House. Wir wurden nett empfangen und bekamen den Familyroom als Twinroom für 25 GBP pP ohne Frühstück, also „B&B ohne B“ auf unseren Wunsch, weil genau zur Frühstückszeit einige interessante Züge kommen sollten. Aus dem Zimmer hatte man einen wunderschönen Ausblick über das Spey Valley, weil das Haus auf einer Anhöhe stand. Zwischen den Bäumen konnte man auch die Bahnstrecke erkennen.

Die Destillery von Dalwhinnie.

Die Highland Mainline, die uns die nächsten Tage beschäftigen wird, ist die vorrangig eingleisige, nicht elektrifizierte Bahnanbindung der schottischen Highland-Hauptstadt Inverness an den Rest der Welt. Die eigentliche Strecke führt von Perth nach Inverness, doch die von First Scotrail betriebenen Lokalzüge sind in der Regel durchgebunden von Edinburgh oder Glasgow. Sie fahren nicht vertaktet, aber die Frequenz ist in den letzten Jahren immer dichter geworden. Es kann Zuglücken von zwei Stunden geben, zum Teil fahren aber auch zwei Züge direkt hintereinander – dann in der Regel einer von Edinburgh und einer von Glasgow. Hinzu kommen zwei Fernzüge: East Coast betreibt einen HST als „Tageszug“ von London Kings Cross über die Eastcoast Mainline, Edinburgh, Stirling nach Inverness und First Scotrail fährt einen Nachtzug von London über die Westcoast Mainline, Edinburgh nach Inverness. Wagengruppen nach Aberdeen und Fort William gehen in Edinburgh ab.

Wenn man auf der Highland Mainline von Perth nordwärts reist, geht es zunächst durch das waldreiche Tay Valley aufwärts. Später wird allerdings in immer kleinere Seitentäler abgebogen. Pitlochry liegt am River Tummel. Der letzte Ort und Bahnhof vor dem Gebirge, Blair Atholl, liegt am River Garry, dem die Bahn nun in die fast baumlose Heide-Mondlandschaft hoch zum „Bealach Druim Uachdair“, dem Pass von Drumochter, folgt. Der Streckenabschnitt über den Pass ist von Blair Atholl bis Dalwhinnie zweigleisig. Dalwhinnie ist das höchstgelegenste Dorf Schottlands. Das Gleis folgt der Hochmoorlandschaft des Glen Truim, bevor es durch eine Bergenge bei Crubenmore abwärts ins weitläufige Speyvalley geht. Von Newtonmore über Kingussie bis Aviemore folgt die Highland Mainline dem Spey, bevor es über Carrbridge und einen weiteren Pass, den Slochd Summit, rüber nach Inverness geht. Die Bahnhöfe zwischen Perth (ausschließlich) und Aviemore (einschließlich) haben noch alte Signaltechnik, während die Ausweichstellen nördlich Aviemore ferngesteuert sind.

Nachdem man nun - so um 16 Uhr - die Unterkunft hatte, konnte man in Ruhe die Gegend erkunden. Richtung Drumochter Pass sah es am Himmel völlig finster aus. So schauten wir also mal in die andere Richtung. Dabei nutzten wir allerdings die Schnellstraße, was insofern von Nachteil war, dass wir ein größeres Blau unterfuhren, ohne dass ein Abzweig zur Bahn gekommen wäre. Erst kurz vor Aviemore gab es eine Verbindung zur alten Straße, auf der wir nun zurück fuhren. Natürlich war dies jetzt ein besonders waldreicher Abschnitt, aber die angestrahlte Landschaft abseits der Bahn, ein kleiner See mit Kapelle und die Bergkulisse sahen toll aus vor den schwarzen Wolken. Jetzt sollten zwei Züge von Süden kommen. Wir entdeckten eine freie Stelle der Bahn im Wolkenloch, ausgerechnet neben einer Eigenheim Neubausiedlung am Ortsrand von Kincraig. Der erste Zug klappte nicht, doch der zweite, ein Doppel 170, ging perfekt vor der schwarzen Wolkenkulisse. Selbst die Eigenheime wirkten bei dem Licht surreal.

Ein doppelter 170 in der alten Scotrail Lackierung rollt bei Theaterbeleuchtung hinter der Eigenheimsiedlung Mac Bean Road zu Kincraig durch die Highlands.

Unser Leihwagen oberhalb des Spey Valleys.

Unser vorübergehender Heimatort: Newtonmore, ein nettes kleines Städtchen am Spey.

Danach ging es ein wenig hin und her. Es waren nur wenige Wolkenlöcher da, und bald war zu den nächsten Zügen klar, dass die Bahnstrecke immer gerade am Rande eines blauen Lochs entlang schrammte, ohne wirklich von der Sonne bedient zu werden. So blieb uns auch für den HST, dem wir bis hinter Aviemore voraus gefahren waren, nur noch das Beobachten... Während das EM Spiel England - Italien stattfand, flanierten die Leute in den Orten auf der Straße. Nirgends die Spur einer Fußballübertragung! Eine schottische Demonstration des Desinteresses an der englischen Nationalelf? Wir beschlossen den Tag bei einem Inder, der in Aviemore direkt an den südlichen Ausfahrsemaphoren sein Restaurant hatte. Als wir nach dem Essen auf dem Parkplatz standen, konnten wir den Sleeper bei der Ausfahrt beobachten. Gegen 22 Uhr waren wir wieder in der Pension.

Montag, 25.06.2012

Einige Wetterberichte hatten ja für heute durchaus Sonnenchancen gesehen. Tatsächlich war es draußen beim Aufwachen auch relativ hell. Die Wolken waren aber ganz klar in der Überzahl. Dennoch, oberstes Ziel unserer Schottlandexpedition war der Nachtzug, der „Caledonian Sleeper“, und der war um 7 in Dalwhinnie zu erwarten. Um 6.20 fuhren wir los, merkten aber bald, dass das Blau nur für das Spey Valley zuständig war, aus dem die Bahn Richtung Pass raus- und geradewegs in die Wolken kurvte. Hmmm, was tun? Blöd im Spey Valley war, dass das Licht überall sehr spitz war und wir da nicht wirklich Topp Fotostellen wussten. Wir beschlossen, trotz der dicken Wolken zum ersten angedachten Nachtzug Fotopunkt zu fahren. Das war Wades Bridge, kurz vor Dalwhinnie (aus NZ Perspektive). Leider überfuhr ich unterwegs einen Vogel. Gestern hatten wir schon bemerkt, dass schottische Tiere sich nicht vor nähernden Autos in Sicherheit bringen. Da konnte ich vor einem Kaninchenjungen gerade noch anhalten. Doch hier auf der Schnellstraße war nichts zu wollen.

