Aktuelle Beobachtungen aus Griechenland

Stand Mai 2004
Copyright by Jan-Geert Lukner

Eine zwölftägige Reise führte uns vom 8. bis 20. Mai 2004 in den Norden des Landes an die Strecken von Thessaloniki nach Alexandroupolis und zu den Grenzbahnhöfen. An dieser Stelle möchte ich von den Dingen berichten, die vielleicht für andere Eisenbahnfreunde von Interesse sein könnten, die demnächst selbst eine Griechenland-Tour planen.

Zustand der Infrastruktur

Die Strecke Thessaloniki - Idomeni ist die einzige Strecke Griechenlands, auf der schon elektrischer Planbetrieb stattfand. Ich verwende bewusst die Vergangenheitsform, denn zur Zeit finden im Bereich von Policastro Gleisbauarbeiten statt, während derer der Verkehr über ein provisorisches nicht-elektrifiziertes Gleis umgeleitet wird. Nördlich von Policastro war die Strecke in den letzten Jahren in katastrophalem Zustand, der sogar zu Abspurungen geführt hatte. Es wurde dort nur im Schritttempo gefahren. Den Fahrplanzeiten zufolge wird auch heute dort nicht wesentlich schneller gefahren und der Gleisumbau wird wohl auch irgendwann diesen Abschnitt erreichen.

Das eigentliche Streckengleis geht der Vollendung entgegen (rechts). Die provisorische Umfahrung (links) dient tagsüber den Bauzügen, so dass nur in Tagesrandlage und nachts planmäßiger Zugverkehr zwischen Thessaloniki und Idomeni rollen kann.


Die Fahrleitung weist durchgehend Betonmasten auf. Obwohl einige Bahnhöfe noch örtlich besetzt waren (evtl wegen der Bauarbeiten), werden die Signale aus der Leitzentrale in Thessaloniki gesteuert. Südlich von Kastanas war die Strecke übrigens vollständig in Ordnung - auf diesem einzigen nutzbaren elektrifizierten Streckenstück Griechenlands fanden immerhin Abnahmefahrten mit den fünfgliedrigen E-Desiros für die Athener Flughafenbahn statt. Die ETs erreichten dabei bis zu 180 km/h.

Zwischen Thessaloniki und Strimon / Promachon machte die Infrastruktur einen sehr guten Eindruck. Zwar steht hier keine Fahrleitung, doch zeugen massenweise Streckenbegradigungen - z.T. über kilometerlange Neubauabschnitte - von der Bedeutung, die man dieser Strecke beimisst. Insbesondere ist die ERGOSE (quasi DB Netz in Griechenland) offenbar bemüht, alte Stahlträgerbrücken zu beseitigen. Bei Nea Filadelfia entstand eine lange Betonbrücke über den Gallikos und die interessante Brücke in Strimon über den gleichnamigen Fluss dürfte in Kürze durch eine lange Betonbrücke ersetzt werden, die nur noch auf die Anschwenkung der Gleise wartete und die den Eindruck einer regelrechten "Rennbahn" machte. Die Signalanlagen werden - abgesehen von den örtlich besetzten Bahnhöfen Kilkis und Strimon - aus Thessaloniki ferngesteuert. Die Flügelsignale deutscher Bauart stehen aber meist noch und sind nichtmal ausgekreuzt.

Die alte Brücke über den Strimon sollte noch im Mai außer Betrieb genommen werden. Das alte Vorsignal deutscher Bauart ist schon außer Betrieb - ein Stück weiter stehen Lichtsignale.


Hinter Strimon waren im weiteren Streckenverlauf bis Alexandroupolis und dann nordwärts bis Ormenio weitere kleinere Ausbaumaßnahmen erkennbar (vereinzelte Kurvenbegradigungen). Ansonsten geht es aber hier etwas beschaulicher zu. Die Bahnhöfe verfügen sämtlichst über Einfahr-Flügelsignale deutscher Bauart, sind aber nur bei Kreuzung besetzt. Grundsätzlich sind die Einfahrsignale also in Fahrtstellung (wie in Dtl bei "durchgeschalteten" Bahnhöfen) oder mit einem am Mastfuß angebrachten aufklappbaren Kreuz ungültig gemacht. Zur Kreuzung wird ein Bahnhof dann mit Fahrdienstleiter und Weichenwärter besetzt, wobei beide bei Verlegung der Kreuzung wohl ihren Bf dichtmachen und zum nächsten Bahnhof fahren müssen...

