Die lange Bahnfahrt zu Wasser, Wildnis & Wissen - GB März 2012

Autor: Jan-Geert Lukner. Alle Rechte am Text und an den Bildern liegen beim Autor.

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Nach mehreren Fototouren per Auto über die britische Insel sollte jetzt das Fotoobjekt auch mal wieder als Verkehrsmittel genutzt werden. Bisherige Bahnfahrten im Mutterland der Eisenbahn hatten mir dank der großen Zug-Vielfalt immer viel Spaß gemacht. Daran galt es anzuknüpfen.

Mit der sechsköpfigen Gruppe, mit der ich schon im Januar 2011 einen Kurztripp per Bahn durch England gemacht hatte, sollte es nun für eine ganze Woche auf Tour gehen. Wir fünf Eisenbahner hatten unsere speziellen Netzkarten, unser Sechster reiste mit Britrail Consecutive Pass, der für acht Tage 225 Euro kostete. Da diese speziellen Pässe mit Gültigkeit an direkt aufeinander folgenden Tagen nicht in Deutschland erhältlich sind, löste ich eine Bestellung über die Britrail Seite aus. Das klappte auch perfekt, lediglich der luxuriöse Eilkurierdienst für 17 Euro hätte nicht sein müssen. Niedliches Detail am Rande: Da mich der Kurier am Werktag natürlich nicht zuhause erreichte, fingen sowohl der Kurierdienst als auch der Ticketvertrieb sogleich an, besorgt hinter mir herzutelefonieren und -mailen. Letztendlich habe ich die Sendung selbst bei GO irgendwo im finstersten Hamm Süd abgeholt. Hier wäre die Option, einen ganz normalen Posttransport zu wählen, sicher zielführender gewesen.

Angesichts der Gruppengröße waren alle Übernachtungen im Voraus gebucht. Und die längsten Zugfahrten ebenfalls. Das ist angesichts einiger kritischerer Erfahrungen mit der Unterkunftssuche auf vergangenen Inseltrips auch mal ganz entspannend. Nur bezüglich des Wetters würde man halt nehmen müssen, was kommt. Hoffnung auf paar schöne Streckenfotos waren bei einem Teil der Truppe ja durchaus vorhanden...

Samstag, 10.03.2012

Extrem frühes Aufstehen war angesagt. Um 4 Uhr klingelten die Wecker. So konnte ich noch letzte Sachen zusammenpacken, bevor ich mit meinem Hackenporschekoffer zum Bahnhof runtergerollert bin. Kai war schon pünktlich aus Lüneburg eingetroffen und zusammen mit Maren ging es um 5.14 mit dem MEr zum Hbf. Dort deckten wir uns schon mal mit Proviant für die lange S-Bahnfahrt ein. Das übrige Publikum um uns herum machte eher den Eindruck, von der Nacht übrig geblieben zu sein. Hat Deutschlands Jugend ein Alkoholproblem? Man hätte jetzt fast den Eindruck bekommen können und wir können uns glücklich schätzen, dass die Jungs und Deerns nicht dauernd ins Gleis torkeln...

Matthias und Stephan stiegen in Barmbek zu und gemeinsam gelangten wir am Flughafen zügig zur Kofferabgabe, durch die Sicherheitsschleuse und zum Marche, wo wir uns noch etwas hinsetzten.

Als ich Stephan seinen Britrailpass überreichte, hatte Matthias seine Schrecksekunde. Er musste feststellen, dass seine Bahn-Netzkarte zuhause lag. Hmm, unpraktisch... Lösungsansätze waren nun, dass er sich in London auch einen Britrailpass kauft oder dass ein Kollege die Karte holt und zu Jürgen an den Flughafen bringt. Jürgen hatte sich nämlich etwas später zum Mitkommen entschieden und bekam nur Platz in einem Easyjet Flug um 10.55. Schnell vorm Boarden alles telefonisch in die Wege geleitet. Das Boarden verzögerte sich etwas, weil noch ein technisches Problem an der Maschine beseitigt werden musste. Sehr beruhigend...

LH3390 Hamburg 7.25 MEZ - London Heathrow 8.05 GMT

Der Flug war sehr angenehm. Das technische Problem hatte man offensichtlich in den Griff bekommen. Es gab ein Gebäckstück und bei der Landung einen ganz kurzen Blick durch eine Wolkenlücke auf die Docklands.

Im Ankunftsterminal fühlten wir uns nach langem Fußweg in die USA versetzt. Es gab hier auch eine regelrechte Einreisehalle, wo man vor der Bordercontrol 20min anstehen musste. Dabei hatte man immer irgendwelche Gesichtsscanner im Blick, die letztendlich aber nur der automatisierten Einreisekontrolle dienten, wenn man einen elektronischen Pass hatte. Hatten die meisten von uns aber nicht.

Als wir endlich alles zusammen hatten, fanden wir die Bahnstation von Terminal 1 relativ schnell. Ich stellte mich am Schalter an, um mal zu fragen, wie das denn mit dieser komischen Oystercard funktioniert. Damit hatte der Kollege von der richtigen Bahn aber gar nichts am Hut.Gäbe es nur an der U-Bahnstation. Matthias musste also erstmal einzeln nach Paddington lösen. Wir anderen hatten für den langsameren Heathrow Connect ja unsere Netzkarten. Doch Matthias hatte heute irgendwie nicht seinen Tag und bediente schon mal fleißig einen Automaten. Das Ergebnis war, dass er uns stolz zwei Rückfahrkarten Heathrow - Paddington für Stephan und sich präsentierte, von denen wir genau eine Hinfahrt wirklich benötigten. Stephans Britrailpass galt hier schließlich auch und auf dem Rückweg in einer Woche würde Matthias die von Jürgen nachgebrachte Netzkarte haben. Dass diese gefunden worden war, hatten wir zwischenzeitlich aus Hamburg erfahren.

Am Bahnsteig griente uns nun die Anzeige "Connect to Paddington 17 Min" entgegen. Gefolgt von einer Durchsage, dass ein Connect ausgefallen sei. Aber wir brauchten gar nichts zu tun, ganz von allein folgte bald die Durchsage, dass wir den nun folgenden Heathrow Express mit allen Connect Fahrscheinen nutzen dürften. Das ließen wir uns nicht zweimal sagen und gelangten schön zügig nach Paddington.

Der Heathrow-Express fährt in den Terminalbahnhof ein.

Heathrow Express, Heathrow Terminal 1&3 08.18 - Paddington 08.33

Dort gaben wir unser Großgepäck für rund 10 Euro pro Stück an der Aufbewahrung ab, die auf dem einen Bahnsteig untergebracht war. Das Gepäck musste natürlich erstmal durchleuchtet werden. Dann folgte die Befragung, ob man das Gepäck auch allein gepackt habe und seitdem das Gepäckstück immer unter Aufsicht gewesen sei. Was wohl passiert wäre, wenn man geantwortet hätte "Allein gepackt ja, aber im Zug hat sich irgendsoein schwarzbärtiger Kerl an der Tasche zu schaffen gemacht"?

Zum Ticketkauf ging es nun zur U-Bahn runter, wo vor Schalter und Automaten lange Schlangen standen. Aber wir schafften es dann doch recht zügig, papierne Tagestickets zu ziehen und ohne diese neue Oystercard auszukommen. Tageskarten gibt es also noch "herkömmlich".

Die anderen wollten nun in die Stadt. Ich lese gerade die Kincard-Krimis von Deborah Crombie. Das besondere an ihren Geschichten sind die real existierenden Schauplätze. Sowas mag ich ja... Überhaupt liefert sie tolle Landschaftsbeschreibungen, die ständig Lust auf die Insel machen, egal ob die Geschichte in London oder auf dem Lande spielt. Das zuletzt gelesene Buch handelte von den Docklands, der Isle of Dogs und Greenwich. Mit der Docklands Light Railway (DLR) hatte ich schon immer mal fahren wollen (war in den 90ern mal gescheitert wegen damaliger Wochenendruhe). Somit freute ich mich sehr auf einen Besuch im Südwesten der Stadt.

Erstmal musste ich allerdings Bilder von der Tube machen. Faszinierend finde ich, dass die im Tunnel verlaufende U-Bahn hier immer mal ins Freie gelangt. Wetter war eh nicht, so konnte man ja mal paar Halbtunnelbilder machen. Selbiges tat ich dann auch noch in Bayswater, bevor es mit der Circle Line, die noch schön leer war, die lange Strecke nach Monument ging.

Die Station Paddington an der Circle Line. Keine 100%ige Tunnelstation.

Die Tube hat immer wieder "lichte" Abschnitte. Leider nicht ganz scharf geworden.

Ganz vorn war die Circle Line nicht wirklich stark besetzt.

Hier folgte ich den Wegweisern durch ein verschachteltes Tunnelsystem zur DLR-Haltestelle Bank. Die DLR fährt führerlos, man kann also prima in der ersten Reihe sitzen. Zumindest wenn man nicht durch das wirre Tunnelsystem vollkommen die Orientierung verloren hat, sich erwartungsvoll freut, den Platz in der ersten Reihe bekommen zu haben und sich plötzlich beim Anrucken in der hintersten Reihe wiederfindet.