Wir standen kaum an Wades Bridge, da kam der Zug auch schon. Langsam fuhr er nach Dalwhinnie rein, wo er etwa 7 Min vor Plan ankam. Offenbar wartete er dort aber die Planzeit ab, denn wir gelangten nun weit voraus und sahen ihn hinter Dalwhinnie nicht mehr. Tja, was tun? Im Spey Valley immer noch großes Blau. Wir steuerten auf gut Glück den Hp Newtonmore an. Hier Sonne satt. Bahnsteig auf der Westseite. Auf der Ostseite durchaus Standpunktpotential. Wir waren einig, die 200 GBP, die das Trespassing hier kosten sollte, war uns die Sache wert. Schnell rüber. Sonne schien konstant. Offiziell hatten wir natürlich den Footpathüberweg Stück weiter genommen. Zug war in weiter Ferne zu hören. Motiv gut. Sonne schien. Endlich, nach ca 5 Min tauchte die 67 gemächlich in der Ferne auf. Die Sonne hielt. Wir hatten das Bild! Leider stand nun erstmal der Zug zwischen uns und dem Auto. Somit begruben wir bald unsere anfängliche Ambition, den Zug zu verfolgen. Immerhin - das tägliche Sonnenbild war damit schon mal im Kasten, und dass gerade der Sleeper geklappt hatte, sorgte für einen ordentlichen Freudenschub!

Der Caledonian Sleeper, einer der ganz wenigen lokbespannten Personenzüge Großbritanniens, hat sich in die Sonne des Spey Valleys vorgearbeitet und rollt langsam in den Hp Newtonmore ein. Bis zur Planabfahrt ist noch vier Minuten Zeit...

Statt dessen gab es in der Pension auf dem Zimmer einen Kaffee und etwas Gebäck, das wir uns gestern besorgt hatten. Während des Frühstücks zog es nun leider zu. Damit sanken unsere Ambitionen, für den Güterzug wieder aufzubrechen. Also kümmerten wir uns dann erst wieder um den HST. Jetzt war aber selbst über dem Spey Hochtal keine Sonne mehr. Wir fuhren einfach ein Stück voraus. Hinterm Pass war auch keine Sonnenchance auszumachen. Wir bogen in eine Seitenstraße ein, die per Brücke über die Bahn führte, und ließen den HST an uns vorüberfahren.

Tja, wat nu? Da erstmal keine Aussicht auf Sonne sein würde und wir schon mal so weit südlich waren, beschlossen wir eine Erkundungsfahrt nach Rannoch an die Westhighland Line. Nach Rannoch führt eine lange Stichstraße, für die man Zeit brauchte. Wir stellten fest, dass wir einfach die Nebenstraße, auf der wir waren, weiterfahren konnten. Und hier gelangten wir dann so richtig ins Herz der Highlands rein! Es war wunderschön, jede Kurve eröffnete neue Ausblicke über die weite Landschaft. Eine alte Staumauer war abseits der Straße zu sehen. Strukturen an der Mauer wirkten aus der Ferne wie Wasserspeier aus einem Fantasiefilm. Dann ging es mal wieder in ein tief eingeschnittenes Tal hinab, in dem hübsche Gehöfte unter prächtigen Laubbäumen mit blühenden Rhododendren lagen.

Hinter Kinloch Rannoch ging es am Ufer eines langgestreckten Sees entlang. Als dieser zuende war, wandt sich die Straße in die Höhe in baumlose Hochgebirgslandschaft. Am Ende der Straße, man könnte meinen am Ende der Welt, lag Rannoch. Wir hatten von der A9 eine Stunde hierher benötigt. Ein schmucker Gasthof, ein Bahnhof und eine Riesenszenerie empfing uns hier. Hinter Rannoch ging das Gelände wieder abwärts. Entsprechend beeindruckend war die Kulisse. Eine absolut unberührte Gegend. Nördlich des Bahnhofs schließt sich ein Viadukt an. Leider lässt das Wegenetz ein wenig zu wünschen übrig, und unsere Versuche, vom Bahnhof aus an den Viadukt zu kommen, scheiterten am sumpfigen Untergrund. Vielleicht nimmt man ja einen Taps in Moorlachen in kauf, wenn dadurch ein schönes Bild vom Nachtzug winkt, aber nur zur Erkundung, och nö! Das Licht stand jetzt spitz.

Die Ginsterinsel im Loch Eigheach.

Immerhin begann der Himmel sich aufzulockern. Es wurde ganz schön warm. Zwei Züge standen in absehbarer Zeit an. Wir begannen uns ernsthaft Gedanken zu machen, wie man zumindest den ersten umsetzen kann. Der Lichtstand war halt problematisch. Ich probierte einfach einen Seitschuss mit Panoramablick. Und mir gefiel das Ergebnis sogar, denn der Zug reflektierte das hoch stehende Sonnenlicht ganz passabel.

Kaum zu glauben, aber nach einer Stunde Fahrt durch die Wildnis trifft man schon wieder auf eine Bahnstrecke, die weit und breit keinen Kontakt zur Highland Mainline hat: Die Westhighland Line von Glasgow nach Fort William und Mallaig. Auf ihr sind noch die mittlerweile betagten "Sprinter" (Class 156) im Einsatz.

Dieses Motiv wäre ideal für den nordfahrenden Nachtzug. Auf dem Hinweg hatte uns ein Stück vor Rannoch ein abzweigender Wanderweg angelacht. Den wollten wir nun ein Stück hinein laufen. Der Weg war wunderschön. Besonders fasziniert war ich von der Stille, die hier herrschte. Es ging kontinuierlich bergauf. Und bald boten sich interessante Ausblicke auf den Viadukt vor dem großartigen Panorama. Da tauchte sogar ein Bergsee aus der Versenkung auf! Wir nahmen an der höchsten Stelle des Wanderweges, bevor dieser von der Bahn wegbog, den Gegenzug trotz suboptimalem Lichtstand auf. Auch diese Szenerie wäre was für den morgendlichen Sleeper gewesen.

Der Wanderweg zum nächsten Bahnhof Corrour Station, der gar keinen Straßenanschluss hat.

Über einen kleinen Pass gelangt der Gegenzug in den Talkessel von Rannoch.

Hier einfach mal das Gesamtpanorama, das m.E. seinesgleichen sucht. Am frühen Vormittag wäre der Lichtstand zum nordfahrenden "Sleeper" (die Kurswagen nach Fort William des vorhin in Newtonmore gesehenen Zuges) ideal!

Der kleine Triebwagen (im Sommer immerhin ein Doppler!) hebt sich allerdings auch beim Mittagslicht schön in der Landschaft ab.