Personenzüge

Auf seinem Weg nach Athen hat ein D-Zug mit neuem Wagenmaterial gerade Thessaloniki verlassen und durcheilt den Bahnhof Sindos, in dem trotz aller Modernisierungen noch ein Schrankenposten in erhöhter Position für das gesundheitliche Wohl der Autofahrer sorgt.

Thessaloniki - Athen: In einem Intercity- und zwei D-Zug-Paaren auf der Magistrale kommen jetzt schon Garnituren aus den neuen Intercity-Wagen zum Einsatz. Ansonsten bestehen die IC nach wie vor aus den Hennigsdorfer VT-Garnituren und die D-Züge aus einem Sammelsurium aus altgrünen, rotweißen und ozeanblaubeigen D-Zug-Wagen verschiedener Bauarten. Alle lokbespannten Personenzüge werden mit ADtranz-Loks der Reihe A-471 (neu Baureihe 220) bespannt, von denen auch schon einige aus der neuen Serie im Einsatz sind. Im Nahverkehr nach Larissa und Edessa kamen die allgegenwärtigen MAN-Zweiteiler (Reihe 701) zum Einsatz.

Thessaloniki - Idomeni (- Mazedonien): Hier gibt es nur noch zwei Zugpaare. Der "Hellas-Express" von/nach Belgrad (über Nacht) bestand aus serbischen Wagen (ein Schlaf-, ein Liege- und zwei Sitzwagen), der "Olympus" von/nach Ljubljana (Thess - Belgrad über Tag) bestand aus beschmierten slowenischen Wagen (ein Liege- und drei Sitzwagen).

Thessaloniki - Alexandroupolis: Den in Strimon nach Bulgarien abzweigenden "Transbalkan" (einziger Personenzug zwischen Strimon und dem bulgarischen Kulata) haben wir nur abgestellt in Thessaloniki gesehen. Er bestand aus beschmierten bulgarischen Wagen, die von der Farbgebung der rotweißen griechischen Lackierung entsprechen. Lediglich der Schlafwagen war vollständig rot (was auch dem griechischen Farbkonzept entspricht). Zwischen Thessaloniki und Serres gibt es Nahverkehr mit MAN (zweimal täglich, zusätzlich ein GTW-Paar bis Rhodopolis). Über Serres hinaus fahren nur ICs (die entsprechenden VTs) und lokbespannte D-Züge aus dem bunten Sammelsurium mit ADtranz-Lok. Leider haben die alten Schnellzugwagen ein erhebliches Graffity-Problem. Ein D-Zug führte zudem 1-2 gedeckte Autotransport-Wagen mit, die in der neuesten OSE-Farbgebung (die der neuen IC-Wagen) gehalten waren.

Beim Fotografieren war das Entsetzen über die beschmierten Wagen so groß, dass der Auslöser erst betätigt wurde, als die Lok schon hinter einer kleinen Grasnarbe abgetaucht war. Ein "D-Zug", bespannt mit einer ADtranz-Lok zwischen Lefkothea und Fotolivos unweit der Höhle von Alistrati. Die Landschaft ist hier von tiefen Schluchten durchzogen (u.a. hinter dem Zug).

Alexandroupolis - Svilengrad / Uzunköprü: Hier ist wieder etwas dichterer Verkehr. Zusätzlich zu den westlich Alexandroupolis fahrenden Garnituren gibt es hier Bummelzüge, die aus ADtranz-Lok und zwei (meist beschmierten) grünen Wagen bestehen. Eins dieser Bummelzug-Paare wurde aus Umlaufgründen mit IC-VT gefahren! Der türkische Zug, der einmal täglich über die Evros-Brücke in den griechischen Grenzbahnhof Pithion hineinschaut, bestand aus einem einzigen Wagen, der von einer kleinen, offenbar deutschstämmigen Mittelführerstandslok gezogen wurde.

Grundsätzlich kann angemerkt werden, dass die Züge weitestgehend recht pünktlich waren. Selbst die von uns beobachteten internationalen Züge hatten keine Verspätung. So wurde unsere Hoffnung, dass wir den "Transbalkan" (Thessaloniki an 6.46) ab einstündiger Verspätung mit Sonne fotografieren könnten, nie erfüllt. Allerdings wiesen unsere griechischen Freunde darauf hin, dass zur Sommersaison, wenn die Züge länger und voller sind, je nach Umfang der Grenzkontrollen schon mal mit einer Ankunft um die Mittagszeit gerechnet werden muss (siehe auch Heikos Reisebericht "Bulgarien 2000" (2. Teil) hier im Archiv).

