Zwischen Amselfeld, Adria und Bosnatal
Balkan Juni 2010 - Teil 4

Autor: Jan-Geert Lukner. Alle Rechte am Text und an den Bildern liegen beim Autor.

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Warnung: In ganz Bosnien-Herzegowina besteht akute Gefahr durch Landminen! Nur dort gehen, wo sichtlich schon mal jemand vor einem gegangen ist! Minenfelder sind in Bosnien-Herzegowina nicht gekennzeichnet!

Mittwoch, 09.06.2010: Doboj - rund Kirchturm - Doboj

Aufgrund der Hitze schlief ich nicht so besonders gut. Außerdem machten zeitweise paar Motorräder draußen Lärm.

Diesmal fingen wir es mit dem Frühstück besser an. Beim Reinkommen ins Restaurant fragten wir gleich ausdrücklich nach dem Hotel-Frühstück und wurden auf die Plätze im Innern verwiesen. Aus der Karte konnten wir zwischen verschiedenen Eier-/Schinkengerichten wählen. Brötchen mit Marmelade gab es nur als "oder"-Option. In Kroatien gibt es Brötchen eigentlich immer ungefragt vorweg. Im Ausfahrbereich Richtung Norden hing Nebel, deshalb klappte ein Foto vom ausfahrenden Zug nach Banja Luka nicht wirklich. Der Pu 6402 hatte heute allerdings zwei DR-Wagen! Da wir eh in die Richtung wollten, fuhren wir dem Zug voraus und nahmen ihn am Hp Ljeb mit dem Schrankenposten mehr recht als schlecht auf. Für einen Zug, der praktisch ständig aus dem Licht kommt, war's nicht schlecht.

Der Vormittagszug nach Banja Luka im Hp Ljeb. Vom Schrankenposten ist aus dieser Perspektive leider nichts zu sehen.

Dann suchten wir weiter hinter Dragalovci, wo laut Karte zwar eine dicke gelbe Straße dem Verlauf der Bahn folgt, wo aber in Wirklichkeit nur eine Schotterpiste langführt. Die verzweigte sich auch noch, und wir konnten nichtmal wissen, welcher dieser Schlaglochpisten wir zu folgen hatten. Deshalb wendeten wir und suchten das Motiv zwischen Ostružnja und Ljeskove Vode auf, das Oli gestern hatte machen wollen. Das Licht war noch ziemlich spitz, doch mit jeder Minute Verspätung würde es besser werden. Wir hofften allerdings, dass die Verspätung nicht größer wäre als gestern, denn mit dem nordfahrenden Ungarn hatten wir anschließend ja auch noch was vor. --- Es klappte. Der Pu 6403 hatte heute auch zwei Wagen, was uns ganz gut passte, und kam 8 Minuten früher als gestern, so dass wir den Ungarn auch noch sicher bekommen konnten. Ein weiteres Foto schafften wir sogar noch am Hp Grabovica.

"Zufällig" hatte heute auch der Gegenzug aus Banja Luka zwei Wagen, als er bei Ljeskove Vode um die Ecke kommt. Wir dachten uns nichts dabei...

Derselbe Zug nochmal in Grabovica.

Dann ging es nach Srpska Kostajnica. Die Abfahrtszeit des Ungarn in Doboj war vor vier Minuten gewesen, als wir uns der Strecke näherten. Wir glaubten, dass der Zug frühestens in drei/vier Minuten hier sein könnte. Doch plötzlich entdeckten wir ihn schon im Bahnhof! Sollte die ŽRS bei ihrer freien Fahrplanauslegung auch mal vor Plan fahren? Anders kann der Brzi das hier eigentlich gar nicht hergeschafft haben. Der B 258 wartete noch auf Anschluss, so dass wir schon mal ein Stück vorfahren konnten. Zwischen Bušletić und Vasiljevići hatten wir ein seitliches Motiv gefunden. Da der Zug nun doch zügig kam, war ich in der Motivwahl etwas eingeschränkt, denn nach dem Öffnen der Autotür stand ich fast im Graben...

Der Schnellzug Sarajevo - Budapest hinter Bušletić.

Weiter hinten hatten wir zwei Hauptmotive auf dem Zettel. Schade, dass wir nicht gestern eins davon umsetzen konnten. Wir entschieden uns für den "Appelbaumblick". Von der Straße konnte man zwischen paar Bäumen hindurch auf eine Außenkurve fotografieren und hatte ein nettes Dorf nebst Weitblick in die Niederung als Hintergrund. Diese Stelle befindet sich am westlichen Ortseingang von Vranjak. Das zweite Hauptmotiv wäre vom BÜ einer Nebenstraße bei Brvno gewesen. Wir ersparten es uns und anderen Verkehrsteilnehmern allerdings, dem Zug weiter hinterher zu hetzen.

Eins der schöneren Motive auf diesem Abschnitt: Die Bahn führt am Rande der Bosna-Ebene entlang, die fließend in die Save-Ebene übergeht.

Wir hatten nun erstmal genug orange Loks. Ab Mittag wollten wir uns deshalb auf dem Netz der ŽFBH um die Bosna-Schleifen kümmern, eine Gegend, wo sich die Strecke abseits aller Hauptstraßen stark hin und her windet. Über Doboj ging es südwärts. Schon vor Maglaj war das Tal wunderschön (erinnerte mal wieder an das Savetal) und bot sicherlich vielfältige Möglichkeiten, auch mit Felsen und Tunneln. Wir wollten uns um diesen Abschnitt aber erstmal nicht kümmern, denn die Bosnaschleifen sind noch ein Stück weiter südlich. Und dort würden wir sicherlich genügend Möglichkeiten finden.

Hinter Maglaj bzw dem nächsten Kaff mit einem großen Natron-Werk ging es auf eine weiße Straße, die aber zum Glück durchgehend asphaltiert war. Das Tal wand sich extrem und wir mussten immer genau aufpassen, woher gerade die Sonne kam. Nun ja, in erster Linie kam sie natürlich von oben, denn es war jetzt Mittag. Aber wenn schon so wenige Züge fahren, wollte man die vorhandenen schon mitnehmen. Am Hp Tomići setzte die Motivklingel das erste Mal ein. Die beiden Streckengleise kamen hier nach getrennter Streckenführung gerade wieder zusammen. Dass die Streckengleise weit voneinander entfernt sind und dazwischen teils noch ganze Felder liegen, kommt auf dieser Strecke häufiger vor. Oft führt auch nur ein von zwei Gleisen durch einen Tunnel und das andere außen rum.

In Tomići war das Problem, dass wir regelrecht in der Sonnenglut warten mussten. Ich zog mich ins Auto zurück, da war es bei geöffneten Türen besser auszuhalten. Oli stand draußen und alarmierte mich zum Glück rechtzeitig, denn es näherte sich etwas ganz besonderes: Der neue bosnische Talgo war auf Probefahrt! Es gelang eine gute Aufnahme. Der nachfolgende B 396 hatte dann schon nicht mehr volles Seitenlicht, denn der Sonnenstand dreht sich zu Mittag ja extrem schnell. Mit einer dreckigen, finsteren Lok kam er völlig dunkel daher. Oli hatte zwischenzeitlich noch kurz einer Anwohnerin erklärt, dass das eben (also der Talgo) wirklich ein neuer bosnischer Zug ist. Sie mochte es kaum glauben...

Auf ihn hatten wir ja nicht zu hoffen gewagt: Der Talgo, der neue Vorzeigezug der ŽFBH, kommt auf Probefahrt durch den Hp Tomići.