Nun wollten wir ja doch mal schauen, ob die Wolken an der Highland Mainline auch aufgerissen waren. Gemütlich ging es zurück. Und siehe da, auf dem Pass von Drumochter schien die Sonne. Kurz vorm Summit entdeckten wir eine hübsche Ginsterblütenstelle, an der wir uns für den Tesco Express, den einzigen regelmäßigen Güterzug der Strecke, positionierten. Wir mussten noch 40 Minuten warten, ehe der Zug exakt 'i rute' kam. Diese 40 Min standen wir durchgehend im besten Sonnenlicht. Doch exakt zum Zug waberte eine Wolke heran. Allerdings war die Wolke eine Nuance zu lahmarschig. Der Zug ging gerade noch in Bestlicht, bevor das Licht ausging – die Freude war groß!

Die Ginsterblüte war am Pass von Drumochter in vollem Gange. Immerhin gab es in der nun währenden größeren VT-Pause von hinten eine Baumaschine.

Das Hauptmotiv war jedoch der Tesco-Express. Dieser letzte werktägliche Güterzug der Highland Mainline versorgt die Tesco-Supermärkte des Nordens von Inverness aus. Da weiß man doch gleich, wo man einkaufen sollte...

Paar coole Zaungäste hatten wir auch.

Nun wechselten wir ein wenig hin und her auf Flucht vor Wolken und hatten diese dann doch immer vorm Zug. Hier muss man sich die Motive halt alle etwas erlaufen, so dass man schlecht bei erkannter Wolkengefahr noch schnell per Auto wechseln kann. Auf diese Weise 'verloren' wir drei 170 und vor allem den schönen Blick auf Formsignale und Destille in Dalwhinnie. Schade drum.

Den Dalwhinnie gibt es dann eben ohne Zug serviert. Prost!

Dann stand mal wieder ein Südfahrer an, für den wir die Taktik änderten und ihm ein Stück entgegen fuhren. Nördlich von Kingussie hatten wir gestern schon ein hübsches Motiv entdeckt, dass wir jetzt aufsuchten. Etwas verkompliziert wurde das durch eine Baustellenampel, die meine ganze Aufmerksamkeit in ihren Bann zog, so dass ich gar nicht merkte, dass ich grad davor schon hätte abzweigen müssen. Aber wozu hat das Auto den Rückwärtsgang? Unser Motiv klappte nun sogar stressfrei mit dem südfahrenden 170.

Ein 170 im Altlack passiert die Balavil Gate Lodge. Dieses Gatewärterhäuschen war im Stil einem Gutshaus weiter oben am Hang angepasst. Der Zug erreicht gleich Kingussie.

Nun war als nächstes der HST nach Inverness fällig. Für diesen fuhren wir nach Dalwhinnie, wo der Zug auf einem Damm südlich des Bahnhofs passend kam. Die Wolken zeigten Auflösungserscheinungen und ließen uns in Ruhe.

Der Fotodamm von Dalwhinnie. Nach langer Fahrt passiert der HST aus London das kleine Destillendorf ohne Halt.

Da es immer klarer wurde und vermutlich das Abendessen ausfallen musste, besorgten wir uns nun in Newtonmore paar Sandwichs und zogen damit wieder in die offene Pläne „Glen Truim“ zwischen Crubenmore und Dalwhinnie. Dort gab es paar 170er, die am Abend in erstaunlich dichter Abfolge kamen. Besonders kurios war, dass alle drei in neuer Scotrail Farbe unterwegs waren, nachdem wir zuvor ausschließlich Züge in Altlack gesehen hatten. Das neue frische Blau stand den Triebwagen ausgezeichnet!

Bevor sich der River Truim hinab ins Spey Valley stürzt, begegnet er bei Crubenmore einem Class 170 Triebwagen in neuer Schottlandlackierung.

Auch der Gegenzug trägt das neue Farbkleid, dessen frisches Blau den Zügen m.E. sehr schön steht.

Plötzlich haben alle 170er die neue Farbe, so auch dieser bei Cuaich unter einer großen Wolke beobachtete VT.

Nun hatten wir es aber mit diesem Streckenabschnitt. Den letzten Zug, für den wir uns Lichtchancen ausrechneten, wollten wir in Newtonmore nehmen. Der Bergschatten rückte immer mehr ins Motiv. Endlich beschleunigte der 170 lautstark aus dem nahegelegenen Haltepunkt, doch laut ist nicht gleich schnell. Etwa so wie beim ehemaligen deutschen 614/624/634, bloß dass der 170 sich „Turbostar“ nennt und rund 30 Jahre jünger ist. Ziemlich armselig! Jedenfalls kam er langsam angedröhnt und ging gerade noch im letzten Licht, während der Vordergrund bereits ausgeknipst war.

Der fotografische Tag endete, wo er begonnen hatte, in der Geraden zwischen Hp Newtonmore und der Speybrücke. Ein 170 beschleunigt laut und schwerfällig aus dem Haltepunkt.

Danach war ein sehr langer Tag beendet. Wir trafen gegen 21.40 in Alvey House ein.

Dienstag, 26.06.2012

Als der Wecker um 5.50 schellte, herrschte draußen statt des tiefblauen Himmels von gestern nur grau in grau. Obwohl - war es dahinten nicht ein wenig heller als anderswo? Wir standen trotz offensichtlicher Aussichtslosigkeit auf, was mir nicht gar so viel ausmachte, weil es eh 'meine Zeit' war. Um 6.30 verließen wir Newtonmore südwärts. Für den Nachtzug standen nach wie vor zwei 'must have' Motive auf dem Zettel, Wades Bridge vor Dalwhinnie und der 'Blick vom Ginsterparkplatz' bei Crubenmore. Auf der Fahrt bemerkten wir, dass die Entscheidung loszufahren gar nicht mal grundsätzlich verkehrt gewesen war. Vieles von dem Grau am Himmel entpuppte sich als hauchdünne Schicht, die auch schwaches Licht durchließ. So hatte der Sleeper an der Wades Bridge tatsächlich einen Hauch von Sonne.

Wades Bridge - Vermutlich bezieht sich das eher nicht auf die Wiesenüberführung über die Bahn, auf deren Rampe wir südlich Dalwhinnie stehen. General Wade war der erste große Erschließer der Highlands mit seinen Military Roads. Wenn er damals schon Brücken für künftige Bahntrassen vorbereitet hätte, wäre das ein erstaunlicher Weitblick gewesen, lebte er doch im 18. Jahrhundert. Da war selbst in Großbritannien noch nicht von Eisenbahn die Rede...

Wir nutzten den Aufenthalt in Dalwhinnie, um zum Ginsterparkplatz vorzufahren. Hier entpuppte sich der Weg durch die Heidehügel zum Standpunkt doch länger als erwartet. Mit hängender Zunge und pfeifender Lunge konnte ich dann nur noch die Kamera hochreißen. Die optimale Perspektive wäre aber von weiter links gewesen.

Der "Sleeper" im fahlen Morgenlicht mit dem Glen Truim im Hintergrund.

