Eine Fahrt mit dem "Dagtog" der Nordlandsbahn

Copyright by Jan-Geert Lukner

Eine Bahnstrecke von 726 km Länge bietet sich natürlich geradezu an, im Nachtsprung erledigt zu werden. Doch eine Fahrt mit "Nordlandsbanens Dagtog", dem Tageszug, wird nicht langweilig, da die Strecke von Fjord bis Fjell alles zu bieten hat.

Nachdem ich eine Woche lang im Süden Norwegens fotografische Jagd auf die urigen Altbautriebwagen Bm 68 unternommen hatte (bei schönem Wetter), zog es mich nun doch trotz ständig mieser Wettervorhersagen für Nordland zur Nordlandsbahn, um nochmal die alten Di 3 zu erleben.

Hier mein Reiseprotokoll der Fahrt mit Dt 471 Trondheim - Fauske (-Bodö) am DI, 25.08.1998:

Im Bahnsteigtunnel von Trondheim fällt mir eine Werbevitrine von NSB-Cargo mit einem Modellgüterzug auf. Zuglok ist eine deutsche 120 mit NSB-Keks. Macht ja nix...

Zuglok meines Zuges ist auch eine deutsche Produktion: Die von Henschel in Kassel hergestellte Di 4, eine imposante Erscheinung, gegen die unsere 218 wie Rangierloks wirken. Ganze 5 Stück davon hat die NSB. Bei der aktuellen Di 6-Misere viel zu wenig. Die Wagenreihung: Ein Hvilestolvogn (s.u.), ein Cafeteriawagen, ein Wagen mit Rollstuhlmöglichkeiten, unbequemen 2.Kl.-Abteilen und Dienstabteil, ein "Barnetog"-Wagen (Kinderspielwagen mit Außenwerbung für den an der Bahn gelegenen Freizeitpark Namsskogan), zwei der alten bequemen 2.Kl.-Großraumwagen und ein Packwagen.

Meine 1.Kl.-Reservierung weist mich zum Hvilestolvogn, bei dem es sich um den Liegesitzwagen des Nachtzuges handelt (an den Endstationen wendet Nacht- auf Tageszug und umgekehrt; lediglich die Schlafwagen werden ergänzt/entfernt). Für Nachtfahrten erscheint mir dieser neu im Stil historischer Luxuszüge (viel Holz, gediegene Atmosphäre) eingerichtete Wagen gut geeignet. Ich war jedoch zunächst etwas von den vielen Vorhängen erschlagen. Zwischen den Sitzen der 2 zu 1-Bestuhlung sowie zu Fenstern und Gang hingen überall Vorhänge ! So muß kein Reisender unter der Leselampe des Nachbarn leiden. Doch am Tage... Ich setzte mich jedenfalls in eine nicht für mich reservierte Vierersitzgruppe und zog in der näheren Umgebung erstmal die Vorhänge so weit wie möglich zur Seite. Bischen was sehen wollte ich nämlich schon... Die gegenüberliegenden Sitze waren leider zu weit weg zum Füße-Hochlegen, doch der Teppichboden ermöglichte schuhfreies Umherlaufen.

Pünktlich um 8.32 Uhr setzte der Dt 471 sich in Bewegung. Bei der Kartenkontrolle meinte der Zugführer nur, daß der Kaffee und Tee (riesige Thermoskannen in jedem NSB-1.Kl.-Wagen zur kostenlosen Benutzung) wohl für mich reichen würde. Zwischen all den Gardinen saß außer mir nämlich keine Menschenseele...

Zunächst ging es immer nahe am Trondheimsfjord entlang. Meinen Bildfahrplan hatte ich mittlerweile auf dem Nachbarsitz ausgebreitet. Demnach sollten wir bereits nach kurzer Fahrt in Vikhamar mit dem Güterzug 5792 kreuzen. In Di3 - Gier aus dem Fenster geschaut, doch wir brausten ohne Kreuzung durch den Bahnhof. Dafür gingen wir in Hommelvik an die Seite, wo nach fünf Minuten ein Triebwagen der Trönderbahn (Bm 92, eine Art 628 mit schwarzer Front) entgegenkam.

Am neuen Flughafen-Hp Vaernes sagenhafter Fahrgastwechsel: 1 rein, 0 raus. In Skatval standen wir dann plötzlich mitten auf der Einfahrweiche. Das hing jedoch nicht etwa mit einem Di 3-geführten Gegenzug zusammen (der 5792 fehlte immer noch), sondern mit unserer Lok. Ging aber schnell weiter. Als wir dann mal wieder standen - es goß gerade in Strömen - sah ich hinter einer Bucht des Fjordes eine lange Container-Kette. Und davor - GIER!!! - zwei Di 3. Aus dem Fenster paar Regenbilder für die Ausschußkiste gemacht. Nachdem wir hier in Langstein eine Weile vor dem Einfahrsignal gestanden hatten, ging`s bei Rotlicht in den Bahnhof (wahrscheinlich gab`s über Funk die Weisung vom Fernsteuer-Fdl "Kannst reinkommen"). Im Bahnhof wieder Halt. Das war auch besser so: Gt 5792 war ca 500m lang, das Langsteiner Ausweichgleis jedoch nur 317m. Wegen des fehlenden Durchrutschweges hatten wir also keine signalisierte Einfahrt bekommen können. Nach dieser Kreuzung hatten wir +8 und der 5792 +104.

