Zwischen Amselfeld, Adria und Bosnatal
Balkan Juni 2010 - Teil 3

Autor: Jan-Geert Lukner. Alle Rechte am Text und an den Bildern liegen beim Autor.

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Warnung: In ganz Bosnien-Herzegowina besteht akute Gefahr durch Landminen! Nur dort gehen, wo sichtlich schon mal jemand vor einem gegangen ist! Minenfelder sind in Bosnien-Herzegowina nicht gekennzeichnet!

Samstag, 05.06.2010: Fushë Kosovë - Ploće

Es klappte alles bestens: Ich habe um 4 Uhr den Wecker gehört, stand um 4.29 vor der Hoteltür, wo ich per Handschlag von einem der beiden Hotelier-Brüder verabschiedet wurde, das Taxi kam exakt um 4.30 und brachte mich zu einem vorher erfragten Preis von 20 Euro zum Flughafen. Das war natürlich viel zu viel, aber nachts um 4.30 habe ich keinen Bock zum feilschen. Ruck zuck war ich da, und als ich kapiert hatte, dass die Menschenmenge vorm Check-in-Schalter nach Düsseldorf wollte und die Dame von Croatian dahinter untätig rumsaß, klappte das Einchecken auch sehr schnell. Beim Sicherheitscheck interessierte man sich nur für meinen Haustürschlüssel und die einzige Sorge des Passkontrolleurs war, dass ich doch bitte deutsch und nicht englisch mit ihm sprechen solle. So macht Reisen Spaß (auch morgens um halb 6 im Kosovo).

Croatian Airlines Pristinë 5.55 > Zagreb 7.30-10

Mein erster Flug in einer Propellermaschine! Die "Dalmacija" war allerdings größer als manch ein Düsenflugzeug von Lufthansa Regional. Über dem Bergland ging es über Wolken, doch vereinzelt ließen Risse in der Wolkendecke den Blick frei auf die tiefen Schluchten der Schwarzen Berge. Unser tiefer Flug ging gar nicht so weit von einigen Bergspitzen vorbei. Genau mit der bosnisch-kroatischen Grenze fand die Wolkendecke ein jähes Ende. In Zagreb stand ich um 7.28 schon auf der sonnendurchfluteten Straße und sofort hielt neben mir ein blauer Golf mit Kulmbacher Kennzeichen. Oli! Perfekt! Der zweite Teil der Reise konnte beginnen. Bei einem Kaffee in der Innenstadt von Velika Gorica fanden wir heraus, dass wir beide angesichts der Wetterlage (es sollte übers Wochenende von der Küste aus besser werden) und der sich in Bosnien haltenden Wolken einen Gedanken hatten: Wir rollen die Tour von hinten auf und fangen an der Küste an. Ab auf die Autobahn nach Split! Vorher gab es allerdings noch in Zagreb Aufgaben zu erledigen.

Erstmal suchten wir uns für den B 397 nach Ploće eine Fotostelle. Wir fanden eine am Abzweig Zagreb Klara, wo die Strecken nach Bosnien und in den Gbf von Zagreb sich teilen. Zuvor kam noch ein Güterzug mit 2062 durch - falschrum natürlich... (Ich sag da nichts mehr zu...). Dann ging der B 397 wunderbar mit Rotkäppi. Damals wussten wir noch nicht, wieviele Stunden wir in der folgenden Woche mit Warten auf dieses Zugpaar verbringen würden...

Zagreb-Klara und der B 397 nach Ploće. Dieser Zug sollte uns in der folgenden Woche noch ganz schön beschäftigen...

Der Schnellzug Rijeka - Osijek war auch schon mal länger...

Dann fanden wir am Hp Remetinec eine Fotomöglichkeit für den B 703 aus Rijeka. Motiv war der Blick in eine lange Gerade. Danach ging es zügig über die Autobahn nach Süden. Spätestens hinterm Velebit wurde es brütend heiß. Zu unserer positiven Überraschung ging die Autobahn nun schon bis eine Auffahrt vor Ploće! Unglaublich. Zum Schluss hatten wir die Autobahn fast für uns allein.

Zum Schluss hatten wir die Autobahn ganz für uns allein!

Das letzte Stück Landstraße führte über eindrucksvolle Höhenstraßen. Leider mussten wir uns mehr auf die Autos vor uns konzentrieren, weil eine Regensburger VW-Bus-Fahrerin mit Hut die Straße mit einem Parkplatz verwechselte und es auch angesichts der Autoschlange hinter ihr nicht für nötig hielt, die Aussicht mal vom Straßenrand aus zu beobachten. Aber wir trafen trotzdem noch um kurz nach 14 Uhr in Ploće ein. Das ist sagenhafte 8 (in Worten: acht!) Stunden vor dem Schnellzug durch Bosnien, dessen Abfahrt wir in Zagreb-Klara fotografiert hatten. Soviel zur Zukunft des Bahnverkehrs auf dem Balkan!

Uns gelang immerhin noch ein Bild vom Pu 5906 in der Einfahrt in den Bahnhof Rogotin mit Brücke über einen Fluss und kleinen Böötchen. Diese Gegend hier bei Ploće war wunderschön! Endlich mal wieder Meer und wunderschöne Orte. Warum sieht man so wenig Bilder von dieser Strecke? Wir fuhren mal die Bahn parallele Straße bis Metković und machten auch noch paar Abstecher in Seitenstraßen. Da gab es noch mehr von diesen Bilderbuchorten. Zum Teil führte das Bahngleis mitten hindurch, was fotografisch natürlich nicht ganz so gut umsetzbar war. Aber wir entdeckten so manche Stelle.

Einfahrt in den Bahnhof Rogotin.

Dann ging es erstmal zurück zum Gbf Ploće, wo wir entdeckten, dass ein Güterzug bespannt war. Wir natürlich gleich wieder raus auf Strecke, wobei es mit Ostfahrern so gewisse Probleme bei der Motivwahl hinsichtlich vernünftiger Ausleuchtung gab. Wir wurden des Problems aber gänzlich enthoben, denn nachdem wir westlich Opuzen einen brauchbaren Flussblick gefunden hatten, trübte eine Wolke das Motiv. Überhaupt hatten wir uns hier unten schon wieder ganz schön weit in die Wolken hinein gewagt. Kurz den stehenden Pu 5907 in Metković besucht, doch Licht war Spitz und Bügel nicht am Draht. Nun stand der Schnellzug 390 nach Sarajevo mit den Schwedenwagen an. Auch für diesen gab es keine Stelle mit Frontausleuchtung mehr, aber uns gelang westlich Opuzen eine ganz brauchbare Seitenlicht-Aufnahme.