Obwohl wir ganz langsam zum Auto zurück wanderten und wir an zwei Baustellenampeln warten mussten und immer wieder langsame LKWs vor uns hatten, fuhren wir dem Nachtzug ein ganzes Stück voraus. Im Norden sah es wolkenloser aus, doch als bei Aviemore diese Zone erreicht war, ging es erstmal durch fett Nebel. Ab dem Slochd Summit sah es wieder besser aus. Der Viadukt von Tomatin schrie uns nun an: Fotografiert mich! Den Gefallen konnten wir ihm tun, denn hinterm Schnellstraßenviadukt folgte sofort eine Parkbucht. Ein Stück auf den Straßenviadukt raus, und das Motiv war perfekt. Blöd waren nur viele kleine Wolkenflusen die immer wieder Teile des Viaduktes verdunkelten. Und wir mussten wohl noch 10 Min zwischen Geländer und Leitplanke eingeklemmt warten. Wenn LKWs an uns vorbeidonnerten, wackelte die Brücke ganz schön. Da der Zug im Schrittempo auf das Halt zeigende Esig Tomatin zufuhr und offenbar die Kreuzung mit dem HST anstand, überholten wir ihn erneut und erwischten ihn nochmal richtig gut ausgeleuchtet in Moy.

Der Tomatin Viadukt trägt die Bahn über das Tal des River Findhorn. Langsam bremst der Sleeper für den Kreuzungsaufenthalt mit dem HST.

Hinter der Ortschaft Moy kann der Sleeper ein letztes Mal am Ufer des Moy Burn beobachtet werden.

Das war klasse, und weil man da so schön an einem Plätscherbach und abseits der Straße zwischen Fliederbüschen stand, gab es erstmal Frühstück. Und danach warteten wir noch den nordfahrenden Tesco ab. Bis dahin hatte es sich allerdings ordentlich zugewölkt. Nun waren die 'langen' Züge erstmal durch. Wir wollten wieder zurück nach Newtonmore. Doch in Tomatin schauten wir kurz in der Destillery vorbei. Der Shop machte um 10 auf und wie zwei ausgetrocknete Sprittis standen wir als erste Kundschaft des Tages auf der Matte. Die 'Betreuerin' lud uns ein, auf deutsch einen Film über die Destillery anzuschauen und einen '12 year old single malt' zu probieren, wobei ich als Fahrer nur einen winzigen Schluck nahm. Wir revanchierten uns natürlich mit großzügigem Einkauf von Souvenirfläschchen...

Auf dem Weg nach Newtonmore ging es wieder mehr und mehr in die Sonne rein. Als wir durch Kingussie fuhren, meinten wir noch so, dass man sich den Bahnhof mal anschauen müsste. Der Blick in den Fahrplan ergab, dass wir gerade Züge in beide Richtungen verpasst hätten. Schade, noch hätte der Lichtstand gut gepasst. Zurück in Newtonmore beglichen wir erstmal die Pensionsrechnung, falls wir morgen auch wieder früh aufbrechen wollen. Dann gab es einen Kaffee und ein kurzes Nickerchen. Zum nächsten Zug probierten wir es nochmal in Kingussie. Erwartungsgemäß war das Licht nun nur noch von der Seite. Schade, denn es gab eine ideale Panorama Fußgängerbrücke, von der aus man Schranke, Stellwerk und Semaphoren zusammen aufnehmen konnte. Immerhin ging die Ausfahrt des 170 mit Licht.

Ein 170 beschleunigt aus Kingussie nordostwärts.

Nun war etwas Zeit. Wir wollten jetzt lieber ins Gebirge hoch. Am Südende des Fotodamms von Dalwhinnie konnte man sich schön ins Gras setzen und warten. Von Westen drängten nur leider bald wieder größere Wolkenfelder ins Geschehen. Und die waren natürlich auch für das nächste VT Paar zuständig. Und nicht nur dafür. Diese Bewölkung hatte etwas endgültiges. Sehr schade! Ohne viel Hoffnung fuhren wir dem Güterzug nochmal ein Stück voraus bis zu der Nebenstraßenbrücke von Dalnacardoch südlich des Passes. Hier war sogar eine blaue Fläche im Anmarsch, als der Güterzug leicht vor Plan auftauchte. Wie gesagt, sie war im Anmarsch, aber halt noch nicht da.

Der Tesco-Express befährt die ferngesteuerte Überleitstelle Dalnacardoch und verlässt damit den höchsten Teil des Gebirges.

Und als sie da war, brach sie schnell wieder zusammen. Wir nutzten die Gelegenheit, uns den Souvenirverkauf der Dalwhinnie Destillery etwas genauer anzuschauen. Die Minifläschchen waren etwas preiswerter. Aber - oh weh! - sie waren aus Plastik. Sehr stilvoll!

Zurück nach Newtonmore fuhren wir zur Abwechslung mal einen kleinen Umweg. Über einen kahlen Hügelrücken, der weite Ausblicke in mittlerweile regenverhangene Berglandschaften ermöglichte, führte eine Straße nach Laggan, von wo es wiederum im Speyvalley nach Newtonmore ging.

Der Ginster leuchtet auch ohne Sonnenschein. An der Straße von Dalwhinnie nach Catlodge.

Zurück in der Pension fanden wir eine Möglichkeit, mit dem Rechner an einem bestimmten geöffneten Fenster sitzend am WLAN des benachbarten Golfhotels zu partizipieren. Für Schottland war die Vorhersage nunmehr unterirdisch. Für die Gegend zwischen London und den East Midlands war für die folgenden Tage sehr wechselhaftes Wetter angesagt. Mehr war britannienweit nicht zu wollen! Wir beschlossen, morgen mal in diese Richtung zu schauen. Zum Abendessen gingen wir zum --- Schotten! Wir fanden im Hotel The Glen einen netten Pub, in dem auch Essen serviert wurde. Ich nahm eine Lammkeule mit Minzsauße (nein, die schmeckt nicht nach After Eight, sondern wie normale Bratensauce), die sehr lecker und zart war. Dazu ein süffiges Wildcat Bier aus Aviemore - so gefiel mir das. Bestellt wurde alles an der Bar, dann aber am Platz serviert. Nach einem Regenspaziergang durch den Ort gab es noch paar Fotos vergangener Touren im Zimmer.

Mittwoch, 27.06.2012

Heute war leider Abreisetag. Der aktuelle Wetterbericht ließ uns keine andere Wahl. Als Ziel und Stützpunkt für die restlichen Tage in den Midlands hatten wir Leicester gewählt. Dort sollte mit Aufheiterungen zu rechnen sein, und die bis zu viergleisige Midland Mainline interessierte ohnehin und würde auch eine genügend dichte Zugfolge bieten.