Zum folgenden Serben-Schnellzug schauten wir uns nach weiteren Möglichkeiten um. Ein richtig genialer Ausblick war von einem Felsen, unter dem ein Gleis als Sporntunnel durch führte. Ärgerlich: Genau am Auslösepunkt stand ein Busch zwischen den Streckengleisen. Außerdem war der Felsen selbst so verbuscht, dass man sich sehr weit an die Kante hätte wagen müssen. Daher fuhren wir weiter. Im Bereich der Ortslage Bradići mit den Quertragwerken eines ehemaligen Bahnhofs merkten wir uns paar Möglichkeiten vor. Wir schauten zwar dann noch ein Stück weiter, doch aus Zeitgründen nahmen wir den B 450 dann tatsächlich in dem ex-Bahnhofsbereich.

Der Serbenzug in den Bosnaschleifen im ehemaligen Bahnhof / heutigen Haltepunkt Bradići.

Damit war die Richtung erstmal abgefrühstückt und wir konnten uns Südfahrern zuwenden. An einer Stelle südöstlich des ex-Bf mit den Quertragwerken warteten wir einfach mal. Wir spekulierten ja heimlich damit, dass der Talgo auch wieder zurückkommen würde. Das tat er zu unserer Freude dann auch.

Der Talgo kehrt zurück. Es handelte sich übrigens um die Sitzwagen-Variante. Anderthalb Wagen erste Klasse (hier vorn), Bistro, fünfeinhalb Wagen zweite Klasse. Eine Nachtzug-Variante soll es auch noch geben.

Anschließend fuhren wir den restlichen Bereich des schönen Tals, das mich wechselweise an das Savetal oder das Elbtal in der Sächsischen Schweiz erinnerte, bis Zavidovići, wo die Besiedlung zunimmt und sich Industrie breit macht. Die Kundschaftsfahrt ergab, dass die Bosna-Schleifen richtig ge-ni-ale Blicke für Nordfahrer bieten (die sich hier ja teils bis nach Süden winden), dass aber für Südfahrer nur relativ kleine Lücken zur Verfügung stehen. B 451 gab es an einer solchen Stelle, hatte aber leider die Sifflok vor.

Der südfahrende Serbe in dem wunderschönen Tal.

Für den B 397 stellten wir uns in der Dorflage Globarica unweit der Kirche bei einem Bahnwärterhäuschen auf. Doch es tat sich wieder mal nichts. Es tat sich sogar sehr lange nichts. Die 40 Minuten Verspätung, die offenbar alle Züge aus Richtung Banja Luka mitbrachten, verstrichen auch. Bald drückte der Nahverkehr von Süden. Wir hatten einen schönen Ausblick für den Nordfahrer unweit unserer derzeitigen Stelle und liefen bloß zu Fuß ein Stück den Fahrweg hoch. Der Pu 2102 kam wieder mit dieser heruntergekommenen Zweiwagengarnitur.

Für die vielen Nordfahrer-Motive kam leider abends nur der Bummelzug mit der verwarzten Garnitur vorbei.

Danach wechselten wir erstmal zum "Sportplatzblick". Vom Garten eines unbewohnt wirkenden Hauses ergab sich ein brauchbarer Ausblick. Hier warteten wir mal ganz tapfer weiter auf den B 397 oder aber auf den sichereren Nahverkehrszug, der ja bald von Maglaj zurückkommen musste. Als schon der Nahverkehr überfällig war, polterte es in der Ferne und es kam der B 397, nunmehr mit ca 80 Minuten Verspätung. Gerade war ich wieder auf der Straße zurück, kam doch tatsächlich ein etwas verschroben wirkender Mensch aus der Tür des vermeintlich unbewohnten Hauses und begrüßte einen in Weiß gekleideten Herrn, der auf der Straße ankam. Und gemeinsam kamen sie nun zu uns und wollten wahrscheinlich wieder mal wissen, was wir dort machen. Zum fuffzehnten Mal spulten wir unser "fotografiram vlak" ab. Vielleicht wollten sie auch wissen, warum ich auf dem Grundstück gewesen bin, aber darauf bin ich lieber nicht eingegangen. Der Weiße verabschiedete uns jedenfalls mit freundschaftlichem Handschlag und seinen gesammelten Brocken Deutsch. Wahrscheinlich war das der Dorfvorsteher...

Der Schnellzug nach Ploće kommt tatsächlich noch, hier im Bereich der Ortslage Globarica.

Da ja die ganzen Blocksignale außer Betrieb waren (was für eine Kapazität hatte es hier früher gegeben!), hatten wir rund zwanzig Minuten Zeit, nochmal zu dem Ausblick auf das Bahnwärterhaus unweit der Kirche zu wechseln. Ganz ohne Kompromisse war dieser Punkt nicht. Eigentlich hätte man etwas vorgehen oder weiter vorn einen Busch killen müssen. Dazu hätten wir aber in eine ziemlich wilde Wiese laufen müssen, was wir aufgrund der akuten Gefahr von Landminen, deren Vorhandensein in Bosnien überhaupt nicht gekennzeichnet ist, lieber mal bleiben ließen. An den vergangenen Tagen hatten wir alle Motive gut von Wegen oder offensichtlich begangenen Flächen (z.B. gemähten Wiesen) umsetzen können. Der Pu 2105 ging hier jedenfalls ganz vernünftig.

Der Bummelzug kommt aus Maglaj zurück, hier beim Bahnwärterhaus.

Weil so langsam die Schatten Einzug ins Tal erhielten, fuhren wir einfach mal wieder nordwärts. Der letzte Personenzug des Tages, den wir allerdings noch nie zu sehen bekommen hatten, ist ja der Ungar. Wir wollten ihm einfach ein Stück entgegen fahren. Und zwischen Maglaj und Doboj gab es ja auch noch sicherlich paar Möglichkeiten. Eine davon nutzten wir am Hp Trbuk. Vom Bahnsteig aus hatte man einen ganz passablen Blick mit etwas Ortskulisse, die allerdings teils schon im Schatten lag. Wieder langes Warten. Irgendwann tauchte wie vorgestern ein Güterzug auf.

Ein Güterzug ging noch am Haltepunkt Trbuk. Wir befinden uns schon wieder in der Republika Srpska, aber die ŽFBH-Loks gelangen ja zum Umspannen immerhin bis Doboj.

Vom Ungarn fehlte nach wie vor jede Spur. Übrigens hatte der Abend bis jetzt keinerlei Abkühlung gebracht. Im Gegenteil: Die Schwüle war auf ein unerträgliches Maß angestiegen! Kein Lüftchen regte sich und das Atmen fiel schwer. Nach dem Güterzug wollte Oli noch weiter auf den Ungarn warten. Licht war ja noch, auch wenn es immer schwächer wurde und die Dusche im Hotel laut nach mir rief. Ich schrieb indes schon mal diese Zeilen. Fürs Protokoll: Der Ungar kam innerhalb einer Dreiviertelstunde nach Planzeit nicht. Wir verbuchten den Zug wie schon an den vergangenen beiden Tagen als "vermisst".

Am Abend wurde es auf der Hotelveranda nach und nach immer erträglicher. Als die Sonne untergegangen war, konnte man es gut im Freien aushalten. Und es war schon interessant, wieviele Leute auf der Straße entlangflanierten. Ich bestellte für mich heute Salat. Als Belohnung dafür, dass ich nur Salat genommen hatte, gab es zum Nachtisch Palatschinken. Nun ja, mal gönnt sich ja sonst nichts...

Donnerstag, 10.06.2010: Doboj - Tuzla - Doboj

Da ich bei geschlossenem Fenster und eingeschalteter Klimaanlage geschlafen hatte (was ich ja sonst nicht gern tu', aber diesmal gings nicht mehr anders), fühlte ich mich morgens sogar recht fit. Heute hatten wir uns das "Dieselparadies" rund um Tuzla vorgenommen. Auf Hin- und Rückfahrt wollten wir einen der zweimal täglich verkehrenden Triebwagen begleiten. Als Frühstück suchte ich mir Ham and Eggs aus, das war sehr gut und reichhaltig. Dann ging es an die Strecke. Den Pu 6603 nahmen wir das erste Mal an der zweiten Betonbrücke über die Spreča. Trotz der Befürchtung, das Licht könne spitz stehen, hatte die Seite des Vt gut Licht.