Aber so hatte ich einen tollen Panoramablick hinten raus auf die Bankenstadt rund um Canary Wharf. Es ging nun die Halbinsel Isle of Dogs in die Themseschleife hinunter. Durch den Themsetunnel fuhr ich noch mit und stieg in Greenwich an der Station Cutty Sark aus. Oben empfing mich ein very britishes Stadtbild, einfach nur nett. Vielleicht von den völlig überlasteten Straßen mal abgesehen.

Spätestens jetzt fühlte ich mich in Großbritannien angekommen. Typisches Stadtbild in Greenwich.

Ich sog das Bild in mich und meinen Fotoapperat auf und machte mich auf den Weg in den Greenwich Park. Auf Bildern hatte ich gesehen, dass man von einer Anhöhe aus einen tollen Blick auf die Bankenstadt hat. Trotz des trüben Wetters kletterte ich mal den Hügel hoch und fand mich Aug in Aug mit dem Royal Observatory wieder. Nun befand ich mich genau 10 Grad westlich von Hamburg. Und der Ausblick war wirklich nett. Überhaupt fand ich den Park wunderschön. Eine grüne Lunge mitten in der Stadt, große Rasenflächen durchzogen von mehreren Alleen, die sich den Hügel hinauf zur Sternwarte hochzogen. Unten begrenzt durch die schlossähnlichen Bauten des Maritim Museum und der Universität.

Blick aus dem Greenwich Park auf die Docklands. Die Themse fließt U-förmig um die Hochhäuser herum.

The Royal Observatory.

Nun ging es nach einem Sandwicheinkauf mit der Light Railway wieder zurück bis Heron Quays. Von hier konnte man rüber auf die markante Canary Wharf Station fotografieren. Dabei stellte ich erst fest, dass es Wagen mit schwarzer und Wagen mit roter Front gibt. Nach den Bildern von der Bahn gab es auch noch welche vom Canary Wharf Tower, dem Mitte März noch höchsten Gebäude Großbritanniens.

Ein Zug der Docklands Light Railway kommt führerlos aus der Station Canary Wharf heraus.

Zwischen Canary Wharf und Heron Quays geht's nur kurz über das, was vom Middle Dock der West India Docks übrig geblieben ist, hinüber. Hier pulsierte früher das Herz der Seefahrt!

Der Canary Wharf Tower, der offiziell "One Canada Square" heißt, ist mit 235m noch das höchste Gebäude Großbritanniens. Das Nachbarhaus ist die Nummer zwo. Noch 2012 werden alle beide Gebäude im Ranking zwei Stellen nach unten rutschen.

Danach musste ich Jürgen an der Victoria stn abholen. Dorthin gelangte ich mit der Jubilee Line, deren große Eingangshalle in Canary Wharf mir gefiel. Auffällig waren die Glaswände an den Bahnsteigkanten. Wird diese Bahn auch führerlos gefahren? Wobei es an der DLR ja auch keine Glaswände gab, was mich schon etwas erstaunte.

Die Canary Wharf Station der Jubilee Line wurde geradewegs ins ehemalige Middle Dock hineingebaut und besitzt eine imposant hohe unterirdische Halle.

In Victoria traf ich schnell auf Jürgen, den ich sogleich zum 13.11 Southern Service to London Bridge scheuchte. Denn ich hatte bemerkt, dass sich am Himmel größere Auflockerungen zeigten. Und mit besagtem Zug konnte man das altbekannte Motiv an der Wandsworth Road mit der Battersea Power Station aufsuchen. Nach anfänglicher hartnäckiger Wolke gelang hier aber doch einiges. Insbesondere die neue weißblaue Southwestern Farbgebung fand ich vorteilhaft. Ein Güterzug mit vollgesch... Lok ging auch noch.

Ein Southeast Zug in der neuen Farbgebung vor Kulisse der stillgelegten Battersea Power Station, die u.a. das Cover des Albums "Animals" von Pink Floyd ziert.

Ein Güterzug rollt langsam durch den Haltepunkt Wandsworth Road.

Um 13.59 mussten wir allerdings schon wieder zurück, denn mit den anderen hatten wir uns für den 15.06 Zug Richtung Exeter in Paddington verabredet.

Blick aus unserem Zug auf einen Southeastern Service auf der benachbarten Strecke direkt vor der Powerstation.

Nachdem wir in Victoria lange brauchten, um für Jürgen eine Einzelkarte für 4.30 GBP zu organisieren und lange auf die nächste Circle Line warten mussten, schafften wir es gerade so, das Gepäck abzuholen und den Zug zu entern.

First Great Western, Paddington 15.06 - Exeter St Davids 17.31

Der Zug war angenehm leer und die Fahrt ging durch eine vom tiefen Licht beleuchtete englische Traumlandschaft. Kleine Dörfer mit schmucken Häusern und Kirchen lagen eingebettet in die saftige grüne Wiesenlandschaft mit einzelnen knorrigen Bäumen und diesen vielen Steinmäuerchen. Eine ganze Zeit ging es an einem winzigen Kanal entlang, im Zuge dessen sich Schleuse an Schleuse reihte.

Blick in den 2.Kl-Wagen des First Great Western HSTs.

Der Zug war schön leer, der Ruhewagen wurde als solcher genau so ignoriert wie in Deutschland. Immer wieder klingelte irgendein Handy. Die Sitze fand ich sehr bequem. Sie sind zwar nicht verstellbar, aber das musste auch gar nicht sein. Auch der Sitzabstand war gut. Die durch starken asiatischen Akzent geprägten Durchsagen klangen allerdings sehr schroff.

Ein Southwest-Train steht im Bahnhof Exeter St Davids bereit.

First Great Western, Exeter St Davids 17.53 - Dawlish 18.09

Uns war schon in Exeter aufgefallen, dass viele Leute mit Kamera bereitstanden. In Dawlish Warren war es so weit. Die Leute auf dem westgehenden Bahnsteig, an dem wir hielten, hatten die Kamera im Anschlag und blickten sich ängstlich zu unserem Zug um, der ihnen voll ins Bild zu fahren drohte. Tja, und genau so kam es dann auch. Anstatt der Dampflok gab es einen 150 von der Seite... Da mochte gut geflucht worden sein.

Wir konnten allerdings bald noch lauter fluchen. Bis jetzt war ja eigentlich noch alles gut und wir kamen bester Dinge in diesem Traumort Dawlish an. Wir freuten uns schon auf das für morgen angesagte schöne Wetter und viele Fotos. Dann entdeckten wir diesen Aushang... Am morgigen Sonntag würde die Strecke Exeter - Plymouth komplett gesperrt sein! Wir würden hier keinen einzigen Zug vor die Linse bekommen...

Dawlish ist herrlich. Aber dafür hatte zumindest ich erstmal keinen Blick mehr. Grummelnd lief ich den Berg nach Lyme Bay House hoch (vom Hp gute 5 Min Fußweg), während die anderen erstmal die netten Häuschen, die Palmengärten und die schöne Lage des Ortes in sich aufnahmen. Dann checkten wir ein. Frühstück gibts erst um 8.30! Und so ganz genau wusste die Rezeptionsdame nicht, wieviele Zimmer wir bestellt hatten. Aber alles klappte, die Zimmer waren schön, was will man mehr... Zum Abendessen ging es zum Nepalesen. Dort hieß es erst, wir könnten nur für 1,5h einen Tisch bekommen. Wobei um 20.30 niemand kam. Und ich bekam auch noch das falsche Essen, statt Ente ein scharfes Hühnergericht. Qualitativ wars aber lecker und ich mags gern mal etwas schärfer. Kurz noch an den Strand und vom Aussichtspunkt unweit des Hotels geschaut, dann zeitig auf die Zimmer gegangen. Ein langer Tag liegt hinter uns. Tja, und morgen? Wir entschieden uns für einen Tag ohne Bahn in Dawlish. Denn auf den nächsten befahrenen Abschnitten kannte ich mich auch nicht wirklich hinsichtlich fußläufig erreichbarer Fotostellen aus.

Sonntag, 11.03.2012

Zunächst einmal habe ich richtig gut, tief und fest geschlafen. Das Zimmer liegt schön ruhig zur Seite raus. Der Raum für Dusche und WC war groß, hell und freundlich. Alles pikobello sauber. Die Dusche war von der Hardware her auch top, bloß die Software war mal wieder typisch britisch: Es kam nur ein gaaanz müdes Tröpfeln raus. Von Strahl will ich mal nicht reden. Dennoch, unterkunftstechnisch fühlte ich mich wohl, und der Rest würde sich nach dem Frühstück zeigen. Davor hielt sich jedenfalls der Hochnebel hartnäckig. Eine Option wäre auch, ein Stück Zug zu fahren, natürlich erstmal im SEV.

Das Frühstück ließ keine Wünsche offen. Es gab marmelades in vielen Varianten, was schon was heißt, denn das Wort "marmelade" bezeichnet ja nur Marmelade aus Zitrusfrüchten (alles andere ist 'jam'), die es in vielen Ausführungen gab.

