Zwischen Amselfeld, Adria und Bosnatal
Balkan Juni 2010 - Teil 2

Autor: Jan-Geert Lukner. Alle Rechte am Text und an den Bildern liegen beim Autor.

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Dienstag, 01.06.2010: Fushë Kosovë - Hani i Elezit - Fushë Kosovë

Den ursprünglich gefassten Plan, heute dem Frühzug aus Pejë ein Stück entgegen zu fahren, gaben wir nach einem Blick aus dem Fenster rasch auf. Es gab einen wahrhaft skandinavischen Morgen. Es war sehr klar und ganz schön kalt. In den Wolken war sehr viel Struktur, aber kaum ein Loch. Nach dem leckeren Frühstück starteten wir mit Pullover und Jacke bewaffnet südwärts. Nico und ich fuhren bei Nil und Pascal mit. Als erstes versuchten wir uns mit der Ortsdurchfahrt von Ferizaj und dort mit dem Moschee-Motiv. Das wäre alles sehr nett gewesen, wenn denn Sonne geschienen hätte (wobei wir dann vielleicht enttäuscht gewesen wären, weil der Zug auf dem östlichsten und damit schattenträchtigsten Gleis fahren musste, um eine Baustelle zu umfahren).

Auf der Ausfallstraße von Pristinë südwärts.

Als wir weiter südwärts fuhren, kamen sogar paar kurze sonnige Abschnitte. Hätte hier vielleicht der Zug geklappt? Auf der Hauptstraße nach Skopje war ordentlich Verkehr, aber immerhin fand man doch noch so einige Gelegenheiten zum Überholen. In Kaçanik schauten wir uns auch die Vorbeifahrt des mittlerweile eingeholten Zuges an, dann ging es nach Hani i Elezit weiter. Wie schon bei der Sonderfahrt im letzten Jahr gab es dort das "Haniblue", großzügige Auflockerungen am Himmel. Im Bahnhof konnten wir bischen was machen. Die mazedonischen Kollegen kamen mit einer 661 und einem Kesselwagenzug eingefahren. Die 661 nahm irgendwann den IC 891 mit - nunmehr stark verspätet. Wen interessiert schon die Zeit?

Das große - uns aus dem letzten Jahr noch bekannte - Betongerippe an der Nordausfahrt hatte mittlerweile doch schon gut Formen als Rohbau angenommen. Zu dessen Füßen warteten wir mal die Einfahrt eines Güterzuges ab, der uns angekündigt worden war. An einem BÜ, wo sich die meisten aufgestellt hatten, störten mich paar Kabel. Nico und Nil versuchten es mal von dem Rohbau, wo die Handwerker sie gewähren ließen. Pascal und ich hatten einen Heuballenstapel als Fotostandpunkt für uns entdeckt. Nur das Hochkommen war etwas schwierig und oben stand man ganz schön wabbelig. Als ich das zweite Mal hoch sprang, stürzte auch noch die eine Seite des Stapels ein. Das Wiederaufstapeln sparten wir uns aber bis nach der Zugdurchfahrt. Der Himmel hatte gut aufgemacht. Aber es sorgten noch genügend Wolken(felder) für die nötige Spannung...

Tja, und so standen wir dann auf unserem wackeligen Heustapel. Unten im Gras zu liegen und dann in letzter Sekunde hochzuklettern war uns etwas riskant. Leider ließ sich der Güterzug ganz schön Zeit. Wir standen und standen. Der starke kalte Wind ließ uns über unsere Jacken froh sein. Eine Stunde war um. Michael fuhr zum Bahnhof und kam wieder mit der Info, dass der Gz in zwanzig Minuten käme. Wir warteten und wackelten weiter. Irgendwelche KFOR-Soldaten in Uniform und Zivil schauten auch vorbei, zogen aber bald winkend weiter. Alles sehr locker hier. Bald stand aber die Abfahrt des Bummelzuges in Richtung Norden an. Bis zuletzt dachten wir, dass der Güterzug noch rechtzeitig ankäme. Aber es kam, wie es kommen musste: Der Personenzug fuhr aus, ohne dass ein Güterzug angekommen wäre. Fast zwei Stunden blödes Warten auf dem Heuballenhaufen war umsonst. Beim Absprung verhedderte ich mich auch noch in der Plastikplane und stürzte den Rest runter. Aber Kamera und ich kamen relativ vernünftig unten an. Dann bauten wir den Stapel wieder ordentlich auf.

Der Güterzug sollte kommen - soviel war Fakt. Michael kannte ein Motiv Stück weiter nördlich im Tal. Dieses Motiv erwies sich dann auch als Hammer-Ausblick. Und wir mussten jetzt nicht mehr lange warten. Ein wunderbar langer Güterzug, der ideal für dieses Motiv war, zog bald tief unten vor unseren Füßen entlang. Bespannt war er mit der HOHAB 008, die wir ja auch noch nicht bei Sonne hatten. Nil düste mit uns sofort hinter dem Zug her. Dabei erwies es sich als vorteilhaft, dass alle Ampeln im Kosovo einen Countdown haben, so dass man weiß, wie lange noch rot oder wie lange noch grün ist. Als es an einer Baustellenampel noch fünf Sekunden Rot waren und nichts mehr entgegen kam, zog Nil an einem vor uns stehenden Tank-LKW vorbei, so dass wir den Zug nochmal in der Einfahrkurve vor Hani i Elezit bekamen. Das war zwar alles sehr hochlichtig, aber nett. Und man war froh, dass überhaupt mal was bei Sonne ging.

Schluchten des Balkan: Das Nerodimka-Tal ist ganz schön tief eingeschnitten.

Zurück im Bahnhof von Hani i Elezit war erstmal große Ruhe angesagt. Jedenfalls auf der Schiene. Alle Gleise standen voll und die Lok mittenmang dazwischen. Auf unserer Fußgängerbrücke, die uns als Fotostandpunkt diente, ging es dafür um so lebhafter zu. Es ist unglaublich, wieviele Kinder es in diesem Land gibt. Laut Statistik besteht 1/3 der kosovarischen Bevölkerung aus Kindern! Endlose Schaaren von ihnen zogen über die Brücke. Die meisten waren geschminkt oder maskiert. Irgendwo hatten wir gelesen, dass heute "Kosovo-Tag" sei, was auch immer das heißen mochte.

Wir entdeckten auch eine andere Art von Kinderbeschäftigung. Der südgehende Güterzug hatte ja leere Kesselwagen, und die Kinder kletterten fleißig auf den Dächern rum, schraubten die Domdeckel auf und schauten nach, wieviele Reste noch drin sein mochten. Wenn es sich lohnte, wurde unten der Hahn aufgedreht, und man ließ das kostbare Gut, Diesel und Benzin, in mitgebrachte Kanister laufen. Ob sich die Kinder wohl mit den UN-Stoffnummern auskennen? Eine andere Beschriftung gab es nicht an den Wagen, und es wäre ja schon ganz gut zu wissen, ob man gerade Benzin oder Diesel abgezapft hat. Der ebenfalls im Bahnhof stehende nordfahrende Güterzug, den die mazedonische Lok mitgebracht hatte, wurde übrigens nicht angetastet. Die Wagen waren voll beladen und verplombt.