Die zweite Spreča-Brücke zwischen Doboj und Suvo Polje.

Auf der Hauptstraße ostwärts war ganz schön starker Verkehr. Wenn man mal einen Langsamfahrer überholen konnte, lief man bald auf den nächsten auf. Aber der Zug hatte sehr großzügige Fahrzeiten, und so trafen wir am nächsten Fotomotiv, dem Ostesig des Bf Sočkovac fünf Minuten vor dem VT ein. Das Motiv war reine Glücksache. Wir näherten uns einem BÜ und je näher man kam, desto sicherer waren wir: Det isses! Der Zug war mindestens zwei Minuten zu früh am Bahnhof abgefahren, aber wir waren ja da...

Ausfahrt aus dem Bahnhof Sočkovac. Die Triebwagen stammen aus Slowenien.

Bei Petrovo gab es wieder Sektorenwechsel. Von der Republika Srpska wechselten wir in die Föderation. Immerhin fuhr der ŽRS-Triebwagen ins ŽFBH-Land weiter - allerdings nur zweimal am Tag. Dreimal hingegen ist in Petrovo Novo Schluss - also auf der grünen Wiese kurz vor der stark besiedelten Industriezone um Lukavac und Tuzla, wo die Leute sicherlich eher hin wollen, als nach Petrovo Novo.

Im Hp Petrovo wollten wir den VT nun nochmal aufnehmen, was auch ohne große Hetzerei klappte. Allerdings musste ich ja unbedingt bis zum Stillstand des Zuges warten, und gerade da ging der Schatten eines Kabels über die Front. Da wir noch schnell weiter wollten, verkniffen wir uns die Abfahrt. Das mit dem Weiterkommen war allerdings so eine Sache. Die Bahn parallele Straße war nämlich gesperrt - da fehlte die Brücke über einen Bach. Nach einem größeren Umweg durch den Ort, bei dem wir trotz fehlender Ausschilderung immerhin auf Anhieb den richtigen Weg fanden, war der Zug schon ein gutes Stück voraus. Wir erwischten ihn erst wieder im Bahnhof Dobošnica direkt von der Hauptstraßenbrücke aus. Das Licht war allerdings nicht ganz rum.

Zwischen abgestellten Güterwagen im Bahnhof Dobošnica.

Nächster Programmpunkt war Lukavac. Erst schauten wir bei der Kohlemine mit der Dampflok vorbei. Die Dampflok räucherte vor sich hin und hatte auch einen beladenen Zug am Haken. Vielleicht würde sie bald in den Bahnhof fahren, vielleicht aber auch nicht. Momentan tat sich jedenfalls gerade gar nichts. Deshalb schauten wir mal an das andere Ende des Bahnhofs, wo man von einem eigentlich stillgelegten und klapprigen Fußgängersteg einen schönen Blick in den Bahnhof hatte. Das Motiv kam mir von Bildern ziemlich bekannt vor. Eine Werksdiesellok von Global Ispat Koksna Industrija, einer Kokerei, deren verschiedenfarbige Rauchwolken das Ortsbild beherrschen, rangierte gerade einen Zug in den Bahnhof rein und holte einen Leerzug ab.

Als ich auf dieser Brücke stand, hatte ich erstmals in Bosnien-Hercegowina das Gefühl, ein Motiv schon häufiger mal gesehen zu haben. Sehenswert in Lukavac sind die verschiedenen Färbungen des Himmels...

Dann tauchte von Nordwesten eine 661 mit Güterzug auf. Schade, den hätte man gut an der Nordeinfahrt machen können. Aber es geht halt nicht alles auf einmal, und von unserem Fußgängersteg konnten wir immerhin die folgenden Rangierarbeiten aufnehmen. Leider fuhr die Lok anschließend Lz nach Tuzla raus.

Rangierarbeiten mit Baureihe 661 im Bahnhof Lukavac.

Für uns ging es nun weiter in die Westausfahrt des Bf Bosanska Poljana, wo wir in der Gabelung der Strecken nach Doboj und Ri Süden mal auf das warteten, was da kommen mochte. Auf jeden Fall klappte hier schon mal der abgehende Pu 6602 nach Doboj.

Der ŽRS-Triebwagen sieht zu, dass er bald das ŽFBH-Land verlässt. Erst heute Abend wird er sich nochmal in die Föderation vorwagen.

Danach brauchten wir nicht lange zu warten und ein Zug mit leeren E-Wagen kam aus Richtung Tuzla. Er befuhr das Gleis in Richtung Süden. Wir fuhren nun hinterher. Aufgrund der Wagen vermutete Oli, dass der Zug nach Lubače ginge, doch als wir über eine üble Piste den Bahnhof erreichten, fuhr der Zug durch und uns entgegen. Wir drehten, hatten aber auf der Schotterpiste nun einen Lieferwagen vor uns, der bei jedem einzelnen Schlagloch genau überlegte, ob er links- oder rechtsrum fahren solle. Schade war daran, dass der Weg praktisch nur aus Schlaglöchern bestand.

Wir erwischten den Güterzug, der sehr langsam fuhr, erst wieder vor Živinice. Jetzt lag aber der sehr quirlige Stadtbereich vor uns. Oli kannte sich zum Glück aus, so dass wir den Zug, der offenbar nach Banovići wollte, nochmal an einem sehr belebten Platz südlich des Bahnhofs erreichten. Ich bratzte einfach mal mit 300mm drauf - so hatte ich die Minaretts einer Moschee mit im Bild. Dort, wo wir standen, befand sich auch noch ein Schrankenposten. Mehr als ein Zugpaar pro Schicht dürfte der nicht zu sehen bekommen...

Der Güterzug nach Banovici mit den "Türmen der Stadt" Živinice.

Nächster Programmpunkt war der Bummelzug von Brčko ganz im Norden nach Tuzla. Dieser ŽFBH-Zug beginnt im ŽRS-Land und reist irgendwo in die Föderation ein. Wir fuhren ihm bis Tinja entgegen. In Tinja stürmten wir allerdings erstmal einen kleinen Supermarkt. Die Kassiererin wollte wissen, wo wir denn herkämen. Als wir Njemaćka sagten, kam von ihr sowas wie "Du meine Güte", was aber wohl im Sinne von "Was führt Euch denn in diese Gegend?" bedeutete. Wir fanden einen ganz brauchbaren Ausblick von einer Anhöhe nördlich des Bahnhofs. Allerdings war das Gras büschen hoch. Wie überall wurden wir natürlich auch hier aus den Häusern in der Nachbarschaft genau beobachtet. Ein Mann stand von seiner Terrasse auf, kam mit einer Sense aus seinem Schuppen und begann völlig ungefragt, den Standpunkt für uns freizusensen. Echt unglaublich! Er bekam als Dank ein Eisenbahnfoto von Oli in die Hand gedrückt.

Der Mann mit der Sense bereitet uns den Fotostandpunkt.

Der Pu 7403 hatte nun dummerweise aber zwei Wagen. Das kam an dem Standpunkt leider nicht ganz so gut. Was soll's. Wir erwischten den schäbigen grünen Zug nochmal anderswo in grüner Landschaft, nämlich am Südesig von Tinja und von der Hauptstraßenbrücke südlich Mramor.

Ausblick vom frisch gesensten Standpunkt auf den Bummelzug der ŽFBH.

Derselbe Zug nochmal bei Mramor.