Lyme Bay House, unsere Pension, in der wir uns sehr wohl gefühlt haben.

Nach dem Frühstück kam vermehrt die Sonne raus. Wir begaben uns auf den Coast Path in Richtung Teignmouth, kamen allerdings sehr schlecht vorwärts. All zu imposant und toll waren die Ausblicke auf Steilküste und Meer. Da blieben die Verschlüsse der Fotoapperate nicht arbeitslos. Gerade die Aussichtspunkte im Ortsbereich Dawlish sind ja immer wieder schön. Dann ging es aus der Parkanlage auf dem Lea Mount heraus, ein Stück die Straße lang, dann durch eine nicht gerade ärmliche Wohnsiedlung mit prächtigen Villengrundstücken am Steilhang.

Der Coast Path führt geradewegs auf die Steilküste zu.

Nach Verlassen des Ortsbereiches ging es auf einem richtig netten Fußweg wieder an den Steilhang ran. Vor einem lag dabei hinter sanft geschwungenen Wiesen das Meer. In ein kleines Bachtal ging es steil hinab und auf der anderen Seite noch steiler wieder in die Höhe. Hier hätte es auch hübsche Blicke auf die Bahn gegeben. Von oben ein weiter Blick in die Runde, bevor der Weg zwischen zwei Mauern landeinwärts schwenkte. In leichtem Gefälle gelangten wir in die Ortschaft Holcombe. Hier brauchten wir nur ein ganz kurzes Stück der Hauptstraße zu folgen, bevor wir nach links der Smugglers Lane durch einen engen Talgrund abwärts folgen konnten. Ein Hinweisschild verriet, dass bei hoher Flut der Weg nach Teignmouth unpassierbar sein könne. Zu Füßen einiger hoher Sandsteinfelsen trafen wir auf die Bahn, unter der es hindurch ging und hinauf auf die 'Promenade', die nun bis Teignmouth immer an der Bahn entlang führen sollte. Mit vielen Fotopausen gingen wir weiter, wobei die anderen sogar ein Fußbad im Meer nahmen.

Smugglers Lane endete zu Füßen dieser imposanten Felsen. Das Tunnelportal der Bahn folgt übrigens unmittelbar hinterm linken Bildrand.

Fußbad in Englands "Südsee".

Wegen der fehlenden Zugverbindungen mussten sich die Fahrgäste schon was einfallen lassen...

Die Promenade war extrem dicht bevölkert. Wir mochten uns gar nicht ausmalen, wie das in der Hauptsaison aussieht. Der Tag entwickelte sich wettertechnisch jedenfalls immer mehr zu einem Sommertag. Längst hatten wir unsere Jacken in den Rucksäcken verschwinden lassen.

Krüppelige Bäume am Strand.

Der Strand von Teignmouth.

Und nochmal.

So erreichten wir das sympatische Städtchen Teignmouth. Es war Mittag, doch uns stand eher der Sinn nach Teatime. Auch das war kein Problem. Am Platz Triangle fanden wir zwei Cafes mit freien Tischen draußen. Beim einen Cafe standen alle Tische in der Sonne, beim anderen alle im Schatten. Nun gingen die Meinungen auseinander. Drei wollten Sonne, drei wollten Schatten. Das lösten wir ganz pragmatisch: Wir teilten uns auf.

Tee und Schokocake taten gut. Wobei wir uns fragten, ob eine Portion fish&chips wohl kalorienärmer gewesen wäre ;-) Mit der Zeit wurde es bei uns im Schatten doch recht erfrischend. Als Maren ihre Jacke überzog, hallte doch glatt Gelächter aus dem anderen Cafe zu uns rüber. Frechheit! :-) Da konnten Jürgen und ich uns nicht auch noch die Blöße geben und unsere Jacken anziehen...

Die Innenstadt von Teignmouth.

Erst hatten wir gedacht, wir fahren mit dem SEV wieder zurück nach Dawlish, doch angesichts des Traumwetters entschieden wir, zu Fuß wieder zurück zu gehen. Es gab noch einen oberen Weg, den wir austesten wollten.

Nach kurzem Blick zum Bf, von dessen Vorplatz gerade ein ziemlich alter, nicht in der hier üblichen Stagecoach Farbe lackierter Doppeldecker abfuhr, den ich gern fotografiert hätte, liefen wir einen Weg aufwärts, der am östlichen Ortsrand die 'schräge' Brücke quert, von der wir vor zwei Jahren mal nette Fotos gemacht hatten.

Der Weg führte nun als Hohlweg stetig den Hang hinauf. Immer wieder ergaben sich schöne Ausblicke auf das Meer oder auf Teignmouth. Natürlich kamen wir vor lauter Fotos kaum voran.

Die oberen Ausläufer von Teignmouth.

Der Hohlweg bzw Pfad, den wir hoch gewandert sind.

Der Hohlweg wurde immer schmaler und ging bald in einen public footpath über, der zunächst über eine Wiese, bald zwischen immer enger zusammentretenden Mauern zwischen den Grundstücken zur Hauptstraße führte. Bei einem besonders schönen Anwesen, wo der Balkon in einen parkartigen Garten vor der Traumkulisse der ganzen Bucht hinaus ging, fragten wir uns, ob die Besitzer wohl ihr Glück zu schätzen wissen, solch eine Immobilie zu haben.

Über die Hauptstraße rüber wanderten wir nun eine heckengesäumte Nebenstraße hinein. Da wir hoch oben in den Hügeln liefen, lag bald Holcombe in einer Senke vor uns. Und dahinter natürlich das Meer.

Blick aus den Hügeln auf Holcombe.

Das Sträßchen senkte sich nun bald auf Holcombe zu. Wir liefen geradeaus im Dorf wieder bergauf. Die Häuser waren schmuck, viele mit Reetdach und weiß gestrichen. Wir wollten durch die Hügel weiter nach Dawlish gehen. Diese kleinen Straßen hatten null Autoverkehr. Es ging hinter Holcombe erstmal in ein kleines Bachtal hinab, das von Pferdeweiden mit knorrigem Baumbestand gesäumt war.

Holcombe.

Der umgekehrte Blick. Über den Hügel im Hintergrund waren wir gekommen.

Saftige Pferdeweiden zwischen Holcombe und Dawlish.

Vorbei am Hof Westbrook stieg die Straße wieder steil in die Höhe und eröffnete neue Ausblicke. Das sollte nun aber die letzte Hügelkuppe gewesen sein. Vorbei an einem kleinen Waldstück kam in der nächsten Talsenke Dawlish in Sicht. Wir erreichten den Ort allerdings ganz an dessen Westrand. Um wieder an die Küste und nach Lyme Bay House zu kommen, konnten wir nun einen public footpath nutzen, der den ganzen Ort der Länge nach durchquerte, und zwar immer leicht erhöht auf der Grundstücksrückseite zweier Straßenzüge. So trafen wir gegen 17 Uhr wieder im Hotel ein.

Und wieder zurück. Blick von Lyme Bay House (von der gegenüberliegenden Straßenseite).

Diese herrliche Wanderung hat allen anfänglichen Frust über den fehlenden Zugverkehr vergessen lassen. Im Gegenteil. Ich bin den Bauarbeiten regelrecht dankbar, denn sonst hätte zumindest ich insbesondere den tollen Rückweg abseits der Bahn vermutlich nicht machen wollen. Schon ein komisches Hobby... Nach unserer Ruhepause machten wir uns auf den Weg zu unserem Nepalesen, wo wir reichhaltig diniert haben. Diesmal klappte es auch mit meiner Ente, und die war gar lecker. Wirklich gut, dass wir vorbestellt hatten. Heute waren wir die einzigen Gäste...

Montag, 12.03.2012

Wieder topp geschlafen. Als sich die Sonne langsam durch den Morgennebel kämpfte, liefen Jürgen und ich zum Haltepunkt runter und hofften, einen Zug ohne Nebel zu erwischen. Viele Schüler strebten zu den Zügen, es war viel los. Der hier haltende HST Paignton - Paddington war es schließlich, der ganz passables Licht abbekam. Nun wurde es doch büschen frisch und wir freuten uns auf das Frühstück, das auch mal wieder phantastisch war.

Über Dawlish lichtet sich der Nebel.

Der durchgehende HST Paignton - Paddington hält auch in Dawlish.

Danach trennte sich die Gruppe erstmal. Während die anderen London weiter erkunden wollten, hatten Jürgen und ich einen weiteren Tag in Dawlish geplant - nunmehr mit Zugverkehr.

Als erstes suchten wir den schönen Aussichtspunkt auf dem Lea Mount auf. Der Nebel war dabei, sich nun massiv aufzulösen. Somit hatte man bald paar Züge beiderseits des Felsens aufgenommen. Zwischendurch konnten wir beobachten, wie ein älterer Herr seinen Hund suchte. Mal kam der Herr vorbei, mal der Hund. Im suchenden Blick waren sich beide ähnlich... Irgendwann kamen dann zwei Ladies mit dem Hund an der Leine durch und meinten, sie würden das Tier an der Touriinfo abgeben. Dieses Wissen konnten wir bald drauf dem Herrchen weitergeben. Ist doch gut, dass es Eisenbahnfotografen gibt :-)

Blick vom Lea Mount auf einen First Great Western HST. Ein Teil des Ortes ist noch unter Nebel verborgen.