Um 8 verließen wir Newtonmore im Regen. Der Abschied fiel nicht leicht, hatte man hier doch eine ideale Basis für Tagestouren in alle Richtungen. In Dalwhinnie ein letzter Blick rüber zur schmucken Destille - weniger aus sprituellen Gründen, sondern weil es hier einfach schön war und man noch viele Betätigungsfelder gehabt hätte. Die Fahrt auf der A9 südwärts verlief erstaunlichst zügig. Schleicher konnten schnell überholt werden und alle drei Baustellampeln waren grün. Hinter Perth kam uns auf der Bahn ein Freightliner Zementzug entgegen. Eigenartig, denn laut Plan sollte der donnerstags fahren (und etwas früher). Im Starkregen ging es durch den Ballungsraum Glasgow. Regen und Gischt der Vorderleute konnten ganz schön die Sicht nehmen. Auf elektronischen Tafeln wurde darauf hingewiesen, dass Donnerstag mit heftigem Regen zu rechnen sei. Wie jetzt, ist denn schon Donnerstag?

Die Fahrt ging entspannt weiter, denn der Regen ließ weiter oben im Gebirge etwas nach und der Verkehr war schwach. An der Raststätte 'Westmorlands Farmshops' legten wir einen Raststopp ein. Die Aussicht durch die Panoramascheiben des Restaurants war topp, mein zermanschtes Chickenpie allerdings arg salzig. Da half auch die Tatsache, dass das Fleisch von einheimischen Höfen kommen sollte, nicht weiter. Und ich kann kein morländisch. Wie schon bei meinem ersten Besuch hier war eine Verständigung mit dem Personal äußerst mühsam...

Der Ausblick aus dem Rasthof Tebay / Westmorlands Farmshops ist phantastisch. Irgendwo da hinten wäre die Settle & Carlisle Bahnlinie, fototechnisch auch noch eine offene Dauerbaustelle...

Ab dem Ballungsraum Lancaster wurde die Autobahn immer voller. Aber wir wollten ja nach Leicester. Immerhin gab es keinen Stau. Gegen 15.30 fuhren wir in Leicester ein. Hatten wir erst an ein IBIS in der Innenstadt gedacht (wegen kurzem Weg zum Inder und so), änderten wir unsere Meinung, als die Straßen immer enger, das Stadtbild unerfreulicher und der Verkehr chaotischer wurde und steuerten ein Premier Inn an einem der äußeren Kreisel an. Von dort wurden wir an ein Premier Inn eine Straßenecke weiter verwiesen, aber dann hatten wir's. Die verbleibenden drei Nächte sollten jedem von uns einen Hunni kosten. Mit den 'drei' Nächten war das übrigens gar nicht so einfach. Auf unseren Wunsch 'bis Samstag' wollte uns der Rezeptionist partout nur zwei Nächte verkaufen, weil er meinte, heute wäre Donnerstag. Wir schauten uns nur ungläubig an. Das war das dritte Mal, dass uns heute suggeriert wurde, es sei Donnerstag. Den Mittwoch gibt es anscheinend gar nicht. Der ist wohl so eine geschickte Täuschung wie Bielefeld...

Leicester (sprich „L’ester“) ist eine 300.000 Einwohner Stadt im Süden der East Midlands. Sie liegt an der Midland Mainline (MML), einer der drei „großen“ Bahnstrecken nordwärts aus London hinaus. Die MML ist vom Londoner Bahnhof St Pancras bis Bedford elektrifiziert und führt dann als zwei-, drei- oder viergleisige Dieselpiste in nordwestliche Richtung. Der große Strom der Fernzüge teilt sich einige Kilometer nördlich von Loughborough, an der Station East Midlands Parkway, auf die verschiedenen Ziele Richtung Nottingham und Derby – Sheffield auf. Beide genannte Relationen werden alle halbe Stunde bedient. Zum Einsatz gelangen HST (Class 43) und Meridian (Class 222) Triebwagen des Trainoperators East Midlands Trains, die hier immerhin mit 177 km/h (110 mph) durch die Gegend flitzen. Nahverkehr gibt es nur auf dem elektrifizierten Streckenstück bis Bedford, wo die Thameslinkzüge von First Capital Connect einen S-Bahnverkehr bestreiten, und nördlich von Leicester mit zweiteiligen Dieseltriebwagen von East Midlands Trains. Zwischen Bedford und Leicester gibt es keinen Nahverkehr bzw eine Art „RE177“ für einige an der Strecke liegende Kleinstädte mit den Class 222 Fernzügen.

Nach dem Beziehen der Zimmer hatten wir noch eine kleine Erkundungsrunde entlang der MML angedacht. Doch als wir losfuhren, riss der Himmel ein wenig auf und wir suchten ein bereits bekanntes Motiv in Barrow upon Soar auf. Von einer Fußgängerbrücke am westlichen Ortsrand hat man paar Häuser und zwei hübsche Brücken im Bild. Leider war der Blick auf die Häuser aufgrund der Vegetation etwas eingeschränkt, aber es ging noch. Über so richtig viel Güterverkehr konnten wir uns zwar nicht freuen und die wenigen Züge auf der fotogeneren Slowline hatten Begegnungen mit Zügen auf der Fastline, aber es passte schon noch immer gerade so.

Ein Freightliner Güterzug wird in Barrow demnächst von einem Meridian überholt.

Aus der Gegenrichtung nähert sich ein Doppel aus Class 70 und 66 mit einem Stahlleerzug.

Ein HST in der Tele-Version.

Und eine weitere Begegnung, diesmal zwischen einem 158 im Nahverkehr auf der Slow- und einem Meridian auf der Fastline.

Danach ging es entlang des Soar nordwärts, teils durch schnuckelige kleine Dörfchen. In Stanford on Soar gab es paar Dorfbilder, bevor wir an der Landstraße A6006 bei Zouch mal wieder eine Brücke bezogen. Aber auch hier fehlten zwei im Freightmaster versprochene Güterzüge. Das war schade, weil einfach die Slowline günstiger zu fotografieren war. So blieben uns nur eine Lz und ein 153-Doppel. Und der eine oder andere Teleschuss auf die Fastline. Schon witzig, im Nahverkehr waren hier drei verschiedene Nasentürerbaureihen eingesetzt.

Stanford on Soar, ein englisches Dorf.

Diesen schön freien Blick hätte man gern mit Güterzug gehabt. Aber einstweilen muss ein 153-Doppel herhalten. Blick von der A6006 bei Zouch.

Wir forschten noch die restlichen Brücken bis zur Ratcliffe Powerstation aus. Dabei entdeckten wir weniger Übermotive als viele wunderschöne Dörfer. Und die hatten viele wunderschöne Pubs. Und diese Pubs hatten herrlich lauschige Biergärten. Und einen solchen steuerten wir dann auch direkt mal an. Der Garten von 'The Plough' zu Normanton on Soar lag wunderschön am Ufer des Soar. Es gab Hausmannskost. Später wurden auf der Terrasse noch irgendwelche Ritualtänze aufgeführt. Da sich diese bis auf die Parkplatzzufahrt ausdehnten, kamen wir nach dem Essen gar nicht so schnell vom Hof. Gegen 10 ging es über Loughborough zurück nach Leicester, wo wir nach dem langen Tag doch ganz schön müde waren.