Als wir mit der Fuhre durch waren, ging es wieder an die Westausfahrt von Bosanska Poljana, wo wir wieder auf Güterzüge warteten. So nebenbei gab es hier auch ein lecker Mittagsessen mit Sesamstangen und Leberwurst aus der Dose. Zur Wärme hatte sich ein leichter Wind gesellt, und es gab schöne Schattenplätze. Da ließ es sich schon aushalten. Zwischendurch trat ich allerdings in komischen moddrigen Boden und schwarzer Schlamm blieb an meinen Schuhen kleben. Aber weggeätzt ist später nichts...

Hatte ich schon gesagt, dass sich hier nichts tat? Rechtzeitig für den Brčko-Bummel kratzten wir die Kurve. Das Licht war hier nun auch schon sehr spitz. Als wir dann gerade über die Osteinfahrt des Bahnhofs fuhren (die mit dem tollen Kraftwerksblick), fuhr gerade unten ein Güterzug durch. Shit happens... Zwei Motive zwischen dem Kraftwerk und Tuzla gefielen uns wegen des Sonnenstandes nicht ganz so, deshalb gab es einfach mal den stehenden Pu 2030 im Bahnhof. Danach nahmen wir ihn noch an den drei Esigs des Güterbahnhofs, von denen eins intakt, eines weniger intakt und eines am verrotten war. Ich fotografierte dabei durch ein engmaschiges Gitter an der Brücke. Bei der Belichtung nicht berechnet hatte ich, dass sich das Gitter wie eine zusätzliche Blende auswirkt. Aber wozu fotografiert man RAW...

Endstation Tuzla. Zugangebot: 2x ŽRS mit VT nach Doboj, 3x ŽFBH mit Lok und Wagen nach Brčko (davon 1x weiter nach Kroatien). Die ŽFBH-Züge fahren nur außerhalb der Heizsaison!

Formsignale der Varianten "intakt", "außer Betrieb" und "von der Natur zurückerobert" zieren die Einfahrt in den Tuzlarer Gbf. Der Zug nach Brčko fährt aus.

Den Pu 2030 gab es ein drittes Mal an der Nordeinfahrt des Bahnhofs Duboki Potok. Vor einem zwielichtigen Schrottplatz mit noch zwielichtigeren Gestalten davor gab es den Blick auf einen Steinbruch und das Esig im Hintergrund. Wir versuchten auch noch, während des Haltes an die andere Ausfahrt zu gelangen, die auch sehr fotogen ist. Doch das klappte leider nicht.

In Dubuki Potok sehen wir den Brčko-Zug nochmal.

Nach Auffüllen der Getränkevorräte ging es wieder zurück. Nach einer Stippvisite in Lukavac, wo wir am Haltepunkt den Pu 6607 nachschossen und wo die Dampflok noch untätiger als heute Vormittag rumstand (nur der Zug war weg), bezogen wir das erste Motiv für unseren Zug zur Heimreise. Denn wir wollten auch den Rückweg zu einer Verfolgung eines VT nutzen. Mittlerweile hatten sich am Himmel starke Schleier breitgemacht. Das Licht schwankte ständig. Aber der Pu 6606 ging von der Brücke östlich Bahnhof Bosanska Poljana wunderbar mit Kraftwerksblick. Dieser Blick ist mittags zwar netter, aber wer will schon in der prallen Sonnenglut an der stark befahrenen Hauptstraße auf Güterzüge warten? Mit Triebwagen geht es eben nur zweimal am Tag - und gar nicht zur optimalen Zeit.

Der zweite Zug des Tages von Doboj nach Tuzla beschleunigt aus dem Hp Lukavac.

Über die Hauptstraße, auf der extrem dichter Verkehr war, ging es nun dem Zug ein gutes Stück voraus. Zum Glück fanden wir die richtige Abzweigung nach Kakmuž, wo wir Pu 6606 einfach am Hp mit Fahrgastwechsel und Basilika im Hintergrund nahmen.

Zwischenhalt im Haltepunkt Kakmuž.

Die von heute Morgen bekannte Strecke ging es zurück zur Hauptstraße. Erst in Klokotnica mussten wir wieder überlegen, welche der Seitenstraßen nach links diejenige nach Suvo Polje sein mag. Hinweisschilder sind leider Mangelware, das kann man in Bosnien nicht anders sagen. Hinterm Ortsausgang wurden wir fündig. Eine üble Asphaltpiste ging in einer Kastenträgerbrücke mit lose wirkenden Holzbohlen über den Fluss und dann auf den Bahnhof zu. Dessen Osteinfahrt gefiel uns ja schon wieder. Die Strecke kam aus einem Tunnel und das Esig war nicht mehr in Betrieb. Statt dessen stand dort der Weichenwärter und gab Zeichen. Beim Aussteigen traf uns fast der Schlag. Heute Abend war genau die gleiche heftigste Schwüle über das Land gekommen wie gestern Abend. Das Shirt klebte sofort am Körper.

Einfahrt in den Bahnhof Suvo Polje. Am nicht funktionierenden Esig steht der Weichenwärter, der dem Zug mit der Flagge freie Einfahrt signalisiert hatte.

Die andere Bahnhofsausfahrt wäre auch nett gewesen, aber man kann ja nicht alles haben. Der ganze Bahnhof war total zerstört, an den Häusern waren zahlreiche Kriegsspuren zu erkennen. Auch in Doboj gab es viele Häuser mit Einschusslöchern. Über eine Nebenstraße gelangten wir dorthin zurück, wo wir auf der Bahnhofsrückseite rauskamen. Da die Sonne noch immer deutlich im Schmodder präsent war, parkten wir den Wagen dort, drangen aus dem klimatisierten Auto in die Wand aus Luftfeuchtigkeit und Hitze ein und schauten mal von der Bahnhofsbrücke, was denn so anlag im Bahnhof. Die abgestellten 212 012 und 019 waren im Bw-Bereich jedenfalls ein Bild wert. Eine 441 in frischer Lackierung rangierte ein wenig herum. Außerdem standen Menschen auf den Bahnsteigen. Ob der Ungar noch nicht durch war?

Blick ins Bw Doboj.

Ich schaute mal in die Bahnhofshalle, einen ganz netten Neubau. Zwei Schalterbeamtinnen langweilten sich hinter ihren Scheiben. Auf dem Bahnsteig 1 saßen wohl an die 10 Blauhemden rum und unterhielten sich. Der Aushangfahrplan war nur kyrillisch. Das finde ich schon krass, denn in Doboj schien sich das Kyrillisch nur auf offizielle Institutionen zu beschränken. Aufschriften von Läden oder auch im Hotel waren durchgehend "richtig" geschrieben.

Irgendwas tat sich plötzlich. Einfahrt nach Gleis 2 war eingestellt. Es war der Pu 6405 aus Banja Luka, der mit "nur" +77 ankam. Die Reisenden hielten bei der Einfahrt gespannt Ausschau nach einem etwaigen Anschluss nach Sarajevo mit dem Ungarn-Zug. Doch nichts stand da. Sie konnten allerdings unbesorgt sein: Der Ungar hatte, wie wir später im Internet bei den Kroaten sahen, bei der Übergabe an die ŽRS schon +117 gehabt und wurde dicke erreicht. Die Ursache für die tägliche hohe Verspätung dieses Zuges muss allerdings bei der MAV liegen, denn die Kroaten übernahmen den Zug schon mit +107. Nachtrag: Ursache waren starke Unwetterschäden in Ungarn.

Der Nachmittagsbummel von Banja Luka erreicht Doboj mit 77 Minuten Verspätung.

Die Ausfahrt des Banja Luka Zuges mit zwei Loks und einem DR-Wagen als Pu 6406 und "nur noch" 15 Min Verspätung sowie die Ausfahrt des VT nach Petrovo Novo als Pu 6609 gaben wir uns noch, dann war Hotel angesagt.