Güterzüge

Im Norden von Griechenland scheint es noch etwas mehr Güterverkehr zu geben, als im Athener Raum. Einerseits gab es im Hafen von Thessaloniki Rangierarbeiten auf Anschlussgleisen zu sehen (u.a. mit Reihe 101 (vgl West-V60) in Doppeltraktion!), andererseits schlägt sich die internationale Bedeutung des Hafens von Thessaloniki auch in mehreren grenzüberschreitenden Güterzügen nieder. Von unseren griechischen Freunden wurden wir sehr gut über die Züge informiert, die für den jeweiligen Tag geplant waren. Da sich diese Infos nur auf den Beginn der jeweiligen Schicht bezogen (Lok und Personal), stand praktisch immer die ungefähre Abfahrtszeit in Thess fix, während alles weitere dann von der Streckenbelegung und etwaigen Bedienungen abhing.

Ein Doppelgespann der auch in Deutschland wohlbekannten "Ludmilla" (hier: Baureihe 07 der Bulgarischen Staatsbahn BDZ als Leihlok für Griechenland) zieht einen Güterzug mit flachen, aber schweren Coils von Thessaloniki in Richtung Strimon über die neue Brücke von Nea Filadelfia.

Auf der Magistrale Thessaloniki - Athen gab es im wesentlichen zwei bei Tageslicht verkehrende Züge. Die Bespannung oblag vorrangig den neun modernisierten MLW-Loks, die sich äußerlich im neuen Design zeigen. Die Abfahrten von Thessaloniki fanden ungefähr um 11.15 Uhr und um 17.50 Uhr statt. Zumindest in der Woche schienen diese Züge grundsätzlich zu verkehren. --- Ein Kesselwagenzug ist täglich auf der Strecke Thessaloniki - Edessa - Kozani unterwegs. Dabei befährt er auch den zur Zeit für Reisezüge gesperrten Streckenabschnitt hinter Edessa. Als Zuglok fungieren geliehene bulgarische 07, die der ehemaligen deutschen 231 entsprechen. Der Zug, der z.T. auch in Doppeltraktion fährt, verlässt Thessaloniki frühmorgens (mal um 3, mal um 6 Uhr), braucht 3-4 Stunden für den Hinweg und kommt dann irgendwann wieder zurück...

Zwischen Thessaloniki und Idomeni (- Gevgelija) haben wir sowohl 07 als auch ADtranz-Loks (Reihe 471 bzw Baureihe 220) gesehen. Wegen der Bauarbeiten ist hier eine große Zugpause zwischen den morgendlichen und den abendlichen Personenzügen gewesen. Will heißen - Züge ließen sich nur in Tagesrandlage aufnehmen. Dann aber gelegentlich im Blockabstand. Im Bauzugeinsatz konnten wir die designierte Museums-Baby-Alco A-206 erleben, die tagsüber rege im Schotterverkehr auf dem Bauabschnitt pendelte.

Ludmilla ist überall: Links ist sie im letzten Abendlicht mit einem Ganzzug unterwegs von Thessaloniki zur Mazedonischen Grenze (Idomeni - Gevgelja), rechts zieht sie den Vormittagszug von Thessaloniki nach Strimon aus dem Bahnhof Gallikos. Zur Vergrößerung bitte auf die Bilder klicken!

Auf der Strecke Thessaloniki - Alexandroupolis spielt sich im wesentlichen nur der internationale Güterverkehr von/nach Bulgarien ab, der von Thessaloniki kommend in Strimon die Fahrtrichtung wechselt und dann nordwärts ins bulgarische Kulata rollt. Bei Tageslicht gab es die wesentlichen Leistungen um 10.00 und 16.40 ab Thessaloniki. Über die Rückleistungen konnte nur spekuliert werden: Irgendwann würde die Schicht (Lok und Personal) halt nach Ankunft in Strimon mit dem nächsten Zug aus Bulgarien retour fahren. Das konnte sofort sein, das konnte aber auch einen halben Tag später sein...

Der Bahnhof Strimon ist voll, aber nichts tut sich. Ludmilla steht schon den ganzen Vormittag vor ihrem aus Thessaloniki angebrachten Zug und die örtliche MLW hat gerade einen Zug aus Bulgarien gebracht. Anstelle sich vor den jeweils anderen Zug zu setzen und die Züge weiter zu fahren, wird erstmal gemeinsam Siesta gemacht.