Der Personenzug hat Pause in Metković.

Der "Brzi" von Ploće nach Sarajevo. Dieser "Schnellzug" hält allerdings in Bosnien an jeder Station! Die Schwedenwagen haben interessanterweise Drehfalttüren gespendet bekommen. Mit denen kann man schon eher mal bei offenen Türen durch die Gegend fahren als mit den ursprünglichen Knalltüren.

Drei Loks waren nun oben und wir konnten uns endlich mal auf die wesentlich günstigeren Westfahrer konzentrieren. Ein Hauptmotiv hatten wir am Ortsrand von Ploće gefunden, wo man einen klasse Ausblick auf einen Nebenarm der Neretva hatte. Das Licht war noch etwas spitz, aber es ging schon. Anschließend wechselten wir lediglich um eine Bergnase, um die Ausfahrt aus dem Gbf Ploće zu nehmen, da erkannten wir, wie knapp wir der Wolke entronnen waren. Der ganze Gbf war nämlich dunkel. Leider handelte es sich nicht um schnell ziehende Wolken, sondern um die langsam wabernde Sorte. So wurde es also nichts mit der Ausfahrt des Pu aus dem Gbf.

Zwischen Rogotin und Ploće geht es an einem Seitenarm des Neretva-Deltas entlang.

Wir wechselten nun zum Hp Banja, wo wunschgemäß erst der Güterzug und dann der Pu 5909 umzusetzen war. Zwischendurch gab es auch noch Bootsfahrer zu beobachten.

Auf der Neretva wird Sport gemacht.

Der Personenzug nähert sich dem Hp Banja. Im Hintergrund das wunderschöne Städtchen Komin.

Das Abendlicht war absolut klasse, und wir wollten den Pu nochmal bekommen. In der Fotokurve vor Ploće war aber leider nur ein kurzer Mastabstand beleuchtet, der Rest lag schon im Bergschatten. Obwohl durch Banja und Rogotin durchgefahren wurde und der Zug zu früh dran war, schafften wir den Zug dort ein zweites Mal. Danach schauten wir nochmal zum Gbf-Blick, wo ein Güterzug soeben frisch bespannt worden war. Leider fuhr der blöde Zug nicht ab, solange noch die Sonne schien.

Dieser Blick bestreitet nun ganz allein den Teil "Adria" im Namen dieses Berichtes. Zu sehen ist der Gbf von Ploće, dahinter der zur Adria gehörende Neretvanski Kanal und dahinter die Halbinsel Pelješac, die für ihren lecker Wein bis nach Deutschland hin bekannt ist.

Obwohl einem Stadtplan am Straßenrand zufolge in Ploće kein Hotel sein sollte, fanden wir zu guter Letzt doch noch das Hotel Bebić und fanden dort auch Aufnahme - allerdings mit dem Hinweis, dass eine Schulklasse im Hotel wäre und es bis Mitternacht vielleicht etwas lauter würde. Wir zogen erstmal über die Promenade, aßen lecker Fisch (der war nicht aus der Tiefkühltruhe!), tranken Bier und Wein und genossen diesen Urlaubstag am Meer. Einen Absacker gab es dann noch auf der Hotelveranda - natürlich auch mit Blick auf den Stadthafen. So wurde es dann allerdings wieder ganz schön spät. Die Kiddies im Hotel waren noch ne ganze Weile laut, aber ich habe nach dem Zubettgehen nicht mehr viel mitbekommen.

Sonntag, 06.06.2010: Ploće - Jablanica

Nach einem Blick aus dem Fenster stand fest: Der Frühzug nach Zagreb musste fotografiert werden! Wir verließen ohne Sachen zu packen um 6 das Hotel und bekamen sogar noch knapp den vorherfahrenden Pu 5900 mit, indem Oli das Auto einfach mit Warnblinker auf die Hauptstraßenbrücke über die Neretva stellte. Sonntagsmorgens ging das. Zum Schnellzug parkten wir aber noch um. Der Ausblick war nett; man hatte die Ortskulisse von Rogotin oder zwei markante Berge im Hintergrund. B 396 habe ich mit beiden Varianten umgesetzt.

Erst verlässt die fünfmal am Tag verkehrende "Neretva-S-Bahn" Rogotin talaufwärts.

Dann folgt der B 396 nach Zagreb, der hier bei der Einfahrt in das wunderschöne Örtchen Rogotin beobachtet wird. Der Zug hat Wagen von ŽRS, ŽFBH und HŽ.

Danach ging es zurück zum Hotel, wo wir in Ruhe auf der Veranda gefrühstückt, Sachen gepackt und ausgecheckt haben. Leider gab es als Kaffee furchtbar plörrigen Milchkaffee. Der half mir nicht wirklich bei der Umstellung auf den Wachsein-Modus. Während des Frühstücks läuteten die Kirchenglocken. Zwischen dem Geläut schallte auch heftiges Quietschen aus dem Glockenstuhl zu uns herüber... Nächste Zugbewegung war ein ziemlich sicherer Güterzug um 8 Uhr ab Ploće. Der Bummelzug kam mit vier Minuten Verfrühung von Metković zurück; wäre er pünktlich gewesen, hätten wir ihn sogar noch bei Rogotin machen können. Als wir an unserem Gbf-Ausgucksplatz ankamen, wurde gerade ein Zug bespannt. Lange tat sich nichts, aber als es los ging, fuhren wir voraus zur Neretva-Brücke, wo wir heute früh schon fotografiert hatten. Diesmal parkten wir nochmal in der "Warnblinker"-Variante, denn wir wollten dem Zug schnell hinterher. Das Hauptmotiv für diese Fuhre war nämlich der Blick über den Fluss in Metković.

Der Güterzug verlässt Rogotin.

Wir kamen dann auch gut durch, aber zu unserer Überraschung war der Zug sehr schnell. Selbst eine La-Stelle, wo gestern ein Zug mit ca 30 langgekrochen ist, nahm "unser" Zug mit mindestens 80. Das war gemein; wir hatten uns voll auf die La verlassen. Ab Ortseingang Metković hatten wir auch noch einen Bus und einen LKW vor uns - Thema war durch. Wir fuhren parallel zur Lok in das kleine hübsche Städtchen ein. Das war so nicht geplant gewesen... Wir bekamen den Zug nochmal unspektakulär nach Halt im Bahnhof an der Ausfahrt. An der Stelle floh eine fette Schlange vor uns ins Grasdickicht. Vorsicht scheint geboten zu sein.