Damit die Wendeverspätung aufgeholt werden kann, wird es zurück nach Banja Luka mal andersrum probiert: Zwei arbeitende Loks und nur ein Wagen!

Auf der Fahrt dorthin hielt uns erstmals die Polizei an zur allgemeinen Kontrolle. Wir hatten schon viele solcher Kontrollen beobachtet, aber nun waren wir halt dran. War aber problemlos. Problematischer war, dass nach einer Dusche im Hotel das Restaurant voll war, aber nach einer Viertelstunde sollten wir wiederkommen und dann war auch Platz. Ich nahm Risotto mit Tintenfisch und Oliven und dazu einen großen Salat. War lecker...

Freitag, 11.06.2010: Doboj - Sisak

Nach leckeren Ham and Eggs und Zusammenpacken standen wir um 7.20 an der Rezeption, um zu bezahlen. Um 7.40 standen wir auch noch da. Leider hatte das Kartenlesegerät keine Verbindung bekommen. Zum Glück war beim Supermarkt auf dem Nachbargrundstück ein Geldautomat, dem Oli die nötigen 600 KM entlocken konnte. Gestern an der Tanke nebenan hatten wir auch schon Verbindungsprobleme. Das käme öfter vor, meinte die Rezeptionistin, die übrigens diesmal fließend deutsch sprach. Der Zug, dem wir in Richtung Banj Luka vorausfahren wollten, war nun schon abgefahren.

Wir holten ihn allerdings schon ziemlich früh wieder ein, obwohl wieder ganz schön viele Langsamfahrer unterwegs waren. Da wir eh westwärts mussten, wollten wir dem Verlauf der Bahn mal ab dort weiter folgen, wo die Straßen enden und die Schotterpisten anfangen. Oli hatte sich gestern Abend noch bei Google Maps auf dem Luftbild so ungefähr angeschaut, wo es weitergehen könnte. So fanden wir auch den Weg zum einsam im Waldtal gelegenen Weiler Prisoje mit seinem dreigleisigen Ausweichbahnhof. Zwei Fotomöglichkeiten für Ostfahrer um diese Zeit fielen uns schon mal auf. Pu 6402 ging hier leider nur ungünstig und seitlich.

Einfahrt des Westfahrers in den Bahnhof Prisoje. Eigentlich hätte hier mit dem Gegenzug gekreuzt werden müssen.

Laut unserem Plan hätten die Züge hier kreuzen müssen. Dass sie es nicht taten, konnten wir uns nach den Erfahrungen der letzten Tage ja schon denken. Wir setzten uns mit zwei Colas aus dem Dorfladen einfach mal auf den Sockel eines Fahrleitungsmastes und warteten in der jetzt schon schwülen Hitze. Die Frau aus dem Dorfladen hat übrigens eine Schwester in Pforzheim. Sie meinte Deutschland sei super, hier nicht so. Zu viel Wasser (es muss wohl letzte Woche hier arg geregnet haben). Kein Verkehrslärm weit und breit, nebenan spielten die Kinder der Grundschule mit ihrem Lehrer Fußball. Ansonsten nur Insektenflug und Hühnerkrähen. So ein Dorf ohne Straßenanschluss hat schon was.

Ich fragte mal Cheffe nach Güterzügen. Er schüttelte bedauernd den Kopf und sagte was von "Radovi", also Bauarbeiten. Alles klar, das erklärt einiges. Endlich machte sich auf dem Bahnsteig Leben bemerkbar, Cheffe trat mit roter Kappe aus dem Haus und der Zug kam um die Ecke. Angesichts der speziellen Zugzusammenstellung schnallten wir nun auch, dass dieselbe Garnitur, die eben noch als Pu 6402 westwärts gefahren war, nun als Pu 6403 wieder zurückkam.

Der Bahnhof von Prisoje. Der kleine Weiler ist nur über schlechte Schotterpisten und die Bahn an den Rest der Welt angeschlossen.

Die Piste weiter in das Tal hinein war nicht gerade eine Schnellfahrstraße. Zwar war der Schotterweg durchwegs befahrbar, aber viele Schlaglöcher mussten umrundet werden. Immer auf der Suche nach Fotomöglichkeiten ging es langsam westwärts. Einmal war eine Bahnunterführung mit Pfütze etwas kritisch, wir kamen aber durch. Wir malten uns aus, dass wir gern die Kartenmacher von freytag&berndt hier mit ihren eigenen Karten in der Wildnis aussetzen würden. Die würden elendig umkommen...

Erst bei Vijačani war die Straße wieder asphaltiert. Erstmal blieben wir allerdings noch auf der Bahn-Südseite und folgten dort einer Schotterpiste weiter. Das brachte aber nicht ganz so viel. Lediglich die Kurve zwischen östlichem Vorsignal und Esig von Ukrina kam von dem Weg aus ganz gut. Wir drehten um und fuhren nun die Asphaltstraße nach Ukrina rein. Der Bahnhof gefiel uns; er hatte sogar je Seite zwei Form-Ausfahrsignale.

Wir fuhren auch noch ein Stück über Ukrina hinaus südwärts. Soweit die Straße parallel ging, konnte man paar offene Stellen finden. Dann drehte die Bahn aber von der Straße weg in Richtung Scheiteltunnel. Auf einem Aushang in Ukrina sahen wir den Hinweis auf eine Streckensperrung westlich von hier zwischen 6 und 14 Uhr. Als wir gerade mit den Bahnern sprachen und ich mir auch die Güterzug-Zeiten vom Bildfahrplan notieren durfte, kam ein Bauzug rein. Vorm und beim Umsetzen konnte ich schnell noch Fotos machen. Der Lokführer machte extra langsam, nachdem er vom Cheffe auf uns Fotografen hingewiesen worden war.

Ein Arbeitszug ist in Ukrina angekommen.

Es war drückend heiß geworden. Wir setzten uns nun erstmal in ein Cafe gegenüber vom Bahnhof und tranken einen Espresso bzw Cappuccino. Eigenartigerweise zog durch den Garten ein ständiger Luftzug, was das ganze sehr angenehm machte. Danach ging es auf der Straße in Richtung Banja Luka weiter. Die Straße führt zunächst über einen Berg, der von der Bahn großräumig und auch durch einen Tunnel umfahren wird. Als wir wieder an die Bahn kamen, schauten wir mal kurz einen Parallelweg hoch und blickten unversehens einer GM-Diesllok in die Augen. Sie stand dort mit einem Gleisumbauzug. Wir machten einfach mal vom Hang und auch vor der Lok auf dem Gleis stehend paar Aufnahmen. Die auf dem neuen Schotterbett verlegten Schienen machten übrigens einen ziemlich runtergefahrenen Eindruck. Ich hoffe, dass ich mich getäuscht habe...

Der Schwellenzug steht südlich von Jošavka.

Sehen diese Schienen neu aus? Ich würde sagen: Die sehen ziemlich übel aus.

Danach ging es weiter. Der unmittelbar folgende Bahnhof von Jošavka gefiel uns auch. Er hatte sogar Signalgruppen mit drei Form-Ausfahrsignalen je Richtung. Es ging weiter. Bald war der Dunstkreis von Banja Luka, der Hauptstadt der Republika Srpska, erreicht. Hier gibt es sogar eine Universität. Wir fuhren durch die Stadt zum Bahnhof. Die Bahnhofshalle erinnerte ein wenig an Mostar. Eine gigantische 60er-Jahre-Halle, in der in vielen kleinen Pavillons sogar noch einzelne Läden untergebracht waren. Bei der sehr überschaubaren Anzahl an Zugfahrten war das schon beachtlich. Drei Schalter waren besetzt, absoluter Wahnsinn. Aber warum sollte die Fka-Tante auch Auskünfte geben und umgekehrt? Ich machte mal paar Fotos. Da die Abfahrt des B 397 Sarajevo - Ploće nicht mehr all zu fern war, saßen immerhin paar Leute in der Halle. In Banja Luka war die kyrillische Schrift im Stadtbild weitaus stärker verbreitet als in Doboj.