Durch einen eingesparten Kreuzungsaufenthalt in Ronglan sank unsere Verspätung auf +5. Nun nach einem Frühstück (zwei Mini-Baguettes aus dem Cafewagen für 17 DM... Ich hatte Hunger...) zur kostenlosen Zeitung gegriffen. Dazwischen lagen Prospekte von norwegischen Museumsbahnen ! Die vier Minuten Aufenthalt in Steinkjer brauchten wir voll und ganz; ich konnte heftige Ladearbeiten am Packwagen erkennen. Sogar irgendwelche eingetopften Minibäume wollten mitfahren. Hier in Steinkjer endet der Regionalverkehr der NSB-Trönderbahn. Der Abstand der Ausweichen (bisher max. 10 km) wächst nun auf z.T. weit über 20 km. Einige Bahnhöfe sind zurückgebaut, wie z.B. Jörstad, wo eine Omma auf dem übriggebliebenen 50m-Holzbahnsteig wartet (die vom EBA würden bei der Bahnsteiglänge wohl einen Herzinfarkt bekommen...). Das EG ist verrammelt.

Den Trondheimsfjord haben wir nun verlassen und die Strecke windet sich durch wilde Täler hoch ins Gebirge. In Linkskurven öffnet sich die Schiebetür zur Lok, der volle Sound des kräftigen Diesels strömt herein. Plötzlich stelle ich fest, daß paar Sitzreihen hinter mir jemand sitzt. Ein Mann mit einem großen schwarzen Bart. Und mir wird bewußt, daß mein Gardinenwagen die ideale Kulisse für einen Gruselfilm abgeben könnte...

In Grong kamen wir mit nur noch +2 an. Der Gegenzug Rt 478 von Mo nach Trondheim stand bereits am Bahnsteig. Drei Wagen und davor eine --- Di3 !!! Hätte ich gewußt, daß beide Züge noch fünf Minuten friedlich nebeneinander stehen würden, wäre ich natürlich mal zwecks Foto ausgestiegen. Ein Gabelstapler lädt jedenfalls eifrig Paletten aus dem Packwagen und die eingetopften Bäume steigen auch wieder aus. Wir verlassen den Bahnhof um 11.52 Uhr mit +8. Grong war der vorerst letzte Bahnhof mit Ausfahrsignalen. Einen Streckenblock gibt es nun nicht mehr und die Weichen in den folgenden Bahnhöfen (mit Ausnahmen) werden ortsgestellt.

Wir folgen dem Namdal, einem weiten Waldtal mit reißendem Fluß, in erhöhter Position mit herrlichen Ausblicken auf unberührte Natur aufwärts. Ständiger Wechsel von dicken Regenwolken und sonnigen Abschnitten verleihen der Landschaft eine besondere Mystik. Der nächste Bahnhof ist Lassemoen. Es gießt gerade mal wieder, so daß der Fahrdienstleiter mit seinen Utensilien unterm Arm total durchnäßt wird. Zunächst schwenkt er die grüne Flagge. Dies ist das herkömmliche Zeichen "Ausfahrt frei". Dann kommt allerdings noch die in Norwegen neu eingeführte grün/weiße Scheibe, die seit letztem (?) Jahr bei allen Bahnhöfen ohne Asig oder mit Gruppen-Ausfahrsignalen dem Tf erst die Weiterfahrt erlaubt. Dies betrifft gerade größere Bahnhöfe, die nicht ferngesteuert sind. Der Fdl oder die Aufsicht (die dadurch z.T. wieder neu eingeführt werden mußte) zeigt dem Tf die Scheibe, der Tf knipst daraufhin ein neuerdings an allen Tfz seitlich angebrachtes gelbes Blinklicht an, was dem Zugführer die Abfahrbereitschaft signalisiert.

In Brekkvasselv, einem Bedarfshalt, steht ein Mann auf dem Bahnsteig; doch kurz vor dem Stillstand beschleunigt der Zug wieder. Ein klärender Blick aus dem Fenster läßt erkennen, wie sich der Mann gerade nach den aus dem Zug geworfenen Zeitungen bückt. An den nächsten Bahnhöfen Namsskogan und Majavatn begnügen sich die Fahrdienstleiter mit dem Zeigen der grün/weißen Scheibe. Wozu sollen sie auch Zsig und Gruppen-Asig in Personalunion spielen...

Hinter Majavatn (319m) passiert die Nordlandsbahn einen ersten Scheitelpunkt und führt durch das Svenningdal wieder dem Meer entgegen. Das Tal ist etwas enger, weiter unten geht es teilweise direkt am reißenden Fluß entlang. In Trofors steigen vor der Kulisse eines Holz-EGs, eines alten Ladekrans und schneebedeckter Bergspitzen ein Mann und zwei Dackel aus. Der Örtliche kommt mit einer Schubkarre raus, in der ein Päckchen und die grün/weiße Scheibe liegen...