Blick vom Lea Mount zur anderen Seite auf einen Pacer an der Coryton's Cove.

Der Ginster beginnt zu blühen. Auch DB Cross Country fährt hier einige Male am Tage mit HSTs entlang.

Danach arbeiteten wir uns unten im Ortsbereich von Brücke zu Brücke vor. Die Ausblicke waren allesamt toll. Beim Wechsel von der ersten Fußgängerbrücke zur zweiten verpassten wir leider zwei interessantere Züge. Von hinten näherte sich ein von einer EWS 66 geführter Güterzug und von vorn kam ein interessantes Triebwagengespann, bestehend aus einem grünen und einem blauen 153. Dieser Zweiteiler bediente tatsächlich die lange Distanz Cardiff - Penzance. Von Coastguards- und Rockstonebridge konnten wir dann noch paar nette Ansichten hinbekommen. Schade war nur, dass der Himmel relativ grau blieb. Aber immerhin waren außer dem Dunst keine Wolken am Himmel und es gab die ganze Zeit bestes Licht.

Blick von der südlichsten Brücke auf einen Pacer, der gerade die Station Dawlish verlassen hat.

Blick von der Lifeguardsbridge auf einen Cross Country HST.

Von der nördlichsten Brücke, der Rockstonebridge, hat man einen schönen Blick auf die Felsklippen und einen First Great Western HST.

Hauptsächlich fährt DB Cross Country hier mit "Voyagern" der Baureihen 220 und 221.

Der nächste Programmpunkt sollte die Stelle sein, an der wir gestern vorbeigewandert waren - an der Südseite der Dawlisher Felsen. Wir besorgten uns Proviant und machten uns auf den Weg. Am Bahnhof hatten wir eine Postkarte gesehen, die das Motiv noch ohne Zäune zeigt. Mit den nun installierten massiven Zäunen war es längst nicht mehr so erfreulich, aber immerhin gab es noch die Möglichkeit, die Züge frei von Gestrüpp vom Wanderweg aus umzusetzen. Wir warteten extra noch bis zu einem kleinen Pacer, der vollständig in den Ausschnitt passte. Ich fand, der Ausblick machte den nervigen Zaun dicke wett.

Ein müder Wasservogel im Ortskern von Dawlish.

Südlich von Dawlish passiert ein HST die Shell Cove.

Als der Pacer im Kasten war, suchten wir nochmal den Lea Mount auf, um uns der Nachmittagsperspektive zu widmen. Das Licht war anfänglich noch etwas spitz, aber später ging es gut.

Blick von der Landseite auf die "Seawall" von Dawlish.

Der zeitliche Fixpunkt, den wir im Auge behalten mussten, war der Caledonian Sleeper ab London Euston um 21.15 Uhr. Aufgrund des schönen Lichtes beschlossen wir, bis zur letzten möglichen Verbindung zu bleiben, auch wenn wir da dem HST nach London bis Newton Abbot entgegen fahren mussten und dort nur 11 Min Umsteigezeit hatten. Vernünftige Verbindungen über Exeter gab es um diese Zeit nicht, weil die Bummelzüge immer in Warren vom Londoner Schnellzug überholt werden.

Gegen 16 Uhr gingen wir das letzte Mal auf dieser Tour rüber nach Lyme Bay House, wo wir uns frisch machten und die Koffer aufnahmen. Unten am Hp stellte ich mich noch auf die Bahnhofsbrücke, um eine Streifung zu probieren. Derweil wurde unser Zug nach Newton Abbot mit sechs Minuten Verspätung angekündigt. Na ja, warum soll es nicht etwas spannend werden?

"Du sollst mich nicht immer so ankreischen!" (Bahnsteigbrücke Dawlish).

Ein HST rollt unter der Bahnsteigbrücke von Dawlish hindurch. Im Hintergrund erhebt sich der Lea Mount im Dunst.

First Great Western, Dawlish 16.16+7 - Newton Abbot 16.30+6

Das Pacer-Doppel gab alles, und so konnte Zeit aufgeholt werden, obwohl das Aussteigen eines Blinden in Teignmouth seine Zeit brauchte. Aber es ist schon toll, dass hier an den Stationen überall dienstbare Geister bereit stehen. Der Blinde wurde vom Örtlichen fröhlich begrüßt mit 'Hi, I am Mike and I help you to get to the platform.'

First Great Western, Newton Abbot 16.41 - London Paddington 19.24

Da Jürgen und ich 1.Kl Netzkarten hatten, flätzten wir uns natürlich in den ersten Wagen hinein. Und der Abstecher nach Newton Abbot hatte auch sein gutes. Wir konnten nun von unserem schönen Platz nochmal all die Streckenabschnitte genießen, die wir in den zurückliegenden zwei Tagen erwandert hatten. Meer- und Felspanoramablick inklusive. Schön war dann auch noch das mit der vorbeikommenden Minibar, die für Kaffee, Gebäck und Chips kein Geld von uns haben wollte. Ein netter 1.Kl Service von First Great Western! Und was noch besser war: Die Minibar kam mehrmals durch :-)

Von der Bequemlichkeit her gefiel mir als Freund der Reihenbestuhlung die 2.Kl allerdings bald besser, denn die 1.Kl verfügte nur über vis a vis Plätze mit Tisch, so dass man nichtmal die Beine übereinander schlagen konnte.

Im Zug lag die heutige Ausgabe der Times, in der sich ein Artikel mit dem drastischen Anstieg der Passagierzahlen britischer Züge befasste. Seit Mitte der Neunziger sei die Zahl der Bahnfahrten (nicht PKm!) von 0,8 auf 1,4 Billionen gestiegen - und in letzter Zeit sei die Steigerung besonders stark ausgefallen, was auf hohe Spritkosten und vermehrte Billigangebote in Schwachlastzeiten zurückgeführt wurde.

Die Hammersmith & Circle line fanden wir in Paddington zwar nicht (man hätte wohl die Bahnsteigbrücke am anderen Hallenende nehmen müssen), aber dann musste halt die Circle line mit Umstieg in Edgware Rd herhalten. Ich besorgte mir eine Oystercard, denn ich sah es nicht ein, für vier Stationen 4,30 GBP auszugeben. Den Pfand von 5 GBP und den Rest vom Mindestaufladebetrag von 5 GBP wollte ich mir am Abreisetag zurückholen.

Die Fahrt zum Euston Square verlief reibungslos, das Umsteigen von Circle Line zu Circle Line in Edgware Rd war am selben Bahnsteig gegenüber. Vorm Bf Euston huldigten wir noch kurz einem der Pioniere unserer Arbeit, Mr Stephenson junior, dann trafen wir auch bald in der Bahnhofshalle auf die anderen. Lange dauerte es nun nicht mehr, bis das Abfahrgleis unseres Zuges bekannt gegeben wurde.

Robert Stephenson, einer der ersten Dampflokbauer.

In Euston starren die Leute so lange auf die Anzeigetafeln, bis das Abfahrgleis bekannt gegeben wird. Als Ziel unseres Zuges wurde nur "Caledonian Sleeper" angegeben.

Wir waren doch etwas erstaunt, wie lang der Zug war. Unser Wagen war ganz an der Spitze, die dann auch wirklich am äußersten Ende des Bahnsteigs stand. Der 'Caledonian Sleeper' wird von First Scotrail betrieben, und unser Schlafwagenschaffner wirkte auch wie ein original Schotte. Wir konnten ihn kaum verstehen. Oder eher gar nicht...

First Scotrail, London Euston 21.15 - Fort William 9.54-4

Nach der Abfahrt marschierten wir im Gänsemarsch zum ersten Loungewagen. Der war zwar recht gut besucht, aber als wir vorsichtig durch die Tür schauten, winkte uns die resolute "Wirtin" sogleich reinzukommen. Wir bekamen noch alle zusammen auf seitlich stehenden Sofas Platz. Das war eigentlich recht gemütlich, nur das Essen musste man halt auf Tabletts auf den Knien balancieren. Bei mir gab es Cumbrian Lamb Pott. Zwar nicht ganz schottisch, aber fast... Sehr lecker war das Mc Evans Bier, ein rauchiges Dunkles. Um kurz vor 11 war nun endgültig Schluss und wir verzogen uns in die Abteile.

Vom Loungewagen habe ich leider nur ein Handybild.

Die Abteile waren schön geräumig, die Betten ausreichend lang. Das geringere Wagenprofil wirkte sich nur auf den Gang aus, der extrem schmal war.

Dienstag, 13.03.2012

Zwar kann ich nicht sagen, dass ich besonders gut geschlafen hätte, aber halt 'immer mal wieder'. Der Wagen erschien mir von den Innengeräuschen außerordentlich ruhig. Nur die eine Führungsleiste des Rollos musste von Zeit zu Zeit angedrückt werden, wenn sie summend zu vibrieren anfing.