Die Bahnhofshalle von Banja Luka. Tägliche Abfahrten: 5x ostwärts (davon 1x weiter nach Ploće), 4x westwärts (davon 1x nach Zagreb).

Wir fuhren dem 397 nach Jošavka, dem Bahnhof mit den Formsignalen, voraus. Dort stellten wir uns hin und hofften, dass der B 397 zumindest bis hier mal pünktlich käme. Und wir konnten uns gar nicht mal beklagen. Mit nur rund 10 Minuten Verspätung hörten wir den Zug in der Ferne rauschen. Auf der Straße, die wir zwangsläufig im Vordergrund hatten, näherte sich ein Junge von hinten, doch hierzulande ist man noch aufmerksam. Wir mussten gar nichts sagen; er hielt von sich aus inne und lief uns nicht ins Bild. Der B 397 hatte die zwei Loks vor, die gestern der Spät-Bummel nach Banja Luka vorgehabt hatte - diesmal leider die dreckige Lok voraus.

Einfahrt des Zagreb - Ploće Schnellzuges in den Bahnhof Jošavka.

Tja, eigentlich hält der Schnellzug ja gar nicht in Jošavka. Aber wir hatten es schon kommen sehen: Die Bauarbeiter hatten die Strecke noch nicht geräumt. Und so kam der Kioskbesitzer vor dem kleinen Dorfbahnhof sicher zu den Einnahmen seines Lebens, denn die meisten Reisenden verließen den Zug und setzten sich irgendwo in den Schatten. Da Freitag war, saßen doch allerhand Leute, vor allem Jugendliche oder Studenten, im Zug.

Wir beschlossen, dem Zug ein Stück voraus zu fahren. Von der Hauptstraße ging unweit des Hp Mlinska Rijeka eine Nebenstraße ab, die der Strecke noch etwas weiter Richtung Scheiteltunnel folgte. Wo die Straße unter der Bahn durchführte, erkannten wir oben an einem Feld einen vermeindlichen Fotostandpunkt. Das Licht stand optimal und dort oben wuchsen zuckersüße Walderdbeeren. Nun konnte der Zug kommen. Aus dem nahegelegenen Haus, an dessen Grundstücksrand wir uns wohl bewegt hatten, kam ein Mann, schaute nur rüber, sagte aber nichts weiter. Wir warteten weiter.

Es ist schon kurios: Da weiß man zuverlässig, dass im nächsten Bahnhof der Schnellzug schon steht, den man fotografieren möchte. Aber nichts tut sich. Unser nächster Programmpunkt, der Pu um 15.20 ab Banja Luka westwärts, geriet schon in Gefahr. Wir opferten dessen Fahrt bis Omarska, wo er länger Aufenthalt hatte, und warteten weiter. Dann mussten wir uns schon Gedanken um den weiteren Lauf des Nahverkehrszuges machen. Wir besschlossen gerade, zum Auto zu gehen, als der B 397 endlich mit nunmehr 90 Minuten Verspätung vorüberschlich. Und wir waren endlich dem Geheimnis der Verspätungsproduktion auf die Schliche gekommen. In einem einsamen Waldtal werden die Verspätungen des Landes entschieden...

Das Licht war leider schon von der Front runter, als der Zug endlich mit 90 Min Verspätung an uns vorbei fuhr.

Nach einer Stunde Wartezeit in der sengenden Sonne tat die Klimaanlage des Autos doppelt so gut. Was hat man an solchen Tagen früher bloß ohne gemacht? Ok, man ist ins Schwimmbad gegangen und hat nicht wie blöde Züge gejagt... Das Autothermometer wies im Laufe der folgenden Fahrt durch Banja Luka nach Omarska Temperaturen von bis zu 36 Grad C aus. Dazu diese ätzende Schwüle. Wir hatten nur Durst. An Hunger war in keinster Weise zu denken. Aber der Himmel war wolkenlos. Was will man bei der Eisenbahnfotografie mehr? Da nimmt man doch das bischen Hitze mit links...

In Omarska gab es eine kleine Ernüchterung: Der Pu 6426, den Oli letztes Jahr noch mit drei DR-Wagen, darunter ein Packwagen, und angehängten Güterwagen fotografiert hatte, bestand nur aus einem einzigen Wagen. Nun ja, was solls. Nach paar Fotos wurden wir vom Šef angesprochen. Das war noch so ein Ehrwürdiger von der alten Schule. Er begrüßte uns per Handschlag und war sehr freundlich, aber wir hatten den Eindruck, dass er gern erst gefragt worden wäre, bevor wir fotografierten. Eigentlich soll hier der B 396 überholen, deshalb der lange Aufenthalt. Aber der B 396 war wohl noch weit weg - wie immer. Cheffe meinte, er habe eine Stunde plus.

Der Bummelzug nach Dobrlijn im Bf Omarska.

Nun gab es eine "kleine" Verfolgung des Ein-Wagen-Pu 6426. Sowas ist ja immer hilfreich, wenn man eh in die Richtung will. Es gab Fotos hinterm Hp Donje Lamovita, bei der Einfahrt in den Bf Kozarac, bei der Einfahrt in den Bf Brezičani mit Form-Ausfahrsignalen, hinterm Bf Blagaj mit Esig und bei der Einfahrt in den Bahnhof Novi Grad mit Moschee und Formsignal. Nun hatten wir aber auch genug von diesem Ein-Wagen-Zug.

Derselbe Bummelzug fährt nach Brezičani ein,...

..., verlässt den Bf Blagaj...

...und erreicht an der Moschee vorbei den Bahnhof Novi Grad.

Es bestand Anschluss an den Pu 8045 nach Bihać. Nicht nur für die Fahrgäste, sondern auch für uns. Die Zuggarnitur nach Bihać war prima: Eine ŽFBH-661 richtig rum und zwei von den lodderigen grünen Jugo-Wagen, diesmal aber auf unserer Seite sauber! Es gab Fotos am Ortsausgang von Novi Grad / Bosanski Novi, am Hp Rakani, zwischen Blatna und Bosanska Otoka an der "Sektorengrenze" mit Heufeimen im Vordergrund, in Bosanska Otoka im Bf und letztendlich nochmal in Bosanska Krupa, wo wir den Zug verließen. Denn eigentlich wollten wir ja in die andere Richtung.

Der ŽFBH-Zug nach Bihać am Stadtrand von Novi Grad...

... und im Hp Rakani, der praktisch nur aus einem BÜ mit Namensschild besteht.

Im Bf Bosanska Krupa gab es noch lustiges zu fotografieren: Eine riesige Kindergruppe wartete auf den Zug. Ein unglaubliches Bild, wo sonst die Züge hier doch eher Geisterzügen ähneln. Die Strecke ist übrigens bis Blatna elektrisch befahrbar. Die zwei Zwischenzüge, die die ŽRS in ihrem Sektor bis Blatna fährt, werden mit 441 und DR-Wagen gefahren. Blata selbst ist ein Kaff von paar Häusern - aber so an der Grenze zwischen Republika Srpska und Föderation Bosnien und Herzegowina kann auch ein Kaff zum Endbahnhof von Zügen werden. Absolut hirnkrank! Hinter Blatna hängen nur noch Fragmente der Oberleitung.

Wir mussten zweimal hinsehen: Eine ganze Kindergruppe wartete in Bosanska Krupa auf den Abendzug nach Bihać. Das EG ist nicht etwa der Neubau, sondern die Wellblechbude davor.