Kinder auf der Suche nach Spritresten. Der Eisenbahner scheint Verständnis für sie zu haben.

Michael kam auch noch in seinem roten "NOHAB-Service"-Mercedes vorgefahren und fragte mal am Bahnhof, wann der Güterzug rausgehe. Nach dem nächsten ankommenden Personenzug hieß es. So suchten wir uns für den südfahrenden Pz eine Fotomöglichkeit und fanden diese in der interessanten Ortsdurchfahrt Kaçanik. Mittlerweile hatten allerdings die Wolken wieder deutlich Überhand genommen. Und so hängte der Zug leider einen gerade aufkommenden hellen Abschnitt unmittelbar vorm Motiv ab und fuhr ins Dunkel. Ärgerlich; das Motiv wäre nett gewesen.

Nun wieder nordwärts gefahren. In Stagove trafen wir die Busgruppe und man sagte uns, dass der Güterzug auch gerade nordwärts durchgekommen sei. Ärgerlich; der muss wohl die ganze Zeit im Bf Kaçanik gestanden haben, als wir auf den Pz warteten. Leider war der Bahnhof nicht wirklich gut einsehbar gewesen. Da wir mit Unterwegsbedienungen rechneten, fuhren wir dem Güterzug allerdings hinterher. Und bereits in Gurëz entdeckten wir ihn wieder. Die Lok brachte gerade einige Schiebewandwagen an die Rampe. Womit wir allerdings nicht rechneten: Danach fuhr sie Lz runter nach Hani, um den zweiten Teil ihres Güterzuges nachzuholen. Wir stellten uns einfach mal am BÜ östlich des Bahnhofs auf und schauten, ob die Wolken vielleicht doch nochmal etwas aufreißen würden.

Der skandinavische Tag war noch nicht vorbei. Es näherte sich nach einer Zeit der Dunkelheit eine größere blaue Fläche. Aber sie näherte sich nur sehr langsam. Wir konnten nicht wissen, wann der zweite Teil des Güterzuges auftauchen würde. Irgendwann, als die Wolkengrenze der Sonne doch schon sehr nahe gekommen war, hörten wir den Zug in der Ferne. Zum Glück noch in weiter Ferne. Es gab einige Vorlöcher, bevor die endgültige Wolkengrenze erreicht war. Ein solches näherte sich etwas schneller als die Haupt-Wolkengrenze. Der Zug trötete laut in größerer Nähe. Das Vorloch war da, die Szene wunderbar ausgeleuchtet. Laute Zuggeräusche, er musste jeden Moment um die Ecke kommen. Kam er auch. Sonne noch da, plötzlich dunkelte es bei uns schon ab; das Vorloch war zuende. Aber der Auslösepunkt war ein ganzes Stück weg. Dort ging der Zug tatsächlich in vollem Licht! Das war schon mal klasse!

Eisenbahnfotografen können sich schon durch sehr effektive Platznutzung auszeichnen!

Der Güterzug (2. Teil) fährt nach Gurëz ein.

Bald war auch die Wolkengrenze selbst da, und wir konnten die Rangierarbeiten im Bahnhof mit gutem Licht umsetzen. So ging heute also doch noch was. Zur Ausfahrt von der Brücke aus war die blaue Fläche schon wieder zuende. Wir versuchten es nochmal in Bablak, wo es zwar kein Licht, wohl aber eine gigantische Gebirgsszenerie zu fotografieren gab. Einen Besuch beim Tanklager selbst, wo ein Teil des Zuges zugestellt wurde, hätten wir uns schenken können. So schafften wir es nämlich nicht mehr, die Weiterfahrt bei Lipjan aufzunehmen. Dort muss der Zug wahrscheinlich bei vollem Licht durchgekommen sein. Nun ja.

Rangierarbeiten im Bf Gurëz.

Vor der Kulisse der Crnoljeva Planina erreicht der Güterzug Bablak.

Jetzt gab es für uns einen kleinen Erkundungsritt über die Mine Golesch nach Fushë Kosovë. Dort riss es mal wieder etwas auf. Und dann ging sie los - sie musste nach einem solchen skandinavischen Tag einfach kommen: Die Skandinavian Light Show. Vor den schwarzen Wolken im Hintergrund gelang es uns binnen zweier Minuten, einige top ausgeleuchtete Exponate im Bw zu fotografieren. Insbesondere die italienischen Triebwagen ohne jegliches Graffito hatten es uns angetan! Das war top!

Die abgestellten Italiener im Bw vor schwarzen Wolken.

Die 008 hat auch schon wieder heim ins Bw gefunden.

Weniger top war die Gegend, in der wir uns befanden. Hier wohnten wohl die Ärmsten der Armen. Schaaren von Leuten arabischer Abstammung sowie Cinti und Roma bevölkerten die Bahnhofsumgebung. Der Müll lag überall hoch aufgetürmt vor schäbigen Bretterbuden und war teilweise am brennen. Neben dem Bw waren einige Ruinen von Wohnhäusern, deren Geschosse zum Teil offen standen. Die Ruinen hatten neue Besitzer gefunden; man hatte sich einfach die offenen Stellen mit Brettern vernagelt. Gern hätten wir hier den Abend-IC aus Skopje bei der Einfahrt zusammen mit einer Moschee fotografiert, doch hatten wir wirklich etwas Bedenken, uns dort mit unseren Kameras hinzustellen.

Wir parkten statt dessen westlich des Bahnhofs auf der Südseite der Gleisanlagen und warteten den Zug dort ab. Bei der Einfahrt hatte der Zug dann auch gar keine Sonne. Die schien am besten, als der Zug unterm Dach stand. Das scheint symptomatisch zu sein an diesem Bahnhof. Aber bei der Ausfahrt hatte er auch noch sehr gutes Licht und kam wunderbar vor der Theaterkulisse der schwarzen Wolken. Wir warteten noch kurz auf die Rückkehr aus Pristinë, doch versank die Sonne bald endgültig in der Bewölkung über dem Horizont. Wir hatten heute Nachmittag angesichts der Wolken aber mehr hinbekommen, als wir für möglich gehalten hatten.

Der IC aus Skopje verlässt Fushë Kosovë in Richtung Pristina.

Blick in die andere Richtung.