Vor Kvalfors scheint mal wieder die Sonne und wir fahren neben der spiegelglatten Oberfläche des Flusses entlang. Vor uns eine Regenwand, plötzlich auch ein Regenbogen. Der Fluß stürzt sich auf einmal mit einer Wahnsinns-Gischt in die Tiefe und wir verschwinden in einem Tunnel. Dahinter steuern wir geradewegs auf den Regenbogen zu. Gerade meine ich, um eine Schüssel voller Gold reicher geworden zu sein, da weicht der Regenbogen zurück und wandert quasi vor uns her. Dann werden wir vom Regen verschluckt.

Planmäßig erreichen wir Mosjøen [Muschön], das wir um 14.12 Uhr wegen des örtlichen Gabelstaplers mit +2 und mit neuem Zugpersonal verlassen. Herrliche Ausblicke auf den Vefsnfjord, doch mich überkommt eine gewisse Müdigkeit. Leider gibt es keine eintönigen Schlafabschnitte; also falle ich zum soundsovielten Male über die Kaffeekanne her. Nach Querung eines Landrückens gelangt die Bahn an den Ranafjord.

In Bjerka gibt es dann die planmäßige Kreuzung mit dem Gegen-Tageszug Dt 472. Die vier Minuten Aufenthalt gehen exakt planmäßig über die Bühne, so daß ich Gelegenheit für ein Foto habe (gerade schien mal wieder die Sonne). Bjerka verfügt sogar über Ausfahrsignale für jedes Gleis. Trotzdem gibt`s vom Örtlichen die grün/weiße Scheibe gezeigt. Ich kapier gar nichts mehr. Kann mir das mal bitte jemand erklären?

Die Eisenhüttenstadt Mo i Rana erreichen wir mit -2. Da können sogar die Ladearbeiten eine pünktliche Abfahrt nicht verhindern. Im Erzverladebahnhof steht der Erzpendel. Am Nordende hängt eine Di8 dran (evtl. nur als Rangierlok; die Dinger sollen angeblich nicht für diesen Erzverkehr zugelassen sein). Durch das Dunderlandsdalen fahren wir nun wieder aufwärts ins Gebirge hinein, um den höchsten Scheitelpunkt der Strecke zu erreichen. Der Betonviadukt in Örtfjell zum Erzbergwerk sieht futuristisch aus. Im Bahnhof Dunderland gibt`s zur Abwechslung mal wieder die grüne Flagge, die der Fdl. in einen Ständer gesteckt hat (so wie es früher immer gemacht wurde).

Langsam arbeitet sich die Di4 mit unserem Zug immer höher. Die Bäume werden spärlicher. Im höchsten Bahnhof der Strecke, in Bolna, steht mal wieder eine Kreuzung mit einem Güterzug an. Und tatsächlich sehe ich schon ein ganzes Stück vorher die Containerkette des Gt 5796 vor uns am Berghang stehen. Die Wolkendecke war gerade mal wieder aufgerissen ! Auf einen Sitz gestellt, weit aus dem Fenster gebeugt und die Di3 in dieser einzigartigen Gebirgsödnis abgelichtet. So soll`s sein !

Die baumlose Hochfläche rund um den Polarkreis ist immer wieder ein Erlebnis. Dazu der Wechsel zwischen tief hängenden Wolken und kurzen Aufheiterungen; rund herum die Kulisse der schneebedeckten Berge. Hinter Lönsdal folgt der längste Stations-/Blockabstand der Nordlandsbahn mit 46 km Länge. Hoch über dem Junkerdalen geht es entlang, bis dann in Rognan der Saltfjord erreicht ist. In Rognan kommt der Rt 470 Bodö - Mosjoen entgegen. Dessen Zuglok (Di3, was sonst?) wird gerade von einem Fotografen aufs Korn genommen. Noch während unserer Einfahrt zieht Rt 470 zur Ausfahrweiche vor, die nach Passieren unseres letzten Wagens vom Zugführer 470 sofort in die abzweigende Position gebracht wird.

Um 17.48 Uhr erreicht Dt 471 pünktlich Fauske, wo die Fahrt für mich zuende ist. Nach einer Ablichtung der Di4 im Abendlicht vor schwarzen Wolken fährt der Zug nach Bodö weiter.

Zu diesem Zeitpunkt wußte ich noch nicht, daß ich am nächsten Tag bei Streckenaufnahmen nahe Lönsdal völlig eingeregnet werden würde, daß ich auf meiner Rückreise nach einer siebenstündigen Busfahrt Fauske - Jörn (Schweden) auf einem Bahnsteig inmitten der endlosen schwedischen Wälder zusammen mit ca 200 Soldaten auf den Göteborger Nachtzug warten würde, daß ich wegen 40-minütiger Verspätung desselben in Göteborg meinen für 137 NOK reservierten X2000 nach Helsingborg verpassen würde und mit einem nur 30 SEK teuren Platz im nächsten IR würde Vorlieb nehmen müssen (ohne die in Norwegen gekaufte X2000-Reservierung erstattet zu bekommen).

Doch das wußte ich alles noch nicht...

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