Vorbei am ehemaligen EG des Bahnhofs beschleunigt der Bummelzug nach Bihać.

Aber das Una-Tal gefiel mal wieder. Wir sind an vielen Restaurants vorbeigekommen, die als Pfahlbauten in den Fluss hinein gebaut worden waren. Oh Mann, was hätten wir dort schön Essen gehen können. Aber da wussten wir ja noch nicht, dass das mit dem Abendessen ein Desaster werden würde. Morgen war die Abreise geplant, und deshalb wollten wir heute schon wenigstens in die Nähe einer kroatischen Autobahn gelangen. Oli kannte in Sisak ein Hotel, und Sisak lag ja auf dem Wege. Über Novi Grad ging es nordwärts. Dabei kamen wir am einsam am Rande eines kleinen Dorfes gelegenen Bahnhof Dobrljin vorbei. Auch hier enden Züge, denn die Bahn wechselt danach die Flussseite. Und drüben ist Kroatien. Über den Fluss konnten wir bald einen weiteren einsam gelegenen Bahnhof ausmachen. Das ist der wichtige Lokwechselbahnhof Volinja der Kroatischen Staatsbahn... Und wer fuhr gerade aus Volinja nordwärts aus? Ein alter Bekannter: B 396 aus Ploće mit etwa 80 Minuten Verspätung. Ob die Nachtzug-Anschlüsse in Zagreb wohl noch erreicht werden?

Wir wechselten mitten in der Stadt Kostajnica die Grenze. Direkt ins Herz der Stadt war vor der Flussbrücke eine winzig enge Grenzstation eingepflanzt worden, die wir ohne große Probleme passierten. Die Stadt ist jetzt natürlich zwei Städte und heißt vollständig Bosanska bzw Hrvatska Kostajnica. Die nun folgende restliche Fahrt nach Sisak war sehr eindrucksvoll. Die Straßen führten oftmals auf hohen Hügelrücken entlang. Zu beiden Seiten hatte man weite Ausblicke in die Ebene. Die Sonne stand im westlichen Dunst sehr lange als rote Scheibe am Himmel. Und wir fuhren durch einen der übelst zerstörten Teile Kroatiens. Links und rechts der Straße waren weite Teile der Häuser noch immer nicht wieder bewohnt. Eine kilometerlange Ruinenstadt. Um die Häuser herum verwilderte Gärten. Wer weiß, wieviele Minen dort noch liegen? Dazu die eigentümliche Lichtsituation und passende stimmungsvolle Rockmusik aus dem Radio von HR1 - ein Eindruck, der sich eingeprägt hat.

In Sisak fanden wir das Hotel Panonija auf Anhieb. Zimmer waren frei und erwartungsvoll machten wir uns auf den Weg an den Fluss, wo paar Kneipen waren. Schön war's dort tatsächlich! Aber auch voll! Keine Chance, einen Platz zu bekommen. Zu essen gab es leider auch nur bei einem der Etablissements. So zogen wir also durch die Stadt, fragten mal einen Passanten (der konnte zufällig deutsch), fanden aber trotzdem nichts rechtes. Im Hotel hatte eine Hochzeitsgesellschaft das ganze Restaurant in Beschlag genommen. Die Rezeptionistin empfahl zwei Restaurants einen Block weiter. Aber in dem einen war auch geschlossene Gesellschaft, im anderen war man schon am Boden wischen. Liebe kroatische Gastronomen! Ich schätze Eure Restaurants in Deutschland ja wirklich sehr, aber vielleicht solltet Ihr erstmal in der Heimat Restaurants aufmachen. Der Bedarf ist dort definitiv größer! Unser Abend endete mit einem Eis und paar kühlen Getränken fürs Zimmer. Ein wahrhaft unwürdiger Abschluss eines tollen Tourtages und einer sehr erfolgreichen Tour. Und im Unatal hätte man so schön... lassen wir das.

Samstag, 12.06.2010: Sisak - Hamburg

Der angenehme Nebeneffekt einer Klimaanlage ist ja, dass sie mit gleichmäßigem Summen Geräusche von Hochzeitsfeiern unten im Haus dämpfen kann. Dieser Umstand gepaart mit meiner Müdigkeit sorgte dafür, dass ich prima geschlafen habe. Der Tag begann diesmal außerordentlich spät. Wir hatten uns erst für 7 Uhr zum Frühstück verabredet. Das Buffet war nicht übermäßig groß, aber soweit ok. Mit im Frühstücksraum war eine größere Gruppe Österreicher. All zu lange haben wir uns beim Frühstück nicht aufgehalten, denn man konnte sich um 7.48 im Bahnhof Sisak ja mal den Nahverkehr nach Sunja anschauen. Der Pu 5201 bestand zum Glück aus einer lokbespannten Garnitur. Neben uns stand ein Opa mit seinem Enkel zum Züge schauen.

Ein Nahverkehrszug hat kurzen Aufenthalt im Bahnhof Sisak.

Dann ging es rüber auf die parallele Hauptstrecke Zagreb - Vinkovci. Die Fahrt führte durch die wilde Save-Niederung mit ihren weiten Auewäldern. Wir kamen in Popovača raus. Der dortige BÜ sah zum fotografieren schon mal gar nicht so schlecht aus. Man könnte den Ausblick als "motivlos" bezeichnen, man könnte ihn aber auch als "typisch" bezeichnen, denn diese Strecke führt stundenlang durch die endlose platte Saveebene. Wir schauten aber trotzdem noch etwas weiter entlang der Strecke Richtung Zagreb und fuhren die BÜs an. An einem BÜ vorm Bf Ludina wollten wir wegen noch größerer Motivlosigkeit gerade umdrehen, da bemerkten wir einen sich nähernden Schnellzug aus Vukovar mit 1142 (die habe ich erst einmal!) und einen auf Kreuzung wartenden Güterzug im Bahnhof. Dieser hatte eine neulackierte 1141 vor. Da ich diese Farbgebung noch nicht hatte, habe ich mal abgedrückt.

Eine 1141 in der neuen Farbgebung mit den kroatischen Nationalfarben.

Anschließend fuhren wir weiter zum bereits in der Ferne erspähten Bahnhof Ludina. Für den Pu 2011 aus Zagreb fanden wir in der Einfahrt ein ganz hübsches Ensemble mit einem Bahnwärterhaus und Topfpalmen und Blumen davor. Dumm nur, dass im allerletzten Moment bei Zugseinfahrt ein Auto die kleinen Palmen zufuhr.

Ein Nahverkehrszug fährt in den Bahnhof Ludina ein.

In Novoselec steuerten wir erst den Dorfladen an, wo man uns sehr freundlich bediente und sich sichtlich dafür interessierte, woher wir nicht kroatisch sprechenden Kunden wohl kämen. Die Kassiererin trat nämlich nach uns extra zur Tür raus und hat sich das Kennzeichen angeschaut. Dann fuhren wir einen Stichweg an die Bahn ran. Hier gab es in der weiten Ebene tatsächlich einen Blickfang: Eine blaue Fabrikhalle ragte Stück weiter aus dem Gras hervor. Das war nicht das, was wir uns vorgestellt hatten. Also auf zum Bahnhof. Dort konnte man auch tatsächlich etwas machen. Vor dem Bahnhof fanden wir den Gleisrest einer ca 600mm-Bahn im Asphalt. Vielleicht der Anschluss eines nahen Sägewerks?