Entsprechend freuten wir uns nun auf ein wunderbares Abendessen im Restaurant Garden, das wir aber wegen der skandinavischen Temperaturen diesmal erstmalig im Gebäude zu uns nahmen. Für mich gab es gemischten Salat und Kalbsrolle "Skanderbeg", eine albanische Spezialität. Sehr lecker: Ein dünnes aufgerolltes Kalbsschnitzel im Teigmantel gefüllt mit Hackfleisch und Käse. Leider gab es hier keinen Wein. Also wieder Peja-Bier. Nach dem Essen war ich schlagartig so müde, dass ich nur noch nach hause wollte. Nil und Pascal kamen noch kurz mit auf unser Zimmer, um unser LAN zu nutzen. Es gab bei Nil, Pascal und Nico nämlich die Überlegung, dem schlechten Wetter im Kosovo für zwei Tage in Richtung Albanien zu entfliehen. Ich selbst hatte auch erst überlegt, wollte dann aber doch die Chance nutzen, den Kosovo noch bischen weiter zu entdecken. Vielleicht würde ja - wie in den letzten Tagen - doch noch das eine oder andere Foto gehen.

Mittwoch, 02.06.2010: Fushë Kosovë - Pejë - Fushë Kosovë

Die Nacht war wie immer kurz. Morgens wurde ich von ziemlich intensivem Kohlegeruch wach. Offenbar wehte die Rauchfahne des Kraftwerkes direkt in unser Schlafzimmerfenster. Das erinnerte mich an meine ersten DDR-Touren... Das Frühstück war wie immer klasse. Besonders bei den Mozarellatomaten langte ich nochmal extra zu. Gegen 7 tauchte unser Bus auf. Als erstes fuhren wir zum anderen Hotel, in dem auch Nil und Pascal untergebracht waren. Die beiden hatten sich über Nacht doch zu einem zweitägigen Albanienbesuch entschlossen und "luchsten" mir auch noch Nico ab;-) Ich hatte mich aber sehr sicher gegen Albanien entschlossen. Deshalb stieg ich mal wieder in den Bus und fuhr mit den anderen erstmal in Richtung Drenas weiter, wo eine erste Lagebesprechung stattfand.

Grobe Richtung Pejë stand allerdings bereits fest. Da die großartigen Auflockerungen noch nicht zu erwarten waren, entschieden wir uns zu viert, mit dem Zug bis Pejë zu fahren. Die halbe Stunde Wartezeit überbrückten wir im Bahnhofscafé. Jetzt wussten wir auch, warum der Stationsvorstand hier noch immer im Güterschuppen bzw UN-Container residiert. Das Empfangsgebäude war nicht etwa verfallen oder zerstört, sondern offenbar verkauft und in eine wunderschönes Gaststätte umfunktioniert worden. Nach einem Kaffee und Wasser wurde es schon Zeit für den Zug, der auch pünktlich um die Ecke bog. Und was war das? Pünktlich war auch die Sonne, die genau im Moment der Einfahrt mit voller Intensität durch die Wolken brach! Wir konnten die Szene mit Cheffe auf dem Bahnsteig umsetzen. Zum Glück ist es hierzulande ja kein Problem, auf der Bahnsteig abgewandten Seite einzusteigen.

Einfahrt unseres Zuges in Drenas.

TL 4201 Drenas 08.31 > Pejë 09.47+7

Wir bekamen eine eigene Vierersitzgruppe im ersten von zwei ex-österreichischen Schlierenwagen. Den ersten Teil der Strecke kannte ich ja schon von zwei Sonderzugfahrten. Trotzdem war es interessant zu sehen, wo überall in der Wildnis angehalten wurde. Und auch wenn kein Haus weit und breit zu sehen war, herrschte ein reger Ein- und Ausstiegsverkehr. Hinter Klinë war die Strecke für uns alle neu. Auch dieser Abschnitt ist sehr hübsch. Das Hochgebirge rückt nun näher, und ständig hatte man diese beeindruckende Kulisse vor sich. Die Berge sind ganz schön hoch, der höchste ist der Gjeravica mit 2656 Metern. Die Sonne kam nun vermehrt durch und sorgte mit den nach wie vor wolkenverhangenen Bergen für beeindruckende Stimmungen.

Die Berge rücken näher...

Irgendwann stieg eine alte Frau mit Kopftuch zu. Ihr Äußeres machte irgendwie Eindruck. Ihr Alter war zwar nicht zu verleugnen, aber sie hatte ein hübsches Gesicht und machte einen ungeheuer gepflegten Eindruck. Ihre Kleidung war ordentlich und vollkommen sauber. Damit stach sie gewaltig zwischen den anderen Fahrgästen hervor. Ich erinnerte mich an die Karl May-Erzählungen vom Balkan über die alte Mara Durimeh, auf deren Rat all die zerstrittenen Völker hörten. Vielleicht war es ihre Urenkelin? ;-) Einige Männer im Zug trugen traditionelle albanische Kopfbedeckungen. Es handelt sich um die Qeleshe, eine Kappe aus naturfarbener Wolle.

In Pejë waren wir Zug-Fahrgäste die ersten aus unserer Truppe. Wir konnte nach der Ankunft, beim Umsetzen und nach dem Umsetzen prima Sonnenbilder vor gigantischer Berg- und Wolkenkulisse machen. Zu unserem Erstaunen blieben wir auch ganz schön lange die ersten. Zu den einzelnen Autos bzw dem Bus hatten wir einen Vorsprung von 15-30 Minuten! Als der Bus, der unterwegs wohl ziemliche Verkehrsprobleme hatte, auftauchte, musste auch bald umgedreht werden, um ein Motiv für die Rückfahrt zu finden. Vorher stürmten Klaus, die beiden Schweden und ich aber noch einen Grillimbiss, aus dem es appetitlich roch. Es gab einen Cevapcici-Burger bzw Kebab.

In Pejë ist zu Füßen des Hochgebirges Schluss. Der Müll ist leider noch ein sehr großes Problem im Kosovo.

Als der Bus wiedergefunden war, der nicht direkt vorm Bahnhof hatte parken können, fuhren wir zur Brauerei raus, die sich am Stadtrand befand. Uns hatte es da vor allem ein Tankkessel als Kulisse angetan, der als Bierkrug gestaltet war. Und da man das Peja schon die ganzen Abende getrunken hatte, hatten wir ja auch eine gewisse Beziehung zu diesem Bier. Immerhin ging der TL 4200 hier im Halblicht ab. Als wir zum Bus zurückkehrten, gab es erstmal einen Schreck: Der Fahrer lag zusammen mit einem anderen unter dem Fahrzeug und war am schrauben. Mehr Schaden als ölige Hände, gegen die die Erfrischungstücher vom Restaurant Garden halfen, hatte es aber offenbar nicht gegeben.

Prost Peja! Auf Wiedersehen heute Abend im Glas!

Über die Straße ging es durch wirklich schöne Landschaften und weite Ausblicke auf das Gebirge zurück nach Drenas. Was für wunderschöne Seiten hat dieses Land, wenn man mal dem Ballungsraum ums Amselfeld verlassen hat! Bei einem kleinen Dorf-Aldi-Markt (echt jetzt!) hielten wir an. Der Junge, der den Laden schmiss, beriet mich so nett bei der Eisauswahl (auch wenn ich ihn nicht verstand), dass ich die 25 Ct für das Eis auf 50 Ct aufrundete. Ich weiß allerdings nicht, ob das gut ist oder ob man den Stolz der Leute verletzt. Bei einem Erwachsenen hätte ich es vielleicht nicht gemacht. Jedenfalls schien sich der Junge zu freuen und bedankte sich höflich. Doch Klaus, der nach mir im Laden war, sollte dann plötzlich nichts für sein Eis bezahlen. Hmmm...