Ein Güterzug musste nun bald runter kommen. Für den suchten wir uns eine Stelle am Neretva-Ufer, um über den Fluss rüber zu fotografieren. Die Stelle war bald gefunden. Dann tat sich lange nichts. Jogger und Schnellgeher kamen bei uns vorbei und drehten wieder Richtung Innenstadt um. Die Neretva lag schön glatt da, doch dann kam ein kleines Böötchen und die ganze Spiegelung war hin. Kaum zu glauben, wie lange das dauerte, bis der Fluss wieder vollkommen glatt dalag. Das war insofern kritisch, da der erwartete Güterzug nun gerade in den Bahnhof eingefahren war und nach Erledigung der Zoll-Formalitäten gleich weiter fahren würde. Doch er stand und stand, die Spiegelung wurde wieder besser und besser.

Nun rückte auch die Zeit des Schnellzuges ran, verstrich und nichts tat sich. Dann, etwa 20 Min nach der Planzeit tauchte die 1141 mit den Schwedenwagen als B 391 endlich auf. Die Spiegelung war gut, so gefiel das. Der Güterzug fuhr unmittelbar anschließend aus und hatte vorne sogar zwei Container.

Der "Schwedenzug" spiegelt sich in der Neretva in Metković.

Nach dem Güterzug-Foto fuhren wir erstmal wieder nach Ploće zurück. Die Bahnhofshalle von Ploće ist klasse. Sie ist groß und leer und hat eine Top-Akustik. Jedes gesprochene Wort wird zurück geechot. Wir probierten mal das Abspielen des Stückes "Tick und Tourette bei der Arbeit" von Mundstuhl, das Nico im Kosovo fürs Handy verbreitet hatte und das die Kommunikation untereinander (auch jetzt mit Oli) nicht ganz unmaßgeblich beeinflusst hat. Wauuuuuuuh!

Der Mittags-Personenzug war noch nicht bereitgestellt, so dass wir uns erstmal für einen Kaffee vor das Stationscafé; setzen konnten. Bei der Größe der Tassen sehnte ich mich allerdings nach meinem großen Kaffeebecher zuhause. Leitungswasser gab es auch nicht dazu, der Wasserhahn war angeblich kaputt. Konnte man glauben, denn das Geschirr stapelte sich tatsächlich schon am Spülbecken.

Nachdem Pu 5904 bereitgestellt worden war, machten wir paar Hochlicht-Dokuaufnahmen dieses grandiosen Bahnhofs. Der Wagen des Nahverkehrszuges war durchgetauscht worden - jetzt gab es einen in alter blauer Farbe. Für eine Streckenaufnahme suchten wir uns nun ein Motiv am Ortsrand von Komin mit Blick über den Fluss. Der Zug kam verspätet, der Lokführer glich das allerdings durch S-Bahn-Fahrweise wieder aus. Die Beschleunigung einer 1141 mit einem einzelnen Personenwagen kann sich schon sehen lassen. Wir schafften den Zug mal wieder nicht nochmal am Fluss in Metković. Nun ja, man gewöhnt sich dran, und das erste Motiv war jedenfalls schöner.

Die Neretva-S-Bahn in Ploće...

...und in Komin.

Die sofortige Rückfahrt als Pu 5905 nahmen wir in Metković unmittelbar am Fluss auf. Unser Fotostandpunkt lag genau in der Beschleunigungsphase. Wirklich eindrucksvoll! Diese Züge waren mal in der kroatischen Presse als die unwirtschaftlichsten des Landes kritisiert worden. Das konnten wir nachvollziehen, denn mehr als eine Handvoll Fahrgäste war nie drin. Der Bahnhof des größten Unterwegsortes Opuzen liegt einsam für sich auf der anderen Seite des Flusses, und es führt keine Brücke oder Fähre rüber. Den Pu 5905 erwischten wir sogar nochmal am Hp Banja. Außerdem folgte noch ein Güterzug, den wir ebenfalls hier nahmen. Was für ein Unterschied: Gestern gab es hier das feinste Abendlicht, jetzt herrschte Hochlicht.

Mit Höllenbeschleunigung zieht der bestmotorisierteste Bummelzug Kroatiens (der schon heftig in den kroatischen Medien als unwirtschaftlich kritisiert wurde) in der Ausfahrt Metković an uns vorüber.

*Ding* Nächster Halt Banja. - Ploće zurückbleiben bitte!

Für die dritte Mittagsfuhre Pu 5906 wählten wir fast dieselbe Stelle wie gestern, aber von weiter oben nahe der Kirche.

Rogotin bot immer wieder neue Perspektiven.

Dann ein Einkauf in Sachen Cremeschnittchen und kaltem Kaffee aus der Dose, gefolgt von einem Blick in den Gbf, in dem leider nichts bespannt war, dann verabschiedeten wir uns von Kroatien und reisten nach Bosnien-Herzegowina ein, und zwar in den Teil der Föderation Bosnien und Herzegowina. Ein optischer Unterschied in den Ortsbildern, Straßenverhältnissen oder Menschen zu Kroatien war für mich nicht erkennbar. Einzig auffällig waren die Orts- und Hinweisschilder in lateinischer und kyrillischer Schrift. Und die kyrillischen Namen waren zumeist übersprayt worden. Das erinnnerte nun wieder an den Kosovo, wo die serbischen Namen ja auch immer übersprayt waren. Schon bemerkenswert, welch Einigkeit in den Ländern des Balkans hinsichtlich der Serbenfrage besteht...

Bosnien-Herzegowina

Bevor es weiter nach Bosnien-Herzegowina hinein geht, muss ich das Land und die Bahn kurz erklären. Das Land Bosnien-Herzegowina teilt sich in zwei weitestgehend autonome Teilrepubliken auf: Die "Föderation Bosnien und Herzegowina" und die "Republika Srpska", die im Norden und Osten um das Gebiet der Föderation herum geht: Übersichtskarte.