Vor den Güterzügen zwischen Thess und Strimon gelangte fast ausschließlich die bulgarische 07 zum Einsatz, oft auch in Doppeltraktion. Manchmal gab es als zweite Lok allerdings auch eine MLW. Für die Strecke von Strimon ins bulgarische Kulata war grundsätzlich die "Bahnhofslok" von Strimon zuständig - eine MLW, die auf diesem Abschnitt pendelte, wenn denn ein Zug anlag. Mehrmals konnten wir um 12.30 Uhr einen Zug von Kulata in Strimon ankommen sehen. Entgegen griechischer Gepflogenheiten wurde die MLW für die paar Kilometer nicht gedreht, obwohl zumindest in Strimon ein Gleisdreieck (über den Bahnhofsvorplatz!) vorhanden war.

Auf dem landschaftlich interessanteren Streckenteil zwischen Strimon und Alexandroupolis fahren nicht nur weniger Personenzüge, sondern auch so gut wie keine Güterzüge. Konkret gibt es ein Zugpaar, das Alexandroupolis um 21.45 westwärts bzw in der Gegenrichtung Thessaloniki nach 01.00 ostwärts verlässt und für das auf den Bildblättern auch durchaus Zeiten eingetragen waren. Diese Zeiten waren für den Ostfahrer sogar ab Drama (ca 06.30 Uhr) fotografisch interessant. Einziges Problem: Es handelt sich um einen Zug, der bei uns als "Bedienungsfahrt" bezeichnet werden würde. Theoretisch konnte er auf allen Unterwegsbahnhöfen zu rangieren haben. Entsprechend war das Zeitfenster, in dem der Zug kommen konnte, auf der zweiten Streckenhälfte mehrere Stunden groß. Wir haben zweimal für drei Stunden gewartet und nichts kam. Ein anderes Mal haben wir ihn zufällig (mit viel Glück!) erwischt - mit 2-3stündiger Verspätung. Wenn dieser Bedarfs(!)zug fährt, dann mit MLW-Bespannung.

Im Jahre 1999 konnte in Alexandroupolis die örtliche Rangierlok, deren Aussehen nicht ganz unbekannt vorkommt, in Szene gesetzt werden. Im Mai 2004 pausierte die Lok exakt an derselben Stelle und wartete auf neue Aufgaben.

Etwas kalkulierbarer ist der Güterverkehr auf dem nordöstlichsten Streckenzipfel Alexandroupolis - Svilengrad (Bulgarien). In Alexandroupolis ist eine ausgeliehene Ludmilla 07, in der sich das Personal offensichtlich häuslich eingerichtet hat, eigens für die zumindest Mo-Sa verkehrende Bedienungsfahrt stationiert. Das Programm ist relativ zuverlässig und aufgrund der Zeiten auch durchaus fotografenfreundlich. Um 06.10 geht es los in Richtung Osten, später Norden, immer entlang der türkischen Grenze. Aufgrund der örtlichen Bedienungen ist es zwar schwierig, den genauen Zuglauf vorauszuberechnen, doch mit Abwägung zur sicheren Seite kann man einiges machen... Die Rückkehr ab Svilengrad soll um 12.30 Uhr stattfinden. Allerdings ist damit zu rechnen, dass der Zug - je nach Bedarf - auch mal schon in Nea Orestiada oder Dikea die Rückfahrt antritt. Abschnittsweise konnten wir eine beachtliche Zuglänge beobachten, anderntags fuhr auch mal die Lok ein Stück solo.

Für Fotografen gibt es hier allerdings ein ganz anderes Problem. Entlang der türkischen Grenze sind sehr viele Militäranlagen, für die strengstes Fotografierverbot gilt. Das Bahngleis verläuft meistens zwischen "Zivilisation" und den Evros-Wiesen, die sich bis an den Fluss (=Grenze) erstrecken. Diese Wiesen sind zum Sperrgebiet erklärt, so dass an vielen BÜs entsprechende Schilder "Prohibited area" stehen. Außerdem gibt es natürlich massenweise Fotoverbotstafeln, die man unbedingt beachten sollte. Wir mussten die Erfahrung machen, dass auch die Bauern angehalten sind, verdächtige Subjekte zu melden und dass man auch 20km weiter von einem der zahlreichen Polizeiposten noch angehalten werden kann. Allerdings durften wir auch feststellen, dass die Polizisten sehr korrekt und sehr freundlich waren. Die Erklärung, dass wir Züge fotografieren, wurde sofort akzeptiert; wir wurden nichtmal nach einer Fotogenehmigung gefragt. Falls jemand in der Ecke tätig werden will, kann ich bei einer Polizei-Begegnung nur empfehlen, selbst sehr freundlich zu bleiben...

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