Ein kleiner Aldi-Markt irgendwo an der Landstraße zwischen Pejë und Drenas. Davor steht unser Kleinbus.

In Drenas rangierte gerade die NOHAB 008 im Bahnhof. Sie stellte leere Erz- und leere Kohlewagen zusammen und machte sich bald in Richtung Bardh auf. Leider hatten sich die Gruppenteilnehmer im ganzen Bahnhof verteilt, so dass an eine rechtzeitige Abfahrt zu einem Streckenmotiv nicht zu denken war. Ich sah's allerdings leidenschaftslos, denn wirklich Licht gab es eh nicht. Wobei - als wir dann in das Dritan-Valley rübergefahren waren, das wir nun kurz hinterm Zug durchfuhren, gab es plötzlich ganz schön viele beschienene Flächen.

Den Zug holten wir in Bardh ein, wo eine Diskusion darüber losging, ob man mal schauen sollte, was jetzt passiert (denn der Zug musste ja wenigstens getrennt werden), oder ob man gleich zur Minen-Anschlussbahn fährt. Zwei Stimmen für Nachschauen setzten sich durch. Als sie am Zug waren, fuhr der Zug Richtung Anschlussbahn ab. Unser Busfahrer gab nun alles, damit wir den Zug von der Schnellstraßenbrücke aus machen konnten. Oben durfte er nicht halten. Aber der Zug kam schon und so musste er uns doch notgedrungen schnell rauslassen. So kam man noch zu einem Notschuss. Übrigens hatte ihn natürlich sogleich die Polizei am Wickel, doch die Ausrede "Verrückte Touristen, die bringen Geld ins Land!" zieht hier offenbar sehr gut.

Nach diesem Bild, das bestenfalls mit einer "gewissen Helligkeit" abgegangen war, liefen wir runter zum Brückenende. Dort wartete unser Kleinbus. Wir verfolgten den Zug jetzt bis in die Mine. Unser Busfahrer, der bis jetzt unsere abgefahrenen Wünsche mit aller Gelassenheit und viel Humor ertragen hatte, war von der Verfolgung nicht mehr ganz so begeistert.

Bei der im Schritttempo stattfindenden Einfahrt kam sogar die Sonne einigermaßen raus. Es gab die Lok vor und nach dem Umlaufen. Danach fuhren wir wieder ein Stück an das Anschlussgleis raus. Der Bus fand eine Haltegelegenheit an einem Platz, wo ein Autowäscher seinem Geschäft nachging. Nun standen wir auf seinem Waschplatz. Das ging natürlich nicht ohne Wäsche. Klaus drückte dem Mann fünf Euro in die Hand. Dafür bekamen wir einen innen und außen perfekt gereinigten Bus, während wir auf die Ausfahrt des Zuges aus der Mine warteten.

Im Schritttempo erreicht der Güterzug den Ladeplatz des Erz-Tagebaus.

Die Ausfahrt ging leider ohne Sonne ab, obwohl sich am Himmel immer wieder blaue Stellen zeigten. Der Himmel war nicht mehr wirklich klar; die Skandinavienzeit ist offenbar vorbei. Nach der Ausfahrt ging es hoch wahlweise zum Felseinschnitt "Alte Frau" oder ( u.a. für mich) zum Haltepunkt Dritan. Ein blaues Feld war nicht mehr wirklich weit von der Sonne entfernt. Es wurde laaaangsam immer heller. Aber gaaanz langsam. Zum Ferronickel-Zug schien die Sonne allerdings noch nicht wirklich. Zwanzig Minuten später stand noch der Personenzug an. Mit diesem hatten wir immerhin leichtes Sonnenlicht.

Der Personenzug in Dritan.

Als der Bus von der "Alten Frau" bei uns angekommen war, wollten wir eigentlich nach Drenas weiter. Doch da hatten wir die Rechnung ohne den Busfahrer gemacht. Wir wären doch heute schon zweimal in Drenas gewesen, er sei müde und wolle nicht mehr und überhaupt... Wir konnten ihm nichtmal Unrecht geben. Für ihn waren die bisherigen Tage nicht weniger lang als unsere gewesen - und er musste die ganze Zeit fahren. In Deutschland wäre diese geballte Lenkzeit wie heute sicherlich undenkbar gewesen. Wir wären leichtsinnig gewesen, wenn wir ihn zum weiterfahren genötigt hätten. Im Falle eines Falles hätte die Tachoscheibe (ja, die wurde von ihm penibel geführt!) ihn auch noch belastet.

So fuhren wir also nicht zum Werk, sondern gleich nach hause. Wir ließen uns am Hotel absetzen, wo wir dem Fahrer nochmal versicherten, dass wir ihm nicht böse seien. Das ganze hätte eben organisatorisch geregelt werden müssen. Nach einigem Hin und Her verabredeten wir uns für 20 nach 6, um mit dem Bus zum Restaurant Garden zu fahren. Wir stellten uns dann auch an die Straße. Zunächst hielten eine Taxe mit einer 1 in der Windschutzscheibe und zwei PKWs ohne "1" an und gabelten Leute auf. Klaus und zwei Niederländer stiegen in so ein Auto ein. Wir anderen warteten auf einen Bus. Währenddessen kamen wir mit einem Einheimischen ins Gespräch, der seinen kleinen Sohn auf dem Arm trug. Dieser bekam von vorüberkommenden Kindern paar Chips zugesteckt. Bei uns undenkbar... Der Einheimische meinte jedenfalls, dass man von den haltenden Autos lieber die Finger lassen sollte, da die oft zu viel verlangen.

Irgendwann tauchte ein Bus auf - so vom Typ Kässbohrer Überlandbus. Der war schön leer und auch ganz bequem. Während der Fahrt rief Michael vom Restaurant aus an, dass dieses ganz und gar durch einen Empfang des italienischen Botschafters in Beschlag genommen worden sei und wir dort nicht hin könnten. Wir warteten an der Ziel-Haltestelle am Hp Shkole Ekonomike auf ihn und andere Gruppenteilnehmer und beschlossen zusammen, wieder mit Bus Linie 1 zurückzufahren.

Es tauchte ein schweizer Postbus als Linie 1 auf. Der Bus war gut besetzt, so dass wir im hinteren Türraum stehen blieben. Klaus fing an, den ganzen Bus zu unterhalten, indem er dem Schaffner erklären wollte, er müsse in einem schweizer Postbus auch Fränkli annehmen. Der verstand jedoch kein Wort. Jeder Einsteigende wurde von Klaus laut im schweizer Postbus Willkommen geheißen und man solle schon mal sein Halbtaxabo bereit halten. Kaum zu glauben - dazu fiel den ansonsten ja eher kommunikativen Kosovaren auch nichts weiter ein, als über den "Verrückten" zu lachen.