Hinter Glasgow bediente der Zug praktisch jede Milchkanne. In Helensburgh Upper stand ich mal auf und schaute durch das offene Fenster der Einstiegstür. Niemand weit und breit zu sehen, dennoch ein längerer Aufenthalt. Na ja, so wird klar, weshalb der Zug erst gegen 10 in Fort William ankommt. Etwas schade fand ich, dass man, wenn man sein Abteil für länger verlässt und es verschließt, den Schaffner bemühen muss, um es wieder öffnen zu lassen.

Trotzdem wechselte ich in den Loungewagen, der beim Kopfmachen in Edinburgh hinter uns eingereiht worden war. Der war offensichtlich älter als der im Stammzug gestern, aber etwas plüschiger. Hier konnte man jedenfalls bei einem Kaffee schön rausschauen, was im Schlafwagen ja doch immer etwas eingeschränkter ist.

Der Speisewagen des Zugteils nach Fort William. Der Kaffee wurde in einer Tüte serviert.

Tolle Ortsnamen haben die hier oben...

Die Strecke wandt sich zunächst in einiger Höhe oberhalb von fjordähnlichen Gewässern und Seen an den Hängen entlang. Dazu gab es ständig das Dadamm der Schienenstöße.

Um 8 Uhr trafen auch die anderen im Loungewagen ein und wir nahmen das im Single inbegriffene Frühstück zu uns. Dafür, dass das britische Frühstück eingeschweißt war und in der Mikrowelle heiß gemacht wurde, schmeckte es gar nicht so übel. Fast hätte ich gesagt, diese Fahrt, beim Frühstück sitzend durchs Hochgebirge, hätte etwas vom Saltfjell in Norwegen. Doch tatsächlich fand ich diese mondartige Gebirgslandschaft, durch die es jetzt ging, noch eindrucksvoller. Die Ausdehnung war einfach viel größer und das Gleis führt hier ewig weit abseits jeglicher Straße.

Hinter Bridge of Orchy war der Frühstückstisch gedeckt.

Normalerweise wird das Frühstück übrigens im Abteil serviert. Doch da wir eine Gruppe waren, bekamen wir ohne etwas zu sagen das Angebot, im Speisewagen frühstücken zu dürfen.

Vor lauter Ausblick vergisst man glatt das Kauen...

Die beiden einsamen Stationen Rannoch (hier Kreuzung und Schaffnertausch mit einem 156) und Corrour luden lauthals zu Wanderungen und Streckenaufnahmen ein. Was für eine grandiose Weite! In Corrour stieg sogar ein Wanderer aus. Der Schaffner ließ ihn durch die Ladeluke aussteigen, um nicht alle Türen freigeben zu müssen. Es standen nämlich nicht alle Wagen am Bahnsteig.

Kein Zweifel, der Caledonian Sleeper nach Fort William gehört zu den eindrucksvollsten Nachtzügen Europas - ein Muss für Nachtzugfans! Viele Leute stiegen in Fort William leider nicht aus dem Zug.

Im ganzen Bahnhofs- und Busbahnhofsbereich von Ft William deutete nichts auf eine Busabfahrt Richtung Kyle oder Isle of Sky, die das Ziel des Busses war, hin. Auf der elektronischen Anzeige und auf den Haltestellenaushängen sah ich nur das Busziel Inverness. Ein Bus mit Ziel 'Uig' stand aber an einer Haltestelle bereit. Und tatsächlich, das war unserer, wie wir auf Nachfrage erfuhren.

Die Strecke nach Mallaig ist mir heute leider ein zweites Mal entgangen. Das erste Mal war 1991, als wir von der Insel Skye über die Fähre Armadale - Mallaig und dann per Bahn weiterreisen wollten. Da hatte die Fähre wegen Sturm den Betrieb eingestellt und wir mussten per Bus von Kyle direkt nach Ft William fahren. Diesmal hatte ich gern die Tour über Mallaig, Armadale und die Insel Skye nach Kyle planen wollen, aber das scheiterte wieder an der Fähre, die im Winterhalbjahr nur je einmal morgens und abends fährt. Für solch einen Kurztripp war das einfach nicht tauglich. Und eine Busverbindung Mallaig - Kyle auf dem Festland gibt es mangels Straße nicht.

Bus, Fort William 10.15 - Kyle of Lochalsh 12.11

Also wieder mit dem Bus von Ft William nach Kyle of Lochalsh. 1991 muss ich die Fahrt wohl ziemlich verpennt haben, jedenfalls hatte ich keine Erinnerung an die imposante Hochgebirgslandschaft, durch die es ging. Nur das Highlander-Castle von Eilean Donan hatte ich in Erinnerung.

Abgesehen von einer Masse von Baustellen mit Ampeln oder Kellenmenschen kamen wir zügig durch. Und pünktlich acht Minuten nach Abfahrt des Zuges nach Inverness traf der Bus in Kyle ein. Wunder der Fahrplangestaltung! Leider gibt es hier auch Fehlanschlüsse aus Richtung Insel Skye, die genau so blöd sind. Dabei kann eine Bahn, die in so einem winzigen Nest wie Kyle beginnt, doch eigentlich nur Sinn machen, wenn die Zubringerdienste aus dem Hinterland stimmen...

Uns tat die Pause allerdings ganz wohl. Nach einigen Fotos gab es im örtlichen Cafe ein zünftiges Fish&Chips. Das tat gut und war richtig lecker.

Unser Bus an der kleinen Haltestelle von Kyle of Lochalsh. Das Ziel des Busses Uig (eher ein Geräusch als ein Name) liegt auf der Insel Skye, zu der von Kyle eine Brücke hinüber führt.

Das örtliche Hotel für Opfer von Negativanschlüssen und andere Reisende...

Unser Zug war von Inverness eingefahren.

First Scotrail, Kyle of Lochalsh 14.35-1 - Inverness 17.06

In dem 158 konnten wir uns gut verteilen. Der erste Streckenabschnitt an einer Meeresbucht entlang ist zwar wunderschön, aber die Fahrt ging nur im Kriechtempo vonstatten. Erst zum Gebirge hin verdiente die Fahrt überhaupt wieder diese Bezeichnung. Die Querung des Passes mit der entsprechenden kahlen Hochgebirgslandschaft war natürlich auch hier wieder eindrucksvoll. Aber dann reichte es auch irgendwann und wir waren froh, als der Kutscher hinter Muir of Ord plötzlich alles gab und das letzte an Geschwindigkeit aus der Mühle rausholte. Wir flogen nur so über die Schienenstöße und die große Hängebrücke von Inverness rückte rasch näher.

Der 158 von innen. Es gibt sogar ein kleines 1.Kl-Abteil.

Matthias und ich machten uns sogleich per Taxe auf den Weg zur Autovermietung in der Harbour Road, denn für morgen hatten wir mal lieber Autos bestellt, da hier oben die Verkehrsmitteldichte nicht ganz so groß ist.

Wir erhielten zwei Riesenautos. Ich bekam einen Landrover Discovery 4. Der ließ sich durchaus nett fahren. Nun mussten wir allerdings erstmal das Hotel finden, was aber zum Glück sehr rasch ging. Wir hatten im Ramada Encore Inverness ganz günstige Zimmer gebucht. Das Hotel lag keine 5 Min zu Fuß vom Bahnhof entfernt, quasi schräg gegenüber.

Jetzt war aber erstmal der Parkplatz die nächste Herausforderung. Immerhin war ein Bezahlparkplatz nicht all zu weit entfernt. Da mussten wohl oder übel die verlangten 6 GBP berappt werden. Matthias war noch kurz zum Hotel rübergelaufen, um nach dem Hotelparkplatz zu fragen, aber den gab es nicht.

Gut, aber wir haben alles bestens geschafft, im Hotel hatten die anderen schon für uns mit eingecheckt und die Zimmer waren schön. Somit machte sich eine gewisse Erleichterung breit. Insbesondere bei Matthias, der soeben im dichten Stadtverkehr seine erste Linksfahrt hinter sich gebracht hatte. Jetzt konnten wir uns auf den Inder freuen, den wir schräg gegenüber des Hotels schon entdeckt hatten. Danach gab es einen kleinen Verdauungsspaziergang durch die Innenstadt.

Inverness @ night. Der Strom ist der River Ness.

Mittwoch, 14.03.2012

Trotz Zimmer zur Hauptstraße konnte ich gut und tief schlafen. Der Müllwagen kam zum Glück erst gegen 5.23... Das Buffet zum Frühstück war richtig gut. Ich hab mal wieder viel zu viel gefressen. Der Himmel war leider trübe, was aber den Vorteil hatte, dass wir uns Zeit lassen konnten.

Um 8.30 saßen Kai, Jürgen und ich im Auto. Wir drei waren praktisch die Bahnfoto-Fraktion. Als wir den richtigen Weg aus Inverness hinausgefunden hatten, fuhren wir mit unserem Flagschiff erstmal zum Culloden Viaduct. Eigentlich hatte ich den nur mal erkunden wollen, aber gegen den Himmel hatte das ganze auch bei dieser Wetterlage durchaus Potential. Auf einen 170er brauchten wir auch gar nicht lang zu warten. In der Gegenrichtung stand bald der Tesco Express an, der beinahe einzige Güterzug dieser Strecke. Den nahmen wir auch noch als Schattenriss mit.