Den Wechsel von einer Teilrepublik (im Reisebericht von mir auch gelegentlich "Sektor" genannt) in die andere bemerkt man auf der Straße bestenfalls an der Änderung des Fahrbahnbelages und einem Willkommensschild. Bei der Bahn ist das allerdings ganz anders: Jede Teilrepublik hat ihre eigene Bahngesellschaft. In der Föderation fährt die Željeznice Federacije Bosne i Hercegowine ŽFBH und in der Republika Srpska fährt die Željeznice Republike Srpske ŽRS.

Das kuriose dabei ist: Aufgrund der Netzstruktur, die auf solch einen Blödsinn leider keine Rücksicht nimmt, kommt es zu zahllosen Inselbetrieben. Nehmen wir mal eine Reise von Bihać im Westen nach Krško im Nordosten: Von Bihać geht es auf einem völlig vom ŽFBH-Hauptnetz getrennten Inselnetz der ŽFBH bis Blatna. Ab dort fährt die ŽRS über Novi Grad und Doboj bis Petrovo Novo. Nun kommt wieder die ŽFBH auf einem ebenfalls nicht mit deren Stammnetz um Sarajevo verbundenen Teilnetz dran. Über Tuzla geht es nach Bukovac. Ab dort geht es erneut auf einer ŽRS-Strecke, die nicht mit dem ŽRS-Stammnetz verbunden ist, an die kroatische Grenze. Immerhin ist es jetzt außer in Maglaj (Nv) nicht mehr nötig, an der Sektorengrenze umzusteigen. Aber es führen nicht mehr viele Verbindungen rüber. Lieber lässt man die Züge im Nirgendwo, in irgendeinem kleinen Kaff vor der Sektorengrenze, enden. Die Fernzüge werden alle in Doboj umgespannt. Eine 441 der ŽRS wird durch eine 441 der ŽFBH ausgetauscht - oder umgekehrt.

Die Begriffe "Föderation", "Republika Srpska", ŽFBH und ŽRS werden im Reisebericht häufiger auftauchen...

Ein Satz noch zur Geschichte der Bahn: Bosniens Bahngeschichte ist schmalspurig! Es gab ein gigantisches Netz in schmaler Spur kreuz und quer durch das ganze Land - sogar bis ins kroatische Dubrovnik. Es handelte sich z.T. um Hauptbahnen mit Schnellzugverkehr auf 760mm-Spur. Bis in die 1970er Jahre ist dieses große Netz leider restlos umgespurt oder stillgelegt worden. Man stößt allerdings überall im Land auf die Spuren dieses Netzes. Auf unserer Reise waren wir allerdings mit der 1435mm-Spur schon mehr als genug beschäftigt. Deshalb bitte ich um Verständnis, dass ich im Reisebericht nicht weiter auf die Schmalspur eingehe.

Wir befinden uns auf der Landstraße nach Mostar und sind gerade nach Bosnien eingereist...

Das Tal war nicht schlecht, die Bahn aber immer auf der anderen Flusseite. Die dort gelegenen Siedlungen sind lt Karte über mühsame Stichwege aus dem Hinterland erreichbar. Dort nach Motiven zu forschen, sparten wir uns mal. Das mittelalterliche Örtchen Počitelj sah mit seiner Festung und seinen Türmen eindrucksvoll aus. Zahlreiche Touristen strömten durch die Gassen. Dann näherten wir uns Mostar. Oli meinte, dass eine der umgebauten gelben West-V100 hier im Rangierdienst stehen könnte, doch wir fanden sie weder im Gbf noch im Pbf. Der "Hauptbahnhof" war allerdings faszinierend. Ein gigantischer Palast im siebziger Jahre Stil mit zwei Mittelbahnsteigen und ewig langen Bahnsteigdächern. Oh Tito, wenn Du wüsstest, dass dort nur noch zwei Zugpaare halten...

Der etwas heruntergekommene Bahnhofspalast von Mostar.

Da wir uns darüber im Klaren sein mussten, dass es eigentlich nur noch einen Zug zum fotografieren gab, und den auch erst heute Abend, drehten wir eine Runde in die Altstadt. Freundlicherweise findet man am Eingang zum Fußgänger- und Gassenbereich sogar einen kostenlosen Parkplatz. Die Altstadt war klasse, an der Stari Most, dem wiederaufgebauten Wahrzeichen der Stadt, stand das Licht zwar gerade achsial, doch man fand noch genügend andere Motive. Auch wenn schon viele Touristen unterwegs waren, so konnte man doch noch nicht von Überfüllung der Altstadt sprechen.

Die wunderschöne Altstadt von Mostar mit der Stari Most (links).

Blick von der Stari Most auf einen anderen Teil der Altstadt. Der Fluss ist nach wie vor die Neretva.

Nach der Stadtbesichtigung zog es uns aber doch mal ganz kräftig in die Neretvaschlucht 20 km weiter nördlich. Wir hofften, dass an einer Stelle, wo ein Seitental in die Schlucht mündet, noch genügend Licht auf die Strecke fallen würde, die ansonsten ja auf der Westseite der Schlucht abends ständig im Schatten verläuft. Die Schlucht war absolut top und die Brücke über die Drežanka, die aus dem Seitental angeflossen kommt, ein absolutes "Must have" Motiv. Wir stellten uns einfach mal hier unweit des Hp Drežnica stara hin und hofften auf Züge. Um die Spannung zu steigern, klebten ausgerechnet hier im Umkreis der Sonne paar Wolken an den Bergen, die immer wieder Schatten warfen. Eine Lz kam abwärts und wurde prompt zum Wolkenschaden. Und dann kamen die Bergschatten immer näher...

So gaaanz langsam rückte die Zeit des Eilzuges nach Sarajevo immer näher. Und es war absehbar, dass der Bergschatten die Brücke in Ruhe lassen würde, solange der Zug nicht mehr als 15 Minuten Verspätung haben würde. Soviel zum Bergschatten. Doch nach einer ganzen Weile der Ruhe meinten plötzlich die Wolken, wieder mal was von sich geben zu müssen. Erst waren es nur kleine Flusen. Die Spannung stieg ins Unermessliche, zumal man den Zug auch vorher nicht groß hören konnte. Zur Planzeit war die Brücke noch größtenteils in der Sonne. Die Spannung wuchs. Doch dann kam eine größere Wolke, die so schnell nicht daran dachte zu weichen. Tja, diese Wolke war dann auch für den Eilzug zuständig, von dem ich mir aus Frust jegliches Bild verkniffen habe. Nach Durchfahrt des Zuges kam das Licht nochmal gut hervor und zeigte, dass bis ca 19.20 (also Planzeit plus 20 Minuten) der gesamte Zug auf der Brücke in der Sonne gewesen wäre. Toll gelaufen...