Leider hatten wir gerade die Linie 1 erwischt, die in Richtung Bardh weiterfuhr. Andere Einser fahren nämlich direkt zum Bf Fushë Kosovë und enden dort. Das wäre fürs Aviano2 günstiger gewesen. Der Schaffner fragte extra, wo wir hinwollten, und ob ins Aviano (dort wäre er nämlich langgekommen) oder ins Aviano2. Entsprechend mussten wir am großen Kreisel schon aussteigen. Das Essen war mal wieder lecker. Ich nahm nochmal den gemischten Grillteller und vorher einen Albanischen Salat. Der unterschied sich zum griechischen Salat nur dadurch, dass der Schafskäse in Streifen und nicht in Stücken geliefert wurde.

Als wir fertig waren, es langsam kühler wurde und wir gezahlt hatten, fuhr zufällig gerade ein Einser zum Bahnhof vorbei. Wir gleich hinterher und in der Nähe des Bahnhofs eingestiegen. Diesmal handelte es sich um einen Luzerner Stadtbus - jedenfalls war laut Streckenplan ein Umstieg in die Pilatus-Seilbahn möglich. Bei der Klärung des Wohin mit dem Schaffner erbot sich sofort ein anderer Fahrgast zum Übersetzen. Zurück im Hotel, wo ich diese Nacht ja Einzelzimmer hatte, war es zum Glück mal nicht ganz so spät wie an vorangegangenen Tagen.

Donnerstag, 03.06.2010: Fushë Kosovë - Kaçanik - Fushë Kosovë

Es war schön, dass man sich für das Frühstück Zeit lassen konnte. Mit unserem Busfahrer waren wohl inzwischen einige klärende und beschwichtigende Gespräche geführt worden, so dass er mit nur wenigen Minuten Verspätung erschien. Als erstes ging es aber nur paar hundert Meter weiter an die Zapfsäule. Ob wir wohl den südfahrenden Skopje-IC noch bekommen würden? An der Tanke lief so ein Werbe-Monitor. Gerade als wir angekommen waren, fuhren Rundnasen durch das Bild! Werbung für die kosovarische Eisenbahn. Da waren einige Aufnahmen aus dem Gbf Miradi dabei. Die waren so gekonnt aufgenommen, dass man von den langen Reihen abgestellter Güterzugwagen gar nichts sah, bzw dass die Wagen einfach wie modern aussahen. Selbst die Stellwerksruine im Hintergrund wirkte seriös, als ob dort der alles überblickende Chef sitzen würde.

Dann ging es auf der Hauptstraße nach Süden, vorbei an vielen Polizeikontrollen. Diese ließen uns aber unbehelligt. Der Morgen war übrigens recht sonnig gewesen. Vor Lipjan tauchten wir erstmal in Nebelbänke ein, die sich aber weiter südlich genau so schnell verzogen wie sie gekommen waren. Unser Wunschziel war Kaçanik, wo man angeblich den Zug schön im Bahnhof mit Blick über den Fluss machen können sollte. Doch die Stützmauer auf Bahnseite war so zugebuscht, dass das gar nicht so gut möglich war. Erst lief ich deshalb Richtung Kalkwerk. Ich meinte mich an einen schönen Blick von oben erinnern zu können. Doch vom Stadtrand aus sah alles sehr zugewuchert aus. Deshalb schnell zurück zum Bahnhof, wo ich eine nette, aber simple Stationsaufnahme von IC 891 hinbekam.

IC nach Skopje im Bahnhof Kaçanik.

Nachdem wir uns alle wieder laaangsam gesammelt hatten, ging es weiter nach Hani, wo auch ordentlich Haniblue vorhanden war. Ein Güterzug und die IC-Wagen standen im Bahnhof. Der Mazedonier war aber noch nicht da. Bald war er jedoch zu hören. Wir konnten einen einfahrenden Zug mit Import-Erz von der Bahnhofsbrücke aus fotografieren. Ein Bettler kam vorbei und tatschte uns an und wollte uns unbedingt die Hand geben. Erst nach dem Handschlag stellte ich fest, dass er an der Hand ziemlichen Hautausschlag hatte. Ich wusch meine Hand hinterher erstmal mit Mineralwasser und rieb sie kräftig an meiner Hose ab. Vor Klaus, der neben mir stand, kniete der Typ sogar nieder und faselte was von "Allah akbar". Ja ja, Gott mag ja groß sein, aber deshalb muss man ja nicht vor Klaus niederknien. Wir gaben nichts. Allerdings möchte ich betonen, dass das sicher kein "richtiger" Kosovare war, denn die betteln nicht. Haben wir jedenfalls sonst nie erlebt.

Weiterfahrt des IC aus dem Bahnhof Hani i Elezit, nunmehr bespannt mit einer 661 der mazedonischen Eisenbahn MZ.

Von der Ausfahrt des Mazedoniers und von der rangierenden Rundnas' 8 bekamen wir an der Südausfahrt noch ganz hübsche Bilder hin. Die bisherige Tendenz setzte sich fort: Bahnhofsaufnahmen klappen, Streckenaufnahmen sind schwierig. Das sollten wir auch im folgenden erleben. Das "Programm" sah so aus: Ein Güterzug musste mit der 9 (Vossloh G1700) runter kommen. Die 9 sollte sich dann sofort vor den nordfahrenden Güterzug setzen und diesen mit Nachschubhilfe durch die 8 hochfahren. Der Nachschub sollte nur bis Kaçanik gehen. Nachdem wir unsere Einkäufe erledigt hatten, wollten wir mal in der Schlucht einen Platz aufsuchen und fanden den auch am Straßenrand, wo wir auf einem kleinen Feldherrenhügel ausharrten, um zunächst den Südfahrer mit der G1700 zu erwarten. Aber der ließ auf sich warten. Nun ja, vorgestern war er ja auch deutlich später gekommen.

Die 008 hat sich schon mal hinter den nordfahrenden Erzzug gesetzt, um diesen bis Kaçanik nachzuschieben. Die Zuglok ist aber noch nicht da.

Die Wolken sorgten wie immer für Spannung. Gute Chance auf Sonne war allerdings vorhanden. Was war das? Plötzlich ertönten Zuggeräusche von unten! Na super! Da hatten wir den Südfahrer verpasst und jetzt tauchte schon der Erdzug von Hani mit der 9 voerneweg und der 8 hinten auf! Natürlich war auch gerade kein rechtes Licht gewesen. Wir warteten noch auf die rückkehrende Schiebelok, die sogar volle Sonne hatte - wenn auch kaum noch auf der Seite. Eigentlich hätten wir um 11 am Bus sein müssen, doch wie wir bald erkannten, hatte der andere Probleme. Der Bus stand auf der alten Straße, die um einen neueren Straßentunnel herum führte. Und auf dieser abgelegenen Straße stand nun noch ein anderes Auto vor unserem Bus: Ein Polizeiwagen! Man hatte das wohl sehr verdächtig gefunden, dass da eine Fotografenhorde gleich neben der Straße stand und offensichtlich auf etwas wartete. Es wurden gerade die Pässe aller Anwesenden einkassiert und überprüft. Bei uns verzichtete man dann aber darauf. Natürlich gab es noch allgemeines Palaver hinterher; der Balkanier hat ja immer so schrecklich viel zu erzählen...