Ein kleiner Junge überquerte die Gleise und hatte eine Deutschlandflagge in der Hand. Wir haben ihn aber nicht darauf angesprochen, was es damit auf sich hat. Als sich der erwartete B 741 langsam nähern musste, bekam erstmal ein Nordwestfahrer grün. Mit ca 40 km/h schlich ein langer Güterzug durch den Bahnhof. Wir dachten erst, der wäre so langsam, weil der Fdl ihm doch die Ausfahrt zurücknehmen wolle (was für uns schlecht gewesen wäre). Aber er fuhr durch und der B 741 kam mit ca 10 Min Verspätung ebenfalls in diesem Schleichtempo durch. Zuglok war eine frisch lackierte 1142. Schön, dass man von dieser Baureihe nun auch mal was hat. Der Schnellzug war übrigens gut besetzt.

Erst kam ein Güterzug westwärts durch den Bf Novoselec gebummelt.

Dann gab es den Schnellzug ostwärts.

Das war das finale Bild der Tour. Jetzt stand "nur noch" die Rückfahrt an. Um 10 Uhr ging es in Novoselec los, um 12 Uhr passierten wir die slowenisch-österreichische Grenze. Im Stadttunnel von Graz stand plötzlich vor uns ein Auto mit Warnblinker. Zwei Minuten später hieß es im Radio, dass wegen dem Auto der Tunnel erstmal gesperrt worden sei. Die Fahrt war ansonsten sehr angenehm. Der Samstagsverkehr hielt sich stark in Grenzen, die Autobahnen waren leer. So konnte Oli mich gegen 17 Uhr am Nürnberger Hbf absetzen. Wir sagten "Tschö" mit "Ööööööööööööööööh", ich besorgte mir ein Leberkäs-Baguette und setzte mich auf den Bahnsteig. Der ICE war in geänderter Wagenreihung angekündigt, letztenendes war es schlichtweg eine umgekehrte Wagenreihung (hatte schon einen Ersatzzug o.ä. befürchtet).

ICE 784 Nürnberg Hbf 17.33+5 > Hamburg-Harburg 21.42

Den vordersten Wagen teilte ich mir mit genau einer anderen Person. Somit war es schön ruhig, ich konnte den Bericht zuende schreiben und eine Runde Augenpflege betreiben.

Epilog

In den zurückliegenden zwei Wochen hatte ich zwei sehr interessante für mich (abgesehen von Kurzbesuchen) neue Länder kennengelernt.

Für Bosnien kann ich sagen, dass dies gewiss nicht mein letzter Besuch dort gewesen ist. Gerade im Gebirgsbereich sind motivlich doch noch einige grandiose Dinge offengeblieben. Und was das "dort sein" angeht, so muss ich sagen, dass Bosnien rein äußerlich kaum "unaufgeräumter" als Kroatien auf mich gewirkt hat. Der Krieg ist noch längst nicht so lange her wie in Kroatien, aber das Leben dort wirkt schon vollkommen normal. Höchstens auf dem Lande fällt die größere Armut ins Auge, wenn dort der Heuwagen eben doch mal von einem Zweigespänner gezogen wird und nicht vom Trecker. Was uns aber allenorten und ohne Ausnahme begegnet ist, das ist die Offenheit und Freundlichkeit der Menschen. Ob Passanten, Anwohner oder Bahnpersonal - wir stießen auch bei fehlenden gegenseitigen Sprachmöglichkeiten immer auf ungeheure Freundlichkeit. Das finde ich in diesem Ausmaß schon wirklich senstionell.

Schade finde ich nur den Verfall des Bahnsystems in Bosnien. Wir hatten das ernsthafte Gefühl, dass es die Bahn nur noch gibt, weil eine Einstellung des gesamten Bahnbetriebes die Arbeitslosigkeit im Lande vermutlich um zweistellige Prozentpunkte nach oben treiben würde. Wir sahen unzählige Eisenbahner, aber produziert wird fast nichts. Warum fährt man nicht durch Straffung der Umläufe einfach einen Zweistundentakt im Nahverkehr? Geben das Fahrzeuge und Infrastruktur nicht her? Letzteres kann es nicht sein. Wenn alle paar Kilometer ein kleiner Ausweichbahnhof kommt, in dem sich mindestens ein Fdl und zwei Weichenwärter, oft auch noch Schalterpersonal, Wagenmeister und Schrankenposten den ganzen Tag über nur langweilen, kann mir niemand sagen, dass man nicht mehr Züge durchbekommen kann. Und weshalb eine Ellok mit ein/zwei Wagen nicht mal häufiger pendeln kann, weiß ich auch nicht. Die Nahverkehrszüge waren gut besetzt; es erstaunte uns, wo die ganzen Leute an einsamsten Stationen immer her kamen.

Statt dessen schafft man in Bosnien (bei der ŽFBH) jetzt diese Talgozüge an. Im Klartext: Das Land hat genau vier internationale Fernzugpaare (mit Sarajevo - Ploće meinetwegen fünf). Davon werden vier mit drei Wagen und eines mit nur zwei Wagen gefahren. Die Fernzüge waren zudem bestenfalls am Wochenende mal etwas besser besetzt. Wo soll also um Himmels Willen das Potential für diese langen Talgozüge herkommen? Anstelle den Schwachsinn mit den unterschiedlichen Bahngesellschaften zu beenden, notwendige Infrastrukturmaßnahmen zu betreiben und das Thema Pünktlichkeit ernster zu nehmen, wird hier auf Prestigeobjekte gesetzt. Es sollte mich freuen, wenn die Talgos erfolgreich werden. Vorstellen kann ich es mir so jedenfalls nicht. Erfreulicher ist hingegen die Beschaffung neuer Regiotriebwagen zumindest bei der ŽFBH, denn die dort eingesetzten Wagenzüge sind ja sowas von hinüber. Es wird spannend sein, die Entwicklung weiter zu beobachten.

Nun zum Kosovo. Auch hier empfand ich die Woche als sehr eindrucksvoll. Innerhalb dieser Woche konnte man sich durchaus an das Leben dort ein wenig gewöhnen. Und wie für Bosnien gilt auch hier, dass wir überall nur auf freundliche, offene und hilfsbereite Menschen getroffen sind - gerade bei der Bahn. Allerdings muss ich sagen, dass ich als unterkühlter Norddeutscher dann doch etwas Schwierigkeiten damit hatte, dass man im Kosovo von den Menschen nicht nur Offenheit erfährt, sondern oftmals geradezu umringt ist von neugierigen Kindern (und davon gibt es im Kosovo Massen!). Einfach im Sichtbereich eines Ortes in Ruhe auf einen Zug warten, ist fast unmöglich. Das kann im Urlaub ganz schön anstrengend werden. Allerdings möchte ich nochmal darauf hinweisen: Das liegt an mir und ist meine persönliche Empfindung, für die ich fast ein schlechtes Gewissen haben muss angesichts der Freundlichkeit, die uns überall begegnet ist.

Was die Bahn angeht, so scheint man dort etwas wirtschaftlicher zu denken als in Bosnien. Diese Massen von untätigen Bahnern haben wir im Kosovo nicht gesehen. Und die Züge machten durchwegs einen sehr gepflegten Eindruck. Was hier mit bescheidensten Mitteln schon alles wieder erreicht worden ist, kann sich sehen lassen und es bleibt die Hoffnung, dass dieser ganz langsame Fortschritt kontinuierlich fortgesetzt wird. Insbesondere hoffe ich, dass der Lokengpass baldigst behoben wird, denn den wichtigsten Güterkunden, die Nickelhütte in Drenas, sollte man eher nicht verprellen.

Soweit meine ganz persönlichen Eindrücke - wohl wissend, dass diese nach jeweils einer Woche mehr als oberflächig sind. Eines habe ich aber absolut nicht verstanden: So viel Freundlichkeit, Offenheit und Entgegenkommen - und doch hat man sich vor 15 Jahren noch gegenseitig die Köppe eingeschlagen. Diese Frage kann hier nicht beantwortet werden, aber es bleibt zu hoffen, dass auch der schon seit jeher als Pulverfass bekannte Balkan mal zur Ruhe kommt.

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