Der Culloden Viaduct mit einem der seltenen Güterzüge.

Ein Stück weiter ging es noch erkundend entlang der Strecke. In Carrbridge wollten wir dann doch nochmal den Wettercheck machen. Wir fanden ein freies WLAN, als wir vor dem kleinen Tante Emma Laden standen. Und - oh Schreck, für Stonehaven war Sonne pur angesagt, während es an der Highland Mainline eher bewölkt bleiben sollte. Also nix wie hin da! Die nun folgende Straße war allerdings auch schon für sich sehenswert. Es ging so richtig in die östlichen Highlands hinein. Und über diese hinüber. Das war hoch eindrucksvoll, zumal oben im Gebirge auch mehr und mehr die Sonne rauskam. Unterwegs 'mussten' wir immer wieder anhalten, um Fotos zu machen. Es wurde immer sonniger.

Auf der Passhöhe (644m) zu Füßen des Beinn a' Chruinnich (778m).

Corgarff Castle.

Allerdings zog sich die Wegstrecke nun doch ganz schön hin. Als wir endlich nach Stonehaven hinunter fuhren, ging es geradewegs in die Wolken hinein. Hier war es nun wieder richtig finster.

Erst überlegten wir, auf welche Weise wir die Sache aufgeben. Dann wollten Kai und Jürgen aber doch mal sehen, was das Motiv gewesen wäre. Also fuhren wir nach New Mill / Carmont stn, wo wir nun wieder gewahr wurden, wie sich die Wolken deutlich auflösten. Bald waren die Wolken schon in der Unterzahl. Doch eine Wolke blieb mal wieder standhaft an Ort und Stelle: Die Fotowolke von Carmont. Die kannte ich schon vom letzten Jahr...

Einer der hier halbstündlich verkehrenden 170er-Nahverkehrszüge bei Carmont.

Unser "kleines" Mietmobil.

Letztendlich klappte aber doch einiges. Zumindest mit 170ern bekamen wir verschiedene Ansichten mit vollem Licht. Aber Carmont wäre nicht Carmont, wenn nicht neben den 'ehrlichen' Wolken auch wieder irgendsoein Nervschmodder aufgetaucht wäre. Immerhin - mit ganz vernünftigem Licht gingen dann noch ein südfahrender HST und der nordfahrende DRS Containerzug. Darüber waren wir nun sehr erfreut.

Ein Scotrail 170 bei Carmont.

Noch ein Scotrail 170 bei Carmont.

Der East Coast HST bei Carmont. Der vordere Triebkopf hatte schon die neue Lackierung.

Der DRS-Güterzug Grangemouth - Aberdeen bei Carmont.

Die Uhr ging nun auf 16.00 zu. Wir waren etwas hin- und hergerissen, wann wir die Rückreise antreten sollten. Um 17.30 wäre ja die Mietfrist des Autos abgelaufen. Wir rechneten für die Rückfahrt mit 1,5 - 2 Stunden. Vermutlich würden wir die Frist eh nicht einhalten können. Deshalb entschieden wir uns, noch bis zum nordfahrenden HST zu warten, wenn wir denn schon mal hier waren. Tja, da hatten wir unsere Rechnung aber ohne den Carmontschen Schmodder gemacht. Ein 170 ging noch von oberhalb der Blockstelle, doch direkt vorm HST zog sich die Wolkengrenze über die Bahn vor. Das war nix.

Und wieder ein 170, diesmal dichter an der Blockstelle...

...und mit dem Gegenzug.

Somit blieb nur noch die Rückfahrt, welche wir um 16.45 antraten. Bis Aberdeen ging es schnell, durch Aberdeen stockte es häufiger mal. Wir hatten eigentlich mit einer Umgehungsstraße gerechnet, doch es ging mitten durch die Randbezirke der Stadt. Nach dem Verlassen des Aberdeener Speckgürtels wurden die Straßen deutlich leerer und wir kamen zügig voran. Erst ca 50 Meilen vor Inverness wurde der Verkehr wieder dichter. Am Ortseingang Inverness tankten wir beim Tesco auf und fanden sogar auf Anhieb die Hafenstraße und die Vermietstation 'Focus'. Beim Queren eines BÜ im Stadtgebiet gingen hinter uns die Schranken runter für einen Zug, der zehn Minuten nach uns in Aberdeen gestartet war und über dessen lange Fahrzeit wir erst noch gelästert hatten...

Gegen 20 Uhr trafen wir nach zehnminütigem Fußweg im Hotel ein. Wie Sixt die Überziehung behandeln wird, müssen wir halt sehen. Wir waren uns aber einig, dass die Aktion einen ggf zu entrichtenden zweiten Miettag wert gewesen war. Der schöne Tag wurde bei demselben Inder wie gestern beschlossen.

Donnerstag, 15.03.2012

Wieder konnte ich wie ein Stein schlafen, was nach der langen Autofahrt auch nicht weiter verwunderte. Wir genossen nochmal das leckere Frühstück und rollerten dann zum Bahnhof.

East Coast, Inverness 7.55 - Newcastle 12.55-4 "The Highland Chieftain"

Unsere Reservierungen wiesen uns in einen anfänglich sehr überheizten 2.Kl Wagen, in dem zum Glück kaum Reservierungszettel steckten. So konnten wir uns etwas verteilen und für mich gab es 'Reihe' mit guter Fensteraussicht. Sehr komforteinschränkend empfand ich allerdings eine Kabelleiste, die unterm Fenster eingefügt worden ist. Wegen der kann man seinen fensterseitigen Arm nirgends richtig lassen. Dafür hat nun jeder Platz eine Steckdose.

Der East Coast HST von innen. Ich frage mich, ob das Durcheinander von grauen und blauen Polstern gewollt ist (quasi "Kunst"), oder ob der Einkauf irgendwo günstig paar andersfarbige Polster geschossen hat.

Die Fahrt war insgesamt allerdings sehr angenehm. Der Zug füllte sich zwar im Laufe der Zeit etwas, unser Wagen wurde aber nicht wirklich voll. In den Highlands versuchte ich den Zuglauf auf den Screenshots der Topographischen Karte, die ich mir vor der Tour für mein Smartphone gemacht hatte, zu verfolgen. Inverness - Pitlochry in 28 Kartenbildern :-) Paar im Internet gesehene Motive konnten verifiziert werden, wobei mich auch in den Highlands interessieren würde, ob man analog zu USA erschossen wird, wenn man mal einen Zaun übersteigt. Die Wildnis ist nämlich restlos eingezäunt.

Nett war dann natürlich auch die Fahrt durch die Motive bei Gleneagles. Der Bahnhof Gleneagles, heute nur noch Hp, muss mal größere Bedeutung gehabt haben. Immerhin hielt unser 'The Highland Chieftain' in Gleneagles, wo es praktisch nur den berühmten Golfplatz gibt, nicht aber in der Stadt Dunblane.

In Edinburgh wurde der Zug gar nicht mal nennenswert voller. Die Stadtkulisse westlich des Bf Waverly war wie immer eindrucksvoll. Die weitere Fahrt an der Ostküste entlang natürlich auch. So langsam kämpfte sich auch die Sonne hervor. Allerdings blieb es extrem dunstig.

In Newcastle konnten Jürgen und ich erstmal am Bahnsteigende die eine oder andere Aufnahme machen, bevor wir den auf Gleis 11 bereitgestellten Zug aufsuchten.

Der Gegenzug zu unserem HST verlässt Newcastle.

Ein Northern 156 fährt nach Newcastle ein.

Unser DB Cross Country Voyager steht bereit.

DB Cross Country, Newcastle 13.35 - Oxford 17.39

Der Zug bestand leider nur aus vier Wagen und war entsprechend voll. Unsere reservierten Plätze waren auch nicht wirklich schön. So beschlossen Matthias, Kai und ich in die erste Klasse zu gehen. Hier war schön viel Platz und wir wurden sofort nett umsorgt. Es gab kostenlos Kaffee und ein Sandwich. Dass man auch einen warmen Shepherd's Pie bekommen hätte, schnallte ich leider zu spät. Das war nun wieder 'Reisen'. Unsere Stewardess und auch die Schaffnerin waren bildhübsch, aufmerksam und sehr freundlich. Als wenn sie geradewegs dem XCountry Werbeprospekt entlaufen wären. Da fühlte man sich rundum wohl :-)

Der Shepherd's Pie, den es für 1.Kl-Reisende kredenzt gibt.

In Colton Junction südlich York bekam ich einen kleinen Schreck. Unser Zug brauste mit Fullspeed die ECML weiter runter. Eigentlich hatte ich gedacht, dass wir Richtung Leeds abzweigen würden, aber wir nahmen noch Doncaster mit.

Auf der East Coast Main Line kamen uns für englische Verhältnisse ganz schön viele Güterzüge entgegen. Auch später in den Industriegebieten und -brachen der Midlands rissen die Güterzüge nicht ab. Als Lok fungierten vor einigen Zügen auch 67er und eine Class 70. Das dichte Streckennetz in der jetzt durchfahrenen Gegend ist schon eindrucksvoll. Leider hatte ich meinen Trackatlas nicht mitgenommen. Den hätte man hier gut gebraucht. So musste ich mich mit der Kursbuchkarte begnügen, die ich auf meinem Handy abgespeichert hatte.