Blick in das Tal südlich von Kaçanik.

Jedenfalls kamen wir irgendwann doch los und fuhren nach Stagove. Von dort konnte man nach kurzem Fußweg zu einem schönen Motiv, das wir noch von einem Fotohalt im letzten Jahr kannten, gelangen. Ich hätte mir das Hinkommen zu der Stelle immer viel schwieriger vorgestellt... Man hatte dort imposante Bergkulisse mit einer schwarzen Wolkenwand. Der Vordergrund war die ganze Zeit in der Sonne, bis - ja, eigentlich genau bis der TL 890 kam. Mal wieder blöd' gelaufen, war ja auch ein Streckenmotiv. Mit den Niederländern zusammen blieb ich noch sitzen und schrieb am Bericht weiter. Mein "Sitznachbar" las derweil in seiner Drehscheibe - ja, so muss das gehen! Zwischendurch ging ein kurzer Regenschauer runter, aber danach lockerte es schon wieder ganz nett auf. Wir hofften noch darauf, dass der zweite Teil des Güterzuges von irgendjemandem unten abgeholt wird.

So richtig leuchtet die Sonne nur ein Hügelrücken weiter. Trotzdem wirkte die Szene doch ganz schön hell beleuchtet, als TL 890 durchkam.

Das Licht war aber bald völlig rum, so dass zumindest ich wieder in Richtung Ort zurück lief. Das war das Zeichen für die Lz, auf der Bildfläche zu erscheinen. Die G1700 kam wieder runter gebrettert. Ich habe zwar schnell das Tunnelportal erklommen, aber es nützte eh nichts, denn die Lok kam ohne Licht. Nun gemütlich zurück zum Ort gegangen. Unser Bus war dick umlagert von einer Kinderschaar. Von unserem Besuch wird man sich in Stagove sicherlich noch in Jahren erzählen. Klaus und Michael waren die einzigen von unserer Gruppe, die sich zwischen den Kindern aufhielten. Den Kindern hatte man inzwischen einen ganzen Karton voll Eis spendiert. Ich schaute mal auf die andere Seite des Ortes, wo die anderen angeblich auch hin sein sollten.

Unser Busfahrer unterhält sich mit einem 85-jährigen Bauern, der die traditionelle Queleshe auf dem Kopf trägt.

Auf einem Feldweg konnte man entlang des Gleises bis zum Eingang einer Schlucht gehen. Von oben schaute ich mir die Vorbeifahrt des abwärts fahrenden Bummelzuges an. Der Himmel hatte leider gerade völlig zugemacht, deshalb verzichtete ich auf ein Bild. Zurück am Bus, der noch immer von einer Kinderschaar umlagert war und wo man mit einem 85jährigen Bauern, der auch so eine beige Haube auf dem Kopf hatte, im Gespräch war, kam bald die G1700 mit dem nächsten Güterzug aufwärts durch. Das Licht kam leider erst danach raus. Dann aber wieder großflächiger. Wir mussten noch auf einige Nachzügler warten. Und wie wir so da warteten und ich gerade vom Bahnsteig unseren Bus fotografieren wollte, kam es völlig unerwartet von oben angesäuselt. Die G1700 hatte noch mehr von Hani zu holen, hatte ihre Wagen in Gurëz stehen lassen und fuhr wieder Lz runter. Ich konnte noch einen Nachschuss mit unserem Bus machen.

Die Lz rollt durch Stagove.

Michael brachte in Erfahrung, dass unten ein weiterer Zug mit dieser Erdpampe angekommen sei (es handelt sich dabei angeblich um irgendein Erz, sah aus wie das Nickelzeugs aus Golesch, vielleicht verbraucht Drenas momentan mehr als Golesch abbauen kann). Die Fuhre sollte in Kürze mit der G1700 und der 007 als Nachschub hochkommen. Auch wenn ich gern die G1700 frontal am Haltepunkt mit der netten Dorfkulisse gemacht hätte, so lockte natürlich ein Nachschuss mit Blick von oben - ein Motiv, das wir als Bild mit einem Militärzug irgendwo schon gesehen hatten. Wir fuhren im strahlenden Sonnenschein mit dem Bus hoch. Das letzte Stück war Erdpiste - da traute sich unser Fahrer erst nicht hin, so dass wir zu fuß den Weg langhetzten.

Am Ende gab es verschiedene mögliche Standpunkte. Der Ausblick war einfach klasse. Ich wählte einen Standpunkt an einer Hofzufahrt. Natürlich kam wieder jemand mit rudimentären Deutschkenntnissen zum quatschen vorbei. Und wieder mal war es schwierig, das Tun zu erklären. Bald kam der Zug, natürlich nur wieder mit der "gewissen Helligkeit", aber nicht mit Sonne. Scheiße!!! Warum klappen gerade die Streckenaufnahmen in diesem Land (fast) nie? Frustriert zum Bus hochgegangen, der freundlicherweise doch bis zum Ende des Weges an einem ex-Steinbruch nachgekommen war. Es zog sich bald auch wieder geschlossen zu, so dass ich die Motivation der anderen zu einer Verfolgung des Zuges nicht im Ansatz teilen konnte. Einer rief sogar noch Mustafa, unsereren HK-Kontaktmann an, dass der Zug, der in Gurëz rangieren musste, doch bitte auf uns warten solle. Tat er aber nicht - wozu auch?

Blick von oben auf Stagove mit dem nachgeschobenen Güterzug.

Einige wollten nun wenigstens nördl Gurëz noch die zurückkehrende Lok haben. Die meisten stiegen aber wegen Nicht-Wetters gar nicht mehr aus. Irgendwie machte sich eine gewisse Müdigkeit breit. Natürlich trat auch der Kommunikationskosovare vom Dienst auf den Plan. Diesmal war es ein Mann, der unbedingt von seiner deutschen Frau aus Annaberg-Buchholz erzählen musste, mit der er in Freiberg einen gemeinsamen Sohn hat. Er sei, nachdem die Serben seine Brüder getötet hätten, aber wieder in den Kosovo zurückgekehrt, weil seine Mutter ja sonst niemanden hätte.