So ähnlich hätte es aussehen können, wenn der abendliche Eilzug mit Sonne durchgekommen wäre.

Wir fuhren nun nordwärts, um uns in Jablanica ein Hotel zu suchen. Dabei sah man ja noch einiges von der Strecke. Es ist eine völlig ätzende Strecke; ich kann niemandem empfehlen hier herzufahren. Es geht in einer tiefen Schlucht vor grandiosester Felskulisse an der aufgestauten, wie ein Fjord wirkenden, Neretva entlang. Vor Jablanica quert die Bahn auch noch das Tal auf einer kühnen, hoch über das Tal schwebenden Bogenbrücke. Zig bombastische Motive laden hier dazu ein, umgesetzt zu werden. Aber es gibt hier kaum Züge! Nur zwei Pz-Paare am Tag! Wir haben keinen einzigen Güterzug gesehen! Das tut einfach weh! Und wenn dann noch zum einzigen Zug des Nachmittags und Abends die Sonne ausgeht, so ist reichlich Frustpotential vorhanden.

In Jablanica gefiel uns das Hotel im Ort nicht so gut, doch ein Stück die Straße talaufwärts weiter fanden wir das Motel Maksumić mit Restaurant drumherum, das einen guten Eindruck machte. Zimmer waren frei, 36 Euro die Nacht, also rein da. Anschließend in der Stadt noch Geld abgehoben und getankt. Wir hatten auf der Straße zwischen Schlucht und Jablanica schon zahlreiche Restaurants mit Drehspießen gesehen und überlegt, dorthin zurück zu fahren. Letztendlich fehlte uns aber doch die Lust dazu und wir entschieden uns für das Hotelrestaurant. Und wie wir uns gerade setzten, sahen wir, dass es auch hier einen Drehspieß überm Kohlegrill gab. Ein Lamm drehte da munter seine Runden. Eine dieser Runden führte geradewegs bei uns in den Mund rein - es war extrem lecker, und wir meinten schon, dass wir verlängern müssten, um das morgen nochmal zu essen. Und um mal paar Motive in der Schlucht umzusetzen.

Montag, 07.06.2010: Jablanica - Doboj

Der Blick aus dem Fenster fiel mal wieder auf wolkenlosen Himmel. Um 6.40, also für diesen Urlaub außerordentlich spät, trafen wir uns zum Frühstück. Der Kellner verstand wohl nicht, dass wir gern das Hotelfrühstück haben wollten, und brachte uns nur zwei von diesen winzigen Kaffees. Dann merkte er aber doch auf und brachte uns Ham and Eggs und den Frühstückskaffee in einem etwas größeren Becher. Da es sich ja um ein Missverständnis gehandelt hat, hätten die Kaffees nicht unbedingt auf der Zimmerrechnung auftauchen müssen. Das und ein ziemlich lautes Rauschen in irgendeiner Leitung neben dem Zimmer waren aber die einzigen (minimalen) Störfaktoren in diesem Hotel.

Wir fuhren gegen 7.30 in die Schlucht. Der große Viadukt am Ortsausgang hob sich toll im Gegenlicht vor dem Dunst ab. In die Schlucht selbst kam das Licht auch schon ganz gut. Rund um die Brücke von gestern bei Drežnica lag noch alles im Schatten, aber bei der Staumauer gab es eine tolle Kombination aus langer Bogenbrücke über einen Seitenarm und einer Galerie vor einer senkrechten Felswand. Um ca 8.30 musste der Brzi Ploće - Zagreb durchkommen und in Jablanica mit dem Eilzug Sarajevo - Ploće kreuzen. Nun war ja eigentlich klar, was kommen musste. Wir standen gut für den erwarteten Nordfahrer, doch die Konstellation schrie ja geradezu danach, dass der Südfahrer als erstes kommt. Für den hätten wir so schöne Motive an anderer Stelle gehabt - hier hingegen nur ein Notmotiv.

Natürlich näherte sich die Uhr immer mehr 8.45 und kein Nordfahrer war gekommen. Allerdings kam auch kein Südfahrer. Große Panik: Womöglich Streckensperrung? Einen Schwellenzug hatten wir gestern ja aus der Ferne nördlich von Mostar gesehen. Wir gaben - großzügig wie wir waren - dem Nordfahrer eine Stunde. Schließlich war man ja auf dem Balkan. Die Schatten wichen auch an unserem Standpunkt und wir standen in der prallen Sonne. Ein richtig genialer Blick auf die hiesige Betonbogenbrücke hätte sich übrigens von der Hauptstraße zwischen zwei Tunneln stehend ergeben. Der Standpunkt war markiert mit einer Fotoverbotstafel wegen der Staumauer...

9 Uhr 30: Noch immer kein Zugverkehr. Die Hitze steigt drastisch an. Wir sehnen uns nach dem klimatisierten Auto. 9 Uhr 35: Macht das alles noch Sinn? 9 Uhr 36: Zuggeräusche von Norden! Der B 391 kommt! Vor lauter Glückseligkeit, dass es keine Streckensperrung gab, waren wir gar nicht frustriert über den zuerst auftauchenden Südfahrer, für den wir eigentlich bessere Motive gehabt hätten. Nun warteten wir mal weiter, denn irgendeine Streckensperrrung musste ja nun zuende sein und der Nordfahrer auch gleich kommen. Dieses "gleich" war dann aber doch ein sehr balkanisches "gleich". Um 10.30, mit rund 120 Minuten Verspätung, zog der Schnellzug nach Zagreb an uns vorüber. Die HŽ hatte dem Zug leider einen beschmierten Wagen gespendet. Das Motiv war aber trotzdem toll, und wir waren froh, dass wenigstens noch bischen was gegangen ist.

Entgegen Fahrplan kam der Südfahrer zuerst. Immerhin hatten wir dafür an unserer Fotostelle ein "Notmotiv" parat.

Dies war eigentlich unser "Hauptmotiv".

Endlich - mit 120 Min Verspätung - kaum der B 396 nach Zagreb. Das Bild wurde mit Photoshop ein wenig "optimiert": Graffitibeseitigung am ersten Wagen, außerdem partielle Entzerrung der Weitwinkel-Perspektive.