Noch vor Birmingham gewann der Hochnebel wieder die Oberhand über das dunstige Sonnenlicht. Es wurde dadurch recht finster und allmählich durfte das heutige Etappenziel gern mal kommen. Erstmal wurde es aber in Birmingham, wo wir Kopf machten, nochmal voller. In der zweiten Klasse wurde sogar gestanden. Angesichts eines bevorstehenden Abendessens haben wir weitere Speise- und Knabberangebote unserer 1.Kl-Aufwärterin lieber mal abgelehnt. Hinter Banbury machten wir uns auf zu den anderen. Plakate an den Bahnhöfen erzählten von sonntäglichen Streckensperrungen auf der Chiltern Line bei Lemmington Spa.

In Oxford brauchten wir nur zweimal lang hinzufallen und konnten ohne eine Stufe mit den Koffern nach Becket House rollern, das wieder mal schräg gegenüber vom Bahnhof lag. Es war im Gegensatz zu letztjährigen Touren eine Wohltat, dass man den Zettel 'no vacancies, please don't ring the doorbell' nicht auf sich beziehen musste. So waren wir also nach langer, äußerst pünktlicher Fahrt glücklich in unserem letzten Etappenziel angekommen.

Nach kurzer Auffrischungsphase drehten wir eine Runde durch die Stadt. Erst kam man durch die Einkaufsstraßen, dann ging es in den eigentlichen monumentalen Bereich, der allerdings teils recht finster war. Das muss man sich doch besser nochmal bei Tageslicht geben.

Die Queens Lane schlängelt sich an den Rückseiten der Colleges entlang und ist abends ganz schön finster.

Fürs Abendessen entdeckten wir ein i... - nein, kein indisches, sondern ein irisches Restaurant bzw schlichtweg einen irischen Pub. Mir persönlich war der Laden allerdings viel zu laut. Das Essen war gut, aber nicht zu viel. Ich hatte eine irische Zwiebelsuppe und Lammkeule mit Erbsen und Kartoffelpüree. Obwohl man den ganzen Tag über ja nichts anderes getan hat als sich fahren zu lassen, war zumindest ich schon wieder ganz schön müde, und so störte es mich nicht weiter, dass wir vor 10 zurück in Becket House waren.

Freitag, 16.03.2012

Das Zimmer war nicht besonders groß und es fehlten Aufhängemöglichkeiten für Kulturbeutel und Handtücher (die Stange direkt neben dem Klo musste nicht sein). Aber wir hatten auch keinen Luxus erwartet. Unterkünfte in Oxford sind teuer, und wir konnten froh sein, diese bahnhofsnahe Pension gefunden zu haben. Geschlafen habe ich gut und immerhin hatten wir Bahnblick und konnten zuschauen, wie die Züge in dichtem Abstand rein und raus rollten. Da war auch so mancher Güterzug dabei.

Der Himmel war bedeckt, als wir aufgestanden sind. Heute wollten wir uns erstmal die Stadt näher anschauen. Bei Chance auf Sonne wäre ich auch nachmittags gern noch an die Strecke gefahren.

Das Frühstück war ok, von unserem netten Wirt aufmerksam serviert. Von ihm bekamen wir auch noch Tipps für Besichtigungen. Dann zogen wir einfach mal los in die Stadt. Ehrlich gesagt hielt sich meine Motivation noch ganz schön in Grenzen. Der Morgen war entsetzlich trübe und es war saumäßig kalt, woran auch ein ätzender Wind nicht ganz unschuldig war. Und wir wussten nicht genau, wann man überhaupt welches College besichtigen kann. Erstmal liefen wir durch das Castle, dass allerdings für meinen Geschmack viel zu modern renoviert war. Durch einen unerfreulichen Durchgang zwischen Kauf- und Parkhaus Marke Bausünde gelangten wir durch die Turn Again Lane in einen erfreulicheren Bereich. Damit endete der unerfreuliche Teil, abgesehen vom Wetter, das trübe blieb. Das Ziel lautete Christ Church, welches das größte College Oxfords ist. Es gibt ja nicht 'die' Universität Oxford (oder höchstens als organisatorische Einheit), sondern zahlreiche einzelne Colleges, die zusammen mit anderen Einrichtungen wie Bodleian Library oder Sheldonian Theatre über die Stadt verteilt sind und diese zu einem riesigen Campus machen.

Das Christ Church College, bei dem in der Bezeichnung allerdings das Wort College weggelassen wird, stand sofort zur Besichtigung bereit. Zusammen mit mehreren Schulgruppen konnten wir uns für 7 GBP auf einem Besucherrundgang recht frei bewegen. Drinnen störte auch das trübe Wetter nicht mehr. Hauptattraktionen waren 'The Hall', der Speisesaal, und die Kathedrale. Der Speisesaal hatte für den Hogwarts Speisesaal in den Harry Potter Filmen Pate gestanden. Wo der sprechende Hut die Zauberschüler auf die Häuser verteilte, herrscht mittags ganz normaler Mensabetrieb. Schon kurios, wie in diesem gediegenen Saal ganz banale Einrichtungen wie Kaffeeautomat oder Salatbuffet aufgebaut sind. Die Wände hingen voller Gemälde.

"The Hall" von Christ Church von außen...

... und von innen.

Etwas feierlich sieht's schon aus.

Wenn man genau hinschaut, sieht man allerdings "normale" Kantineneinrichtung.

Auch die Kathedrale konnte begeistern. Während Christ Church 1525 gegründet wurde, gehen einzelne Exponate in der Kirche bis auf das 13. Jahrhundert zurück.

Die zum College gehörende Kathedrale, Blick Richtung Altar...

... und Richtung Eingang.

Prior Alexander De Sutton in Stein gemeißelt.

Wieder auf der Straße fand man sich mitten im monumentalen Teil der Stadt wieder. Ein ehrwürdiges Gebäude folgte dem anderen, über die Steinmauern ragten verschiedenste Türme auf. Wir machten einige Fotos, obwohl das Wetter gänzlich unattraktiv blieb.

Viel mehr von den Colleges als solch einen Tordurchblick sieht man von der Straße in der Regel nicht.

Wenn das College aber offen für Besucher ist, kann man zum Teil sogar kostenlos einen Blick hinein werfen, wie hier in St Edmund Hall.

Unser Wirt hatte uns die Besteigung einer Aussichtsterrasse auf dem Sheldonian Theatre empfohlen. Dort fragten wir mal nach, doch es fand gerade eine Veranstaltung statt. Die 'Bodleian Library' sollte man allerdings besichtigen können. Um 15.30 sollte wieder eine Tour sein. Insgesamt fand ich es aber außerordentlich schön, wie offen Colleges und andere Sehenswürdigkeiten sich trotz des laufenden Alltagsbetriebes für Besucher zeigten.

Wir zogen nun erstmal an der Broadway Street durch paar Läden. Als ich mir eines der offiziellen College-Sweatshirts kaufte, bin ich doch glatt nach dem Studiausweis gefragt worden. Ich könnte hier also glatt noch als Student durchgehen, schön zu hören :-) Aber die Ermäßigung konnte ich natürlich nicht in Anspruch nehmen. In einem benachbarten Café fand nun erstmal eine kleine Mittagspause statt. Die anderen hatten Postkarten zu schreiben, ich einen Reisebericht.

Als nächstes hatten wir den Carfax Tower auf dem Programm. Das Hocharbeiten über eine extrem enge Wendeltreppe eröffnete einen netten Blick über die Stadt, wobei man leider noch sehr im Bereich der Einkaufsstadt war und nicht so über den monumentalen Bereich der Stadt schaute.

Blick vom Carfax Tower auf die High Street.

Anschließend schauten wir an der Riversite vorbei. An der Themse gab es auch noch hübsche Bauten und ein schönes Gartenlokal, in dem zwei Unermüdliche sogar draußen der Kälte trotzten.

Wir liefen durch den riesigen Park von Christ Church ostwärts auf das Magdalenen College zu und durch die Heigh Street zur Bodleian Library, wo Matthias und ich Karten für die 16 Uhr Führung bekamen. Die Wartezeit vertrieben wir uns in der Markthalle, in der wir tapfer der Verlockung vieler Leckereien widerstanden.

Die Führung in die alte Bibliothek war interessant, aber nur ein kurzer Einblick. Es wurde viel erzählt, aber man wurde nur in die alte Duke Humfrey's Library (wieder ein Harry Potter Drehplatz) und in die Divinity School, einen Examensraum geführt, denn mehr hätte wohl den Alltagsbetrieb all zu sehr beeinträchtigt. In der alten Bibliothek war leider Fotografierverbot, was angesichts der alten zierreichen Holzausstattung wirklich schade war.

Der Innenhof der Bodleian Library.

Die Divinity School. Hinten saßen die Examenskandidaten, vorn durfte das Volk, also auch die Familienangehörigen, zuschauen. Viel verstanden haben die aber meist nicht, da das Examen auf Latein abgehalten wurde.