Donnerstag, 28.06.2012

Nachdem der Abend schon sehr warm gewesen war, brachte die Nacht kaum Abkühlung. Der Wetterbericht kündigte 27 Grad und eine extreme Schwüle für heute an. Von den heftigen Regenfällen im Norden der Insel sollten wir aber nur paar Gewitter und viele Wolken abbekommen. Beim Aufwachen wars noch bedeckt. Wir frühstückten im benachbarten Restaurant Heathley Park. Das war schon mal gut, das english breakfast auf Bestellung frisch zubereitet.

Im Norden waren paar Aufheiterungen zu sehen. So fuhren wir erstmal zur von 2010 bekannten Brücke Cossington. Hier war das Blau aber gerade durch. Deshalb begannen wir nun die beabsichtigte Erkundungstour entlang der Midland Mainline (MML) südostwärts.

Nachdem wir uns durch Leicester gequält hatten, erwies sich eine erste angesteuerte Brücke westlich Newton Harcourt sogleich als geeignet. Da sich wieder mal blauer Himmel zeigte, konnten wir das Erkundete sogleich umsetzen.

Ein HST hat Leicester verlassen und brummelt unter der Brücke westlich Newton Harcourt durch.

Weiter ging es. Wir konnten uns immer wieder paar brauchbare, aber unspektakuläre Stellen notieren. Da die Strecke jetzt erstmal nur zweigleisig war, fehlte auch ein wenig das „Faszinosum Viergleispiste ohne Fahrdraht“. Schon jetzt am Vormittag herrschte furchtbares Treibhausklima. Nach Supermarktbesuch in Desborough gefiel uns eine Brücke bei der Triangular Lodge unweit Rushton ganz gut. Hier hatten wir uns mit dem Auto in einen ins Nichts führenden Seitenweg reingestellt und gerade das Mittagessen ausgebreitet, da kam natürlich ein Lieferwagen und wollte ins Nichts. Also alles zusammenpacken, notdürftig verstauen und zur Seite fahren, wobei mir da dann doch Teile des Salates durch die Gegend flogen. Mmmh, lecker, Lenkrad a la Basilikum Tomate...

Ein Meridian bei Rushton.

An Kettering und Wellingborough fuhren wir vorbei, dann steuerten wir eine Brücke bei Souldrop an. Die erwies sich als sehr interessant. Während die MML zwischen Leichester und Kettering nur zweigleisig ist, führte nun wenigstens wieder eine eingleisige Slowline parallel, und zwar auf einem unterschiedlichen Höhenniveau. Ein Hügelrücken wird von der Fastline über den „Sharnbrook Summit“ überquert, von der Slow jedoch per Tunnel unterfahren. Das sah ganz interessant aus. Hier konnten wir auch paar Züge mitnehmen.

Ein kurzer GBRf-Güterzug rollt auf der Slowline in Richtung Sharnbrook Tunnel.

Der Meridian kommt die Rampe vom Sharnbrook Summit hinuntergerollt.

Nachdem wir auch eine nördlich gelegene Feldwegbrücke ausgespäht hatten, die für Nordfahrer spätnachmittags auf der Slowline topp, ansonsten aber eher schwierig war, entdeckten wir bei Milton Ernest einen tollen Weitblick mit Blühblumen von der Brücke New Road. Das war sogar so toll da, dass ein Handwerker, der mit seinem Auto den besten potentiellen Motivparkplatz belegte, dort mindestens anderthalb Stunden lang über seine Aufträge nachdachte. Wolkentechnisch war das anfangs recht mühsam, im Laufe des Nachmittags wurden die Wolkenlücken aber wieder größer. Einzig nervig war jedoch, dass jeglicher Güterverkehr und damit überhaupt jeglicher Verkehr auf der Slowline ausblieb. Dann, nach über zwei Stunden endlich die Erlösung. Auf der Slowline ging das Signal nordwärts auf grün. Wir konnten schnell rumlaufen auf die benachbarte Brücke, von der man einen schönen Ausblick südwärts hatte. Dieser Blick ging mit Fastline Zügen gar nicht.

Blick von der New Road bei Milton Ernest auf ein langes viergleisiges Streckenstück. Die 50mm-Variante zeige ich mit HST,...

..., die 135mm-Variante mit Meridian.

Den Güterzug aus der Gegenrichtung gibt es von der benachbarten Brücke Radwell Road.

Mittlerweile stand das Licht im rechten Winkel zur Bahn. Wir beschlossen, einen großen Sprung nordwärts zu machen. Die Hoffnung dabei war, dass man den oder einen anderen Güterzug an der Brücke bei Zouch bekäme. Als wir schon im Auto saßen, folgte dem Gz noch ein zweiter...

Trotz starken Verkehrs lotste uns Tomtom zügig in anderthalb Stunden ans Ziel. Hier oben muss es heftige Niederschläge gegeben haben. Zum Teil hatten sich riesige Pfützen auf den Straßen gebildet. Eine Straße war sogar ganz wegen Überflutung gesperrt, aber Tomtom wusste sofort eine Umleitung. Tja, da standen wir nun also auf der Brücke bei Zouch und bestaunten mal wieder viel heiße Luft auf der Slowline. Selbst auf der Fastline war der Verkehr durcheinander, es gab hohe Verspätungen. Erst eine Dreiviertelstunde nach Ankunft auf der Brücke kam zwar keiner der Züge von vorhin, aber ein DRS bespannter Freightliner Kohlebomber.

Nochmal der Blick von der Brücke bei Zouch: Ein Freightliner Kohlezug mit DRS-Bespannung brachte endlich einen längeren Zug auf der fotogeneren Slowline.

Für die Fastline eignete sich fast nur die Teleperspektive. Ein HST kommt angebrettert.

Der Abend wurde nun zumindest in unserer Gegend richtig klar. Das war insofern ärgerlich, da wir eigentlich fest damit gerechnet hatten, das EM-Halbfinale Deutschland - Italien im Hotelzimmer schauen zu können. Und nun stand man hier auf dieser Brücke, es war unwahrscheinlich, dass überhaupt auf der Slowline noch etwas käme, aber das Licht war einfach zu schön um abzuhauen. Und das war auch gar nicht verkehrt. In der fünften Spielminute kam tatsächlich noch die erhoffte Class 60 mit dem zweiten in Milton Ernest gesehenen Zug um die Ecke! Eine Wolkenfluse war zum Glück gerade durchgezogen und verdunkelte bestenfalls den Hintergrund.