Jetzt wechselten wir doch noch mal zur Straßenbrücke über die aufgestaute Neretva mit Blick auf die Brücke, an der wir den gestrigen Nachmittag verbracht hatten. Viel besser war hier aber der Blick für Südfahrer, wo man ein schönes Tal-Panorama reinbekommen konnte. Die Brücke lag in der prallen Sonne, was für eine Glut. Die Luft stand. Das schaffte zwar schöne Spiegelbilder in der Neretva, aber für uns war es unerträglich. Auf der Brücke stand ein blauer Kasten. Ich stellte mich schattensuchend dicht an diesen heran. Innendrin war irgendwelches Geplätscher zu hören. Einmal rief ich Oli was zu, und plötzlich kam ein Mann um die Ecke und hat mir einen Riesen-Schreck eingejagt. Was ich von der Seite nicht gesehen hatte: Der blaue Kasten war ein Verkaufsstand für Fische - direkt und frisch aus dem Fluss. Die Fische schwammen in dem Kasten in einer Art Aquarium und konnten dabei auch den Straßenverkehr beobachten. Es gibt sicher nichts spannenderes, wenn man dem Tod durch Verzehr geweiht ist...

Der Fisch-Verkaufsstand auf der Neretva-Brücke.

Wir stehen immer noch auf der Brücke. Eine Dreiviertelstunde ist vergangen. Der Schweiß rinnt. Ernsthaft rechnen wir nicht mehr mit Bewegung auf der Schiene. Da tauchte plötzlich aus Richtung Süden, also aus der Richtung, die wir nicht so brauchten, eine leuchtend weiße Lok mit finsteren E-Wagen auf. Doll war das Bild nicht, das wir zustande gebracht haben. Da der Zug aber bei uns am Hp kurz anhielt, um jemanden abzusetzen, rannte Oli trotz der Hitze schnell los, um das Auto zu holen. Belohnung für die sportliche Aktion war ein zweites Bild des Zuges an der Felswand von heute Morgen.

Ein Güterzug auf der Drežanka-Brücke.

Da wir eh nach Norden wollten, hängten wir uns an den Zug dran, vielleicht würde man ihn ja nochmal zu fassen bekommen. Nachdem in Jablanica eine Baustelle den Verkehr beeinträchtigte, konnten wir uns nicht sicher sein, ob wir noch voraus wären. Durch einen Tunnel gelangten wir an den nächsten, viel größeren Stausee. Dieser wird von der Bahn an einer Stelle auf einer langen Brücke gequert. Wir entdeckten eine Hauszufahrt mit schönem Ausblick auf die Brücke und bauten uns mal auf. Was kam, war allerdings nur eine Lz aus der Gegenrichtung. Der Güterzug musste wohl schon durch gewesen sein.

Große Brücke, kleine Lok: Die Stausee-Brücke bei Čelebići.

In Bradina, dem Scheitelbahnhof am Ivan-Pass, waren wir plötzlich auf einer Höhe mit dem Zug! Er hielt noch im Bahnhof an, so dass wir hinterm Pass, für den die Straße einen kleinen Schlenker machen muss, dachten, dass wir hoffentlich noch vorm Zug wären. An einem kleinen Friedhof mit Blick auf drei große Viadukte der Strecke bauten wir uns nun auf, doch nichts tat sich. Wir hatten heute ja noch etwas Wegstrecke vor uns, und so brachen wir nach zehn Minuten ab. Das Esig des nächsten Bahnhofs zeigte "Langsamfahrt", also war er wohl doch noch nicht durch gewesen. Nun ja, der Viadukte-Blick wäre eh früher am Tage besser gewesen. Das Thema Ivan-Pass ist ein ganz eigenes und muss auf einer späteren Reise mal angegangen werden.

Durch die Randbezirke von Sarajevo gelangten wir auf die Autobahn, die schon ein ganzes Stück Richtung Zenica fertig war. In Zenica schauten wir mal am Bahnhof vorbei. Dort sollten Bummelzüge in beiden Richtungen bereit stehen. Nach Sarajevo war's ein Triebwagen, nach Maglaj eine abgefahren heruntergewirtschaftete Garnitur aus Lok und zwei Wagen. Da passte sogar das Graffiti zu...

Zenica: Bummelzüge nach Sarajevo (hinten) und Maglaj stehen bereit.

Es ging auf der Schnellstraße durch das Bosna-Tal abwärts. Irgendwo hinter Vranduk bogen wir rechts auf einen Bahn parallelen Feldweg ab. Dieser eröffnete durchaus im Bereich Begov-Han einige Motive, erst mit Höfen, dann mit einem total verlodderten Bahnhofs-Ensemble. Es war erstaunlich, wieviele Leute hier an diesem bahnsteiglosen Hp auf den Nahverkehr nach Maglaj warteten. Und noch erstaunlicher war, welche Menschenmassen aus dem Zug ausstiegen. Zwei Schnellzüge im Halbstunden-Abstand sollten hier kommen. Auch wenn das Licht in Begov-Han schon sehr spitz kam, nahmen wir den B 451 aus Belgrad dort. Er hatte nur rund 15 Min Verspätung und führte eine schön saubere Zuggarnitur mit vier Wagen in vier Farben. Schade, die hätte man vielleicht doch mal besser ausgeleuchtet haben mögen.

Der Serben-Schnellzug rollt durch den Haltepunkt Begov-Han.

Zum B 397 Zagreb - Ploće fuhren wir ein kleines Stück zurück zu den Höfen. Nun ja, die Verspätungen dieser Linie kannten wir ja schon. Die Schatten wurden länger und länger. Auch eine Dreiviertelstunde nach Planzeit rührte sich nichts auf den Schienen. Ich stand an einer Steinmauer und schrieb den Reisebericht. Jetzt bin ich allerdings bei jetzt angekommen, und der Zug ist noch immer nicht in Sicht. Deshalb kann ich noch von dem extrem dicken Käfer erzählen, der auf der Mauer anspaziert kam, dann aber lieber nicht über meinen Laptop lief, sondern die Umleitung an der Mauerwand entlang nahm. So, jetzt habe ich erstmal nichts mehr zu berichten.