Die Lok kam nicht, und die Weiterfahrt nach Pristinë und Fushë Kosovë verschlief ich größtenteils. Der große Kreisverkehr in Pristinë war die Show. Nur mit Augenkontakt und Gesten regelte sich hier der Verkehr, bei dem sich praktisch die Verkehre zweier mehrspuriger Straßen kreuzten. Für ein knappes Stündchen gingen wir ins Hotel, dann fuhren wir nochmal mit einem Einser zum Restaurant Garden, wo ich wieder Calv Skanderbeg nahm. Die Schweizer und Nico hatten sich inzwischen auch dort eingefunden und das große Erzählen und Bilderschauen ging los.

Freitag, 04.06.2010: Fushë Kosovë - Hani i Elezit - Fushë Kosovë

Das kleine aber sehr feine Frühstücksbuffet im Hotel Igmas. Ich kann dieses Hotel nur wärmstens weiterempfehlen!

Heute Morgen wollten wir es mal wagen, dem Frühzug aus Pejë ein Stück entgegen zu fahren. Ein leicht gekürztes Frühstück war trotzdem noch drin. Um 6.30 wurden wir von Nil und Pascal abgeholt. Über der Ebene des Amselfeldes hatte sich mittlerweile Hochnebel breit gemacht. Aber sobald man in das enge Tal in Richtung Dritan einbog, gab es nur noch einzelne Nebelschwaden und ansonsten blauen Himmel. Unmittelbar vor Dritan waren es nur noch zwei Minuten bis zum Zug. In den kahlen, nebelverhangenen Hügeln sah es ein wenig nach Saltfjell aus. Und der TL 760 ging mit voller Sonne. Wir erwischten ihn daraufhin noch zweimal, aber da gab es nur falen Sonnenschein.

Der Kohletagebau unter einer partiellen Hochnebeldecke.

Könnte auch auf dem norwegischen Saltfjell sein: Morgenzug aus Pejë bei Dritan.

Jetzt hätten wir eigentlich ganz gern mit dem IC nach Shkup (Skopje) etwas gemacht. Allerdings mussten wir den auf der Straße nach Süden erstmal einholen. Der Verkehr war bis Ferizaj ganz schön dicht, aber irgendwo bei Gurëz konnten wir sicher sein, dass es klappt. Hinter Kaçanik hatten wir einen Polizeiwagen und zwei PKW vor uns. Der Polizeiwagen fuhr extrem langsam. Der erste PKW wagte es, auf der kurvigen Straße mit dauerhaft durchgezogener Linie zu überholen. Sofort schaltete der Polizeiwagen das Blaulicht ein und brachte das Auto zum stehen. Als wir vorbeifuhren, sahen wir am Steuer eine dicke, fies und grimmig dreinblickende Polizistin. Gut, dass wir nicht an erster Stelle waren... Übrigens ist das mit dem "dick" schon bemerkenswert, weil im Kosovo kaum beleibte Figuren rumlaufen. Nein, verhungert sehen die Leute hier auch nicht aus, aber ich habe noch nie so viel "Idealmaß" auf einmal gesehen. Wir fanden die Tunnelumfahrung zum parken auf Anhieb und liefen zur Abfahrtszeit Kaçanik zum von gestern bekannten Feldherrenhügel. Unten lag die Strecke immerhin schon in voller Sonne. Wir brauchten nicht lange zu warten, hatten auch keinen Wolkenschaden und der IC 891 ging gut ab.

Der IC im Nerodimka-Tal südlich Kaçanik. Nach einer Photoshop-Behandlung hat die Ostseite des mazedonischen Wagens hier mal kein Graffito.

Wir fuhren nach Hani i Elezit weiter, weil da waren wir ja noch nie. Kleiner Scherz... Aber den einfahrenden Mazedonier - wieder mal mit vielen schweren Erzwagen - konnten wir wieder mal gut von der Bahnhofsbrücke machen, dann topften wir uns um zum BÜ südlich des Bahnhofs. Dafür mussten wir auf der Hauptstraße bis an die Grenze ranfahren und gerade vor der Kontrollschranke rechts abbiegen. Am BÜ ging der internationale Zug erneut, nunmehr mit der mazedonischen Lok.

Die mazedonische Lok kommt mit Güterzug in Hani i Elezit an...

... und verlässt Kosovo mit den Personenwagen.

Nun ging es nordwärts nach Kaçanik. Wir rechneten damit, dass irgendwann der südgehende Güterzug käme. Leider quollen die Wolken gewaltig. Wir fragten mal am Bahnhof nach Freight train, Güterzug usw, uns wurden von dem sehr netten Cheffe aber immer nur die Personenzug-Zeiten genannt. Etwas ratlos zogen wir ab. Dann fiel uns ein, dass man es auf kroatisch (bloß nicht serbisch!) nochmal probieren könnte und ihm auch ein entsprechendes Foto auf der Kamera zeigen könnte. Er war keineswegs über unser Wiederkommen genervt und bot uns sogar Salzstangen an. "Teretni vlak" verstand er sofort und das Foto sagte ihm alles. In einer halben Stunde, um 10.30, sollte der Güterzug kommen. Er entschuldigte sich tausendmal, dass er uns nicht verstanden habe. Einfach nur wahnsinnig nett!

Allerdings wölkte es nun so stark zu, dass wir nach Hani zurück fuhren. Dort war das Haniblue auch noch großflächig am Himmel, die Queller bislang nur in den Bergen. Wir bauten uns an dem BÜ an der Nordeinfahrt auf. Dort fing es erstmal aus Richtung Bahnhof an zu tröten. Die 007 kam mit paar Personen- und paar Güterwagen um die Ecke und rangierte paarmal hin und her. Letztendlich setzte sie sich an das andere Ende des Güterzuges. Klar - der Erzzug musste nachgeschoben werden. Erste Wolken tauchten auf und dunkelten das Bild gelegentlich ab. Dann tauchte die G1700 mit dem Südfahrer auf. Ein Schatten auf der Strecke, die Sonne rutschte schon vom Berghang runter. Aber zu langsam. Die Lok bekam bestenfalls Halblicht, aber das Bild dürfte sich noch einigermaßen am Rechner restaurieren lassen, hoffe ich...

Der Güterzug rollt nach Hani ein. Die linke untere Bildhälfte habe ich ordentlich aufgehellt und mit Kontrasten nachversorgt, damit wenigstens eine schöne Streckenaufnahme der G1700 bei der Tour rumgekommen ist.

Nun zog es sich auch in Hani immer mehr zu. Wir wollten jetzt mal nordwärts schauen und landeten letztendlich wieder in Stagove, wo wir wieder um den Tunnel herum gingen und in Richtung Tunnelportal und Gebirge schauten. Paar blaue Flächen waren eigentlich am Himmel zu sehen, doch die waren plötzlich verschwunden. So also im Dunkeln die Vorbeifahrt der G1700 mit ihrem Güterzug beobachtet.