Fünfte Spielminute: Eine Class 60 taucht im letzten Abendlicht des Tages bei Zouch auf.

Allerdings zog nun doch eine Wolkenkette vor die Sonne. Wir sahen zu, dass wir zurück nach Leicester kamen. In einem Supermarkt wollten wir schnell noch Bier und Chips für die zweite Halbzeit mitnehmen, doch gekühlt gab es nur ausländisches Bier. Deshalb nahmen wir Cider aus Herefordshire mit, der sich dann auch als sehr lecker erwies.

Nun ja, als wir vom 0:2 zur Halbzeit erfuhren, waren wir uns einig, dass die Class 60 die bessere Alternative gewesen war. Die zweite Halbzeit war schön anzuschauen, aber immer wieder wechselte unser Blick auf die Ergebnisse des Tages auf dem Mini PC, mit denen wir nicht unzufrieden waren. Klinsi war von der BBC als Experte engagiert. Der Mann spricht richtig gut englisch. Danach kamen in den Nachrichten Berichte von den Unwettern des Tages. Leicestershire war mit Überschwemmungen, Hagelschauern und sogar einem Tornado einen expliziten Filmbeitrag wert. Auch das überflutete Loughborough wurde gezeigt. Ein anderer Film zeigte, wie 'Robin Hood' und andere Prominente das olympische Feuer durch die überfluteten Straßen der East Midlands trugen. Dieses Unwetter ist also nur paar Kilometer an uns vorbei gegangen. Da war die extreme Schwüle vielleicht die bessere Alternative. Heute wird die olympische Flamme in Nottingham übernachten. Gar nicht weit von Leicester...

Freitag, 29.06.2012

Beim Aufwachen war mal wieder alles grau in grau. Wir frühstückten in Ruhe im benachbarten 'Heathley Park'. Das Frühstück dort ist richtig gut. Continental gibt es vom Buffet, british kann man sich bei Bestellung selbst zusammenstellen. Das schmeckte alles frisch und ausgezeichnet.

Mittlerweile hatten die Wolken begonnen aufzureißen. Heute war es kühler, klarer und es ging ein starker Wind. Richtig 'skandinavisch' also. Da die Sonnenwahrscheinlichkeit eher gering war, brauchten wir einen verkehrsreichen Punkt, wo man auch Züge der Fastline mal etwas seitlicher nehmen konnte. Da war natürlich Cossington ideal. Und tatsächlich stand man dort immer wieder in der Sonne. Zwar dauerte es etwas, bis Sonne und Zug auf der jetzt idealeren Fastline mal gleichzeitig kamen, aber als hier ein HST in voller Sonne abging, war die Freude groß. Weitere beschienene Züge folgten. Nur zwei im Freightmaster genannte Güterzüge von Norden blieben aus. Auch ein von einem älteren Herrn, der irgendwann auftauchte, erwarteter Class 70 Güterzug kam nicht. Und ein südfahrender Messzug mit Class 31 kam bei Wolken. Dennoch war es nett dort. Nico hatte dem Hobbykollegen die gestrige Aufnahme der Class 60 gezeigte, die dieser mit 'boneless' kommentierte. Ein echtes Filetstückchen also.

Als erstes ging einer der im Nahverkehr eingesetzten farbenfrohen Sprinter (Class 156).

Auch ein HST bekam bei Cossington volles Licht ab.

Immerhin brachte DB Schenker einen einzelnen Güterzug vorbei.

Danach schauten wir mal in Syston und weiter Richtung Leichester. Wir rechneten uns aus, dass dort ja von der Piste aus Richtung Melton Mowbray noch paar XCountry 170 hinzu kämen und waren überrascht, dass dort die Strecke nur dreigleisig war. Wir fanden einen schönen Ausblick von einer hohen Fußgängerbrücke über einen Einschnitt. Hier gab es Mittagsrast und paar Hochlichtigkeiten.

Zwischen Syston und Leicester kann man von einer hohen Fußgängerbrücke auf einen tiefen Einschnitt blicken. Ein Meridian...

... und noch einer.

In die andere Richtung schaut man auf die "wunderschöne" Stadtkulisse von Leicester. Ein Cross Country 170 befährt hier kurzzeitig die MML und biegt gleich in Sileby rechts ab.

Nun hatte es sich am Himmel allerdings fast vollständig bewölkt. Nächster Programmpunkt war eine Erkundungsfahrt an der Zweigstrecke Richtung Melton Mobray. Es war schon toll, wie einsam es plötzlich wurde, wenn man aus der Stadt raus war und die Hauptstraßen verlassen hatte. Und wieder diese alten Dörfer mit alten Kirchen und alten Gasthöfen. Und wie gepflegt alles war. Allerdings sahen wir auch Spuren der gestrigen Verwüstung. Neben den Straßen lagen notdürftig zersägte Bäume. Der Verkehr in Melton Mobray war sehr anstrengend, aber danach ging es wieder auf einspurigen Straßen durch die Botanik. An der Strecke jetzt mehrere einsam gelegene Signalboxes, von denen sich aber bestenfalls die von Ashwell vom Rand des benachbarten Ackers am frühen Nachmittag aufnehmen lassen könnte. Also eigentlich jetzt, aber der Himmel war vollkommen zu. Nach etwas ziellosem Rumgedödel entschieden wir uns, doch das Nachmittagsmotiv am Sharnbrook Summit bei Souldrop an der MML, das wir gestern gesehen hatten, auszuprobieren. Diesmal natürlich der Blick von der nördlicheren Brücke.

Mit diesem Ziel vor Augen ließ sich die einstündige Fahrt gut aushalten. Die Straße führte anfangs Achterbahn ähnlich steil auf und ab. Höchst beeindruckend war das Ortsbild von Rockingham mit großem Schloss am Hang über dem einheitlich gebauten alten Dorf.

Auf der Brücke der Back Lane in Souldrop wars nun richtig schön. Solche Punkte liebe ich. Kein Straßenverkehr, toller Blick und ein Himmel, der sich ganz ordentlich auflockerte. Das Hauptmotiv bildet hier nun mal leider die Slowline, und wie wenig dort auf diesem Abschnitt los ist, wussten wir ja schon. Ein erster Güterzug ging schon mal bei Wolke ab. Und dann wurden die Wolken auch noch wieder dichter. Das war jetzt nicht das, was wir wollten. Wir mussten versuchen, mit den Personenzügen das beste aus dem Motiv zu machen.

Ein Meridian rollt die Rampe vom Sharnbrook Summit hinab.

Der einzige Zug auf der Slowline kann wohl als Wolkenschaden verbucht werden.