Anderthalb Stunden nach dem B 397 sollte ein Nahverkehrszug kommen. Wir hofften, wenigstens diesen noch schattenfrei hinzubekommen. Das hätte auch ganz gut klappen können, wenn - ja wenn - dieser Bummelzug wenigstens pünktlich gekommen wäre. Aber auch das schaffte die ŽFBH nicht. Wir dachten nun, dass man vielleicht den Schnellzug in Maglaj vorgelassen hätte und dass dieser nun endlich käme. Kam er aber nicht. Es kam einfach gar nichts. Dann - endlich! - hörten wir es anrollen. Es war der Nahverkehrszug 2105, der aus unerfindlichen Gründen auf dem kurzen Stück schon wieder 20 Min Verspätung angesammelt hatte. Leider waren die Schatten dem Zug schon arg nahe gekommen.

Der Bummelzug kehrt zurück nach Zenica. 20 Min Verspätung.

Wir hatten ja noch einen dritten Punkt hier in der Gegend. Der B 397 nach Ploće war nun weit über zwei Stunden überfällig. Wir stellten uns auf eine aufwärts führende Hofeinfahrt und hofften, dass der Brzi nun bald mal kommen möge. Mochte er aber nicht. Die Einwohner des Settlements, vor dem wir standen, wunderten sich nicht wenig über uns. Wir erklärten es, so gut es ging. Es waren aber alle sehr nett und die Fragen waren nicht aufdringlich, sondern eher so im Vorübergehen. Eine ältere Frau hatte wohl von ihren Enkeln aus Deutschland paar Redewendungen gelernt und fragte "Was liegt an?" Herrlich...

Das Licht wurde schwächer und schwächer. Nun rauschte es von hinten in den Schienen. Eine Lok in Türken-Farbgebung kam mit E-Wagen durch. Dann wieder Ruhe bzw der Lärm von der Schnellstraße auf dem anderen Bosna-Ufer. Und dann endlich - kam nicht etwa der B 397, aber wenigstens ein Güterzug mit Getreidewagen der ŽRS. Schon beachtlich, dass wenigstens die Wagen durchgehend fahren dürfen und nicht zwischen Republika Srpska und der Föderation umgeladen wird... Sorry für den Sarkasmus, aber bei dem Bild, das die Bahn in Bosnien heute geliefert hat, ist der wohl angebracht.

Ein Güterzug mit Lok in der ungewöhnlichen ŽFBH-Lackierung.

Auf den B 397, der nun über zweieinhalb Stunden überfällig war, warteten wir jetzt nicht mehr. Über die Schnellstraße ging es nach Žepče, wo wir am Bahnhof und ein Stück östlich nach Motiven für den Zug aus Budapest suchten. Als wir das zweite Mal am Bahnhof vorbeikamen, waren keine Wartenden mehr auf dem Bahnsteig. Da der Ungarnzug noch nicht dagewesen sein konnte, vermuteten wir, dass der B 397 nun mit ca 3 Stunden Verspätung durchgekommen war.

Wir reisten indes über die Sektorengrenze in die Republika Srpska und nach Doboj ein. Die offiziellen Schilder waren nun in erster Linie kyrillisch, aber die Anschriften an Läden, auf Werbungen usw hielten sich tapfer in lateinischen Buchstaben. Doboj ist größter Eisenbahnknotenpunkt der ŽRS und bot sich für uns für Touren in den nächsten Tagen an. Oli kannte das Hotel Integra, einen Neubau am Stadtrand. Wir hatten telefonisch reserviert, und das Hotel machte wirklich einen guten Eindruck. Zum Abendessen gab es im Hotel eine Plata Gurmeski oder so ähnlich. Die sah klasse aus und konnte unserem Hunger gerecht werden.

Dienstag, 08.06.2010: Doboj - nördl / westl Doboj - Doboj

Wir hatten uns zu 6.30 zum Frühstück verabredet, das es ab 6 Uhr geben sollte. Nachdem wir draußen Platz genommen hatten, kam die lustlos oder traurig wirkende Kellnerin und fragte nach unserem Begehr. Wir dachten wieder mal, dass es sich um die übliche Frage "Kaffee oder Tee" zum Frühstück handelte und entschieden uns für Kaffee, bekamen wieder die Mini-Tassen und, obwohl wir nach "Breakfast" fragten, bald einen Zettel mit einer Rechnung von 3 KM auf den Tisch geknallt. Da mittlerweile eine halbe Stunde vergangen war, vergaßen wir weitere Frühstücksambitionen und starteten unser Programm. Als erstes schauten wir mal am Bahnhof nach dem Rechten. Die Bummelzug-Garnituren von / nach Banja Luka hatten nur noch einen Wagen. Gegenüber der Bm nahmen wir die Ausfahrten des Pu 6603 nach Tuzla und des Pu 6402 nach Banja Luka mit.

Doboj: Regionalzug nach Banja Luka und rangierende 661. Die 661 hatte die zuletzt hier noch eingesetzte West-V100 offenbar abgelöst.

Die Bahnmeister machen sich bereit fürs Tagesgeschäft.

Letztgenanntem Zug folgten wir nun, weil wir es auf den Gegenzug abgesehen hatten, der auch schon ab Banja Luka unterwegs war. Motivpotential hat die Strecke zwar, doch musste der Zug von Banja Luka auf weiten Strecken sehr spitz ins Licht fahren. Das machte das ganze schon etwas schwierig. Es ging durch eine leichte Hügellandschaft. Einen BÜ westl des Hp Ljeskove Vode (östl Bf Ostružnja) merkten wir uns vor, fuhren aber weiter. Nachdem wir durch den Ort Stanari mit regem Markttreiben durchgefahren waren, die Strecke an einem kaum fotografierbaren Schrankenposten gequert hatten und am Bahnhof Dragalovci reingeschaut hatten, entschieden wir uns für das westliche Einfahrsignal dieses Bahnhofs. Ein intaktes Formsignal!

Viel weiter hätten wir zeitlich dem Zug auch nicht mehr entgegen fahren können. Hier konnte man sogar im Schatten warten, prima! Das war auch gut so, denn was mal wieder nicht kam, war der Zug. An seiner Stelle kamen, als wir schon wieder über Ausfall und Streckensperrung spekulierten, zwei Signalesen, die den Signaldraht schmierten und sich unaufhaltsam in unseren Bildbereich hineinarbeiteten. Beim Esig kletterten sie auch noch hoch. Genau als der eine ganz oben zugange war, zog der Weichenwärter die Einfahrt. Der Signalese hatte sich allerdings gut festgehalten und kletterte normal wieder hinunter. Dass die Einfahrt gezogen war, gefiel uns ja schon. Dass sich die beiden nun aber genau im Motivausschnitt betätigten, fanden wir höchst unglücklich. Zum Glück waren sie gerade wieder außerhalb des Bildausschnitts, als der Zug 6403 mit seinem Reichsbahn-Wagen und 40 Min Verspätung kam.