Nach der Aktion liefen Matthias und ich nach Becket House zurück. Während Matthias nun noch eine ex Klassenkameradin traf, schaute ich mich nochmal kurz am Bahnhof um.

Gegen 19.30 trafen wir uns bei einem Mexikaner unweit des Hotels. Leider waren die Portionen nicht so üppig und die Cheesecake zum Nachtisch ziemlich eklig. Besonders übel war allerdings die ca 20köpfige Gruppe junger Mädels, die an den Nachbartischen laut kreischend einen Junggesellinnen Abschied feierte. Wir beschlossen den Abend in einer Klönrunde in Becket House mit Proviant von M&S im Bahnhof.

Samstag, 17.03.2012

Und schon ist der Abreisetag da. Der Flieger geht allerdings erst abends. Angesichts des Regens, den wir heute erstmals erblickten, wäre ein früherer Flug auch ok gewesen. Nach einem relaxten Frühstück, bei dem im Westen sogar einige Auflockerungen am Himmel auftauchten, ging es los, wobei wir alle unterschiedliches Programm hatten. Ich war noch am Überlegen, ob ich in Cholsey etwas spazieren gehen sollte. Dabei spekulierte ich natürlich drauf, dass man die eine oder andere Auflockerung für ein Bahnfoto nutzen könnte. Die andere Alternative wäre eine Runde mit dem Zug gewesen.

First Great Western, Oxford 10.01 - Reading 10.25

In Reading hatte ich nun gar keine Meinung, was ich tun sollte. Bei Cholsey waren ja durchaus Auflockerungen in weiter Ferne zu sehen gewesen, aber kurz danach war es geradewegs in den Regen hineingegangen. Ich beschloss, nochmal nach Didcot und zurück zu fahren, um die Wetterentwicklung zu beobachten.

First Great Western, Reading 10.42 - Didcot Parkway 10.56

First Great Western, Didcot Parkway 11.01 - Reading 11.27

Die Helligkeit rückte kein Stück näher. Ich entschied mich, ein wenig durch die Gegend zu fahren. Die große Runde via Southampton würde nun allerdings etwas knapp werden. Aber auch im südwestlichen Einzugsbereich Londons gab es genügend Tourmöglichkeiten. Mit paar Sandwichs bewaffnet bezog ich das schöne 1.Kl Abteil im First Turbo nach Gatwick.

First Great Western, Reading 11.34 - Redhill 12.38

Die Fahrt war sehr angenehm. Bei solchen Tangentialfahrten um große Städte finde ich immer interessant, dass man viele andere Strecken kreuzt. Die Landschaft war noch unerwartet ländlich. Und je weiter ostwärts man kam, desto gebirgiger wurde es. Oft fuhr man an steilen Wiesenhängen entlang, auf denen immer wieder knorrige Bäume die Blicke auf sich zogen.

Southern, Redhill 12.48 - Clapham Junction 13.09+10

Der Zug war ätzend voll und hielt eine Weile auf Strecke wegen Personen im Gleis.

Southwest Trains, Clapham Junction 13.28 - Reading 14.40+8

Der Zug war zunächst brechend voll. Alles offenbar Sportfans, aber fast alle normal gekleidet und fast ausschließlich mittleren Alters. Bis auf einen Irland Schal war keine Vereinskleidung zu sehen und das Benehmen war ganz normal und nicht so, wie man es von Fußballfans kennt.

In Feltham stiegen die Horden aus. Gerade dachte ich, nun könnte ich mich in dem kleinen 1. Kl Abteil auf einen schöneren Vorwärtsplatz umsetzen, da kam eine Frau rein und schnappte mir den Platz vor der Nase weg. Irgendwie war ich davon total genervt, zumal sie auch noch den ganzen Weg bis Reading drin blieb. Nervig waren auch die vielen überflüssigen Durchsagen. So wurde z.B. an jedem Halt durchgesagt, dass nun die Knöpfe für die Außentüren freigegeben wären. Von der Landschaft bekam ich durch mein kleines Fensterchen nur so viel mit, dass sie stark zersiedelt war. Diese Strecke führt halt doch etwas dichter durch den Londoner Speckgürtel.

First Great Western, Reading 14.55 - Paddington 15.29

Der 14.53 HST nach Paddington war ganz gut besetzt. Der 14.55 Service kam mit zwei fast leeren 1.Kl Wagen daher. Das war genau das richtige für mich :-)

Ich mag es ja nun gar nicht erzählen, aber es ging schon wieder los. Kaum hatte ich es mir im Ruhewagen bequem gemacht, tauchte ein laut telefonierender Typ auf und setzte sich --- mir wieder genau schräg gegenüber in die Glotzposition. Dabei plapperte er laut in einer Tour in sein Handy. Ich nur meinen Kram gegriffen und in den anderen Wagen geflüchtet. Dort hatte ich gerade das Örtchen aufgesucht, da hörte ich die Abteiltür gehen. Und ich wusste sofort, was das bedeutete. Und richtig, als ich rauskam, plapperte der Typ lauthals in der Sitzgruppe hinter mir. Demonstrativ griff ich wiederum meine Sachen und flüchtete zum zweiten Mal, nunmehr zurück in den Ruhewagen. Nach Abschütteln des Ärgers konnte ich die letzte HST Fahrt der Tour nun tatsächlich nochmal genießen. Irgendwo querten wir die von hübschen Häuschen gesäumte Themse, in der Ferne thronte stolz eine 'Hall' (aber wohl schon wieder nicht North Cothelstone Hall) auf einem Hügel.

In Paddington machte ich erstmal paar Aufnahmen. Wenn man die Halle so sieht, kann man sich vorstellen, weshalb große Bahnhöfe auch mal als Kathedralen bezeichnet werden.

Ein Heathrow Express fährt aus...

...und ein anderer erreicht die Halle von Paddington.

Zwischendurch lief ich zur Metro und brachte meine Oystercard weg. Der Mensch am Schalter fragte extra nochmal nach, ob ich in absehbarer Zeit nicht mehr nach London käme. Dann zog er die Abrechnung und stellte fest 'Was, nur für eine Fahrt benutzt?' Ich erklärte ihm daraufhin, dass ich es nicht eingesehen habe, für paar Stationen 4,30 GBP zu bezahlen. Er gab mir nun sichtlich ungern die 5 Pfund Pfand und drei Pfund Guthaben zurück. Das bedeutet, dass ich mit der Oystercard für die Fahrt Paddington - Euston am Montag 2,30 GBP gespart habe. So werde ich das künftig wieder machen, auch wenn ich nur einmal von Bf zu Bf fahren will. Diese Abzocke von Auswärtigen, die beim Wechsel zwischen den Londoner Bahnhöfen auf die Tube angewiesen sind, ist in meinen Augen eine Frechheit.

Einen Teil des zurückgewonnenen Geldes verprasste ich erstmal in einem der Bahnhofscafes mit Kaffee und Cake. Dann wurde es Zeit für unseren Heathrow Connect. Tatsächlich trafen sich alle Gruppenmitglieder nach und nach am Zug.

Heathrow Connect, Paddington 16.33 - Heathrow Terminal 1&3 17.05

Während man sich in Deutschland leicht mal über übertriebene Begrüßungs- und Verabschiedungsdurchsagen aufregen kann, übertreiben die Briten es mit den Sicherheitsdurchsagen. Wir wurden in dieser Eisenbahn an jeder Station auf den Spalt zwischen Zug und Bahnsteig hingewiesen und darauf, dass der Zug von Sicherheitskameras überwacht wird.

Das Einchecken verlief problemlos. Die Sicherheitskontrolle auch (na ja, fast, gell Jürgen, die Zahnpasta müsste Dir jetzt doppelt gut schmecken, oder?), und danach gab es ein letztes gemeinsames Abendessen im Restaurant Giraffe im Terminal. Diesmal hat Heathrow bei mir einen positiven Eindruck hinterlassen. Alles ging recht zügig.

LH Heathrow 19.35 GMT - Hamburg 22.10-10 MEZ

Ein sehr angenehmer Flug. Weil alle gern Fenster haben wollten, saßen wir z.T. hintereinander. Neben mir blieb alles frei. In Hamburg erwischten wir sogar noch die S-Bahn um 22.13.

Mir hat das Bahnreisen mal wieder einen Riesenspaß gemacht. Es ist wirklich extrem schade, dass man eine optimale Fotoausbeute nur auf einer Autotour erhalten kann. Wie schön wäre es, wenn man auch mit Öffentlichen zeitlich flexibel in die Motive gelangen könnte? Immerhin geht das in England noch zu einem beträchtlichen Teil, so dass dies hoffentlich nicht die letzte Tour dieser Art gewesen ist. Auf dem Balkan oder in Skandinavien ists praktisch unmöglich.

Auch die Reise in der größeren Gruppe hat mir großen Spaß gemacht. Wir haben einen schönen Weg gefunden, die Reise zusammen durchzuführen, ohne gezwungenermaßen ständig alles gemeinsam machen zu müssen. Dafür geht mein besonderer Dank an Maren, Jürgen, Kai, Matthias und Stephan!

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