Mit den Wolken ging es hin und her. Mal waren riesige Gebilde am Himmel, mal war das Blau wieder in Überzahl. Ein Güterzug von hinten tauchte sogar auf der Fastline auf, ging aber auch bei Wolke. Über der Slowline derweil viel heiße Luft. Nachdem wir uns bei einer größeren Wolke zu einem Nickerchen ins Auto verzogen hatten und irgendwann die Augen wieder öffneten, war im Westen und über uns nur noch geschlossene Bewölkung zu sehen. Das hatte keinen Zweck mehr. Da es schon nach 18 Uhr war, brachen wir ab.

Meine Lieblingsaufnahme des Nachmittags: Ein Meridian auf der Fastline, dahinter hebt sich die beschienene Brücke Souldrop Road vor unbeschienenem Hintergrund ab.

Allerdings waren wir keine 10 Min gefahren, da wurde der Himmel nordwärts wieder blauer und blauer und irgendwann fuhren wir durch Sonne. Frechheit! Wir versuchten, in der Gegend von Wellingborough an die Bahn zu kommen und landeten auf einer Brücke in der südlichen Ausfahrt zwischen abgestellten Baumaschinen und einem GBRf Depot. Ein Zug kam hier sogleich bei Sonne, mehr brauchten wir nicht.

In der Südosteinfahrt von Wellingborough konnten wir das klare Abendlicht immerhin noch mit einem Meridian-Doppel umsetzen.

In der anderen Richtung fiel der Blick auf haufenweise abgestellte GBRf-Baustoffzüge.

Statt dessen schauten wir zu einer Brücke westlich des Ortes an der Überleitstelle Harrowden, von der man einen außerordentlich freien Blick in beide Richtungen hatte. Doch hier zog gerade wieder ein sehr endgültig aussehendes Riesengewölk vor die Sonne. Also zurück nach Leicester. Das Navi zeigte uns bereits frühzeitig an, dass die eigentliche Abfahrt zu unserem Hotel gesperrt sei und manövrierte uns zuverlässig drum herum. Tatsächlich hatte es dort einen Unfall gegeben und die ganze Rampe stand voll mit Rettungsfahrzeugen.

Eigentlich hatten wir diesen letzten Tag mit einem zünftigen Essen beim Inder abschließen wollen. Da es nun aber schon auf 20.30 zuging, hatten wir keine Lust mehr auf eine Suche. Deshalb entschieden wir uns, einfach im Restaurant Heathley Park neben dem Hotel zu essen. Als wir dort hinkamen, stand vorn niemand, der uns hätte in Empfang nehmen können. Es war aber auch kein Schild 'wait to be seated' zu sehen. Dafür schien man sich vorn an der Kasse anstellen zu müssen, um zu bestellen. Das taten wir nun und mussten etwa zehn Minuten warten, bis wir bestellen konnten. Als wir endlich dran waren, wollte das Jungelchen unsere Tischnummer wissen und informierte uns, dass wir vorn hätten warten müssen, dass wir platziert werden. Während der gesamten Wartezeit hatten wir allerdings niemanden gesehen, der dort Gäste in Empfang genommen hätte. Wir verließen das Restaurant, denn wir hätten uns dann beim Bestelljungelchen erneut anstellen müssen. Veräppeln können wir uns auch selbst.

Nun ging es doch mit dem Auto in die Stadt rein. Irgendwie fanden wir aber auch nicht die richtigen Straßen und landeten in finsteren Vierteln, die in völligem Kontrast zu dem England standen, das wir im Pilcher-Katalog ausgesucht hatten. Wir hatten nur einen Wunsch: Raus hier! Gedanklich hatten wir uns schon mit Salaten aus dem Supermarkt abgefunden, da entdeckten wir in einem kleinen Stadtteilzentrum unweit des Hotels doch noch einen Inder. Auch dieser Stadtteil war wohl eher den 'einfachen' Schichten vorbehalten. Beim Inder waren zwar auch paar normale Gäste, doch in unmittelbarer Nähe unseres Tisches hingen zwei ziemlich schräge Vögel an der Theke rum, die Whiskycola tranken und immer wieder Besuch von anderen auffälligen Gestalten von der Straße bekamen. Hauptsächlich war der Inder offenbar im Bringdienst tätig. Und da hatte er auch extrem gut zu tun, was ja immerhin für das Essen sprach. Ich wurde wieder für eine Sag Lamm Wahl gelobt, Niko erntete für sein Tikka Masala immerhin den freundlichen Spruch 'very popular'. Im übrigen wurden wir gefragt, wie groß denn der Bedarf an indischen Restaurants in Deutschland wäre. Vielleicht war der Wirt mit der Lage seines Restaurants auch nicht ganz zufrieden... Das Essen war jedenfalls voll in Ordnung.

Samstag, 30.06.2012

Dieser Tag stand leider nur noch im Zeichen der Abreise. Nach einem wieder mal hervorragenden Frühstück im „Heathley Park“ saßen wir gegen 9 Uhr im Auto, trafen gegen 11 am Manchester Int Airport ein, gaben das Auto mit einem um 2505 Meilen erhöhten Tachostand ab und konnten dann noch ein wenig Preisvergleich bei den Whiskys im Duty Free Shop durchführen. Nachdem wir den Dalwhinnie schon im Rahmen einer Angebotsaktion deutlich günstiger als in der Destille in einem Systoner Supermarkt gesehen hatten, waren hier die Preise etwa identisch.

Um 13 Uhr saßen wir im bmi Flieger. British Midlands International flog im Auftrag der Lufthansa. Der Flieger war gut voll, am Check in Automaten gab es nur noch Mittelplätze. Die Dame am Counter buchte uns nun aber um auf Mitte und Gang am Notausstieg. Im Flieger wurde ein warmer Wrap mit Tomaten-Käsefüllung serviert.

Über den DB Navigator sah ich am Frankfurter Flughafen, dass ICE 72 zehn Minuten Verspätung habe. Ich konnte ihn mit der 15.02 S-Bahn noch am Hbf erreichen. Die Fahrt im schön ruhigen Wagen des ICE war nun richtiges 'Reisen'. Und der gut gelaunte Spruch des hörbar Hamburger Zub im Anschluss-ICE ab Hannover nach Harburg zu meiner Mitarbeiterfahrkarte „Ah, Ferienticket, immer dieselben!“ sagte mir: Ich bin wieder zuhause!

Fazit

Angesichts der geradezu vernichtenden Wettervorhersage können wir uns über die Ergebnisse wirklich nicht beschweren. In Schottland gingen einige Hauptmotive (und vor allem der Sleeper paarmal!) und an der MML war die Rechnung, dass bei der dichten Zugfrequenz schon "irgendwas" bei Sonne gehen müsse, voll aufgegangen. Auch abseits der Bahn haben wir wieder viele Eindrücke von einem wunderschönen Land aufnehmen können, in dem halt alles ein wenig "old fashioned" ist. Und das schöne ist: Wir sind noch längst nicht "durch" damit. Gerade Schottland schreit nach einer eingehenderen Betrachtung...

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