Die Westeinfahrt in den Bahnhof Dragalovci.

Wir folgten ihm noch und zumindest ich schaffte an dem BÜ bei Ljeskove Vode ein weiteres Bild - sehr zur Gaudi einiger Leute, die natürlich genau dort mitten in der Pampa, genau an meinem Standpunkt, Päusken von ihrer Landschaftspflegearbeit machten. Oli hatte noch woanders hinfahren wollen und den Zug dort leider nicht nochmal erreicht.

Derselbe Zug nochmal bei Ljeskove Vode.

Wir folgten dem Zug weiter bis Srpska Kostajnica, wo wir aber "umstiegen" auf den B 258 in Richtung Norden, den wir einmal unmittelbar nördl des Bahnhofs und einmal noch westl Koprivna erwischten. Zwei schönere Motive entdeckten wir leider erst bei der (vergeblichen) Verfolgung in Richtung Modrica.

Der Ungarn-Schnellzug bei Koprivna. Er hat planmäßig einen ungarischen Wagen und alternierend einen ŽFBH- oder ŽRS-Wagen. Heute war die ŽRS an der Reihe. Deren neue Farbgebung gefällt mir außerordentlich gut.

Langsamer ging es nun wieder zurück nach Doboj. Mittag war ran, wir hatten noch nichts gegessen, und so suchten wir jetzt erstmal entlang der Hauptstraße südwärts ein Restaurant, in dem gegrillt wurde. Ca zwei Orte südlich Doboj wurden wir fündig. Die junge Bedienung hatte zwar in der Schule wohl nur russisch (oder gar nichts) als Fremdsprache gelernt, aber wir konnten ihr unsere Frage verständlich machen, was es denn vom Grill gäbe. Ćevapčići war die Antwort. Ok, war jekooft. Wir bekamen die große Portion als Kebab serviert. Etwas Krautsalat und Tzatziki dazu hätte aber nicht geschadet. Da war das Ding in Pejë neulich besser...

Frisch gestärkt fuhren wir erstmal an die Oststrecke, wo wir den VT nach Petrovo Novo auf einer Betonbrücke im Kontrastdschungel des Hochlichtes aufnahmen. Dann ging es wieder Richtung Norden bis Kozuhe, wo wir nach vergeblicher Erkundung einiger BÜs endlich einen hübschen Glockenturm als Motiv fanden. Der B 451 ließ zum Glück auch nicht so lange auf sich warten. Er hatte nur etwa fünf Minuten Verspätung. Wir erwischten ihn nochmal am Hp Vasiljevići mit einem erstaunt dreinschauenden Bauern.

Der Mittagszug auf der Strecke nach Tuzla auf der ersten Spreča-Brücke.

Der Schnellzug aus Belgrad erreicht den Glockenturm von Kozuhe.

Nun bauten wir uns an der Südeinfahrt in den Bf Srpska Kostajnica auf, wo wir an einem geschlossenen BÜ auf das Dreierbündel an Zügen warteten, die rund um 15 Uhr kommen sollten. Pünktlich war natürlich keiner. Der Schnellzug 450 nach Belgrad hatte heute nur noch drei Wagen und kam, nachdem die Einfahrt ca 5 Minuten zuvor zurückgenommen worden war und wir schon mit dem Schlimmsten rechneten. Er hatte gut 15 Min Verspätung. Eine Wolke machte die Sache zum ersten Nahverkehrszug spannend. Doch da dieser knapp +20 hatte, war das alles halb so wild. Er hatte sogar zwei Wagen, wir wussten aber nicht, ob es der nach Šamac oder der nach Banja Luka gewesen war. Erst als der zweite Zug mit Beschilderung "Šamac" durchkam, wussten wir, dass es sich beim ersten Nv-Zug um den 6404 nach Banja Luka gehandelt hatte. Der darauffolgende Zug war der 6540.

Der südgehende Serbenzug bei Srpska Kostajnica.

Ein Regionalzug nach Banja Luka.

Wir warteten noch etwas weiter, denn der nächste Programmpunkt war der Brzi aus Budapest, der um 17.19 von Modrica fahren sollte. Hier bei Kostajnica kam allerdings nichts mehr, deshalb fuhren wir mal wieder die altbekannte Straße nordwärts. Am Hp Koprivna Donja tauchte unversehens ein Güterzug auf, den wir schnell umsetzten. Leider klappte das mit dem EG des Hp nicht so gut. Aber die Lokbesatzung des Zuges, der wegen noch nicht wieder instand gesetzter BÜ-Sicherung vor demselben halten musste, zeigte mir mit Gesten, dass ich mich doch einfach vor den Zug stellen solle. Das ließ ich mir nicht zweimal sagen und machte ein Foto, das unter anderen Umständen lebensgefährlich gewesen wäre...

Auf freier Strecke vorm Zug stehen: Das geht auch nur, wenn der Zug vorm BÜ hält und der Lokführer dazu animiert...

Ansonsten gefiel uns für den erwarteten Ungarn vor allem die Nordeinfahrt in den Bahnhof Vranjak mit zerstörter Weichenwärter-Bude. Was wir allerdings nicht gesehen hatten: Hinter uns her war eine massive Wolkenfront gekommen. Und diese begann uns nun massiv einzuschatten. Nachdem wir eine Zeit lang nebeneinander stehend gewartet hatten und der einheimischen Bevölkerung sicher so manches Rätsel aufgegeben hatten und der Zug nun schon wieder über 30 Min überfällig war, entschieden wir uns für einen gepflegten Abbruch.

Zurück in Doboj waren wir noch kurz im Supermarkt. Schuhe müsste ich hier kaufen, die kosten nur die Hälfte... Dann gab es am Abend die "Plata Integra" auf der Terrasse, wo man allerdings für die einheimische und offensichtlich nicht so ganz wohlhabende Bevölkerung ganz schön auf dem Präsentierteller saß. An einem anderen Tisch saß eine aufgetakelte ältere Dame. Oli war felsenfest davon überzeugt, dass es sich um Hape Kerkeling in seiner Verkleidung als Sängerin Uschi Blum handelte. Ich konnte ihm nicht ganz widersprechen, nur von der Bitte um ein Autogramm konnte ich ihn abhalten...

Fortsetzung

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