Wir setzten uns nun wieder auf die Hauptstraße und fuhren nordwärts. Der Himmel war mittlerweile vollständig bedeckt. Als wir am Bahnhof Fushë Kosovë ankamen, waren auch schon paar andere dort. Die HK hatte massive Lokprobleme. Nachdem die 005 gestern Abend in Pejë einen BÜ-Unfall hatte, hatte sie heute Vormittag erstmal untersucht werden müssen und sollte jetzt wieder in den Personenverkehr einscheren. Sie hatte gerade einen dieser Erzzüge den einen Kilometer vom Gbf Miradi nach Fushë Kosovë gebracht und wäre dabei fast liegengeblieben, weil sie nur noch vier von sechs Fahrmotoren hat. Deshalb war nun eine andere Lok für den Güterverkehr vorgesehen. Erst hieß es, die 008 solle einspringen, doch die Planungen wurden minütlich geändert. Letztendlich zog 661 004 mit dem Zug nach Drenas ab.

Die 005 ging auf den Personenzug nach Hani i Elezit, der mit der 007 angekommen war. Und sie sollte weiterhin Pech haben. In Lipjan hatte sie, wie wir später von Mustafa hörten, einen BÜ-Unfall mit Personenschaden. Mustafa musste hinfahren. Wir überlegten derweil, dass man ja was essen könne. Denselben Gedanken hatte die Besatzung von Michas Auto, und so setzten wir uns vor die Zentrale der Kosovarischen Eisenbahn in das Betriebsrestaurant, das auch öffentlich genutzt werden darf. Es gab einen lecker Grillteller und hinterher den traditionellen türkischen Tee aus kleinen Gläsern, der sehr lecker schmeckte. Während des Essens haben wir sogar paar Leuten aus der Chefetage die Hand geschüttelt, denn alle kannten Michael Frick. Nur die Chefsekretärin Zirafete ging nicht auf Michael zu, sondern auf Nil und Pascal, die von ihr kräftig geknuddelt wurden. Man kannte sich offenbar vom letzten Jahr noch sehr gut... Im Verlauf des Essens begannen zwei Security-Mitarbeiter, Blumenbeete im Eingangsbereich zu bepflanzen. Das sah schon lustig aus: Die beiden Kerle mit ihren Handschellen am Gürtel beim Erdumgraben.

Mit Handschellen am Gürtel werden Blumen gepflanzt...

Es hatte geheißen, dass in Obiliq noch irgendwann am Nachmittag ein Kohlezug rausgehen solle. Da oben war jetzt auch wieder etwas Blau am Himmel, so dass wir mal dorthin fuhren. Der Bahnhof war jedoch leer. Eine Nachfrage bei Cheffe ergab, dass mit dem Zug nicht vor 18 Uhr zu rechnen sei. Bis dahin hatten wir aber schon noch was anderes auf dem Zettel. So hofften wir z.B. auf einen sonnigen Nachmittag an der Drenasbahn. Es gab eine direkte Straße dorthin, die auch wieder imposante Blicke auf den Tagebau ermöglichte. Somit hatte ich die Gruben jetzt voll umrundet. Leider hingen gerade an der Drenasbahn an den schönen "Hauptmotiven" wie "Alte Frau", Dritan usw dicke Wolkenfelder in der Luft. Wir fuhren bis Drenas zum Tanken und Eis holen. Dabei wurden wir auch das einzige Mal von der Polizei rausgewunken und kontrolliert. Der Polizist war aber nett und wollte wohl in erster Linie seine Deutschkenntnisse zur Anwendung bringen.

Zum Personenzug TL 761 kam ausgerechnet am Hp Dritan die Sonne ganz kurz voll raus. Dumm war nur, dass wir eine Kurve weiter hinten standen. Pascal, der am Hp stand, konnte sich wie ein Schneekönig freuen, ich versuchte mich mit einem 300mm-Teleschuss, der aber nicht ganz scharf wurde.

Der Rest des Nachmittags war etwas freudlos. Weder in Drenas, noch im Tal, durch das erst ein Gz hoch, dann ein Gz runter kam, ging irgendwas. Damit waren nun beide 661er von Drenas weg, so dass man auch zwischen Bahnhof und Werk nicht mit Bewegungen rechnen konnte. Wir fuhren Richtung Amselfeld zurück, dessen südlicherer Teil prall in der Sonne lag. Der IC von Skopje stand bald an. Die Wolkengrenze hielt sich hartnäckig zwischen Fushë Kosovë und Lipjan, zu dessen Stadtrand wir nun fuhren. Mehr wäre zeitlich nicht drin gewesen. Am Rande eines Friedhofs fanden wir ein schönes Motiv. Die Sonne war noch ein Stück von der Wolkengrenze entfernt. Dumm nur, dass sich zur Planzeit und auch danch erstmal gar nichts tat. Wir probierten mehrere Varianten, bewarfen uns mit irgendwelchen undefinierten Früchten von einem Busch oder Grashalm-Pfeilen und bewunderten das geniale Abendlich. Dann - endlich pingelte ein naher BÜ. Die Schranken schlossen sich, der Zug kam im wunderbaren Licht. Der Tag war doch noch gut geworden, so einigermaßen jedenfalls.

Der IC aus Skopje verlässt den Bahnhof Lipjan im Abendlicht vor dunkler Bewölkung.

Das war ein schöner und würdiger Abschluss der Kosovo-Tour. Der Gegenzug, ein Y1, ging schon nicht mehr mit Sonne. Also auf zum Restaurant Garden, wo wir uns das Abendessen nochmal mit allen zusammen in der großen Runde schmecken ließen. Viele Gruppenteilnehmer hatten im Anschluss noch weiteres Programm und man gab sich gegenseitig Tipps für Rijekarampe, Bosnien oder interessante Zugverbindungen durch den Balkan nach hause. Man zeigte sich Bilder vom Angeber-Chip und Nil musste sein Angeber-Buch (eine Woche Kosovo 2009 im Sonnenschein, Auflage:1) an Mustafa abtreten. Zahlreiche Bestellungen für das Buch sind aber schon bei Nil eingegangen. Es war eine nette multinationale Truppe gewesen; mir hat es mit allen großen Spaß gemacht! Insbesondere Dank an Michael Frick für Organisation und Durchführung in gewohnt entspannter Art!

Der Abschied von Nico war schon kurios. Abends lagen wir in den Betten, und man wünschte sich nicht nur gute Nacht, sondern auch gute Reise. Dann schliefen wir ein. Nico hatte nicht unbedingt Lust, morgen früh um 4.30 Abschied zu nehmen...

Nun ist Halbzeit der Reise. Und damit verbunden ein doch nicht ganz unbeträchtlicher Themenwechsel. Ohne Gruppe wird es weitergehen in eine für mich vollkommen neue Gegend Kroatiens (nur kurz) und nach Bosnien-Herzegowina, wo ich (abgesehen von einem Kurzbesuch in Bihac) noch nie war. Es gab jede Menge zu entdecken und wurde von daher eine spannende Sache. Hinzu kommt ein totaler Wetterwechsel. Nach einer Woche mit 90% Wolken und eher skandinavischen Temperaturen waren für die nächste Woche Sonne pur und hochsommerliche Temperaturen angekündigt.

Fortsetzung

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